Verkannte Genies

Die Vorstellung vom unverstandenen Künstler, der bitteram stirbt, dessen Werk dann später entdeckt wird und neben allgemeiner Anerkennung vor allem auch Millionenbeträge erzielt, ist fest in unserem Ideen-Repertoire verankert. An konkreten Beispielen dafür fällt mir dann komischerweise aber eigentlich nur Vincent van Gogh ein: Der konnte, neben anderen Problemen, seine Bilder nicht verkaufen und malte trotzdem unablässig – am Ende seines Lebens mehr als ein Ölbild pro Tag. Bilder, die heute zu den teuersten Stücken auf dem Kunstmarkt gehören. Dieweiter

Asyl, Kalkül

Unsere Familie stammt von den Hugenotten ab. Auf diese Feststellung legte meine Großmutter immer allergrößten Wert. Ich habe es nie nachgeprüft, aber es wird schon irgendwie stimmen, denn angesichts der vielen Generationen seit dem 17. Jahrhundert dürfte sich in den meisten Familien der eine oder andere hugenottische Vorfahr befinden. Der Stolz meiner Oma ist in gewisser Weise erstaunlich, denn schließlich waren die Hugenotten einst als bedürftige Flüchtlinge ins Land gekommen – zu einer Zeit, als von staatlich verbürgtem Menschen- oderweiter

Mit Apollo 11 auf den Mond – business as usual

Da kam die Bürokraft wohl ganz schön ins Schwitzen, als sie im August vor 46 Jahren die Reisekostenabrechnung für Buzz Aldrin machte. Die Höhe des auszuzahlenden Betrags von 33,31 Dollar war eher nicht der Rede wert. Aber Formular 1012-A musste nun mal ordentlich ausgefüllt werden: Houston, Texas – Cape Kennedy, Florida – Mond – Pazifischer Ozean (US-Navy-Flugzeugträger Hornet) – Hawaii – und zurück nach Houston, Texas. Das war’s. Oder? Die poetische Kraft des Formulars …   Falls jemand sich dieseweiter

Die Zukunft ist weg!

Wie leben wir im Jahr 2000? Die Frage bewegte die Menschen das ganze 20. Jahrhundert hindurch und wurde oft mit Bildern beantwortet. Vor allem die Fragen der individuellen Mobilität und des Wohnens beschäftigten ebenso die wissenschaftlich-technische Phantasie wie die von Künstlern und Architekten. Und von den ersonnenen Fahrzeugen und Wohnmaschinen prägt manches tatsächlich unser heutiges Leben. Aber welche Zukunftsvisionen haben eigentlich wir? Zumindest keine, die man in populäre Bilder fassen kann. Wir haben kein Bild für die Zukunft.   Daraufweiter

Künstler, Propheten, Vegetarier – eine Ausstellung in der Schirn Frankfurt

Egon Schiele sehnte sich nach einer mönchischen Bruderschaft und malte sich selbst gern als gemarterten Propheten. Joseph Beuys‘ nahm die Rolle eines missionarischen Erlösers an. František Kupka malte in seinem Frühwerk esoterische Tempel – sie alle waren beeinflusst von einem Mann, der als Kohlrabi-Apostel verspottet und jahrzehntelang in Vergessenheit geraten war. Inzwischen wird Karl Wilhelm Diefenbach in zwei öffentlichen Museen (auf Capri und in Hadamar) geehrt – und aktuell mit einer Ausstellung der Frankfurter Schirn.

Gummibärchen!

  Ich esse zu viele Gummibärchen, immer gleich ganze Hände voll, bis die Tüte leer ist. Damit es langsamer geht, versuche ich in letzter Zeit, sie nur noch einzeln zu essen. Und ich schaue mir jedes Bärchen genau an, bevor ich es in den Mund stecke. Gestern sogar mit einer Lupe.

Von Glasaugen, Echthaarperücken und dem samtigen Glanz der Epidermis

Bis zum 1. März 2015 lohnt ein Besuch im Frankfurter Liebieghaus noch mehr als sonst. Es ist aber durchaus möglich, dass man die aktuelle Ausstellung der Skulpturensammlung ungewohnt verstört verlässt. Das liegt nicht nur an ausgesprochen drastischen Darstellungen wie den Wunden Christi oder dem detailverliebten Blick auf die Schnittfläche des abgeschlagenen Hauptes von Johannes dem Täufer („Johannesschüssel“). Fast mehr noch ist man nämlich beeindruckt von der Wirkung, die die lebensechte Darstellung von Figuren schlechthin auf den Betrachter hat.

Frieren für die Wissenschaft: Lauresham im Winter

Wie kam der frühmittelalterliche Mensch durch den Winter? Der Frage gingen am zweiten Wochenende im Januar kostümierte Darsteller der Living History Projektgruppe „Reges Francorum“ nach. Sie trafen sich in Deutschlands jüngstem Freilichtmuseum, dem im September 2014 eröffneten „Experimentalarchäologische Freilichtlabor karolingischer Herrenhof Lauresham“, das dem „Welterbe Areal Kloster Lorsch“ in Südhessen angegliedert ist.

Särge und Urnen immer unbeliebter …

…, so lautete, wohl inspiriert durch das Herannahen des heutigenTotensonntags, neulich eine Überschrift im Lokalblättchen. Zunächst mal war ich irritiert von der Vorstellung, bei solchen Dingen überhaupt von Beliebtheit zu sprechen. Aber klar, wenn’s denn sein muss! Im Artikel ging es dann darum, dass heute nur noch 49 % der Bundesbürger eine traditionelle Urnen- oder Sargbeisetzung wünschen, meine kurze Recherche ergab, dass es 1998 noch 87 % waren. Ein beeindruckender Rückgang.