Wo viel Platz ist, ist wenig Schmerz.
Das Nierenbecken, vergleichsweise groß dimensioniert, bietet einem Harnstein viel Raum. Schmerzen sind mitunter nicht spürbar, sie steigern sich aber bis zu höllischen Qualen, wenn sich das Steinchen löst und auf Wanderschaft geht. Getrieben vom Fluss des Urins, von peristaltischen Wellen im Hohlsystem der ableitenden Harnwege, wird das kleine Bündel Kristalle in die Enge des Harnleiters gezwängt – es soll raus aus dem Körper. Ab hier wird es problematisch.
Nicht der Stein selbst ist zunächst das Problem, sondern das Bestreben des Körpers, ihn Richtung Ausgang zu treiben. Diese Zielstrebigkeit löst Beschwerden aus, die so stark werden können, dass sie einen Menschen ohnmächtig werden lassen.
Ist ein Nierenstein allerdings so groß, dass es überhaupt nicht vorwärtsgeht, wird möglicherweise nicht der Schmerz das Problem, sondern der Harnstau. Der Stein wirkt dann nicht als inkomplettes Hindernis, an dem noch Urin vorbeifließen kann, sondern als Staumauer. Was hinter der Staumauer eines Flusses passiert, ist klar: Selbst ein Flüsschen staut sich zum See, zum Binnenmeer, je nachdem wie viel Wasser fließt und ob der Stau reguliert wird.
Die Stauungsniere
Bei einem so genanntem Verschlussstein wird nichts reguliert. Der Stau ist komplett oder weitgehend komplett. Andererseits produziert die Niere weiter Urin. Sie weiß nichts vom Stau, könnte sich andererseits auch nicht einfach abschalten. Wie ein Stausee Land überschwemmt, überschwemmt im Falle des verschließenden Harnleitersteins der produzierte Urin die Niere selbst. Bis nichts mehr geht, die Niere gleichsam ertrinkt und ihre Funktion einstellt. Dies kann unbemerkt verlaufen. Rein entgiftungstechnisch steht eine zweite Niere zur Verfügung. Allerdings ist die Stauungsniere ein Krankheitsbild für sich. Wie dieses Krankheitsbild weiter verlaufen kann, sprengt den Rahmen dieser Artikelreihe. Aber auch jedem Nichtmediziner dürfte klar sein, dass auf dieser Situation kein Segen ruht. Weil dies Herrn M. aus H. nicht zugestoßen ist, soll an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gegangen werden.
Ein Nierenstein auf Wanderschaft
Der Übergang eines Nierensteins vom Nierenbecken in den Harnleiter kann bildlich mit der Situation eines kleinen Trichters verglichen werden, auf dessen Tülle ein dünner Schlauch geschoben ist. Gießt man oben Wasser in den Trichter läuft das Wasser vielleicht dreißig Zentimeter weiter unten in eine Flasche oder eine Schüssel. Streut man ein paar kleine Kiesel in den Trichter, ist es stark von der Größe der Kiesel abhängig, welche Folgen entstehen. Ist der Umfang der Kiesel deutlich kleiner als die lichte Weite der Tülle und des anschließenden Schlauchs, passiert vielleicht nicht mehr als ein minimal verlangsamter Fluss des Wassers. Besitzen die Kiesel einen Durchmesser knapp unterhalb der lichten Weite der Tülle, fallen einzelne hinein, bleiben hängen, rutschen weiter, schaffen es in den Schlauch, bleiben dort hängen, rutschen weiter, fallen schließlich in die Flasche. Die Varianten mit kleinen, mittleren und großen Kieseln, die bis zum Überlauf des Trichter führen können, kann sich jeder leicht vorstellen. Ähnlich geht es mit Nierensteinen. Ähnlich erging es Herrn M. mit einem Harnstein, der gerade so durch seinen linken Harnleiter passte und auch wieder nicht.
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