Extrakte aus dem Johanniskraut sind in den letzten Jahren zu einem grossen Renner auf dem Arzneimittelmarkt geworden. Zeitweilig standen sie auf Platz 1 der Verkaufshits bei den Mitteln gegen Depressionen (der „Antidepressiva“). Das wichtigste zuerst: Johanniskrautpräparate wirken nachweislich gegen Depressionen. Aber: Extrakte aus Johanniskraut müssen richtig angewendet werden, die Dosis muss stimmen und die Diagnose muss passen. Viele Präparate, die in der Apotheke und der Drogerie verkauft werden, enthalten zu wenig Extrakt aus der Pflanze. Depressionen sollte man nicht selbst behandeln, eine sachkundige Therapie setzt eine möglichst genaue Diagnose voraus. Auch körperliche Krankheiten müssen ausgeschlossen werden. Die Abschätzung der Selbstmordgefahr ist selbst für den Profi schwierig. Also gehen Sie bitte zum Arzt, wenn Sie vermuten, an einer Depression zu leiden.
Welche Inhaltsstoffe sind wirksam?
Mit dieser Frage sprechen wir ein Hauptproblem bei der Behandlung mit Johanniskraut an. Es konnt bisher nicht festgestlelt werden, welche der vielen Inhaltsstoffe des Johanniskrauts derjenige ist, der für die Wirkung gegen Depressionen entscheidend ist. Immer wieder zeigte sich, dass ein Extrakt aus der ganze Pflanze effektiver wirkte als eine einzige isolierte Substanz.
Das macht es auch schwierig, verschiedene Johanniskraut-Präparate miteinander zu vergleichen. Je nachdem, wo die Pflanze gewachsen ist, wie sie geerntet und wie aus ihr die Tablette hergestellt wurde, wird man mit einem unterschiedlichen Gehalt an wirksamen Bestandteilen rechnen müssen.
Man hat sich heute darauf geeinigt, dass Johanniskrautpräparate etwa 900 mg Gesamtextrakt enthalten sollten. Am sichersten ist es, diese Dosis auf drei mal täglich zu verteilen, also 3 x 300 mg einzunehmen. (Einige der – vermutlich wichtigen – Substanzen im Johanniskraut haben eine Halbwertszeit von nur zwei bis sechs Stunden, das heißt die Hälfte der verabreichten Menge ist nach dieser Zeit aus dem Körper verschwunden.)
Wie wirkt das Johanniskraut?
Neuere Forschungen zeigen, dass Johanniskraut genau so wirkt wie die chemischen Antidepressiva auch. Es erhöht die Konzentration verschiedener Botenstoffe („Neurotransmitter“) im Gehirn. Erstaunlicherweise wirkt Johanniskrautextrakt auf drei verschiedene Neurotransmitter: Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Johnniskraut wirkt nicht sofort: Genau wie bei den künstlich hergestellten Medikamenten, braucht es eine bis drei Wochen, bis man die Wirkung spüren kann.
Genau so gut wirksam wie ein chemisches Antidepressivum
Die Cochrane Collaboration ist eine internationale Vereinigung von Ärzten und Wissenschaftlern, die sich zum Ziel gesetzt haben, Therapien auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Sie fanden 29 wissenschaftliche Untersuchungen mit rund 5500 Patienten weltweit, die den hohen Ansprüchen dieser Organisation genügten. Das Ergebnis der Untersuchung: Johanniskraut wirkt ähnlich gut wie chemische Antidepressiva, bei weniger Nebenwirkungen.
Erstaunlich: Studien aus deutschsprechenden Ländern zeigten bessere Ergebnisse als die aus den anderen Ländern, besonders von dort, wo man Englisch spricht. Dies kann viele Ursachen haben: Möglicherweise war die Auswahl der Patienten unterschiedlich oder aber in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden die Ergebnisse zu optimistisch beurteilt. Es kann aber auch an der unterschiedlichen Qualität der verwendeten Präparate liegen.
Dies ist ein Problem der Untersuchungen zum Johanniskraut: Jede Studie gilt genau genommen nicht für Johanniskraut generell, sondern nur für das untersuchte Präparat – es ist eben noch nicht möglich, einen Prüfstandard für das einzelne Präparat zu entwickeln, weil noch nicht bekannt ist, auf welche Substanzen es ankommt.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen sind insgesamt geringer als bei den chemischen Antidepressiva. Während in Studien mit chemischen Antidepressiva 20 bis 50 % der Patienten die Behandlung abbrechen, sind dies bei Untersuchungen mit Johanniskrautpräparaten nur ein bis zwei Prozent.
Die Empfindlichkeit gegen Sonnenlicht kann gesteigert werden, Solariumsbesuch, Skiurlaub oder Sonnenbaden am Strand sollten also unter der Therapie vermieden werden, juckende Hautausschläge könnten die Folge sein. Und natürlich kann auch Johanniskraut zu Allergien führen. Magen-Darmbeschwerden wie Aufstoßen, Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall werden ebenfalls berichtet. Unruhe und das Gegenteil – Müdigkeit – traten bei einigen Versuchspersonen auf.
Wechselwirkungen
Johanniskraut zeigt Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die zum Teil ernsthafte Konsequenzen haben können.
Das gilt besonders für ein Medikament, dass Patienten nach einer Herz- oder Nierentransplantation einnehmen müssen, um zu verhindern, dass das neue Organ abgestoßen wird: Die Wirksamkeit von Ciclosporin A wird abgeschwächt. Das gleiche kann bei bestimmten Arzneien zur Behandlung der Herzschwäche (Digoxin) passieren, auch die Wirkung von Marcumar® zur Blutverdünnung kann herabgesetzt werden. Neuerdings wird auch befürchtet, dass Johanniskraut die empfängnisverhütende Wirkung der Pille abschwächen könnte. Die Wirkung anderer, chemischer Antidepressiva kann sowohl verstärkt als auch abgeschwächt werden.
Sie sollten auf jeden Fall Ihren Arzt fragen, wenn Sie planen, Johanniskraut einzunehmen und schon irgendwelche Medikamente einnehmen.
Quellen
Prof. Dr. med. Volker Faust: Johanniskraut
Cochrane Library: St John’s wort for major depression
Bild: Saint johns wart flowers.jpg, aus der englischen Wikipedia, hier stehen Einzelheiten zur Lizenz.