1st EuroPACS Academy Course

Pisa, Italy, 25.-26. September 2009″Linking research to clinical practice” is the slogan with which Prof. Osman Ratib (President of EuroPACS) is inviting to the 1st EuroPACS Academy Course. This two-days course is intended for physicians, scientists an…

Freiwillig

Altbau am Bahnübergang. Ein heruntergekommenes Mietshaus. Schäbige Briefkästen, klapperige Türklingeln, nicht alle lesbar. Ein muffiger, dunkler Flur. Der Arzt wundert sich manchmal, wie schäbig man in dieser Stadt wohnen kann.

Im Treppenhaus schreit ihm eine Männerstimme entgegen. Wütend, aufgeregt: “Bleiben Sie, wo Sie sind. Sie brauchen nicht raufzukommen. Wir brauchen keinen Arzt. Weg mit Ihnen!” Mal sehen, ob ALLE dieser Meinung sind, dort oben. Dritter Stock, große Altbauwohnung, unaufgeräumt, vernebelt, rauchverhangen. Im Wohnzimmer hat sich die Ehefrau verschanzt mit den drei kleinen Kindern. Sie raucht. Der Größte zeigt mir seinen Gameboy. Die Eltern des Patienten sind in der Küche. Er, um den es geht, Vater der Kinder, Sohn der Eltern, der den Arzt so freundlich begrüßte, tobt durch den Flur. Fremdanamnese: Er habe viel gekifft und sei viel rumgezogen die letzten Tage. Immer verworrener und aggressiver geworden. Frau und Kinder bedroht. Sich selbst bedroht. Und, ja, er sei auch schon mal wegen einer Psychose in … gewesen.

Der Arzt lädt den Patienten auf eine Zigarette ein. Der Gesprächsversuch mündet bald in wütenden Schuldzuweisungen zwischen den Familienmitgliedern. Lauter Streit, noch mehr Rauch. Die armen Kinder. In die Psychiatrie? Nie wieder! Nicht freiwillig. Vergiss es! Er läuft weg. Die Frau flüstert: “Jetzt holt er die Messer”. Doch er hat nur Tabak geholt. Der Arzt gibt ihm zwei Möglichkeiten: Zwangseinweisung oder Freiwilligkeit. Nein, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Entweder oder. Zwangseinweisung käme jetzt allerdings völlig unpassend. Dauert ewig. Draussen warten die nächsten Patienten. Und hier geht das schon seit 20 Minuten nicht voran. Schonmal RTW mit Blaulicht rufen. Klare Ansage. Kompromisslos. Wille gegen Wille.

Langsam lichtet sich der Nebel. Die Situation entwirrt sich. Nimmt eine Richtung an: Freiwillig in die Psychiatrie, der Familie zuliebe. Bitte! Kein Gestreite, keine Schuldzuweisungen, kein Geschrei mehr. Als der RTW unten vorfährt packt er seinen Tabak ein und folgt dem Arzt die Treppe runter.

Freiwillig.

Stummes Blaulicht

Einmal war das NEF zur Reparatur. Dieses Auto war eigentlich besonders häufig zur Reparatur. Ersatz sollte ein älterer Opel sein. Alles drin, alles dran. Ab dafür. Einsatz!

Das Blaulicht rotiert. Aber wo bleibt das Martinshorn? Kein Ton von oben. Die Hupe bot nur unzureichenden Ersatz. Kaum jemand wich zur Seite oder machte Platz. Nun ging es in einen bevölkerten Dorfkern. Kurzerhand nahm der Notarzt das Mikrophon für den Aussenlautsprecher. Der war reichlich laut.

Aber was sollte er nun ins Mikrofon sprechen? Er versuchte es mit “Tatü Tata!” Und erntete amüsiert verständnislose Blicke. Bei “Achtung, Notarzt, bitte machen Sie Platz!” musste er selber lachen. Obwohl es ja stimmte.

Es war Sommer und die NEF-Fenster waren runtergedreht, so kam es alsbald zu einer schrillen Rückkopplung zwischen Mikro und Lautsprecher. Gute Idee: Der Notarzt hielt das Micro nach draussen und bewegte es vor und zurück. Das war ein sausendes Heulen und Pfeiffen! Huui Iuuh! Klang zwar nicht nach Martinshorn. War aber laut und schrill und sehr wirkungsvoll.

Jedenfalls kamen “Fahrer” und Notarzt zügig beim Einsatzort an. Dort fiel ihnen allerdings auf, daß sie Gehörschutz hätten verwenden sollen.

Spritzen haben gut geholfen

Samstag nacht. Hausbesuch. Drei Treppen rauf. Großes Wohnzimmer voller Menschen. Frauen mit Kopftüchern, dazwischen ein Baby. Helles Neonlicht. Ein großer Flachbildfernseher beschallt die Szenerie mit Nachrichten auf arabisch. Eine tunesische Großfamilie.

Dazwischen eine Dame, Mitte dreissig, leidend auf dem Sofa ausgestreckt. Kopfschmerzen, Übelkeit, Unruhe. Und immer neue Beschwerden. Aber die Spritzen haben gut geholfen.
Denn der Notdienst war heute schon mal hier. Und gestern war sie im Krankenhaus, davor beim Hausarzt.

Zwar fand jeder etwas anderes. Die Behandlungsscheine sprechen von Gastroenteritis, Migräne, Depression. Und jeder gab etwas anderes. Diclo, MCP, Diazepam. Aber die Spritzen haben gut geholfen.
So soll es wohl weitergehen an diesem Wochenende. Den Notdienst rufen, Spritze bekommen, Ruhe haben.

Jetzt wäre ein ruhiges Gespräch nötig. Über den Umgang mit Belastungen, ein gesundes Umfeld bei Kopfschmerzen, die Unsinnigkeit von Injektionen, die Gefahr von Benzos.
Doch dieses Gespräch wird niemand jemals mit ihr führen. Nicht in unserem Gesundheitssystem.

Der Arzt verschreibt Vomex-Zäpfchen.