Untreue: Strafbarkeit bei Heilmittelverordnung

Eine aktuelle Entscheidung des BGH (Beschl. v. 16.08.2016 – 4 StR 163/16) verdeutlicht das Risiko des Vertragsarztes, sich im Rahmen der Heilmittelverordnung nach § 266 StGB wegen Untreue strafbar zu machen.

Der Fall

Angeklagt war ein Arzt, der als Chirurg und Durchgangsarzt eine eigene Praxis betrieb und dabei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen gewesen ist. Zusätzlich hatte eine Kooperation mit einem Ehepaar eingegangen. Dieses führte verschiedene Gesundheitszentren, in denen es u.a. Physiotherapie und Krankengymnastik anbot. Im Rahmen der Zusammenarbeit stellte der Arzt in knapp 500 Fällen Heilmittelverordnungen für physiotherapeutische Leistungen aus, obwohl eine medizinische Indikation dafür nicht bestand. Die Eheleute ließen sich von den eingeweihten Patienten die Leistungserbringung bestätigen, obwohl es niemals zu physiotherapeutischen Maßnahmen gekommen war. In der Folge rechnete das Ehepaar diese Luftleistungen bei der Krankenkasse ab.

Die Entscheidung

Der 4. Strafsenat bejahte die Strafbarkeit des Arztes wegen Untreue gemäß § 266 StGB . Im Zentrum der Entscheidung steht die Feststellung, dass den Vertragsarzt gegenüber der Krankenkasse eine Vermögensbetreuungspflicht trifft. Eine solche liegt vor, wenn der Täter in einer Beziehung zum Geschädigten steht, die eine herausragende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Dies ist der Fall, wenn die Vermögensbetreuung nicht nur eine nebenbei anfallende „Belastung“, sondern vielmehr eine Hauptpflicht des Täters darstellt (BGH, Beschl. v. 16.08.2016 – 4 StR 163/16, Rn. 9). Der BGH geht nun davon aus, dass den Vertragsarzt eine solche Hauptpflicht – und damit eine Vermögensbetreuungspflicht – trifft, da er als Leistungserbringer in der GKV ebenfalls dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 I SGB V) unterliegt. Dem wird der Arzt aber nur gerecht, wenn er Heilmittel verordnet, die medizinisch indiziert und geeignet sind, den Anspruch des Versicherten auf Heilbehandlung in einer wirtschaftlichen Weise zu konkretisieren. Der Arzt erklärt mit der Verordnung daher eigenverantwortlich, dass alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Heilmittels vorliegen. Somit können falsche Verordnungen das Vermögen der Krankenkassen beeinträchtigen. Dies ist nach Auffassung des Senates auch vorliegend der Fall gewesen, da es sich um nicht indizierte Heilbehandlungen handelte.

Der BGH hat mit der Entscheidung erneut klargestellt, dass Vertragsärzte taugliche Täter des § 266 StGB sein können. Beachtenswert ist, dass der Senat nicht die frühere und viel kritisierte Rechtsprechung bemüht, nach der sich die Vermögensbetreuungspflicht aus einer Stellung des Arztes als Vertreter der Krankenkasse ergebe. Vielmehr ist diese Pflicht nun direkt aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot und der Reichweite des vertragsärztlichen Verordnungsverhaltens hergeleitet worden (dazu auch Hoven, NJW 2016, 3213 (3214).

Praxistipp

Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung für die medizinstrafrechtliche Praxis maßgeblich sein wird, da der BGH das lang umstrittene Problem der Vermögensbetreuungspflicht auf neue Weise gelöst hat. Abzuwarten bleibt, ob sich die bisher existierenden kritischen Stimmen, die im vorliegenden Fall eine Strafbarkeit wegen Betruges als zielführender ansehen, durchsetzen. Für den in der GKV tätigen Arzt spielt dies letztlich aber keine Rolle, da das Strafmaß der Untreue und des Betruges – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren – identisch sind. Vertragsärzte sollten daher künftig noch mehr darauf achten, dass ihre Verordnungen medizinisch indiziert sind und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.

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