Krieg in Bad Dingenskirchen

Frau Brettschneider hat doch keinen Herzinfarkt.
Labor, mehrere EKG’s, Herzecho und dann zu guter Letzt auch noch das Belastungs-EKG: alles war in Ordnung. Sie kann also heimgehen.
“Dann bin ich ja beruhigt!” sagt sie bei der Visite, als ich ihr die Frohe Botschaft verkünde, “wissen Sie, ich hatte ja ein richtig schlechtes Gewissen!”
“Ein schlechtes Gewissen? Weswegen?”
“Na, ich hätte doch gar nicht hierher kommen dürfen!”
“Wer sagt das?”
“Na, mein Hausarzt.”
Ich starre sie verständnislos an.
“Entschuldigen Sie, aber… Ihr Hausarzt sagt Ihnen, dass Sie möglicherweise einen Herzinfarkt hätten und sagt Ihnen gleichzeitig, Sie sollen nicht ins Krankenhaus gehen?”
Frau Brettschneider lacht kurz.
“Doch, ins Krankenhaus schon, aber halt nicht in dieses hier.”
Die Sache wird ja immer verwirrender.
“Ja, wissen Sie, ich habe halt kein Auto. Von mir aus nach Sankt Anderswo, das sind über vierzig Kilometer. Da hätte ich einen Krankenwagen gebraucht. Bad Dingenskirchen hingegen ist gleich um die Ecke, da hat mich die Nachbarin schnell hinbringen können, also seien Sie mir bitte nicht böse…”
“Ich bin Ihnen gar nicht böse. Niemand ist Ihnen böse. Aber jetzt sagen Sie mir doch mal, warum Sie nach Sankt Anderswo hätten fahren sollen!”
“Weil mein Hausarzt das so bestimmt hat. Er sagt, er hat kein Vertrauen mehr zum Krankenhaus Bad Dingenskirchen und deshalb schickt er da keine Patienten mehr hin!”
“Und…ähem, hat Ihr Hausarzt Ihnen gesagt, weshalb?”
“Ja, hat er mir gesagt. Das heißt, er hat gesagt, es habe etwas mit Politik zu tun, aber das würde ich eh nicht verstehen. Das Krankenhaus wolle ihn in den Bankrott treiben, oder so ähnlich!”
Ich drücke Brettschneider den Entlassungsbrief in die Hand und verabschiede mich von ihr.
Keine Ahnung, was da vorgeht! Aber ich binja auch nur ein kleiner Assistenzarzt und brauche das alles nicht zu verstehen.

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