Atemnot, Angst, Aktivität: das BTF-Behandlungsmodell hilft nicht nur bei COPD (Teil 2)

 

Die komplexen Zusammenhänge zwischen Lungenfunktion, Gedanken, Gefühlen, Verhaltensweisen und der Erfahrung von Atemnot bilden die Grundlage für ein mehrdimensionales Behandlungsmodell der Atemnot: das BTF-Modell. Die drei Dimensionen des BTF-Modells – Atmen (Breathing), Thinking (Denken), Functioning (Handeln) sind im vorausgegangenen Blog-Beitrag ausführlich dargestellt. Im zweiten Teil geht es um die psychopneumologischen Interventionen (vor allem für die Dimension „Denken“).


Der psychopneumologische Ansatz im BTF-Modell

Das BTF-Modell basiert auf den drei vorherrschenden Reaktionen auf die Atemnot-Erfahrung: Atmen – Denken – Handeln

Psychopneumologie kommt vor allem in der Dimension „Denken“ zum Einsatz. Dabei kann sie ihr Potential voll ausspielen:

  • Kognitive Verhaltenstherapie
  • Entspannungstechniken
  • Achtsamkeitsbasierte Verfahren

Wie gehen diese Angebote konkret vor, um die Atemnot-Angst-Spirale zu unterbrechen?

 

An „Fehldeutungen“ arbeiten

Es ist hilfreich, zunächst über die eigenen Atemnot-Erfahrungen zu reden:

  • Was fühlst Du bei Atemnot?
  • Bist Du eher ängstlich, frustriert oder besorgt?

Der Austausch über die eigenen Atemnot-Erfahrungen zeigt die unterschiedlichen Wahrnehmungen und (Fehl)Deutungen. Er eröffnet zudem den Weg zu einer Auseinandersetzung und Abwägung von alternativen Deutungen.

 

Übliche Gedanken

(Fehl)Deutungen von Atemnot

 

 

Alternative Deutungen von Atemnot

„Ich brauche mehr Sauerstoff.“  

Atemnot bedeutet nicht immer Sauerstoff-Mangel im Blut, und Sauerstoff lindert nicht immer Atemnot. Mit Stenose-Atmung (Lippenbremse, PEP-Ventil), atemerleichternden Stellungen (Kutschersitz, Torwartstellung) und entspannenden Atem-Techniken (aus der Atemphysiotherapie) kannst Du Atemnot lindern.

 

„Ich werde bei Anstrengung keine Luft mehr bekommen.“  

Ein mäßiger Lufthunger durch körperliche Aktivität ist normal und gewöhnlich nicht gefährlich. Du wirst bald wieder normal atmen.

 

„Ich werde ohnmächtig, wenn ich nicht genug Luft bekomme.“  

Bei Atemnot wird die Atmung schneller und flacher. Diese ineffektive Atmung macht benommen. Mit entspannenden Atem-Techniken kannst Du die Benommenheit verhindern.

 

„Ich bekomme einen Schlaganfall oder Herzinfarkt vor Angst.“  

Die automatische Kampf- oder Flucht-Reaktion bei Angst umfaßt u. a. Herzklopfen und Brustenge. Wenn Du diese Körperantwort auf Atemnot und Angst verstehst, kannst Du Katastrophengedanken vertreiben.

 

 

Die Atemnot-Angst-Spirale erforschen   

Im psychopneumologischen Gespräch lassen sich die eigenen Atemnot-Erfahrungen in einem geschützten Raum tiefer erforschen:

  • Was sind meine Atemnot-Auslöser (Atemnot-Trigger)?
  • Welche Probleme mit Atemnot habe ich im einzelnen und wie kann ich sie nacheinander angehen?
  • Wie vermeide ich ängstigende Gedanken über die Zukunft? Wie konzentriere ich mich auf die Gegenwart?
  • Welche Entspannungsmethode paßt zu mir?
  • Welches (innere) Bild fördert meine Entspannung?

Manchmal ist es hilfreich, eine konkrete Atemnot-Erfahrung näher zu beleuchten:

  • Welche Gefühle hatte ich dabei?
  • Welche körperlichen Symptome habe ich bemerkt?
  • Wie habe ich mich in der Situation verhalten?
  • Wie hätte ich mich möglicherweise anders verhalten können?
  • Gibt es vielleicht eine alternative, realistischere Sicht und Antwort auf die Situation?

 

Die „Ruhe-Hand“ ausprobieren  

Bei Atemnot hilft manchmal die Berührung durch die Hand eines lieben Menschen. Aber auch die eigene Hand kann mehr als zupacken – sie kann bei Atemnot beruhigen. Wenn wir sie beispielsweise als „Ruhe-Hand“ einsetzen.

Fünf Schritte vom Daumen bis zum kleinen Finger helfen bei der Verarbeitung von Angst bei Atemnot:

  1. Schritt: Daumen

Erkenne frühzeitig Deine Angstsignale und wende die folgenden Schritte zur Beruhigung an. 

  1. Schritt: Zeigefinger

Seufze tief aus. Entspanne Deine Schultern und Arme.

  1. Schritt: Mittelfinger

Atme langsam ein.

  1. Schritt: Ringfinger

Atme langsam aus.

  1. Schritt: Kleiner Finger

Strecke und entspanne Deine Hand. Manchmal reicht das schon bei aufkommender Angst.

Die Schritte werden wiederholt, bis Du Dich ruhiger fühlst. Eine Umrißzeichnung der eigenen Hand mit den entsprechenden Schritten als „Merkzettel für die Kühlschranktür“ wirkt möglicherweise Wunder.

 

Einen persönlichen „Psycho-Plan“ bei Atemnot entwerfen  

Ein Aktionsplan kann mit einfachen, erprobten Hinweise daran erinnern, daß die Atemnot-Erfahrung bekannt ist und wieder verschwinden wird. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt!

Beipiel-Plan bei Atemnot:

  1. Ich kenne dieses Gefühl.
  2. Ich weiß, es wird vergehen.
  3. Ich weiß, was ich jetzt tue.
    1. Lippenbremse, …
    2. Kutschersitz, …
    3. Entspannendes Atmen
  4. Ich kann das und ich tue das jetzt.
  5. Ich bin bald wieder im Lot.

 

Eine persönliche Aufmerksamkeits-Technik anwenden  

Es ist nicht leicht, Entspannung zu finden, wenn die Luft knapper wird. Es wird einfacher, je öfter eine persönlich angenehme Entspannungsmethode angewendet wird. Wer täglich „seine“ Entspannungs-Auszeit nimmt, profitiert am meisten.

Einige Methoden zur Aufmerksamkeitsfokussierung habe ich in der Broschüre „Ängste bei Atemnot – Wege aus dem Teufelskreis“ zum kostenlosen Download zusammengestellt. Ich wünsche viel Erfolg beim Umsetzen.

Noch ein Bonbon zum Schluß: Die oben angeführten Methoden werden u. a. auch im Rahmen der Pneumologischen Rehabilitation vermittelt. Damit sind sie verheißungsvolle Ansätze, um Atemnot „über das Gehirn“ zu beeinflussen, wie es die Studie von Herigstad M et al. empfiehlt.