Intensivpatienten Follow-Up oder auch “Burnoutprophylaxe”

Wenige ÄrztInnen sind so burnout-gefährdet wie die, die in der Intensivmedizin tätig sind. Wir betreuen Patienten oft über einen langen Zeitraum und bekommen selten Erfolge zu sehen. Man stelle sich einen Tischler vor, der mit größter Hingabe und unter größtem Einsatz Tische fertigt, nie aber auch nur einen davon nach Fertigstellung zu Gesicht bekommt. Wäre er in der Lage, seine Arbeit zu optimieren und das Outcome -den Tisch- fortzuentwickeln und im Laufe der Jahre in seiner Arbeit zu wachsen? Wohl kaum. In der Intensivmedizin hingegen haben wir uns offenkundig daran gewöhnt, dass Patienten entweder sterben oder in einem extrem reduzierten Allgemeinzustand nach wochenlangem Aufenthalt in die Reha abfahren und nie wieder von ihnen zu hören.

Oft fragt man sich, ob das was man monatelang betrieben hat im Sinne des Patienten war. Gelegentlich kommt eine Karte mit Dankschreiben, zahlenmäßig jedoch hielten sie sich zumindest vor Corona mit den Traueranzeigen ungefähr die Waage.

Um nicht den Respekt vor der eigenen Arbeit zu verlieren ist es also extrem wichtig, eine Strategie zu entwickeln, mit den Ergebnissen umzugehen.

Wichtig dabei ist es, Outcomes zu definieren, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wichtig dabei:

Stirbt der Patient, bedeutet es nicht unbedingt, dass wir versagt haben.

Nicht immer ist Heilung das einzig akzeptable Outcome einer gelungenen intensivmedizinischen Behandlung.

  • Es kann auch sein, dass wir dem Patienten ein würdevolles Abschied nehmen ermöglicht haben, was anderswo nicht möglich war.
  • Denkbar ist auch, dass eine palliativmedizinische Behandlung nur auf der Intensivstation praktikabel war.
  • Gelegentlich ist Intensivmedizin auch dafür da, Zeit für Diagnostik zu kaufen, um eine Diagnose oder ein Staging zu etablieren, an die sich eine Therapierückzug anschließt.

Dass der Patient gestorben ist, bedeutet also nicht automatisch, dass unsere Bemühungen vergeblich waren.

Was ist mit den Überlebenden? Wie kann man aber die Überlebenden nachverfolgen?

Die beste Lösung hierfür ist eine Post-ICU-Ambulanz. Eine Ambulanz, in der PatientInnen nach ihrem Intensivaufenthalt einbestellt, gesehen und betreut werden. Meine KollegInnen haben das nun in unserer Klinik etabliert und ich bin von den Ergebnissen beeindruckt. Eine solche Ambulanz hat einerseits den Vorteil, dass Patienten weiter an uns angebunden werden und weiter betreut werden. Andererseits erhalten wir ein Feedback darüber , mit welchen Problemen die Patienten noch zu kämpfen haben. Jedoch verfügen die wenigsten Kliniken über eine solche Ambulanz, was also tun?

Schritt 1:

Legt Euch eine (datenschutz-konforme) Liste an, mit Patientennamen, die auf Normalstation oder in die Reha gingen. Patienten, an denen Ihr besonderes Interesse hegt.

Schritt 2:

In einer freien Minute -und die gibt es immer wieder- ruft man diese PatientInnen oder deren Angehörige an. Wie geht es Ihnen heute? Haben Sie Erinnerungen an den Intensivaufenthalt? Belastbar im Alltag? War die Intensivtherapie überhaupt im Sinne der Patientin? Die meisten sind unglaublich dankbar, so die Gelegenheit zu bekommen, selbst noch einmal danke zu sagen oder etwas loszuwerden, was ihnen auf der Seele brannte.  Richtet die herzlichsten Grüße des gesamten Teams aus, nicht selten ist das die größte Freude für diese Menschen seit Wochen. Wenn die Kontaktaufnahme wider erwarten doch nicht erwünscht gewesen sein sollte (was ich noch nie erlebt habe) entschuldigt man sich und wünscht einen schönen Tag.

Schritt 3:

Verbreitet die Informationen. Erzählt dem Team (Physio, Pflege, MDA, ÄrztInnen usw) von den Verläufen, idealerweise mit einer kurzen Info über den klinischen Verlauf auf der Intensivstation.

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