„Nehmt Platz, Leute!“ sagte der Weihnachtsmann. Ohne Zipfelmütze und roten Mantel sah er aus wie ein ganz normaler etwas korpulenter gebauter Mann mit etwas unmodischem und vielleicht ein wenig zu langem Bart. Er erinnerte mich ein wenig an einen meiner Auftraggeber, dachte Angelo. Und zwar an einen gewissen Herrn mit beträchtlichen Außenständen in Neapel. Der Pate des dortigen Wirtschaftsunternehmens schuldete diesem Herrn ein paar Millionen, hatte es jedoch vorgezogen, sich seinen Zahlungsverpflichtungen durch Gebrauch einer Schusswaffe zu entziehen, mit bekannten Folgen.
„Wollt Ihr was trinken?“ fragte der Weihnachtsmann, „kleinen Cognac vielleicht… Whiskey? Gin-Tonic?“
„Ich dachte, der Weihnachtsmann trinkt nur Milch?“
Der Weihnachtsmann schüttelte den Kopf.
„So ein Quatsch! Das erzählen die Amerikaner ihren Kindern. Oder die Engländer. Vielleicht auch die Skandinavier mit ihren verrückten Alkoholgesetzen….“
„Ich muss sagen, ich bin wirklich erstaunt…“
„Du glaubst nicht an den Weihnachtsmann? Da bist Du nicht der Erste, Hohoho!“
Er klopfte sich vor Lachen auf die Schenkel.
„Was wollen Sie von uns?“ fragte Angelina.
„Okay, fangen wir mit Dir an. Das ist einfach. Ich brauche einfach ein paar hübsche Gesichter…“
„Kommen Sie bloß nicht auf dumme Gedanken!“ warf Angelo ein, „Sie hat was gegen Frohlocken!“
„Kein Frohlocken?“ der Weihnachtsmann kratzte sich am Kopf, „Wirklich nicht? Warum? Und wie wäre es mit Jauchzen?“
Angelina starrte ihn mit einem Blick an, der nichts Gutes verhieß.
„Du könntest Harfe spielen!“ schlug der Weihnachtsmann vor, „oder vielleicht die große himmlische Trompete blasen…“
Angelinas Gesichtsfarbe verfärbte sich von rot in Richtung lila.
„Er redet vom Musikinstrument!“ warf Angelo ein, und dann in Richtung Weihnachtsmann, „vielleicht wäre Harfe doch besser geeignet…“
Der Weihnachtsmann nickte. Angelina schien ebenfalls einverstanden. Angelo war stolz auf seine Deeskalationskünste, denn normalerweise war das nicht gerade seine Stärke.
„Also, was wollen Sie von uns?“ er fixierte sein Gegenüber mit der Art von Blick die bei seinen irdischen Kunden immer sehr effektiv gewesen war. Bei fast allen seiner irdischen Kunden. Mit Ausnahme des letzten.
Der Weihnachtsmann klingelte ein Glöckchen, woraufhin sich die Tür öffnete und eine leicht bekleidete junge Engelin ein Tablett mit Getränken brachte. Vielleicht, dachte Angelo, ist das mit dem Frohlocken doch gar keine so schlechte Idee.
Der Weihnachtsmann schenkte allen ein und kippte sich einen Whiskey hinter die Birne. Angelo nippte nur an seinem Glas, Angelina rührte es gar nicht erst an.
„Ich habe ein Problem!“ sagte der Weihnachtsmann, dann schaute er Angelo an und schwieg.
„Hat das Problem einen Namen?“ fragte Angelo.
„Das Christkind.“
„Aha?“
„Seit über dreihundert Jahren macht es mir mein Revier streitig!“
„Hmmm.“
„Ja, ich weiß, was Du jetzt sagen willst: Ich habe meine Marktanteile ja auch dem Nikolaus abkämpfen müssen. Ihr glaubt gar nicht, was für ein Kampf das war. Aber inzwischen geht’s aufwärts. Der Nikolaus ist einfach viel zu kompliziert, mit seiner Bischofsmütze und so….“
Angelo begann zu verstehen, wo der Hase lang lief.
„Was ist der Deal?“ fragte er.
„Der Deal ist: Ihr schafft mir das Christkind vom Hals!“
„Was kriegen wir dafür?“
„Was Ihr dafür kriegt?“
Der Weihnachtsmann begann zu lachen.
„Himmlische Freuden! Jauchzen und Frohlocken bis in alle Ewigkeit! Psalter und Harfe und von mir aus auch die große Trompete….“
Angelinas Gesichtsfarbe veränderte sich von lila hin zu tiefrot.
Angelo legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Laß uns gehen!“ sagte er und warf dem Weihnachtsmann einen eisigen Blick zu.