Tugend, wo bist du in der Arbeitszeit?

Da die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten so stark ökonomisiert wurde, fehlt es an ethischem Bewusstsein. Pro 20.000 Mitarbeiter muss jetzt bestimmt bald ein freigestellter paritätisch besetzter Ethikrat gewählt werden. Der klagt aber bestimmt nur gröbste Missstände an, denke ich, aber eigentlich müssten wir einmal überlegen, was Ethik in der Arbeitswelt wirklich bedeutet. Ich zählen Ihnen einmal zur Abschreckung Tugenden auf. Warum Tugenden? Ich habe neulich einmal von „Tugend“ oder „Virtus“ gelesen und das Gefühl gehabt, dass alles, was Tugendweiter

Heilige-hehre Prinzipien schlechter Lehre an der Uni

Ab und an muss ich gegen „Lehre“ ätzen. Ich habe darüber schon 2007 eine längere Kolumne geschrieben, die finden Sie im neuen Sammelband Dueck’s Jahrmarkt der Futuristik. Professoren haben bestimmte ästhetische Prinzipien, nach denen sie ihre Vorlesungen gestalten. Diese Prinzipien sind Teil der Kultur der Lehre. Es ist für Professoren nicht unkritisch, eigenmächtig anderen Prinzipien zu folgen. Ich nenne ein paar. Habe ich welche vergessen? •    Abstraktion •    Redundanzfreiheit und exakte Terminologie •    Viel Stoff •    Zuerst alle Werkzeuge bereitstellen,weiter

Wie prüft man jemanden, ob er versteht?

„Wie können wir es schaffen, dass die Studenten besser lernen?“ Ich antwortete: „Alle Prüfungen sollten mündlich sein.“ Da stutzten alle im Ausschuss und hielten es für eine doofe Idee. Nur eine Professorin schüttelte nachdenklich den Kopf und sagte leise: „Eine so große Revolution schaffen wir nie.“ Die Idee ist es, dass die Studenten dann mit reinem Lernen nichts ausrichten können, sie müssen es verstanden haben, sonst blamieren sie sich in mündlichen Prüfungen bis auf die Knochen. In meiner Uni-Zeit habeweiter

Sie verstehen nicht – sie erleben alles neu

Da haben sich an der Uni einige Bachelor-Kandidaten entrüstet: „Wir haben so viel Stoff gelernt – und  nun kam es in der Prüfung gar nicht dran! Wozu haben wir uns jetzt den Kopf zugemüllt?“ Bald danach haben sie ihr Wissen vergessen, weil sie es nur für den Zweck der Prüfung lernten. Sie haben sich den Stoff nicht angeeignet, nicht zu eigen gemacht und nicht verstanden in dem Sinne, dass sie den neuen Stoff im Kontexthorizont des alten Wissens eingebettet haben.weiter

Deframing – oder der Sinndiebstahl

Mark Twain hat uns das Reframing gelehrt. Das Buch über die Abenteuer von Tom Sawyer ist 1876 erschienen, als es noch keine Psychologie gab. Jetzt sagen alle, es wäre eine Theorie von Aaron T. Beck und hieße ursprünglich „Cognitive Restructuring“. Oder es wäre eine Technik beim NLP. Na gut, es geht beim Reframing oder beim Restrukturieren darum, einem Vorstellungsbild einen anderen Rahmen umzuhängen. Zum Beispiel sehen die Depressiven die Welt so sehr negativ, dass sie sich hilflos fühlen und garweiter

Uiih-Juiih-Juiih – mein Aggression Blocking System

Wie schon früher gesagt: ich war sehr, sehr schüchtern. Ich hatte insbesondere immer ein Prob-lem damit, offensichtlich unverschämte Ansprüche von anderen abzuwehren. Da kommen doch Leute ohne einen Schimmer von Legitimation und wollen etwas Freches von mir, als wäre ich ihr Diener! Ich kann in einer solchen Situation gar keine logischen Argumente auspacken, weil eigentlich keine nötig sind und auch nicht erwartet werden. Ich soll einfach „spuren“. Mir blieb meist nur die Spucke weg. Ich könnte mich weigern, aber dasweiter

Angst vor der Frage nach der größten Schwäche

Fast alle Stellenbewerber haben Angst vor der Gretchenfrage nach ihrer Einschätzung ihrer eige-nen Schwächen und Stärken. Die fast sichere Frage (verklausuliert oder offen) wird lauten: „Was sind Ihre größten Stärken und Ihre größten Schwächen?“ Da muss man sich wohl gebührend glaubhaft loben und nicht zu stark tadeln? Wie aber macht man das? Im Internet wird vorgeschlagen: „Meine Schwächen? Ungeduld, Perfektionismus und Schokolade.“ Das ist eine neckische Antwort, sie ist vielleicht noch einigermaßen charmant, aber sie suggeriert nur, dass der Bewerberweiter

Pinkle und Herrsche

Geht es Ihnen auch so? Wenn ich Stress habe, muss ich dauernd auf die Toilette. Wenn ich zum Beispiel abreise und überlege, was ich vergessen habe. Wenn ich in Kürze auf die Bühne muss und reden soll. Es lohnt sich fast nicht, zur Toilette zu gehen, aber die Nervosität! Da fielen mir Hunde und Katzen ein, die ja überall Duftmarken setzen – also scheinbar überall ein bisschen hinpinkeln. Sind die vielleicht auch nervös? Dann muss doch die ganze Biologie nochmalsweiter

Ordnung muss sein – aber jeder sollte seine eigene Ordnung haben – so gut das geht

Schon oft habe ich mich darüber beklagt, dass ich mich durch ständiges „das macht man so“ terrorisiert fühle. Wer ist „man“? Was „man“ verlangt, ist oft sinnlos, überholt oder jetzt gerade nach gesundem Menschenverstand nicht anwendbar. Aber so viele Leute erinnern mich so oft an „die“ Regeln, Vorschriften, Meeting-Rituale und Formvorschriften. Ich soll gefälligst „die Prozesse einhalten“ und darauf achten, dass alles einheitlich getan wird. Ich schrieb neulich, dass es eine Vorherrschaft der Zwanghaften gegenüber ihren Antipoden gäbe, nämlich denweiter

Das Hänschen ist noch hochbegabt – der Hans hat mal ein Hirn gehabt

Nein, das ist keine Kolumne über digitale Demenz. Dann hätte sie einen anderen Titel, zum Beispiel: „Was Hänschen nicht spitz kriegt, liest Hans dann beim Spitzer.“ Oder: „Internet wirkt wie D-Menthol!“ Sie klagt aber doch über den offensichtlich fehlenden Schwung oder Unternehmergeist in Erwachsenen. Fehlt der? Ich glaube, er ist irgendwohin entschwunden. Wohin? Mir liegt immer noch Fritz Riemanns Gegenüberstellung der Zwanghaften („obsessive compulsives“) und der Hysterischen („histrionics“) aus seinem Kultklassiker „Die Grundformen der Angst“ im Magen. Riemann stellt hierweiter