Gesundheitsdaten nutzen: Heiligt der Zweck die Mittel?

Welche Chancen und Risiken sind mit der wissenschaftlichen Nutzung von Gesundheitsdaten verbunden, die in zunehmendem Maße von Patienten und Verbrauchern selbst generiert werden? Unter welchen Umständen sollte man bzw. darf man sie zu Forschungszwecken auswerten? Um Antworten zu finden, wurden Verbraucher und Patienten befragt, die schon heute als „Self-Tracker“ ihre Gesundheitsdaten rund um die Uhr aufzeichnen. Auch Wissenschaftler, die diese Daten in der Versorgungsforschung nutzen wollen, und Anbieter von Apps und Wearables, die diese Daten aufzeichnen und die Daten speichern, wurden in Rahmen der Studie befragt.

Ergebnisse: Die Befragten identifizierten insgesamt sechs Kategorien zukünftiger Herausforderungen: Datenhoheit, Datenzugang zu Forschungszwecken, Datenschutz, Selbstbestimmung und Ethik, Methoden der Datenanalyse und Datenqualität, Dynamik in der Entwicklung von Sensoren in Wearables sowie in der technischer Weiterentwicklung der Ausgabegeräte (Tablet, Smartphones, Smartwatches).

  • Verbraucher sind grundsätzlich bereit, ihre Daten anonymisiert zu Verfügung zu stellen, wenn es zum Wohl aller geschieht, d. h. die Gesellschaft als Ganzes davon profitiert.
  • Versorgungsforscher sind grundsätzlich begeistert, sehen jedoch auch viele offene Fragen: Wenn sich aus den neuen Erkenntnisse verwertbare Methoden ableiten, wie wird das geistige Eigentum an diesen Entwicklungen dann geschützt? Ob und wie können Lizenzen vergeben werden? Durch welche rechtlichen Vereinbarungen können die Rahmenbedingungen mit den Datenanbietern gestaltet werden?
  • Die Anbieter von Apps- und Trackingsystemen sind grundsätzlich ebenfalls offen für die wissenschaftliche Nutzung der erhobenen Vitaldaten, allerdings immer nur unter der Prämisse, dass dies die Akzeptanz ihrer Systeme beim Kunden nicht negativ beeinflusst.

Fazit: Die grundsätzliche Offenheit bei allen beteiligten Stakeholdern und deren erkennbar hohe Experimentierfreude lassen erwarten, dass Vitaldaten von Verbrauchern zukünftig auch zu Forschungszwecken genutzt werden.

Jetzt ist es Aufgabe, die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen verantwortlich zu gestalten und mit Verbrauchern, Systemanbietern und Datenanalysten sowie der Wissenschaft zu diskutieren. Die globale Wissenschaftswelt braucht verbindliche Standards, die weltweit akzeptiert werden. Dazu müssen national unterschiedlichen Datenschutz- und Ethikvorstellungen einbezogen werden, was die Dimension dieser Herkulesaufgabe verdeutlicht.

Quelle: Opportunities and challenges in the use of personal health data for health research. Bietz MJ, et al. J Am Med Inform Assoc 2015

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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Medizin Apps sicher nutzen

Diabetes- und Asthma-Apps, die Insulineinheiten bzw. Peak Flow berechnen, die Handlungsempfehlungen geben oder Schulungsinhalte zum Krankheitsverständnis vermitteln, sind weit verbreitet. Systematische Untersuchungen der Angebote zeigen große Schwächen in Bezug auf Verlässlichkeit und methodische Qualität. Auch wenn die Apps immer interaktiver werden und von der reinen Informationsvermittlung zunehmend komplexere Unterstützungsfunktionen bieten, so stagnieren Qualität und auch der Schutz der personenbezogenen Gesundheitsdaten. Um Gefahren durch Fehl- oder Falschinformation bzw. durch unberechtigte Nutzung persönlicher Gesundheitsdaten für Patienten abzuwenden, werden die Forderungen nach wirksamen Steuerungsmechanismen lauter: Genügt es, die Medien- und Entscheidungskompetenz der Nutzer durch Aufklärungsprogramme zu fördern und die eigenverantwortliche App-Nutzung zu stärken? Oder bedarf es staatlicher Regulierung, z. B. in Form einer Zulassung aller Medizin-Apps, die zum Selbstmanagement chronischer Erkrankungen dienen? Zwischen beiden Extremen zeichnet sich möglicherweise ein pragmatischer Mittelweg ab. App-Anbieter könnten z. B. dazu verpflichtet werden, alle Berechnungsalgorithmen und die Informationen zu Datenschutz und Datenqualität offenzulegen. Dann können Nutzer eine informierte Entscheidung treffen, App-Innovation kommen ohne Zertifizierungshürden in die Stores, Verbraucher können die Vertrauenswürdigkeit anhand der Daten selbst einschätzen und – orientiert am individuell unterschiedlichen Sicherheitsbedürfnis –  gezielt auswählen.

Quelle:

Trust but verify: 5 approaches to ensure safe medical apps. Wicks P, et al. BMC Med. 201

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„Gute“ Apps für Diabetiker? Orientierungshilfen für Therapeuten

Eine Diabetes-App, die der Nutzer versteht, die dem Nutzer gefällt und die die Hilfeleistungen bietet, die sich der Nutzer wünscht, hat hohe Chancen, viele Nutzer zu erreichen und gute Bewertungen zu erzielen. Nutzerfreundlichkeit und Nutzerlebnis sind positiv. Ob eine solche App darüber hinaus auch das Selbstmanagement nachweislich und dauerhaft verändern und damit als „wirksam“ eingestuft werden kann, müssen Studien zeigen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden insbesondere jene Apps gut abschneiden, die sowohl die evidenzbasierten, psychologischen Verhaltensmodelle berücksichtigen als auch die Leitlinienempfehlungen des Diabetesmanagements.
Um als Therapeut diese Apps leichter zu identifizieren und Patienten bei der Wahl einer geeigneten App beraten zu können., hat ein Forscherteam der Universität Queensland eine Entscheidungshilfe entwickelt. Das Tool wurde mit 14 Top Diabetes-App geprüft, die in Google Play und iTunes verfügbar sind.

Ergebnis: Alle mit dem Tool geprüften Diabetes-Apps konnte das volle Spektrum der psychologischen Unterstützungsmöglichkeiten nur ansatzweise nutzen. Die Diabetes-Apps waren weitgehend als „Stand alone“-Lösungen konzipiert. Würden sie stattdessen als Baustein eines therapeutischen Gesamtkonzeptes konzipiert, könnten sie nach Überzeugung der Forscher ihre Wirksamkeit deutlich besser entfalten. Die entwickelte Entscheidungshilfe kann Therapeuten helfen, Diabetes-Apps zu finden, die auf den individuellen Unterstützungsbedarf ihrer Patienten abgestimmt sind.

Fazit:

Bisher sind Verbraucher und Patienten auf der Suche nach einer hilfreichen Gesundheits-App weitgehend auf sich selbst gestellt. Sie binden ihre Therapeuten in der Regel weder bei der Auswahl einer App ein, noch teilen sie die z. B. in digitalen App-Tagebüchern dokumentierte Messwerte oder Bewegungsdaten mit ihren behandelnden Ärzten (GAPP-Studie 2015). Mit dem Eintritt der Baby Boomer Generation ins Rentenalter wird sich der Anteil der Chroniker, die Smartphones und Gesundheits-Apps nutzen, stark ansteigen. Vertrauenswürdige, wirksame Gesundheits-Apps zu empfehlen, wird dann ebenso zum Alltag des Arztes gehören wie die Besprechung der digitalen Tagebücher. Werkzeuge für Therapeuten und Patienten zur Einschätzung des Nutzens von Gesundheits- und Medizin-Apps gewinnen daher an Bedeutung.

A Framework to assist Health Professionals in Recommending High-Quality Apps for Supporting Chronic Disease Self-Management: Illustrative Assessment of Type 2 Diabetes Apps. JMIR mHealth and uHealth. 2015 Sep 14;3(3):e87

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Pilot-Studie eHealth-Forum 5/2014: Patienten sind bereit!

Zukunft von health-Apps aus VerbrauchersichtDie ersten Ergebnisse sind vielversprechend: Die Bereitschaft sowohl von Patienten als auch von Ärzten und Pflegekräften ist groß, eHealth-Technologien zu nutzen. Das derzeit größte Hindernis sehen die Befragten darin, dass diese Technologien zu wenig bekannt und die erforderlichen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen noch nicht in ausreichendem Maße geschaffen sind. Beim eHealth-Forum im Mai 2014 in Athen […]