Ärzte hinaus aufs Land! – oder doch nicht?

„Was hat Dich eigentlich damals nach Bad Dingenskirchen gebracht?“ frage ich Kalle.
„Mein Auto natürlich.“
„Sehr lustig!“
„Weißt Du, damals waren die Zeiten noch etwas anders… der Chef hat mir einen Arbeitsvertrag bis zur Facharztprüfung versprochen und sogar Hoffnung gemacht, anschließend als Oberarzt bleiben zu können… da habe ich nicht nein gesagt.“
Nach einer Pause fügt er hinzu.
„Und selbst?“
„Ich bin mit dem Zug gekommen, hahaha.“
Kalle verdreht die Augen, dabei hat er doch selbst damit angefangen.
„Habe mich halt beworben,“ sage ich, „und habe den Job gekriegt.“
Und den habe ich angenommen. Nach drei Absagen von tollen Superkliniken habe nicht lange gezögert. Meine finanziellen Rücklagen waren nach dem PJ aufgebraucht.
„Hast Du es bereut?“
Ich zucke mit den Schultern.
„Könnte schlimmer sein.“
„Es ist halt ruhiger, gemütlicher, persönlicher als in der Großstadt.“ sagt Kalle, „Weniger Hektik…“
„Außerdem sind die Mieten hier billiger. Überhaupt die ganzen Lebenshaltungskosten…“
„Aber auf Dauer?“
„Hmmm.“
Kalle ist nachdenklich.
„Alle reden vom Ärztemangel auf dem Land. Aber warum sollten wir Ärzte in die Provinz ziehen, wenn es sonst keiner tut?“
„Wegen der Lebensqualität…?“
„Also, jetzt mal von vorn: Tatsache ist, dass die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten schrumpfen wird. Und zwar vor allem in ländlichen Gebieten. Die Leute wandern in die Städte ab. Und mit den Menschen wandern auch die Geschäfte, Betriebe und Wirtschaftsunternehmen. Alles wird sich mehr und mehr auf die Ballungsräume konzentrieren.“
„Und das heißt?“
„Die Landbevölkerung wird immer älter.“
„Ist doch toll: viel zu tun für uns Ärzte!“
„Richtig. Viel Arbeit, aber wenig Geld. Als Niedergelassener Arzt musst Du wirtschaftlich denken. Rentner und chronisch Kranke, sind nicht unbedingt lukrativ.“
„Aber die Lebensqualität…“
„Zur Lebensqualität gehört nun einmal mehr als gute Luft und billige Mieten. Was nutzt Dir das, wenn die Infrastruktur fehlt? Wenn Du für jeden Einkauf und Besorgung weite Autofahrten in Kauf nehmen musst? Das ist nicht nur ein Zeit- sondern auch ein Geldaufwand. Da relativiert sich die Sache mit dem billigen Leben auf dem Land ziemlich bald!“
„Willst Du damit sagen, dass Du zurück in die Stadt gehen wirst?“
Kalle seufzt.
„Ich weiss nicht,“ sagt er, „ich weiß wirklich nicht!“

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