es ist u3 zeit, meist die erste gelegenheit, junge eltern kennenzulernen, abgesehen von denen, die schon zuvor da waren, um diese „erkältung“ des neugeborenen anschauen zu lassen (und die sich als normales karchelnd-schnorchelndes atmen eines säuglings herausstellt), oder um diesen oder jenen pickel zu zeigen.
es ist u3 zeit und meist ist die erste begegnung prägend für das weitere zusammenschaffen. das gilt für mich als arzt wie auch für die eltern selbst.
es ist u3 zeit, und heute sind es die eltern jenseits der vierzig, die ihr erstes kind bei mir vorstellen. sie sind beide akademiker, sie ingenieurin, er irgendwo in der it-branche tätig. sie trägt interessanterweise ein gebatiktes oberteil, dazu die klassischen dunklen augenringe einer monatsalten jungmutter, freut sich aber über jeden scherz meinerseits und jede beruhigende beantwortung ihrer besorgten fragen. sie traut sich noch nicht so richtig ihr kind aus- und vor allem wieder anzuziehen, ihre lebenserfahrung beginnt von neuem, ihre langjährigen gedanken rund um den nachwuchs hemmen ihre eigentlich wichtigen instinktiven handgriffe. vielleicht hat sie auch angst, vor mir etwas falsch zu machen, also erzähle ich von den elenden bindebodys, die mich bei meiner ersten tochter schier aus der fassung gebracht haben. das eis schmilzt.
er ist ganz der dokumentationstyp, seine canon power-shot kommt bereits beim abhören der kleinen tochter an die grenzen ihrer speichermöglichkeiten, bei den begleitenden erklärungen und der anschließenden fragestunde wechselt er aber schnell zu seinem filofax über, um meine antworten zu stenografieren. ihm fällt es im vergleich zu seiner frau schwer, meinen versuchten bonmots zu folgen, er vermutet stets eine falle, eine versteckte kritik. aber er fragt sehr genau nach zeitvorgaben, nach rhythmen im tagesablauf, nach messlöffeleinheiten beim milchflaschefüttern und ob das „beifüttern nun nach dem fünften monat“ nun heißt, dass man nach dem vollendeten vierten monat oder während des beginnenden sechsten monats beginnt.
sie sind beide sehr liebevoll und umsorgt um ihre tochter. mir geht das herz auf bei soviel nähe und wärme. sie haben vielleicht lange auf sie gewartet. sie haben vielleicht geplant, vielleicht auch nicht, vielleicht haben ihre pläne nicht funktioniert oder sie mussten erst sich selber finden. vielleicht sollte erst alles gesichert sein, vielleicht hatten sie auch früher keine zeit und keine gelegenheit gehabt, vielleicht hat sich die gelegenheit auch nicht die zeit genommen.
nun ist ihre tochter da und sie freuen sich. und nun müssen sie wieder ihre familie finden, müssen sich befreien von ihrer lebenserfahrung und ihrem erfahrenberuflichen denken. nun braucht es ein wenig instinktives gefühlshandeln, mehr bauch, mehr normalität. herz haben sie genug.
ich hoffe ich kann ihnen helfen, indem sie mir als arzt vertrauen, dass ich ihnen manche gedanken abnehmen kann, die vielleicht ihr handeln lähmen. vielleicht kann ich ihnen bei den nächsten begegnungen die wege zeigen, die es gibt, ihnen auch einen empfehlen, wenn sie diese empfehlung brauchen und erfragen, denn ihre eigenen planvollen gedanken werden ihnen zuviele wege zeigen und zuviel unsicherheiten.
es ist u3 zeit, und ich habe ein gesundes propperes töchterlein gesehen. ich lerne neben meinen kleinen patienten immer auch die großen kinder kennen, die plötzlich eltern heißen, manchmal im alter tatsächlich nicht weit entfernt von dem tatsächlichen alter, wo man noch nicht erwachsen hieß. und manchmal lerne ich sehr erwachsene kennen, die plötzlich eltern heißen, und denen es manchmal gar nicht so sehr gelingt, in ihren gedanken und handlungen wieder ein wenig jung und unbedarft zu sein, wie das die kinder tun. es ist u3 zeit und die zwei hier werdens schon schaffen. sicher auch ohne filofax.