Das Menschenmögliche

Einer der Gründe für die hohen Kosten des heutigen Gesundheitssystems sind – paradoxerweise – die medizinischen Fortschritte. Wir können heute sehr viel tun, um einen Menschen am Leben zu erhalten.

Die Frage ist nur: sollten wir es auch?

Das ist ein sehr heisses Thema, um das sich nicht nur Mediziner und Ökonomen streiten. Man hat Ethikkommissionen eingesetzt um wenigstens ein paar Richtlinien zu finden, aber im Endeffekt (kein absichtlicher Witz) sind wir es, die das entscheiden.

Im Spital wird man beim Eintritt evaluiert und bekommt einen Status. Der bestimmt, ob man im Falle des Falles wieder belebt wird.  Der Status ist abhängig vom Alter, Lebensqualität und Allgemeinzustand. Man hat auch selbst die Möglichkeit mitzubestimmen, indem man zum Beispiel ein Patiententestament macht, in dem man ausdrücklich auf lebensverlängernde Massnahmen verzichtet.

Am Schluss entscheiden aber der Arzt und die nahen Verwandten.

Und hier mein Appell:

Ich habe es in meiner eigenen Familie schon mitbekommen, wie man seinen lieben Verwandten nicht „gehen lassen“ konnte und dann nur um seinetwillen (nicht um den Willen des Todkranken) diese noch gequält hat mit medizinischen Behandlungen weit über den Punkt hinaus, der sinnvoll und menschlich gewesen wäre.

Beispiel: Wenn jemand aus einem Altersheim, mit Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium, der schon lange Bettlägerig ist, wegen einem Hirnschlag inkontinent, nur noch via Magensonde ernährt werden kann … wenn dieser jetzt noch ins Spital kommt wegen einer akuten Lungenentzündung …

Dann gibt es mehrere Dinge die man tun kann. Man gibt logischerweise Sauerstoff und hängt ihn an den Tropf um wieder Flüssigkeit zuzuführen. Antibiotika gegen die Lungenentzündung, eventuell Morphium, falls er Schmerzen hat.

Und dann sollte es genug sein. Ich finde, man soll einen Menschen in Ruhe und Würde sterben lassen, wenn es denn Zeit ist.

Und nicht noch, wenn das Herz dann versagt ihn mit Medikamenten voll pumpen und schocken. Und ihn an das Beatmungsgerät hängen und möglicherweise noch einen Herzschrittmacher. Natürlich lebt er dann noch länger. Aber ist ihm dann geholfen?

Kaum. Trotzdem gibt es so viele Fälle, wo die Familie nicht zulässt, dass er seinen Weg geht. Natürlich ist der Tod eines Menschen traurig für alle, aber jemanden leiden zu lassen (denn leben ist das wohl nicht mehr) nur damit man sich selbst besser fühlt …. und der Moment der kommen wird herausgezögert wird …. das finde ich nicht fair.

In manchen Fällen ist es jedoch nicht so einfach eine Grenze zu ziehen.

Was ist mit dem Baby mit schwerstem Herzfehler das nur mit mehreren komplizierten und langandauernden Operationen überleben wird und die ersten paar Jahre mehr im Krankenhaus, als zu Hause sein wird?

Es kann vielleicht einmal ein fast normales Leben führen. Wieviel Schmerz wollen die Eltern ihm Zumuten? Oder sagt man: das gehört halt zum Leben dazu?

Wann sagt man bei einem Motorradunfallopfer mit schwersten Hirnverletzungen und schliesslich Hirntod: jetzt ist genug? Den Körper können wir noch Jahrzehnte am Leben erhalten, deshalb kommt die Person aber nicht mehr zurück.

Solche Entscheidungen sind sehr schwierig – und oft sind es die Verwandten, die eigenen Kinder, der Ehepartner, die sie treffen müssen.

Darum: wenn Du eine Meinung dazu hast, sag es deinen Liebsten. Vorher. Irgendwann könnte es zu spät sein.

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