Immer mehr Patienten suchen medizinischen Rat im Internet. Häufig ist die Hemmschwelle hoch, zum Arzt zu gehen – und im Internet können die Ursachen für Symptome anonym und schnell selbst gefunden werden. Oder doch nicht?
Deborah Schmidt schreibt für Der Westen:
„Kaum sind die Beschwerden dort eingetippt, reihen sich Diagnose-Foren, medizinische Stammtische sowie zahlreiche Krankheitsberichte aneinander. Das Ergebnis, das „Dr. Google“ dabei präsentiert, ist alles andere als eindeutig.“
Die Gefahr ist, dass sich im Internet zu jedem Symptom schnell eine „passende“ Krankheit finden lässt. Das Internet ist prall gefüllt mit Diagnose- und Therapievorschlägen, in Foren tauschen sich Patienten aus. doch das Wichtigste gibt es hier nicht: eine Diagnose mit anschließender Therapie. Allzu häufig gehen Patienten auf der Suche nach Rat gleich vom Schlimmsten aus:
„Bauchschmerzen deuten dann auf ein Magengeschwür hin, und ein Kribbeln in den Fingern wird zum ersten Anzeichen von Multipler Sklerose.“
Besonders Menschen die ohnehin unter Krankheitsängsten leiden, geraten über das Internet schnell in einen Teufelskreis. Ein Beispiel liefert Welt Online:
„Jörn Schäller war sich sicher: Er hatte Lungenkrebs. Die Diagnose hatte der 35-jährige Hamburger von einem Webportal. Der anhaltende Husten, die Schmerzen in der Brust und das Schwächegefühl waren typische Symptome, hatte er dort gelesen. Dass sich sein Verdacht später als unbegründet erwies, konnte ihn kaum beruhigen – er litt Todesängste.“
Das Problem ist, dass Laien den Wahrheitsgehalt der medizinischen Informationen oft nicht einschätzen können und in den Suchergebnissen überwiegend negative Erfahrungen dargestellt werden. Wer sich etwa zum Thema Krebs informiert, findet kaum Informationen über Geheilte. Dementsprechend düster ist das Bild, das der suchende Patient erhält. „,Oft wird das Schlimmste zuerst aufgeführt‘, [sagt Dr. Mutz aus Castrop-Rauxel], doch während er als Arzt die Informationen dort einordnen könne, würden die Patienten meistens stark verunsichert.“
Obwohl Ärzte es größtenteils begrüßen, dass sich ihre Patienten über die Erkrankungen informieren, sehen sie sich mit einer völlig neuen Art von Patienten konfrontiert: jemand, der eine vorgefertigte Meinung bzw. Diagnose mitbringt, der Erläuterungen seines Arztes mit „Ich habe aber gelesen…“ kommentiert, somit auch dessen Kompetenz in Frage stellt und schlussendlich zurück im Internet auf Ärzte-Bewertungsseiten seinem Unmut Luft macht. Die informierten Patienten wollen stärker in ihre Diagnose und Behandlung einbezogen werden und darauf müssen Ärzte sich immer stärker einstellen.
In der Vergangenheit hat es Fälle gegeben, in denen Patienten dem behandelnden Arzt durch ihre eigene Recherche einen entscheidenden Hinweis geben konnten. Doch das waren wenige Einzelfälle.
Das letzte Wort sollte also der Arzt aus Fleisch und Blut haben – und nicht „Dr. Google“.
Quellen und weitere Informationen:
Bowden, Matthew. (28. März 2005). Woman typing on laptop. Wikimedia.
doctr.com (11. August 2009). Heilsbringer Internet?
doctr.com (21. August 2009). Morbus Internet?
dpa. (02. April 2008)`Dr. Google stürzt Hypochonder in Todesangst. <http://www.welt.de/wissenschaft/article1862428/Dr_Google_stuerzt_Hypochonder_in_Todesangst.html>`_ Welt Online.
dpa. (10. August 2010).`Patienteninformationen: Gesund dank Dr. Google. <http://www.focus.de/gesundheit/arzt-klinik/tid-9201/patienteninformationen-gesund-dank-dr-google_aid_264826.html>`_ Focus.
Schmidt, Deborah. (09. August 2010). Ärzte sehen Diagnosen von „Dr. Google“ kritisch. Der Westen.