Endlich sind sie da – die lang ersehnten Ferien. Nach Monaten der Arbeit endlich eine Woche weg. Ortswechsel. Kein Laptop, kein im 5-Minuten-Takt piepsender Sucher, keine PatientInnen, keine Angehörigengespräche. Stattdessen Sonne, Meer, Ausschlafen, Baden, Ausruhen, Kraft tanken. Der letzte Dienst hat dem Stress der vergangenen Monate die Krone aufgesetzt – die Station gleicht einem Gruselkabinett. Ich sortiere die PatientInnen zwischen semistabil, bald sterbend und tot. Ein Anruf von der Pflege – ist es dringend? Falls nein, dann muss es leider warten. Dazu Papierkram, weinende Familien, der Bestatter, die Polizei. Keine Zeit um an Essen oder einen Toilettengang zu denken. Das Gute an einem stressigen Dienst ist, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Flug – habe ich schon eingecheckt? Was muss noch in den Koffer? Hauptsache Pass, Kreditkarte und Handy. Alles anderes ist mir egal, ich will einfach nur weg und abschalten. Richtig entspannt bin ich erst im Zug, auf dem Weg zum Flughafen. Die Haustiere sind in guten Händen, der Koffer verstaut und mein Mann bestellt im Speisewagen eine Flasche Sekt. Am Flughafen wird der Koffer abgegeben, noch ein bisschen gebummelt und anschließend in das Flugzeug eingestiegen. Alles funktioniert reibungslos, kein ewiges Rumstehen im Gang, brave Passagiere. Die Türen des Flugzeuges werden verschlossen, die Gurte festgezurrt, es kann losgehen. Doch es geht nicht los. Das Flugzeug bleibt stehen, man wartet geduldig. Ich freue mich auf das Gefühl des Abhebens, als plötzlich eine Durchsage ertönt. Ob sich medizinisches Personal an Board befinden würde. Seufz. Doch noch nichts mit Urlaub. Mir fällt eine Anästhesistin ein, die mir erzählte, dass sie sich am Flughafen immer sofort betrinke, damit sie dann an Board nicht arbeiten müsse. Ich schlurfe in Flipflops ein paar Reihen weiter. Die “Patientin”, eine circa 50 Jahre alte Frau. Aufgelöst, am Zittern. A-P-Symptomatik. Die FlugbegleiterInnen bleiben professionell ruhig und begleiten die Dame nach hinten, wo sie sich auf den Boden setzt. Ich frage sie, ob sie die Symptome kenne und ob sie Medikamente nehme. Sie zieht ihre Bluse hoch und deutet auf eine sehr lange Narbe, welche vom Brustbein bis zum Oberbauch zieht. 5 Stents seien da schon drinnen. Ich frage den Flugbegleiter, ob sie einen “Arztkoffer” an Board hätten, dann könne ich zumindest mal den Blutdruck messen. Ja, den gäbe es, aber solange sie noch am Boden sind, dürfen sie diesen nicht öffnen. Die Ambulanz sei unterwegs. Ich erkundige mich bei der Frau, welche Medikamente sie bei sich habe. Sie deutet auf ihre geöffnete Tasche. Neben einem durchsichtigen Beutel mit einem Haufen Tabletten (Statine, Clopidogrel, ASS, Citalopram, Betablocker) liegt eine Packung Zigaretten. Fünf Stents und Raucherin? Hofft sie auf einen baldigen Sechsten? Von draußen klopft es. Zwei Sanitäter steigen ein und begleiten die Frau nach draußen. Die Türen werden wieder verschlossen, es kann weitergehen. Doch vorher werden noch die “overhead bins” vom Personal durchsucht, denn die Frau könne ja alles nur vorgetäuscht und eine Bombe im Flugzeug hinterlassen haben. Irgendwann fliegen wir mit Verspätung ab, der Urlaub kann nun endlich beginnen.
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