Zum Welt-Hämophilie-Tag am 17.04. darf nicht vergessen werden: Die Entschädigung der Opfer des Blutskandals ist nach wie vor nicht voll erreicht. An der geplanten Fortsetzung der Zahlungen müssen sich auch die verantwortlichen Pharmafirmen beteiligen.
Seit drei Jahrzehnten warten Menschen, die in den 70er- und 80er-Jahren durch kontaminierte Blutprodukte mit HIV infiziert worden sind, auf Sicherheit: Immer wieder standen die Entschädigungszahlungen in Frage – für die meisten der rund 550 Überlebenden des Blutskandals die Absicherung ihrer Existenz.
Nun hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe eine dauerhafte Lösung angekündigt: Noch in dieser Legislaturperiode soll ein Gesetzestext verabschiedet werden, der lebenslange Entschädigungszahlungen garantiert. Die finanziellen Mittel, die bislang anteilig von Bund, Ländern, involvierten Pharmafirmen und Deutschem Roten Kreuz (DRK) aufgebracht wurden, sollen künftig allein vom Bund zur Verfügung gestellt werden.
Als Verbände, die sich gemeinsam für die Rechte der Betroffenen einsetzen, freuen wir uns, dass unsere hartnäckigen Bemühungen zum Erfolg geführt haben. Auch wenn wir nach wie vor die Pharmaindustrie sowie das DRK moralisch mit in der Verantwortung sehen, begrüßen wir ausdrücklich die geplante Gesetzesänderung.
Gesundheitsschäden wachsen – Entschädigung geschrumpft
„Den Betroffenen fällt ein Stein vom Herzen“, sagt Dr. Stefanie Oestreicher, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hämophiliegesellschaft (DHG). Auch die geplante Dynamisierung der Leistungen ist erfreulich, es fehlt allerdings noch ein rückwirkender Inflationsausgleich: „Seit Errichtung der Stiftung im Jahr 1995 ist keine Erhöhung der Leistungen und somit auch kein Ausgleich des Kaufkraftverlustes erfolgt. Der entstandene Gesundheitsschaden bleibt und wird mit der Zeit immer größer – da ist es nicht tragbar, dass die Entschädigung schrumpft!“, erläutert Oestreicher.
Pharmafirmen stehen in der Pflicht
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) begrüßt die Lösung, die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vorgelegt hat, um die geschädigten Menschen endlich dauerhaft abzusichern. „Es muss nun darum gehen, dass sich auch die verantwortlichen Pharmafirmen dauerhaft mit einer angemessenen Summe an der Entschädigung beteiligten“, betont DAH-Vorstand Manuel Izdebski. „Moralische Verantwortung verjährt nicht.“
Das Bundesgesundheitsministerium verhandelt zurzeit über freiwillige Zahlungen der im HIV-Bereich engagierten Pharma-Unternehmen – bislang ohne konkretes Ergebnis. Die DAH hat die Pharmafirmen bereits im letzten Jahr in einem offenen Brief aufgefordert, ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden. „Die Zahlungen der Pharmaindustrie könnten helfen, den ausstehenden Inflationsausgleich aufzubringen“, regt Izdebski an. „Es kann nicht sein, dass der Steuerzahler alleine für die Zahlungen aufkommen muss.“
Betroffene werden immer wieder in die Opferrolle gedrängt
Auch der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität, fordert alle Verantwortlichen auf, zu ihren Pflichten zu stehen, den Betroffenen langfristig zu helfen und Entschädigungen dauerhaft und angemessen bereit zu stellen. Betroffene seien nicht nur durch die Verabreichung verunreinigter Blutprodukte zu Opfern geworden, sondern in den Folgejahren auch immer wieder mit Diskriminierung in ihrem sozialen Umfeld konfrontiert worden, zum Beispiel durch Arbeitskollegen, Bekannte oder Freunde.
„Dies bringt zusätzlich zu den gesundheitlichen Schäden Leid über die Betroffenen, und drängt sie immer wieder in die Opferrolle hinein“, sagt Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS. „Damalige Akteure und heutige Verantwortliche stehen in der Pflicht, die Opferperspektive einzunehmen – und das Leid der Betroffenen auf diese Weise anzuerkennen.“
Hepatitis-C-Betroffene ebenfalls entschädigen
Zum Welt-Hämophilie-Tag möchten die Deutsche Hämophiliegesellschaft, die Deutsche AIDS-Hilfe und der WEISSE RING zudem auf eine weitere Opfergruppe aufmerksam machen: diejenigen Hämophilen (Bluter), die im Rahmen des Blutskandals mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert wurden. Während die HIV-infizierten Hämophilie-Patienten durch das HIV-Hilfegesetz entschädigt werden, warten die ca. 2.000 HCV-infizierten Hämophilen trotz identischer Infektionsursachen noch immer auf eine Entschädigung.
Die durch Versäumnisse von Staat und Pharmaindustrie mit HCV infizierten Bluter müssen endlich ebenfalls entschädigt werden. Zwar sind die neuen Medikamente zur HCV-Therapie hoch wirksam, doch die bereits eingetretenen Langzeitschäden der Leber und andere Begleiterkrankungen sind leider irreversibel – ganz zu schweigen von dem durchgemachten Leid und den Einbußen in der Lebensqualität. Mittlerweile sind durch HCV-Infektionen hervorgerufene Lebererkrankungen die häufigste Todesursache bei Hämophilen in Deutschland.
„So sehr wir uns über den Erfolg für die HIV-infizierten Betroffenen freuen, so bitter ist es zugleich für uns, dass die HCV-infizierten Hämophilen noch immer keinerlei Entschädigung erhalten haben“, so Oestreicher. „Wir werden uns weiter dafür stark machen, dass auch diesen Opfern des Blutskandals endlich Gerechtigkeit widerfährt!“
Weitere Informationen:
Berichterstattung über die geplante Gesetzesänderung auf dhg.de