Wirkt Bloggen?

Heute geht eine dpa-Meldung durch die Presse (nachzulesen beispielsweise bei n-tv), in der über eine positiv verlaufene Studie mit einem Medikament berichtet wird. Alles ist eigentlich wie immer, auch das Ende des Artikels:

Das habe erstmals ein Team um Professor Per Aspenberg gezeigt, teilte die schwedische Universität Linköping mit. […] Die Forscher präsentieren ihre Arbeit im “Journal of Bone and Mineral Research”. Sie weisen darauf hin, dass dieser ersten Studie weitere folgen müssten.

Nur eins ist neu. Nach meinen Kenntnisstand zum allerersten Mal überhaupt in der Geschichte des deutschen Medizinjournalismus findet sich in einem Artikel über eine Medikamentenstudie das, was in seriösen US-Zeitungen seit Jahren selbstverständlich ist: Ein Satz, in dem explizit auf die finanzielle Interessenlage hingewiesen wird.

Die Studie wurde finanziert vom Pharmakonzern Eli Lilly, für den Aspenberg auch als Berater arbeitet.

Na also. War das jetzt wirklich so schlimm?

Bigottes von Halbgöttern

Aus den pdf-DateiAntworten der Gesellschaft für Virologie (GfV) und der Deutschen Vereinigung für Viruserkrankungen (DVV) auf einen Fragenkatalog der Grünen zur HPV-Impfung:

Allerdings fordern wir dringend, dass Aufklärungskampagnen ihre Finanzierung offen legen müssen. So ist dies in der Wissenschaft seit längerem Usus, dass ein Interessenskonflikt offenzulegen ist. Dies halten wir für notwendig, weil es sich ganz sicher nicht immer um „win-win“ Situationen handelt. In anderen Bereichen z.B. im Journalismus ist es leider nicht so, dass direkte oder verdeckte Interessen der Pharmaindustrie offengelegt werden […].
[…]
Es ist sachlich richtig, dass die Pharmaindustrie sowohl in Fachmedien, wie auch in der Laienpresse PR betrieben hat. Dies wurde durch Zahlungen an Dritte (z.B. an das grüne Kreuz) in der Laienpresse oder durch Anzeigen in der Fachpresse finanziell unterstützt, ohne dass dies für den Konsumenten kenntlich war (siehe Antwort Frage 7.). Dies ist ein allgemeines Problem im Journalismus und betrifft nicht nur den Pharmasektor oder gar Impfungen.

Unterschrieben ist der Text von der Virologin Prof. Dr. Barbara Gärtner und einem Fachkollegen.

In einem fünfseitigen pdf-DateiGastkommentar in der frauenärztlichen Fachzeitschrift “gyne”, in dem Kritik an der HPV-Impfung zurückgewiesen wird und der eine unverkennbare Tendenz zugunsten des GlaxoSmithKline-Präparats Cervarix® erkennen lässt – wie auch in der Stellungnahme selbst – verzichtet Gärtner allerdings dann doch lieber auf die Offenlegung ihrer offenkundig vorhandenen eigenen finanziellen Verbindungen zu GlaxoSmithKline.

Medialer Grabenkrieg um HPV-Impfung

In der Debatte um die HPV-Impfung zwischen den wissenschaftlich-medizinischen Kontrahenten entwickelt sich auch ein publizistischer Streit zwischen den beiden großen Tageszeitungen/den beiden großen Wissenschaftsredaktionen/den beiden Wissenschafts-Redakteuren der SZ und der FAZ. Beide haben sich eindeutig auf eine Seite geschlagen.

Was Plazeboalarm-Blogger Marcus Anhäuser bereits im vergangenen Dezember feststellte, gilt unverändert bis heute: Kritiker der Impfung kommen in der Süddeutschen Zeitung zu Wort, Befürworter in der FAZ.

Nun könnte man meinen, wenigstens durch die Lektüre beider Zeitungen und Online-Angebote könne man sich ein ausgewogenes Bild über den Stand der Diskussion verschaffen. Man habe es mit zwei gleichberechtigten Positionen in einer alleine von Sachargumenten getriebenen wissenschaftlichen Debatte zu tun.

Aber dazu fehlt dem Interessierten noch eine wichtige Information: Während sich die Süddeutsche Zeitung überwiegend auf Experten stützt, denen kein finanzielles Interesse an der Diskussion nachgesagt werden kann, zitiert die FAZ regelmäßig Experten, die Geld von den HPV-Impfstoffherstellern erhalten und verzichtet dabei auf die Offenlegung dieser Interessenkonflikte.

Zu Wort kam in der FAZ z.B. Prof. Peter Wutzler

“Was die Wirksamkeit angeht, so zweifeln die Fachgesellschaften „ob sich die selbsternannten Experten mit dem Thema tatsächlich auseinandergesetzt haben“, kritisierte Peter Wutzler, der Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.

Über Wutzler wäre mit einer Google-Abfrage herauszufinden gewesen, dass er von beiden Herstellern von HPV-Impfstoffen Geld erhalten hat. Auch seine Fachgesellschaft, die “Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten”, lässt ihr Wirken von den Impfstoffherstellern finanzieren.

Gestern kam in der FAZ eine Expertin zum zweiten HPV-Impfstoff Cervarix® von GlaxoSmithKline zu Wort.

Diese Kreuzprotektion allein bedeutet zusätzlich gut dreihundert Karzinome weniger im Jahr“, meint die Saarbrücker Virologin Barbara Gärtner.

Kein Wort davon, dass Gärtner seit Jahren fest in die Cervarix® -Kampagne von GlaxoSmithkline eingebunden ist. Schon Anfang 2006, vor dem Zulassungsantrag, bejubelt sie auf einer “von dem Unternehmen GlaxoSmithKline unterstützten Veranstaltung” die Impfung. Erst kürzlich referierte sie wieder auf einem “Dinner Symposium” in Köln zum Thema – natürlich mit “freundlicher Unterstützung der Firma GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München”. Ende Mai traf man sie auch wieder auf einer pdf-DateiPressekonferenz zu Cervarix® von GlaxoSmithKline.

Der Ort der Veranstaltung war dabei nicht ungeschickt gewählt: Frankfurt.

Den üblichen seriösen Standards entsprechend

Das Ärzteblatt Baden-Württemberg (ÄBW) ist das offizielle Amts- und Mitteilungsblatt der Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württembergs. Damit auch die Ärzte im Südwesten fachlich auf dem Laufenden bleiben, beglückt das Blatt seine Leserschaft regelmäßig mit Artikeln in der Rubrik “Fortbildung”. So, wie es branchenüblich ist, streift das Blatt gar nicht selten Themen, die der Pharmaindustrie besonders am Herzen liegen. Gerne hübsch aufbereitet mit bunten Grafiken:

Das Bild zeigt eine Seite des Ärzteblatts Baden-Württemberg aus der Ausgabe September 2007 (unten rechts) und eine aus der Ausgabe Juni 2009 (oben links).

Die Artikel unterscheiden sich besonders in einem kleinen Detail. Unten rechts ist die erste Seite eines Fachartikels zu sehen. Oben links ist die erste Seite einer doppelseitigen bezahlten Anzeige des Impfstoffherstellers Baxter zu sehen. Sie ist gekennzeichnet durch das klein gesetzte Wörtchen “Anzeige” direkt unter der Rubrikenüberschrift “Fortbildung”.

Das Arzneitelegramm (a-t) hat auf Hinweis eines Lesers nachgefragt:

Die Redaktion des Ärzteblattes erachtet die Anzeige auf Anfrage als “formal korrekt” und “den üblichen seriösen Standards aller Zeitschriften des Verlags” entsprechend. Der Kolumnentitel “Fortbildung” sei bei Umbrucharbeiten im Verlag “leider nicht korrigiert worden”.

a-t fordert Ablösung der STIKO wegen Inkompetenz

Der unabhängige Arzneimittel-Informationsdienst “arznei-telegramm” (a-t) bezieht sich dabei in seiner aktuellen Ausgabe auf die kürzlich in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung geschilderten Merkwürdigkeiten rund um die Bewertung der HPV-Impfung.

Es stellt sich die Frage, wie eine Kommission, die offenbar nicht in der Lage ist, Berechnungen zum Nutzen einer Immunisierung korrekt und mit realistischen Annahmen durchzuführen, Empfehlungen abgeben kann, denen – nicht zuletzt nach Einschätzung eines ihrer Mitglieder – die Bedeutung eines medizinischen Standards zukommt. Auch Impfempfehlungen müssen wissenschaftlich valide und überprüfbar sein. Daher fordern wir die Ablösung des Gremiums in seiner jetzigen Form.

Grob verschätzt

Es werden noch Wetten angenommen, wie lange es zur “black box warning” dauert. Ich tippe mal auf Mitte 2008. Ende 2009 wird sich das dann auch in Deutschland rumsprechen.

Meine Prognose vom 7.11.2007.

The Food and Drug Administration will require two smoking-cessation drugs, Chantix and Zyban, to carry the agency’s strongest safety warning over side effects including depression and suicidal thoughts.

The new requirement, called a “Black Box” warning, is based on reports of people experiencing unusual changes in behavior, becoming depressed, or having suicidal thoughts while taking the drugs.

USA Today am 1.7.2009.

G-BA zweifelt an Fachkompetenz und Unabhängigkeit…

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beklagt nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung Ungereimtheiten in einem Schreiben der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Bewertung der HPV-Impfung.

Quellen seien nicht nachprüfbar, auch würden zweifelhafte Schlussfolgerungen gezogen, sagte Ulrike Faber, Pharmazeutin und Patientenvertreterin im G-BA. Auch ziehe die Stiko nur jene Fakten heran, die ihr in den Kram passten.
[…]
Für die Bewertung des zweiten HPV-Impfstoffs werden gar Daten aus Kurzfassungen von Studien übernommen, offenbar ohne Einblick in die ganzen Studien genommen zu haben.
[…]
Widersprüche in ihrer Argumentation scheine die Stiko dabei nicht zu bemerken. So würde, folgte man der Stiko, “die Impfung fast doppelt so viele Fälle von Krebsvorstufen verhindern wie möglicherweise überhaupt vorkommen”.

Die Patientenvertreterin im G-BA äußert darüberhinaus Zweifel an der Unabhängigkeit der Stiko-Mitglieder, die erst nach großem öffentlichen Druck mehrheitlich finanzielle Interessenkonflikte offengelegt hatten.

Auch an der Vollständigkeit der Stiko-Selbstauskünfte zu potentiellen Interessenkonflikten sind möglicherweise Zweifel angebracht.

Deutsches Grünes Kreuz – grünes Feigenblatt…

Das Arzneitelegramm seziert in seiner aktuellen Ausgabe die Pharma-PR-Maschinerie “Deutsches Grünes Kreuz” (DGK) und zieht folgendes Fazit:

– Das Deutsche Grüne Kreuz (DGK) ist ein Verein, der als gemeinnützig firmiert und sich wesentlich durch kommerzielle GmbHs finanziert.
– Unter dem Deckmantel der “Prävention” propagiert der DGK-Verbund Nahrungsergänzungsmittel wie Mikronährstoffe, Anti-Aging-Mittel und andere Produkte, deren Nutzen nicht durch aussagekräftige Studien belegt ist.
– Sponsoren werden nicht deklariert, beispielsweise bei Aktionen, die den Gebrauch des HPV-Impfstoffes GARDASIL und des Pilzmittels Itraconazol (SEMPERA 7) ankurbeln sollten. Dadurch wird das DGK zum verlängerten Arm des Pharmamarketings.
– Wir vermissen eine eindeutige Trennung von Mitteilungen des Vereins und Angeboten der angeschlossenen (nicht gemeinnützigen) GmbHs, die durch das Markensymbol des Deutschen Grünen Kreuzes e.V. eine Art vermeintliches Qualitätssiegel erhalten.
– Die wirtschaftlichen Ziele des DGK Firmenverbandes sind derart dominant, dass die Gemeinnützigkeit des Deutschen Grünen Kreuz fraglich erscheint und der Überprüfung bedarf.

Der vollständige Artikel [Update 21.7.] ist war auch für Nichtabonnenten frei zugänglich.

Pfizer: Wollen sie nicht oder können sie nicht?

Pfizers Weigerung, dem IQWiG vollständige Studiendaten zum Antidepressivum Reboxetin (Edronax®) zur Verfügung zu stellen, sorgt für einige Aufmerksamkeit in den Medien. Nach Spiegel Online und den anderen großen Nachrichtenportalen berichtete am Donnerstag abend auch das ARD-Magazin Monitor.

Tenor aller bisherigen Berichte (auch bei uns): Pfizer würde die Unterlagen vermutlich deshalb nicht an das IQWiG herausgeben, um durch die selektive Auswahl von Daten ein geschöntes Bild des Nutzen-Risiko-Profils des Medikaments zu vermitteln. Zu dieser Einschätzung beigetragen haben auch die dreisten Statements von Pfizer gegenüber den Medien, z.B. gegenüber Monitor:

Merkwürdig dabei: Warum bloß riskiert Pfizer die auf das Zurückhalten der Unterlagen und solcherlei Äußerungen vorhersehbare negative Publicity? Nur, um ein für Pfizer-Verhältnisse unbedeutendes Nischenprodukt, das längst als Generikum erhältlich ist, in der IQWiG-Bewertung besser dastehen zu lassen, als es ist?

Der Stationären Aufnahme liegen detaillierte Informationen aus gut informierten Kreisen vor, die den Vorgang in einem deutlich anderen Licht erscheinen lassen. Demnach sind die angeforderten Unterlagen bei Pfizer schlicht nicht mehr auffindbar, die interne Fahndung nach den Unterlagen sei bislang erfolglos verlaufen. Nach diesen Informationen spräche einiges dafür, dass Pfizer die Zulassung für Reboxetin eigentlich zurückgeben müsste; auch die Zulassung der Reboxetin-Generika wäre in Frage gestellt.

Hintergrund für die Schwierigkeiten von Pfizer bei der Bereitstellung der Unterlagen wären demnach verschiedene Firmenzusammenschlüsse und zahlreiche Wechsel in den personellen Zuständigkeiten, gepaart mit Schlamperei. Reboxetin wurde ursprünglich von der italienischen Firma Farmitalia entwickelt und patentiert. Von Farmitalia ist das Medikament erst in einer wechselvollen Firmengeschichte von nicht immer reibungslosen Zusammenschlüssen über Pharmacia und später Pharmacia & Upjohn in das Portfolio von Pfizer gelangt.

Dass die europaweite Zulassung des Medikaments dennoch erneuert werden konnte, wirft interessante Fragen auf, die die Unabhängigkeit und Sorgfalt der involvierten Behörden betreffen.

In Kürze mehr bei der Stationären Aufnahme.