2016 starben 321 Menschen in Bayern infolge ihres Drogenkonsums – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Die CSU will nun endlich etwas gegen diesen Negativrekord tun: mit einem Naloxon-Modellprojekt. Erprobte lebensrettende Maßnahmen wie Drogenkonsumräume bleiben aber tabu.
„Jeder Drogentote ist einer zu viel“, sagte Klaus Holetschek vom Arbeitskreis Gesundheit und Pflege der CSU-Landtagsfraktion am Montag in München. Die Christsozialen wollen deshalb künftig die zweite Säule ihrer Drogenpolitik neben der Prävention verstärken, nämlich die Hilfe für bereits Erkrankte.
Naloxon-Modellprojekt in Bayern
Dazu soll Anfang 2018 ein Modell-Projekt zur Vergabe des Arzneimittels Naloxon an medizinische Laien starten. Das Heroin-Gegenmittel wird bei Überdosierungen verabreicht und hat sich bereits vielfach als lebensrettend erwiesen. Eine berauschende Wirkung hat es nicht.
Das auf zwei Jahre angelegte Modellprojekt soll in Form einer wissenschaftlich begleiteten Studie mit etwa 400 Teilnehmer_innen in München, Nürnberg, Augsburg und Regensburg stattfinden.
Dabei soll auch ein bislang nur in den USA zugelassenes Nasenspray erprobt werden, erklärte der gesundheits- und pflegepolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion Bernhard Seidenath.
Wichtig, aber nicht ausreichend
Die Deutsche AIDS-Hilfe begrüßt die Initiative des Landes Bayern zur wissenschaftlich begleiteten Naloxon-Vergabe. „Allerdings darf dies keine Einmal-Maßnahme im Bereich der Schadensminderung bleiben“, betont DAH-Referent Dirk Schaeffer. „Die Notwendigkeit von Drogenkonsumräumen in Städten wie München, Nürnberg und Augsburg besteht nach wie vor.“
Auch die Grünen und die SPD, die bereits seit vielen Jahren den Einsatz von Naloxon und Verbesserungen bei der Methadon-Therapie fordern, setzen sich für Einrichtung von Drogenkonsumräumen in Großstädten ein.
Drogenkonsumräume retten Leben
Die CSU lehnt dies aber weiterhin ab. Bislang habe noch niemand einen Nachweis führen können, dass Drogenkonsumräume die Zahl der Drogentodesfälle senken, so Gesundheitsministerin Melanie Huml im Mai im Bayrischen Landtag – gegen die Datenlage.
Weil Naloxon Leben rettet, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Mittel sogar in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen und fordert in einer 2014 veröffentlichten Leitlinie den Naloxon-Einsatz durch Laien.
(ascho/hs)
Weiterführende Beiträge zur Senkung der Todesfälle durch Drogenkonsumräume:
European Harm Reduction Network: Drug consumption rooms in Europe – Models, best practice and challenges (Regenboog Groep, Amsterdam 2014; PDF-Datei in englischer Sprache)
Reduction in overdose mortality after the opening of North America’s first medically supervised safer injecting facility (The Lancet, 18.4.2011; PDF-Datei in englischer Sprache)
Drogenkonsumräume in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme des AK Konsumraums (DAH/akzept e.V., 2011)