Irgendetwas ist ja immer. Aber dieses Jahr, war „irgendetwas“ häufig auffallend extrem. Ich komme nicht mehr so häufig zum bloggen, wie ich gerne wollte. Ich hab auch gelegentlich das Gefühl, das liest / interessiert nicht mehr so viele, Dabei hätte es so einiges gegeben, über das ich schreiben hätte können. Na, dann hole ich das doch mal etwas konzentriert nach. Wenn jemand etwas davon interessiert, kann ich ja mehr dazu schreiben.
Die Apotheke ist ausgerüstet gegen Covid. Wir haben Plexiglasscheiben (immer noch – wenn ich sehe, was da hängen bleibt, seit die Masken im März abgeschafft wurden, bin ich froh, auch wenn das nicht gegen Aerosole nützt). Wir haben Desinfektionssteller am Eingang – auch immer noch. Die werden erstaunlich rege genutzt. Auch seit sie fast überall sonst abgebaut wurden. Maskenpflicht herrscht nur noch im Beratungsraum – ansonsten trägt (ausser mir immer wieder mal) kaum einer noch Maske. Die Ausnahme sind die Angestellten, die sich krank fühlen, oder die arbeiten kommen, wenn sie positiv sind. Das ist bei uns sogar in den „Post-Corona-Verhaltensrichtlinien“ festgehalten: „Wer sich arbeitsfähig fühlt, kann arbeiten. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Corona-Test gemacht wurde und ob das Resultat negativ oder positiv ausgefallen ist.“ Wir hatten natürlich immer wieder Ausfälle wegen Covid und diversem anderen. Das kommt so phasenweise und ist belastend für alle, die noch arbeiten und einspringen müssen.
Personaltechnisch war es auch deshalb nicht einfach. Letztes Jahr haben wir eine 100% Stelle verloren, die lieber zu den Krankenkassen arbeiten ging, als sich den Stress in der Apotheke anzutun. Die haben wir mit Mühe mit internem Aufstocken der Arbeitsprozente und mittels Springer / Einsätze von aussen abdecken können. Parallel haben wir durchgehend jemanden gesucht – bis im September. Der Fachkräftemangel ist inzwischen extrem spürbar. Wir haben dann zwei Pharmaassistentinnen einstellen können. Eine davon haben wir von einer anderen Apotheke, wo sie nicht sehr glücklich war. Die andere war ein Versuch: sie ist Wiedereinsteigerin, hat zwar die Ausbildung, aber seit über 15 Jahren nicht mehr im Beruf gearbeitet (!). Wer weiss, was sich in der Zeit alles geändert hat, hat eine Ahnung, wie schwer das sein kann. Da sie aber top-motiviert ist und auch super ins Team passte, haben wir sie angestellt. Parallel zum arbeiten und lernen bei uns macht sie einen Wiedereinsteigerkurs. Beide haben sich bestens eingearbeitet, sind toll integriert und geben alles, das bringt doch etwas Erleichterung hier. Gerade noch rechtzeitig auf die sehr stressige Zeit am Jahresende.
Dann war da noch der Lehrling in der Drogerie, der (die) Anfang August anfangen sollte. Beim Unterschreiben des Lehrvertrages im letzten Herbst waren die Eltern mit dabei. Nach dem Unterschreiben haben sie meinem Mit-Chef (Betriebsleiter Drogerie) vermeldet, dass sie „nicht möchten, dass wir mit ihr hier über Impfungen reden“. Mit-Chef hat dazu nur sehr diplomatisch gemeint, dass wir hier ja nicht nur eine Drogerie, sondern auch eine Apotheke wären und dass sie deshalb nicht um das Thema Impfen komplett herumkämen. Immerhin machen wir hier regelmässig Impfungen und auch Impfberatungen. Mich hat das ehrlicherweise etwas schockiert: ein Lehrling mit Impfgegnereltern in der Apotheke, ob das gut geht? Nun, etwa 3 Wochen vor eigentlichem Lehrbeginn, als alles vorbereitet war (Schurz, Namensschild, Spind, Organigramm, Arbeitsplan, Einführungsplan…) kommt ein mail: Sie wird die Lehre bei uns nicht antreten. Ihre Schulnoten haben sich im letzten Jahr so verbessert, dass man beschlossen hat, sie in die weitergehende Schule zu schicken, sie melden sie deshalb bei uns ab. Ja nun. Schön für sie, Mist für uns – und eine absolut unmögliche Art das so kurzfristig mitzuteilen, so haben wir keine Möglichkeit sie zu ersetzen. Also noch eine Person weniger in der Drogerie. Und eine Stelle, die jetzt nicht ausgebildet wird und auch später fehlt (auch Drogisten sind gesuchte Fachkräfte).
Letztes Jahr haben wir noch einige Antikörpertests auf Covid gemacht, aber seit man kein Zertifikat mehr braucht (für nix mehr) und da das ja nicht übernommen wird, ist das total eingebrochen. Zum Identifizieren brauchen wir da die Krankenkassenkarte und eine ID mit Bild (anscheinend gab es da ein paar Betrüger). Interessant aber: bis dahin hatten wir zwei Patienten, bei denen rauskam, dass sie keine Krankenkasse besitzen. Beide waren überzeugt, sie seien noch versichert. In der Schweiz ist es obligatorisch, eine Krankenversicherung zu haben, die kann ihnen auch nicht künden, aber wenn man nach Arbeitswechsel nicht merkt, dass der Arbeitgeber einen dort abgemeldet hat … und man sich nicht weiterversichert oder woanders angemeldet hat… kann man offenbar auch in der Schweiz ohne Krankenkasse dastehen. Ja, das hat mich auch überrascht.
Im Frühling sind wir wieder auf Thailand gereist. Das Reisen braucht in Pandemie-Zeiten enorm viel mehr Vorbereitung. Für Thailand hiess das: Vorher Thailand-Pass online beantragen mit allen Unterlagen, die hochgeladen werden mussten: kompletter Impfschutz, Hotelbestätigung, Reisepässe, Versicherungsnachweise. Ich war alleine damit 2 Stunden beschäftigt. Danach war es nur noch 1 negativer PCR-Test Nachweis, nicht älter als 72 Stunden vor Ankunft. 1 PCR Test den sie am Flughafen bei der Einreise gemacht haben (und wo man das Hotel bis zum Bescheid nicht verlassen durfte). 1 PCR Test nach 5 Tagen, den man vorher buchen musste und das Ergebnis auch wieder im Hotel abwarten musste. Danach war man frei herum zu reisen. Der Flug dauerte dann noch etwas länger als sonst, da man wieder nicht durch den Luftraum der Ukraine und Russlands fliegen durfte. Flashback zurück nach 2014 – und hoffen, dass sie nicht (wieder) ein Passagierflugzeug abschiessen.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine, der Krieg ist danach allgegenwärtig und löst in den Medien die Covid-Problematik komplett ab. Nukleare Drohungen von Seiten Russlands auf der einen Seite, Solidarität mit der Ukraine praktisch weltweit auf der anderen Seite. Sanktionen und NATO-Hilfe. Diskussionen über Waffenlieferungen … das habt ihr genauso mitbekommen. Gefühlsmässig stirbt bei mir die Hoffnung, dass die Menscheit vielleicht vernünftiger wird, damit komplett.
In der Apotheke fragte ein Mann, der bei uns eigentlich nur vorbei kommt, um sich „französisch zu duschen“ (lies: von oben bis unten mit Parfüm einzusprayen), ob er bei uns auf die Toilette kann. Wir verweisen auf die öffentliche Toilette im Kaufhaus wenige Meter daneben: wir lassen aus verschiedenen Gründen keine Kunden auf unsere Personaltoilette. Er zieht es vor stattdessen vor der Apotheke stehen zu bleiben, dann mit den Händen den Stuhl aus der Unterhose zu fischen und ihn fallen zu lassen, das durch hin- und hergehen zu verteilen und sich dann die Hände mit der Flüssigkeit vom Desinfektionssteller zu reinigen. Das klappt nicht wirklich, weil das zu wenig Flüssigkeit ist, auch wenn man mehrmals sich bedient. Erst als die Kollegin kommt um zu schauen, was er da (so lange) macht, und entsetzt reagiert ob der Sauerei, verzieht er sich. Laut schimpfend.
Nach Aufhebung der Covid-Massnahmen hatten wir eine Menge mehr Diebstähle in der Drogerie. Da wir umgestellt haben, stehen an den Klau-Hotspots jetzt nicht mehr die Parfüms, sondern ätherische Öle und Shampoos. Wir stellen fest, dass offenbar auch Läuseschampoos beliebte Klauware sind. Mehrmals stellen wir Diebe, die wir erwischen zur Rede. Anzeigen bringt leider nichts, aber wir sprechen inzwischen grosszügig Hausverbote aus und nach einem Diebstahl informieren wir das Personal mit dem Bild der Täter, damit sie aufmerksam sind, falls die zurück kommen. Die meisten ertappten Diebe sind peinlich berührt, aber es gibt ein paar die werden laut und einer hat versucht meine (da schwangere) Kollegin anzuspucken. Sowas geht gar nicht! Leider haben wir von ihm die Personalien nicht – und offenbar fällt das hierzulande nicht unter versuchte Körperverletzung, sondern nur Beleidigung, aber das wäre mir eine Anzeige wert gewesen.
Mit der Polizei hatten wir aber auch sonst zu tun. Im Sommer hatten wir einen Kreditkartenbetrüger, der in der Drogerie für mehrere Hundert Franken Parfüm eingekauft hat. Dem Besitzer war die Karte kurz vorher geklaut worden, er hat die Abbuchung aber auf seiner App gesehen. Da er Karte und PIN hatte, war der Einkauf (ausser vielleicht der Menge) unauffällig. Wir konnten die Videoaufzeichnung weitergeben, aber er war mit Maske hier (einer der wenigen, die noch Maske tragen!) und deshalb schlecht zu identifizieren. Etwa 2 Monate später hat er es noch einmal bei uns versucht! Und er hatte das Pech dieselben Angestellten wie beim ersten Mal zu erwischen. Sie haben ihn vorne solange hingehalten, bis die (hinten) alarmierte Polizei kam und ihn in Handschellen mitgenommen hat. Dem Beklauten wird das nur ein kleiner Trost sein, denn dadurch, dass der Dieb seine PIN hatte, muss er den ersten „Einkauf“ bei uns trotzdem bezahlen. – Leute, passt auf eure PIN auf!
Auf der amüsanten Seite: Ich habe im Oktober fast die Polizei „bestochen“. Es war nicht Absicht, aber ich hab dann einen Brief der Kantonspolizei bekommen, weil sie von mir eine Einzahlung erhalten haben und nicht wissen wofür? Hoppla! Als ich den Betrag gesehen habe, wusste ich schon wofür. Eigentlich wollte ich ja die Kinderarzt-Rechnung per Computer bezahlen. Leider hatte die Rechnung keinen QR-Code (kurz vorher war die Umstellung) und es waren auch keine Angaben für eine Banküberweisung zu finden. Da hat mein Kuschelbär gemeint, er googelt das kurz und gibt mir die IBAN durch. Ja – das war dann die falsche.
Dann hatten wir dieses Jahr dreimal Audits: Einmal das interne Sicherheitsaudit, einmal das externe QMS-Audit und einmal das externe Chemikalienaudit. Wir sind durch-auditiert und haben die Bestätigung, dass (trotz allem) alles korrekt läuft bei uns. Und gründlich waren diese Audits! Alleine rund ums Chemikalien-audit gäbe es so einiges zu berichten. Vor allem, weil wir daneben auch noch ein paar seltsame Kundenanfragen hatten. Nicht gefährlich-seltsam, aber … wusstet ihr, dass Anfang 23 das Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe in Kraft tritt? Dann brauchen Privatpersonen zum Bezug von manchen Chemikalien (in der Apotheke) neu eine Bewilligung, die sie online beantragen müssen.
Im Herbst habe ich mir Ende Ferien in Island dann Covid eingefangen. Das ist mein zweites Mal. Für die Apotheke ist das praktisch, werde ich doch hauptsächlich in den Ferien krank. Immerhin habe ich es hinbekommen, dank Vorsicht und Verhaltensmassnahmen den Rest der Familie nicht anzustecken. Viel genützt hat es nichts, denn 2 Monate später hat sich Junior und auch meine Mama angesteckt, beide zum Glück mit wenig Beschwerden. Junior habe ich zu Hause gelassen für ein paar Tage und bei ihm einen PCR Test gemacht. Für Mama, die mit über 75 und künstlichen Herzklappen und Übergewicht eindeutig Risikopatientin ist (trotz 4 Impfungen), wollte ich eigentlich Paxlovid organisieren. Leider verschreibt ihr Hausarzt das nicht. Und da sie dem Hausarzt nicht in den Rücken fallen will und das sonst auch sehr aufwändig wird, hat sie darauf verzichtet. Zum Glück ist das gutgegangen. Aber es zeigt mir, wie schlecht die Schweiz in dem Fall wirklich vorbereitet ist. Es besteht eine Riesen-Diskrepanz zwischen dem, was öffentlich kommuniziert wird und was Sache ist.
Zunehmend wird es ein Problem, Medikamente zu bekommen. Lieferschwierigkeiten waren schon immer ein Thema, aber in den letzten Monaten hat sich das akut verschärft. Gerade bei Erkältungsmedikamenten, aber auch sonst fehlen so einige Wirkstoffe. Ob das noch Nachwirkungen vom liegengebliebenen Schiff im Suez-Kanal vom letzten Jahr sind, oder Nachschubprobleme in Asien wegen Covid-Ausfällen, oder allgemein erhöhte Nachfrage, oder alles zusammen und mehr? Das Problem betrifft nicht nur Medikamente, auch Computerteile und mechanische Ersatzteile. Mein Mann ist Fahrradmechaniker und erzählt mir von Lieferzeiten von 2 bis 3 … (wait for it) Jahren! Und auch bei den Medikamenten sieht es teils so aus.
Was noch? Die Mittel- und Gegenstände Liste (MiGeL), nach der Nicht-Medikamente von der Krankenkasse übernommen werden, wurde angepasst. Dieses Jahr schon das 3. Mal … und es wird immer noch gefühlsmässig schlechter. (Weniger übernommen, komplizierter, mehr Limitationen).
Die LOA V kommt frühestens Januar 2024. Das ist der Vertrag zwischen den Apotheken und den Krankenkassen, damit und wie die Leistungen abgerechnet werden. Dafür haben sie es am 16. Dezember geschafft, den bestehenden Vertrag zu verlängern, damit wir ab Januar nicht in einen vertraglosen Zustand fallen.
Die elektronische Gesundheitskarte kommt … vorläufig auch nicht. Es sieht so aus, als könnten sich die Parteien partout nicht auf gemeinsame Standards einigen. Und dann gibt es noch die Sicherheits- und Datenschutzbedenken…
Und was ich speziell Mist finde: Nachdem die Seite MeineImpfungen.ch eingegangen ist, auf der man seine Impfungen eingeben und validieren konnte und die einem auch angezeigt hat, wie es um Nachholimpfungen aussieht, ist nun auch die professionelle Version, das Programm viavac abgeschaltet worden. Die Daten von Meineimpfungen.ch und auch was ich in der Apotheke noch hatte sind weg. Damit fehlt mir nun eine (einfache) Möglichkeit für eine Impfberatung. Das erfolgt nun aktuell, bis es hoffentlich einen Nachfolger gibt alles wieder „von Hand“.
Und last but not least die Energiekrise: Angefeuert durch den Russland-Ukraine Krieg, einen sehr heissen Sommer (und AKW-Kühlproblemen), Pandemie und dem Klimawandel steigen die Energiekosten und es gibt Nachschubprobleme beim Strom und Gas und Benzin und … Die Nebenkosten steigen hier grad ziemlich stark, was Privathaushalten und auch Firmen und Geschäften zu schaffen macht. Ich hab die Befürchtung, dass die Lohnerhöhnungen das nur begrenzt kompensieren und Sparmassnahmen sind immer gut, aber … ob das ausreicht?