Kurswechsel für Patienten und Ärzte – Für eine neue Gesundheitspolitik!

Acht Jahre Politik der Ministerin Ulla Schmidt haben in der ärztlichen Versorgung ein Trümmerfeld hinterlassen. Der Ärztetag der Basis 2010 fordert von der Koalition in Berlin dringend eine neue Gesundheitspolitik!

Um wirkliche Qualität geht es im deutschen Gesundheitswesen seit langem nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Leistungen gibt es nur noch nach Kassenlage. Wegen falscher Prioritäten fließt enorm viel Geld in die falschen Kanäle (Bürokratie, e-Card, Listenmedizin, DMP, Kontrollitis). „Reform“ auf „Reform“ haben den humanen Kern des Arztberufs schwer beschädigt und die wirtschaftliche Situation der wohnortnahen Haus- und Facharztpraxen geschwächt. Der Ärztenachwuchs ist auf dem Weg in andere Berufe oder ins Ausland. So wird Medizin nicht gesichert!

Die im Tagesrhythmus auftauchenden neuen Pläne wie „Numerus Clausus abschaffen“, „Medizinabsolventen staatlich verpflichtet aufs Land schicken“, „Stipendien an Landarzttätigkeit koppeln“ und ähnliches verfehlen alle ihr Ziel. Der sich ankündigende, mittlerweile unbestreitbare Ärztemangel kann nur von seinen Ursachen her kuriert werden. Ein Kurswechsel gegen die geplante Abschaffung der Haus- und Facharztpraxen und ihre Verwandlung in MVZs der privaten Klinikgesellschaften ist überfällig!

Der Ärztetag der Basis 2010 in Hannover erwartet von der regierenden Koalition in Berlin die energische Umsetzung ihrer vertraglich vereinbarten Vorhaben.

Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP im September 2009 heißt es:

“Die Ärztinnen und Ärzte brauchen einen gesicherten Rahmen für ihre Arbeit, […] ein einfaches, verständliches Vergütungssystem, das die Leistungen adäquat abbildet. Dabei werden regionale Besonderheiten Berücksichtigung finden. Nach kritischer Überprüfung wird die Honorar­reform […] den erforderlichen Kurskorrekturen unterzogen. Wir wollen die Transparenz für Ärztinnen und Ärzte sowie für Versicherte erhöhen. Deshalb wollen wir die Möglichkeiten der Kostenerstattung ausweiten.”

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist in den letzten Jahrzehnten von der Politik gezielt in ein ausführendes Organ des Gesundheitsministeriums verwandelt worden. Sie nimmt die Interessen der niedergelassenen Ärzte nicht mehr wahr. Nach der katastrophalen „Vergütungsreform“ von 2007 werden von der KBV jetzt hektische Umverteilungsmaßnahmen durchgeführt. Aus Altersgründen abzugebende Arztpraxen werden durch rigide Strukturveränderungen kalt enteignet. Weder die sogen. „Konvergenzmaßnahmen“ noch die zentralistische Bedarfsplanung werden den Niedergang der Arztpraxen in weiten Teilen unseres Landes abwenden. Die Flucht der jungen Ärztegeneration aus unserem Beruf ist so nicht aufzuhalten. Im Gegenteil!

Hier kann nur ein sofortiger und effektiver Einsatz der Politik für die Haus- und Facharztpraxen „um die Ecke“ helfen, der sich entschieden gegen die weitere Industrialisierung der Versorgung im einseitigen Interesse von Kapitalgesellschaften im Gesundheitswesen richtet.

Der Ärztetag der Basis stellt die folgenden Forderungen:

  1. Die ärztliche Freiberuflichkeit muss geschützt werden. Die freie Berufsausübung des Arztberufes muss gewährleistet werden. Wir fordern die komplette Rücknahme der zurückliegenden, gescheiterten „Vergütungsreform“ im GKV WSG 2007.
  2. Eine pauschalierte Bezahlung ärztlicher Leistungen lehnen wir Ärzte entschieden ab. Wir fordern die Bezahlung ärztlicher Leistungen nach einem direkten und für Ärzte und Patienten transparenten Vergütungsmodell nach einer unkomplizierten Gebührenordnung. Die Möglichkeit der sozial abgefederten Kostenerstattung muss auch seitens der Vertragsärzte frei wählbar sein.
  3. Wir lehnen die gegenüber den Plänen von Kassen und Gesundheits­wirtschaft sich anbiedernde Politik der Kassenärztlichen Bundes­vereinigung ab. Das derzeitige Vergütungschaos hat zunehmend den Charakter einer Konkursverschleppung und schadet den Arztpraxen nachhaltig.
  4. Wir lehnen die inflationären neuen Knebelungsinstrumente wie „Codierrichtlinien im Dienste von Kasseneinnahmen“, wie „Online-Abrechnung“, wie sog. „Qualitätsindikatoren“, wie „staatlich diktierte Zulassungskriterien“ oder wie „von KV en eingerichtete MVZs“ entschieden ab. Wir fordern die ersatzlose Streichung aller Regresse.
  5. Ambulant vor stationär! Wir verlangen von der Bundesregierung wirksamen Schutz der Arztpraxen vor den übermächtigen privaten Klinikkonzernen, welche – mit Steuergeldern finanziert – Arztpraxen aufkaufen – oder in die Pleite treiben. Die Ausdehnung der Krankenhäuser in den ambulanten Bereich mit Hilfe des § 116 a, b und des §140 SGB V muss ein rasches Ende haben. Sie ist weder wirtschaftlich vernünftig noch für die Medizin sinnvoll.
  6. Wir lehnen eine Umstellung der freien Arztpraxen auf das „Dr. Gatekeeper“- Modell aus den USA – im Gewande der sog. „Hausarzt-zentrierten Versorgung“ – nachdrücklich ab. Hier wird nur Geld in Bürokratie verschwendet und die freie Arztwahl wird zerstört.
  7. Wir lehnen entschieden die Einführung der e-Card ab! Alleine dadurch lassen sich bis zu 14 Milliarden Euro sparen! Wir lehnen die Verwandlung der Arztpraxen in verwaltungstechnische Außenstellen der Kassen durch die geplante, zwangsweise Online-Stammdatenverwaltung ab.
  8. Wir fordern den Schutz und Erhalt der ärztlichen Schweigepflicht und des Schweigerechts! Wir fordern das Ende der polizeilichen Überwachung (“BKA-Gesetz”) von Arzt-Patienten-Gesprächen und lehnen die Speicherung der sensiblen Krankheitsdaten unserer Patienten in zentralen Servern ab, wie es auf den Deutschen Ärztetagen konsequent beschlossen wurde.
  9. Wir halten den Schulterschluss aller Ärztinnen und Ärzte für unverzichtbar.

Freie-Aerzteschaft.de [ 17.04.2010, Resolution vom 5. Ärztetag der Basis in Hannover ]

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