Ich bin frei!
Seit fünf Monaten reise ich auf der Seidenstrasse nach Osten. Mittlerweile habe ich einen USB-Adapter aus der Ukraine, eine Hose aus Georgien, das Deo aus Armenien, eine zweite Hose aus Aserbaidschan und die Zahnbürste aus dem Iran.
Der Plan
Mein Plan ist auf dem Land- und Wasserweg von der Schweiz auf der nördlichen Seidenstrasse (Kasachstan) nach China und Japan zu reisen und mit der Transsibirischen Eisenbahn wieder zurück.
Reisebericht
Die bisherigen fünf Monate waren eine intensive und abwechlungsreiche Zeit. Wie immer braucht er erste Schritt etwas Mut. Job und Wohnung kündigen. Und das bei einer MS-Diagnose. Aber ohne Beeinträchtigunen. Und so galt die Devise: Jetzt oder nie!
Um einen Eindruck der Reise zu geben, ein paar Sätze zu jedem Land.
Ukraine – 2 Wochen
Ende Juli bin ich mit Zug und Bus innerhalb zwei Tage direkt in die Ukraine gereist. Die Ukraine ist ein sehr gastfreundlichen Land. Es gibt wenige Touristen. Vom Krieg im Osten merkt man nichts, ausser die verfallene Währung, was das Reisen sehr preiswert macht. Lviv ist als ehemalige Habsburgerstadt sehenswert und touristisch erschlossen. Odessa ist mit dem Schwarzmeerhafen und den herausgeputzten Ukrainerinnen eine Attraktion.
Die Autos zeigen grosse Gegensätze: luxuriöse Protzkarossen zu alten sowjetischen Ladas.
Kein Visum nötig
Georgien – 1 Monat
Von Odessa bin ich mit der Fähre in drei Tagen übers Schwarze Meer nach Batumi in Georgien gereist. Die grosse Frachtfähre mit geladenen Eisenbahnzügen, Lastwagen und allerlei Reisenden war ein sehr schönes Erlebnis. Von der Fähre konnte man Delphine sehen und mit anderen Reisenden reden. Das heisse, feuchte Klima von Batumi war eine neue Erfahrung. Beim kleinsten Spaziergang war die Haupt „klebrig“. Eigentlich schon beim Nichtstun.
In Georgien war ich mit einem Freund aus der Schweiz drei Wochen im Kaukasus unterwegs: Swanetien, Kazbegi (Stepandsminda) und Tuschetien. Der Höhepunkt war sicher die Besteigung des eisbedeckten Vukans Mount Kazbek mit seinen 5033m.
Kein Visum nötig
Armenien – 3 Wochen
Von Armenien wusste ich ausser dem Genozid nichts. Die Landschaft ist eine Hochebene mit sanften grasbewachsenen Hügeln. Das Leben in Yerewan mit seinen vielen Cafés ist angenehm. Es lädt zum Verweilen ein. Der Höhepunkt war die Besteigung des Mount Aragats 4090m (leider wegen des schlechten Wetters nur der Vorgipfel 4060m). Der Aragats ist der höchste Berge des heutigen Armeniens. Der bekannte Ararat (5100m) liegt in der heutigen Türkei. Er bleibt aber in der armenischen Kultur tief verankert. So wird er als Markenname für Produkte wie Zigaretten und Cognac verwendet.
Das Baden – ganz allein – in einer kleinen, abgelegenen Thermalquelle bei Jermuk wird mir ganz speziell in Erinnerung bleiben.
Kein Visum nötig
Aserbaidschan – 3 Wochen
In Aserbaidschan wurde ich von der Natur überrascht: eine natürliche brennende Gasquelle und blubbernde 2m hohe Schlammvulkane. Aserbaidschan ist reich an Öl und Gas, was auch die Naturphänomene erklärt. Baden in einem neuen Meer, wie hier im Kaspischen Meer, ist immer eine Freude. Wohltuend war die Übernachtung im 5-Sterne Hotel Karavansaray mit Schwimmbad, Sauna, türkischem Bad und Hamam in Gabala. Und das für 50 Franken.
E-Visum nötig
Iran – 2 Monate
Der Iran ist überwältigend – im positiven Sinne. Das Land ist vielseitig. Schnee im Norden, Sommer am persischen Golf. Berge, Strände, Wüsten, Seen. Die Leute sind super hilfsbereit. So etwas habe ich noch nie erlebt. Gäste sind für sie „von Gott gesandt“. Und so behandeln sie einem. Das Land hat schon seit 2500 Jahren eine grosse Kultur und konkurrierte mit den Griechen, den Römern, den Engländern und Russen. Iran hat dementsprechend einen grossen kulturellen Schatz. Iran ist ein funktionierender Vielvölkerstaat. An einem Tag traf ich Studenten aus den verschiedenen Volksgruppen, Persien, Azeri, arabische Iraner und Kurden, die zusammen eine WG teilen.
Teheran ist mit seinen 16 Mio. Einwohnern für einen Schweizer etwas völlig neues. Chaotisch, lärmig, stressig und dreckige Luft. Zweimal die Schweiz in einer Stadt. (NB. Für indische Reisende ist Tehran ein relaxter Ort.)
Den Iran wollte ich zuerst gar nicht bereisen, da das Visum in der Schweiz langwierig ist. Doch mir wurde durch andere Reisende und auf der Reise angetroffene Iraner klar, eine Reise ohne den Iran wäre ein grosses Versäumnis, zumal das iranische Visum in den Nachbarländern relativ einfach zu bekommen ist.
Visum nötig, nicht so schwierig
Reisefazit
Was für alle Länder zusagen ist. Sie sind: Günstig. Freundlich. Sicher. Auch für Frauen.
Das Wetter war praktisch immer schön. An den meisten Orten herrscht ein trockenes, kontinentales Klima. Einen Wetterbericht braucht es nicht, ausser für die Berge.
Diese Länder sind eine Reise wert. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt. Sie sind sich am Öffnen und Entwickeln.
Ausser in der Ukraine kann das Hahnenwasser überall getrunken werden. Das macht das Leben einfach.
Für 10 – 15 Franken kann man in Hostels („Herbergen“) übernachten. Essen kann man ab 5 Franken.
Viele dieser Leute müssen arm durch. Sie müssen mit 400€. Im Gegensatz zur westlichen Welt haben sie viel Zeit. Sie warten auf Kunden, sei es am Marktstand oder im Taxi. Minibusse fahren, wenn sie voll sind. Zeitdruck scheint hier etwas Fremdes zu sein. Hobbies hingegen haben, ausser den Iraner, die Leute keine. Wenn sie freie Zeit haben, arbeiten sie für einen zweiten Job. Die Iraner gehen gerne in die Berge.
Manchmal war es wie eine Reise zurück in die Vergangenheit. Vieles wird noch von Hand gemacht, z.B. gibt es Tankwarte. Rauchen ist der Standard. Geraucht wird in Restaurants und Autos.
Für die meisten ist Europa der leuchtende Stern. Unerreichbar.
Man braucht wegen seines neuen Handys keine Sorgen zu machen, denn alle jungen Leute haben neue Handys und „posten“ fleissig auf Instagram. Überall.
Was das schöne ist, den Leuten darf man Vertrauen. Auch wenn man sie nicht ganz versteht und sie einem ins Auto nehmen und irgendwo hinfahren, kommt es gut.
Selten habe ich etwas im Voraus gebucht. Diese Flexibilität macht das Reisen angenehm und gibt ein Freiheitsgefühl.
In den Hostels trifft man viele spannende Reisende und kann sich austauschen. Je einfacher die Leute reisen, desto höher stehen sie in meinem Ansehen. Entweder als Velofahrer oder mit minimalem Geld (2€/Tag). Es gibt beide. Es sind immer spannende Leute.
In Georgien und Armenien zählt die Familie viel und die Leute heiraten früh. 45-jährige Grosseltern sind keine Besonderheit.
Ferienreisende, die möglichst viel in 8 Tagen machen wollen, taten mir manchmal leid. Einen vollgepackten Plan. Zuerst wollte ich selbst zielstrebig in etwa einem halben Jahr nach Japan und zurückreisen, dann bekam ich Angst vor dem zu schnellen Reisen.
Taxifahrer sind in allen diesen Ländern eine eigene Kategorie von Leuten. Sie sind die einzigen die die Touristen (manchmal) auszunehmen versuchen.
Ein Ärgernis in den Ländern für mich war, dass die Wasserhahnen für Kalt- und Warmwasser mal links, mal rechts waren.
Falls sich jemand für die Reise interessiert, soll sich bei mir melden und ich schicke meinen Instagram-Namen mit der Reisedokumentation (Bild-Blog). Texte mit aktuellen Informationen schicke ich an eine WhatsApp-Liste. Am einfachsten per E-Mail melden.
Zufall
Der Zufall ist ganz stark zu spüren. Ein kleine Verschiebung, eine Nacht früher oder später bei einer Übernachtung, diese oder jene Unterkunft und man trifft ganz andere Leute. Es sind so viele kleine Entscheidungen, die Ausmachen wen man trifft. Bei mir und gleichzeitig bei den anderen.
Reiseausblick
Ich habe heute eine wichtige Hürde genommen und mein chinesisches Visum bekommen. Das chinesische Visum ist das grösste Hindernis auf einer solchen Reise auf dem Landweg nach China. Das chinesische Visum hat viele Kriterien und China vergibt Visas eigentlich nur am Wohnort, welche dann drei. maximal sechs Monate gültig sind. Teheran ist eine der raren Ausnahmen, aber es ist nicht garantiert. Mein Visum ist 3 Monate gültig und ich kann in dieser Zeit zweimal zu je 60 Tagen einreisen.
Jetzt gehts via Baku und der Kaspischen Fähre nach Aktau in Kasachstan. Zentralasien im Winter mit seinen Minustemperaturen wird sicher fühlbar in Erinnerung bleiben. Kirgistan (Kirgisien) und Tadschikistan stehen auch auf meiner Liste, bevor es nach China geht. Hoffentlich liegt noch ein Abstecher nach Vietnam drin. Einen Einblick in Südostasien zu bekommen reizt mich. In Japan werde ich dann meine Heimreise über Russland mit der Transsibirischen Eisenbahn organisieren. Nach aktuellem Plan in etwa vier bis fünf Monaten. Zwei Monate durch Russland zu Reisen wäre für so ein grosses Land sicher nicht zu viel. Das Visum dafür zu bekommen ist eine andere Geschichte.
Ich bin frei. Bei Nichtfallen, kann ich jeder Zeit die Reise beenden.
Vor der Reise
Bei Lobbywatch haben wir Anfang des Jahres eine neue graphische Webseite in Betrieb genommen. Zudem habe ich den Datenimport der Parlamentarier und der Zutrittsberechtigen weitgehend automatisiert. Auch die Übergabe und die Schulung meines Ersatzes nahmen einige Zeit in Anspruch.
Im MS-Register gab seit dem öffentlichen Start viel weniger zu tun als letztes Jahr. Es gab zwei, drei Sitzungen.
Im Wissenschaftlichen Beirat war ich letztes Jahr wenig aktiv. Meine Punkte habe ich eingebracht gehabt und vieles läuft zu meiner Zufriedenheit.
Ich habe mich von allen Aktivitäten, ausser einigen punktuellen Einsätzen bei Lobbywatch, während meiner Reise dispensiert und werde danach weitermachen.
Die Reisevorbereitung war fast ein halbes Jahr. Projekte abschliessen und übergeben. Die Wohnung kündigen, putzen und abgeben. Dazu viel Papierkram, wie Steuern, Versicherungen, Pensionskassengelder, Wohnsitz, … Rucksack packen und entscheiden was daheim bleibt. Für die effektive Reisevorbereitung blieb dann gar nicht mehr viel Zeit. Über die Länder habe ich mich nur minimal informiert, wie mögliche Reisewege, Visaregeln und Sicherheit.
Fazit
Es ist ein grosses Privileg so eine Reise machen zu können. Reisen ohne Enddatum ist schön. Das gibt Freiheit und Flexibilität. Der Entschluss brauchte Mut.
Bisher habe ich die Reise noch keine Sekunde bereut.
Neues Jahr
Ich wünsche allen ein gutes Neues Jahr!
Folgeartikel der Reise
- Teil 2: Meine Reise durch Zentralasien