Immer mehr Kassen schränken die Übernahme von Kosten für bestimmte Behandlungen ein. Folglich gilt es immer öfter, den Patienten die sogenannten individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) vorzustellen und diese dann auch professionell mehr…
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Begeisterungsstürme in Österreichs Medien…
Österreichs Frauen erlebten in den letzten Wochen eine Werbeoffensive ohnegleichen, die sie von der neuen Verhütungspille Qlaira® (gesprochen “Klära”) des Pharmakonzerns Bayer Schering überzeugen sollte. Werbung für ein rezeptpflichtiges Medikament? So muss man jedoch die redaktionellen Artikel nennen, in denen die Antibabypille gefeiert worden ist. Journalismus war das nicht, sondern plumpe PR.
In der Frauenzeitschrift “Woman” wird das Medikament trendig als “neues Modell auf dem Markt” beschrieben und mit Handelsnamen genannt. Im Artikel kommen zwei Experten zu Wort. Dr. Claudia Linemeyer-Wagner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung, die schon früher in Pressemitteilungen von Bayer Austria auftreten ist, und Prof. Ludwig Wildt von der Uni Insbruck.
Die Gynäkologin erklärt, dass “die Neue” einige positive Effkte berge:
Alles Aussagen, die werblich sind, da sie die Indikation der Pille nicht betreffen, und aufgrund der dürftigen Studienlage und kurzen Erfahrung mit dem Kontrazeptivum spekulativ erscheinen.
In die gleiche Kerbe haut das Gesundheitsmagazin der Kronen-Zeitung. Hier ist es Prof. Doris Gruber, die von der Verträglichkeit, die positive Wirkung auf Haut und Haare und die kürzeren Blutungen schwärmen darf.
Glaubt man dem Bericht soll Qlaira® “so natürlich wie die Natur selbst” sein. Eine mutige Aussage dafür, dass für den Wirkstoff keine Eierstöcke ausgepresst werden, sondern er chemisch synthesisiert ist, also höchstens “naturidentisch”.
Bei soviel positiven Eigenschaften stellt sich die Frage, ob die Verhütung nicht eine erwünschte Nebenwirkung ist. Die Krone gibt die klare Antwort darauf:
Im Schlusssatz wird die Message noch mal leserinnenfreundlich für die Fastfood-Generation auf dem Punkt gebracht: Man braucht Äpfel nur mehr zu essen, wenn sie einem schmecken.
Für das Nachrichtenmagazin “news” tritt der “Top-Gynäkologe” Sepp Leodolter an – der hier im Blog schon zu Ehren kam. Leodolter erläutert die Erwartungen des Pharmamarketings an eine neue Verhütungspille: “Heute muss sie nicht nur möglichst keine Nebenwirkungen haben, sondern auch Zusatznutzen erfüllen”.
Gut, dass news die Vorteile von Qlaira® eindrucksvoll aufzählt: Gute Verträglichkeit mit besserem emotionalen Wohlbefinden, kürzere Blutungen, geringerer potentieller Libidoverlust, und erst am Ende die Verhütungssicherheit. Eine “Pille für alle”:
Bei soviel Schmäh darf “Apotheker Mag. pharm. Kurt Vymazal” nicht fehlen, unter dessen Namen in der Kronen-Zeitung einmal wöchentlich über rezeptpflichtige Medikamente anhand von Indikatioen geschrieben wird. Insidern zufolge eine äusserst beliebte Kolumne für Pharmaunternehmen, die gerne über den Umweg der hauseigenen PR-Agentur bezahlt wird.
Nach der sich überschlagenden Begeisterung in den anderen Printmedien eine verstörend nüchterner Text.
Bei soviel Anbiederung und Marketinggeschreibsel scheint ein “Vymazal” ein auslaufendes Modell für die Pharma-PR zu sein.
Bayer und Jenapharm suchen den Q-Punkt
Bayer startet die Vermarktung einer neuen Verhütungspille, die – so die Pressemitteilung – “den Ansprüchen gerecht wird, die Frauen an moderne Verhütungsmittel stellen”. Qlaira – ausgesprochen Klära, soll eine Art Lifestyle-Pille für die junge, moderne, berufstätige Frau werden. Frauen, die gerne in den Biosupermarkt einkaufen gehen und der Naturheilkunde nicht abgeneigt sind, sollen nun mit Präparat, dass das gleiche “natürliche” Östrogen enthält, welches der weibliche Körper produziert, eine Verhütungs-Alternative haben, die ihrem Lebensstil entspricht.
Die Auswahl von Kontrazeptiva unter dem Aspekt des Lebensstils, und nicht Verträglichkeit, Nebenwirkungen und Sicherheit, ging in den USA vor einigen Jahren ziemlich schief.
Was die Pressemitteilung nicht verrät, da Laienwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel in Deutschland verboten ist: Es gibt natürlich eine Internetseite für die neue Pille – pille-mit-q.de.
Da erklärt “Miss Q”, eine den Vorabend Soap-Operas á la GZSZ entsprunge junge Frau alles über den “Q-Punkt”. In einem Test soll der persönlichen Q-Punkt” gesucht und der “Q-Typ” betimmt werden. Wer sich in einen Newsletter einträgt, kann “tolle Preise” gewinnen. Zur Erinnerung: Das Heilmittelwerbegesetz verbietet Werbung mit Gewinnspielen – aber nur für frei verkäufliche Medikamente. Hier geht es um eine rezeptpflichtige Pille, für die keine Werbung gemacht werden darf.
“Pille mit Q” ist eine recht unverhohlene Werbung für das neue Medikament, die sicher in den nächsten Wochen durch Anzeigen, Spots und gekaufte redaktionelle Artikel in Frauenzeitschriften ergänzt wird. Damit überschreiten Bayer und Jenapharm mal wieder (siehe Kommentar) die Grenzen im Marketing für rezeptpflichtige Medikamente. Meist bleibt es bei “Dieseas Awareness Kampagnen”, in denen mehr oder weniger neutral über bestimmte Erkrankungen und deren Therapie informiert wird. Dabei kommt natürlich das jeweilige Präparat des Hersteller nie zu kurz, jedoch ohne Produktnennung, wie es hier mit der Betonung des “Q” als Aufhänger der Kampagne gemacht wird.
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Das ist eines der Testergebnisse bei dem “Q-Typ”.
…
Wirksame Verhütung, die in Einklang mit dem natürlichen Zyklus der Frau wirkt, sorgt dafür, dass alles im Gleichgewicht bleibt.
Na dann ist ja gut.
Düstere Aussichten für die Pharmaindustrie
Am Dienstag ist Election Day in den USA. Die Zeitung “Star Tribune” fasst die Pläne der beiden Präsidentschaftskandidaten bezügl der Gesundheitspolitik zusammen. Egal wie es ausgeht, ein Verlierer steht fest: Die Pharmaindustrie.
McCain: would promote generic drugs, require pharmaceutical companies to disclose drug pricing, and allow re-importation of U.S.-made drugs from countries where they are sold at lower prices; would gradually reduce payments to private Medicare health plans.
Obama: would promote the use of generic drugs, instead of more expensive brand-name ones; would reduce payments to private Medicare health plans.
Auch Obama hat sich für den Re-Import aus Kanada und anderen Ländern mit niedrigeren Arzneimittelpreisen ausgesprochen.
Selbst für den neoliberalen, den Republikanern nahestehenden Thinktank “American Enterprise Institute” scheint klar: We’re going to have an administration that’s hostile to the industry.
Der Op-Ed-Kommentar des Wallstreet Journals zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft der Pharmaindustrie. Zwar setzen die Lobbysisten alles daran, ein 60 Milliarden Dollar schweres Programm auf den Weg zu bringen, dass die Gesundheitsversorgung von Kindern verbessern soll, das “State Children’s Health Insurance Program” (Schip). Aber nach Ansicht des Kommentators, gräbt die Industrie ihr eigenes Grab ein wenig tiefer. Diese Mehrausgaben würden den Zwang zu Einsparungen nur fördern. Ein Phyrrussieg.
In any case, the real powers in Congress next year will be such pharma critics as Mr. Waxman, Pete Stark, Bart Stupak and John Dingell. Good luck.
Warum sollte uns das in Europa intressieren? Die USA sind immer noch der grösste Pharmamarkt der Welt. Dort hat sich der Erfolg oder Misserfolg eines neuen Medikaments entschieden und es wurden die Gewinne erwirtschaftet, die von den Pharmakonzernen auch in Europa in Forschung investiert worden sind. Vor ein paar Jahren noch hatte der US-Markt einen Anteil von 40-50% an den weltweiten Umsatzzuwächsen. In den nächsten Jahren rechnen die Analysten mit unter 10% und damit weniger als in Europa. Nun verschiebt sich der Fokus. Echte Zuwächse gibt es nur noch in den aufstrebenden Märkten wie wie Brasilien, Russland, Indien oder China (“BRIC”) – auf niedrigem Ausgangsniveau.
So ganz angekommen scheint es bei den Politikern noch nicht zu sein. Immer noch wird die Gesundheitswirtschaft als Wachstumsbranche hoffiert.