“Seid doch mal ehrlich: Ihr Ärzte verdient doch genug!” sagt Schwester Anna, “Wenn so ein Hartz-4-Empfänger Euch beim Streiken zuschaut…”
“…dann soll der gerne meinen Job machen, wenn er dazu in der Lage ist!” erwiedert Kalle.
“Wir Pflegekräfte streichen ja auch nicht unbedingt die Spitzengehälter ein.”
“Dafür haben wir auch mehr Verantwortung!”
“Ach komm! Was würdet Ihr denn tun, wenn Ihr uns nicht hättet?”
“Darum geht es doch gar nicht: Ihr fangt mit Achtzehn Jahren an, Geld zu verdienen. Okay, ich weiß, als Schülerin verdient man nicht viel, aber man kann sich damit über Wasser halten. Wir hingegen verdienen mindestens sechs Jahre lang keinen Cent…”
“…aber dafür anschließend um so mehr…”
“Mehr als Ihr schon. Aber wir brauchen auch mehr.”
Schwester Anna lacht.
“Ach, Du meinst, als Arzt muss man sich halt ein dickeres Auto leisten? Oder den standesgemäßen Freizeitbeschäftigungen frönen?”
“Nee, gar nicht. Aber wenn mein Auto kaputt ist, muss ich in die Werkstatt und werde dort ein Heidengeld los. Du kennst vielleicht irgendeinen Kumpel, der sowas für wenig Geld macht, ich nicht. Und wenn meine Wohnung nicht völlig verwahrlosen soll, brauche ich eine Putzfrau. Nach einer Sechzigstundenwoche habe ich nämlich einfach keine Zeit mehr für Haushalt. Das ist es: All diese vielen Kleinigkeiten, die eine Menge Geld kosten, wenn man keine Zeit hat, um sich darum zu kümmern! Und deswegen ist es auch richtig, wenn jetzt gestreikt wird!”