Atemnot, Angst, Aktivität: das BTF-Behandlungsmodell hilft nicht nur bei COPD (Teil 1)

 

Atemnot ist ein häufiges und belastendes Symptom bei fortgeschrittenen chronischen Erkrankungen (wie COPD, Lungenfibrose, Lungenkrebs, pulmonaler Hypertonie, neuromuskulären Erkrankungen, Herzinsuffizienz). Die Zusammenhänge zwischen Schwere der Erkrankung und Schwere der Atemnot sind komplex und abhängig von zahlreichen Faktoren. Nicht nur die gestörte Lungenfunktion verursacht Atemnot – auch Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen beeinflussen die Erfahrung der Atemnot in erheblichem Maße. Dieses komplexe Zusammenspiel bildet die Grundlage für ein mehrdimensionales Behandlungsmodell der Atemnot: das BTF-Modell.

 

Was ist das BTF-Behandlungsmodell?

Das BTF-Modell wurde entwickelt vom Cambridge Breathlessness Intervention Service. Es zielt auf drei fundamentale Dimensionen der Atemnot:

  • Atmen
  • Denken
  • Handeln

Die Bezeichnung BTF-Behandlungsmodell leitet sich ab von den Anfangsbuchstaben der drei entsprechenden englischen Begriffe:

  • Breathing (Atmen)
  • Thinking (Denken)
  • Functioning (Handeln)

 

Grundlagen des BTF-Modells   

Warum konzentriert sich das Behandlungsmodell auf die drei Dimensionen: Atmen – Denken – Handeln?

  • Weil eine schlechtere Lungenfunktion nicht notwendigerweise mehr Atemnot bedeutet.
  • Weil die Diskrepanz zwischen Lungenbefund und empfundener Atemnot häufig „medizinisch nicht erklärbar“
  • Weil neurophysiologische Studien nachweisen, daß Gedanken und Gefühle die Wahrnehmung der Atemnot beeinflussen.
  • Weil die Erfahrung von Atemnot zu Vermeidung von Aktivität und dadurch bedingter Dekonditionierung führt, was wiederum die Atemnot verstärkt.

Deshalb basiert das BTF-Modell auf den drei vorherrschenden Reaktionen auf die Atemnot-Erfahrung: Atmen – Denken – Handeln

 

Die Atem-Dimension  

Menschen mit Atemnot haben das Gefühl: „Ich brauche mehr Luft!“. Deshalb neigen sie zu dysfunktionalen Atemmustern:

  • Atmen mit der Lungenspitze
  • Verkürzte Ausatemzeit im Verhältnis zur Einatemzeit
  • Fehlende Atempause nach der Ausatmung

Bewußt oder unbewußt versuchen atemlose Patienten auf diese Art, ihr Atemvolumen oder ihre Atemfrequenz zu steigern. Damit setzen sie einen Teufelskreis in Gang:

  • Lungenspitzenbetontes Atmen
  • Dynamische Überblähung
  • Vermehrter Einsatz der rasch ermüdbaren Atemhilfs-Muskulatur
  • Verminderter Einsatz des ermüdungsresistenten Zwerchfells
  • Erhöhte Atemarbeit

Durch diesen Teufelskreis wird die Atemnot verstärkt.

 

Die Gedanken-Dimension

Menschen mit Atemnot wissen, daß Atemnot Angst erzeugt, die ihrerseits die Atemnot verstärkt. Dies ist physiologisch begründet:

  • Eine Rückkopplungs-Schleife im Gehirn führt zu einer wechselseitigen Verstärkung von Atemnot und Angst.
  • Angst erhöht zudem Atemfrequenz und Muskelspannung, was wiederum die Atemarbeit steigert.

Angst und Panik lösen bei Atemnot jedoch auch eine Flut von Gedanken aus:

  • Angst vor dem Ersticken
  • Angst zu sterben
  • Vermehrte Aufmerksamkeit auf bestimmte Körperempfindungen
  • Mißdeutungen von Körpersignalen
  • Erinnerungen an vergangene (Atemnot-)Erfahrungen

Diese belastenden Gedanken wirken wiederum angst- und atemnotverstärkend.

 

Die Handlungs-Dimension

Menschen mit Atemnot möchten diese ängstigende Erfahrung möglichst nicht erleben. Sie neigen deshalb zu Vermeidungsverhalten:

  • Reduzierte körperliche Aktivität
  • Sozialer Rückzug
  • Abhängigkeit von der Unterstützung durch andere

Damit setzen sie einen weiteren Teufelskreis in Gang: Der Abbau der Gliedmaßen-, Rumpf- und Atemhilfs-Muskulatur führt in der Folge zu vermehrter Atemnot bei Belastung, was wiederum das Vermeidungsverhalten verstärkt.

 

Wie stoppt das BTF-Modell die drei Teufelskreise?

Das BTF-Behandlungsmodell bietet zahlreiche Interventionen für jede der drei Dimensionen:

  • Atmen
  • Denken
  • Handeln

Hier eine Übersicht über die wichtigsten Elemente:

  • Atmen:
    • Atemtechniken
    • (Hand-)Ventilator
    • Sekretmanagement
    • Inspiratorisches Atemmuskel-Training
    • Brustkorb-Vibrationen
    • Nicht-invasive Beatmung (NIV)
  • Denken
    • Kognitive Verhaltenstherapie
    • Entspannungstechniken
    • Achtsamkeitsbasierte Verfahren
    • Akupressur/Akupunktur
  • Handeln
    • Pneumologische Rehabilitation
    • Körperliche Aktivität (Lungensport)
    • Gehhilfen
    • Tempo-Regulation
    • Neuromuskuläre Elektrostimulation

Die psychopneumologischen Interventionen (vor allem für die Dimension „Denken“) werden im nächsten Blog-Beitrag ausführlich und anschaulich dargestellt.

Wer an dieser Stelle bereits ein paar bewährte Interventionen kennenlernen und ausprobieren möchte, kann dies mithilfe der Broschüre „Ängste bei Atemnot – Wege aus dem Teufelskreis“ aus dem Download-Bereich tun.