Ärzte Zeitung: "Bezahlte Redaktion" (Update 4)

In den Kommentaren zu einem Science-Blogs-Artikel über die “Ärzte Zeitung”, den wir hier bereits angesprochen hatten, findet sich ein bemerkenswerter Beitrag. Er gibt möglicherweise fundierte Einblicke in die Arbeitsweise dieses Blättchens, das viele Ärzte mit einer seriösen Informationsquelle verwechseln.

Der Kommentator gibt als Absender den Namen und akademischen Titel eines früheren Chefredakteurs der “Ärzte Zeitung” an. Auf jeden Fall erweckt er den Eindruck, gut mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut zu sein.

Zum einen äußert sich der Kommentator zu der merkwürdigen Praxis der Online-Ausgabe des Blattes, Artikel über Arzneimittel mit deutlich werblichem Charakter entgegen den Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes öffentlich freizuschalten, während z.B. berufspolitische Artikel häufig nur nach Registrierung zugänglich sind:

Der Online-Inhalt der Ärztezeitung ist reine Zweitverwertung der Printausgabe. Nicht alle Online-Beiträge sind aber ohne Registrierung zugänglich – mit der Begründung Heilmittelwerbegesetz, was ein völliger Blödsinn ist. Die Registrierungspflicht hat allein den Hintergrund, so viel Daten über die die User zu bekommen wie möglich.

Noch interessanter seine Bemerkung über die Arbeitsweise der Redaktion bei medizinischen Fragestellungen:

[… Zitat gelöscht …] Ausserdem sind die verantwortlichen Chefredakteure keine Mediziner und verstehen rein gar nichts von dem, was in dem Blatt an Medizin drin ist.

Der Anschein spricht seit Jahren nicht nur bei alternativmedizinischen Präparaten, sondern auch und vor allem bei verschreibungspflichtigen Medikamenten dafür, dass diese Einschätzung nicht weit von der Realität entfernt ist.

Update: Bei dem Autoren des zitierten Kommentars (und der weiteren mit dem gleichen Namen versehenen Kommentare im gleichen Thread) handelt es sich wie vermutet um den Ex-Chefredakteur der Ärzte Zeitung. Das hat eine Nachfrage des ScienceBlogs-Autors bestätigt.

Update 2: Inzwischen hat er auch telefonisch bestätigt, Autor der Beiträge zu sein. (Danke, Marcus)

Update 3. 31.7.: Die ScienceBlogs-Redaktion hat den zitierten Kommentar mittlerweile ohne Begründung dort gelöscht.

Update 4 31.7.: Von einem Unternehmen beanstandete Behauptungen wurden gelöscht.

Förderungen und Forderungen

Unter “Federführung von Professor Peter Hillemanns” hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) eine neue Stellungnahme zur HPV-Impfung veröffentlicht, in der eine “flächendeckende Implementierung” der HPV-Impfung gefordert wird.

So flächendeckend ist die Pressemitteilung wie auch die pdf-DateiStellungnahme selbst, dass kein Platz mehr blieb, auf etwaige finanzielle Verbindungen von Hillemanns zu den beiden Impfstoffherstellern hinzuweisen.

In einer pdf-Dateifrüheren Stellungnahme der DGGG zur HPV-Impfung, an der Hillemanns ebenfalls als Autor beteiligt war, hatte sich dafür noch ein Eckchen gefunden:

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Für die Autoren besteht kein Interessenkonflikt.

Das war, gelinde gesagt, unwahr, nicht nur im Hinblick auf Hillemanns. Hillemanns trifft man seit Jahren auf sogenannten Satelliten- und Lunch-Symposien, die vom Gardasil®-Anbieter Sanofi-Pasteur MSD finanziert werden, etwa hier oder hier oder hier:

An anderer Stelle pdf-Dateierwähnt Hillemanns darüberhinaus auch Verbindungen zum zweiten HPV-Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline sowie “Vortrags- und Beratungshonorare sowie Reisekostenunterstützung” von “mehreren Firmen”, die “im Bereich Zytologie/Molekulardiagnostik/Vakzine tätig sind”.

Von der “Welt” wurde er im Januar auf seine Vortragstätigkeiten für Sanofi-Pasteur MSD angesprochen:

Dass seine Referententätigkeit auf Ärztetagungen mit „freundlicher Unterstützung von Sanofi-Pasteur“ eine gewisse Abhängigkeit schaffen könnte, hält er für abwegig: Er setze sich mit dem Unternehmen immer wieder auseinander und akzeptiere keineswegs alles, was man von ihm fordere.

Sehnsucht nach der Pandemie

Spiegel Online hat eine Zusammenfassung eines lesenswerten Interviews aus der aktuellen Ausgabe des “Spiegel”. Darin äußert sich Tom Jefferson, Grippe-Experte der Cochrane Collaboration, über die alljährlich wiederkehrende Pandemie-Panik, die generelle Überbewertung des Influenza-Virus und der Wirkung der Influenza-Impfung sowie über den geringen Nutzen von Tamiflu®. Er rät statt zu dessen zum regelmäßigen Händewaschen.

Oft klaffen zwischen seinen Erkenntnissen und den Entscheidungen der anderen Welten. Mitunter, gesteht er, habe er das Gefühl, die ganze Welt sei verrückt geworden.

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Update: In englischer Sprache gibt es das ganze Interview online.

iPods für den Doktor

Für fünf Patienten gibt es einen 17-Zoll-Flachbildschirm oder einen iPod mini, für 18 Patienten einen Laptop, einen Beamer oder einen PC mit Flachbildschirm. Wer schon genügend Elektrogeräte besitzt, der kann auch Bargeld nehmen, 40 Euro gibt es pro Patient. Als Gegenleistung muss nur das Blutdrucksenkungsmittel Emestar verordnet werden – und ein AWB-Bogen ausgefüllt werden, der SPIEGEL ONLINE vorliegt.

Markus Grill zeigt uns auf Spiegel Online das vollständige Dokument zum Trommsdorff-Skandal, über das er vor einem Jahr in seinem damaligen Blog und im “Stern” berichtet hat.

Deutsches Grünes Kreuz: Gekaufte PR statt Aufklärung?

Nach der Financial Times Deutschland und dem arznei-telegramm hat sich nun auch das ARD-Magazin Report Mainz mit den undurchsichtigen Aktivitäten des “gemeinnützigen” Deutschen Grünen Kreuzes (DGK) befasst. Abgeliefert hat Report Mainz einen solide recherchierten Beitrag mit guten Quellen und bislang unbekannten Informationen aus internen Dokumenten.

Ein ehemaliger Mitarbeiter des DGK gegenüber Report Mainz:

Es gibt überhaupt keine Trennung zwischen den Tochterfirmen und dem Verein. Alle arbeiten zusammen, und zwar nicht als gemeinnützige Organisation, sondern als PR-Agentur für die Pharmaindustrie.

Eine weitere ehemalige Mitarbeiterin:

Als ich dort anfing, dachte ich, ich arbeite für einen gemeinnützigen Verein. Doch schnell wurde mir klar: Das ist ja eine Werbeagentur. Wir sind zum Kunden gefahren. Der Kunde hat auf alles direkt Einfluss genommen. Jedes Bild, jeder Text musste vom Kunden freigegeben werden. Unabhängige Informationen gab es nicht.

Bisher nicht öffentlich bekannt war die Verbindung der Aktivitäten des DGK mit dem ARD-Schleichwerbeskandal. Im Beitrag gezeigten Unterlagen zufolge hat das DGK Themenplatzierungen in der ARD-Serie “In aller Freundschaft” an seine Kunden aus der Pharmaindustrie vermittelt. Angesichts ähnlicher Aktivitäten des DGK im Zusammenhang mit der ZDF-Ratgebersendung “Gesundheit” überrascht diese Entwicklung allerdings nicht.

Den Beitrag aus der Sendung gibt es online: Gekaufte PR statt Aufklärung? Die fragwürdigen Geschäfte des Deutschen Grünen Kreuzes

Generation Bankhofer

Herr Lobo ist – wie auch diverse weitere social media PRekarier – seit geraumer Zeit beratend für unser Haus tätig. Er berät und informiert uns über weltweite Trends im Hinblick auf social media Gedöns und dieses Netzdings, insbesondere im Hinblick auf attraktive Manipulations- und Zensurmöglichkeiten. Wir möchten in diesem Zusammenhang nachhaltig darauf hinweisen, dass mit Herrn Lobo keine weiteren Verträge bestehen; dieses bezieht sich insbesondere auch auf sogenannte Werbe- und PR-Verträge.

Mit Globuli gegen blutigen Stuhl

Scienceblogger Christian Reinboth vermag sich noch über die Empfehlungen der “Ärzte Zeitung” zu wundern, die “eigentlich einen guten Ruf” habe. Dabei bringt er das Kunststück fertig, im gleichen Text auch noch den Begriff “Verantwortungsbewusstsein” unterzubringen.

Das Missverständnis könnte darin bestehen, dass er die “Ärzte Zeitung” für ein journalistisches Medium hält.