Viel ist eigentlich nicht bekannt über die Frau.
Zu den meisten Episoden in ihrem Leben wispern widersprüchliche Daten und Details durchs Internet. Demnach ist sie eine am Valentinstag 1967 oder 1968 in Wimbledon geborene Britin, 1,75 Meter groß, 60 Kilogramm schwer und hat die Maße 86 D-61-89.
Die aktuellste Variante ihrer Biografie: Mit neun Jahren überlebt sie einen Flugzeugabsturz im Himalaya, bei dem ihre Mutter ums Leben kommt. Zehn Tage lang schlägt sie sich allein von der Unglücksstelle bis nach Katmandu durch. Den Rest ihrer Kindheit verbringt sie bei ihrem Vater, einem bekannten Archäologen, seines Zeichens Earl of Abbingdon und Mitglied der englischen Aristokratie.
Im Alter von 18 Jahren erbt sie nach dem Tod ihres Vaters sämtliche Besitztümer der Familie und wird zur Countess of Abbingdon. Seitdem hat sie 16 archäologische Stätten von internationaler Bedeutung entdeckt.
Sie wird als archäologisches Wunderkind oder überschätzte Grabräuberin beschrieben – je nachdem, wen man fragt.
Um ihre Expeditionen ranken sich unzählige Gerüchte, die meist mit unerklärlichen oder schlichtweg unglaublichen Begebenheiten in Zusammenhang stehen.
Klar, die Rede ist von Lara Croft. Und obgleich bloß ein Avatar, unvollkommen und vage, hohl und irreal, ein Body-Sampling aus idealisierten Bildern und Identitäten, gilt die spärlich bekleidete und vollbusige “Tomb Raider”-Heldin als globaler Megastar.
Vor zwölf Jahren hatte der britische Wissenschaftsminister Lord Sainsbury of Turville gar vorgeschlagen, Lara Croft als Botschafterin für die herausragende Bedeutung der britischen Wissenschaft einzusetzen. Sainsbury präsentierte seine Idee, Lara Croft wissenschaftsökonomisch zu verwerten, anläßlich einer Rede über “Science and the Knowledge Economy” bei der Socia Market Foundation im Dezember 1998. Lara Croft sei der lebendige Beweis dafür, dass Großbritannien an der Spitze neuer Entwicklungen stehe.
“Also ist jetzt nicht mehr ein James Bond in Fleisch und Blut das Aushängeschild für die Engländer, sondern eine virtuelle Frau. Das sind Paradigmenwechsel, die noch dazu in der offiziellen Politik stattfinden”,
kommentierte seinerzeit der Online-Journalist Florian Rötzer.
Nun bekommt die “Mischung aus Phallustheorien, einem Bulldozer und einer 0180-Sex-Hotline” (taz) auch noch eine eigene Straße, vermeldet heute zum Beispiel Die Welt.
Zunächst klingt das durchaus begrüßenswert – denn ursprünglich sollte die neue Ortsumgehung in der englischen Stadt Derby “nach einem Astrologen benannt werden”, heißt es in dem Artikel weiter, der auf einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur basiert. Wäre doch ganz ok, wenn Lara Croft nicht nur gegen Kannibalen, Raubsaurier, wild gewordene Tempelstatuen und mordlustige Säbelzahntiger obsiegen würde, sondern auch gegen Pseudowissenschaftler. Eben ganz wie es sich für für einen “Ambassador for British scientific excellence” ziemt.
Leider stimmt das nicht. In britischen Medien heißt es nämlich: