Hirntod, Scheintod, Lazarus

Im Zuge der Diskussion sollten wir zunächst einmal ein paar Begriffe klären:
Wenn ein Doc einen Totenschein ausfüllt, muss er nachweisen, dass er sichere Todeszeichen festgestellt hat. Sichere Todeszeichen sind Leichenflecken, Totenstarre und Fäulnis. Wenn man das sieht, kann man davon ausgehen, dass der Betreffende wirklich tot ist. Wirklich? Naja, einem unerfahrener Assistenzarzt in der zweiten Woche, welcher nachts um drei im Dienst von der Schwester an das Bett einer dementen und seit Jahren bettlägerigen, völlig abgemagerten fünfundneunzigjährigen Patientin gerufen wird, die nicht mehr atmet und deren Hände schon pietätsvoll zusammengefaltet sind, mit Blümchen drin… da mag ab und zu ein Irrtum vorkommen. Aber, Hand aufs Herz, wenn solche Leutchen jetzt nicht tot sind dann sind sie es ein paar Stunden später wirklich.
Anders sieht es bei jungen Unfallpatienten aus, bei denen auf der Intensivstation der Hirntod festgestellt wird. Der Hirntod wird nämlich in der Regel nur klinisch diagnostiziert: Lichtstarre Pupillen, keinerlei Reflexe mehr, keinerlei Spontanatmung und natürlich tiefe, unweckbare Bewusstlosigkeit. Wenn – von einem oder mehreren erfahrenen Ärzten der Hirntod aufgrund dieser Kriterien diagnostiziert wird, können intensivmedizinische Maßnahmen, zum Beispiel Beatmung, eingestellt werden. Nur dann, wenn es um eine Organtransplantation geht, wird aufwändige Diagnostik – etwa Null-Linien-EEG oder eine Darstellung der das Hirn versorgenden Blutgefäße durchgeführt.
Doch auch dann gilt: das Hirn ist dann zwar vielleicht tot, aber der Rest des Körpers lebt noch eine Weile. Logisch: Eine Niere, die man transplantieren will sollte ja noch funktionieren, sonst kann man es auch sein lassen. Und nicht nur die Niere lebt: Der Darm verdaut, Arme und Beine können sich möglicherweise (reflexartig) bewegen. Ja, und auch eine Erektion ist zumindest theoretisch möglich. Vor ein paar Jahren hat eine hirntote schwangere Frau sogar ein – allerdings totes – Kind geboren.
Und wie auch immer man es dreht und wendet: Die Diagnose Hirntod bedeutet nichts anderes als dass keine messbare Hirnaktion mehr vorhanden ist. Wie es „drinnen“ aussieht… das weiss kein Mensch.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *