WDR arbeitet an "Aktualisierung" des Martens-Machwerks

Der WDR liefert unterschiedliche Aussagen zu der Streichung der geplanten Wiederholung der Regividerm-Reportage “Heilung unerwünscht” am 30.11. Am Freitag hieß es noch auf telefonische Anfrage von Zuschauern, laufende “juristische Auseinandersetzungen” wären hierfür ausschlaggebend, und es sei unklar, ob und wann das Stück wieder auf die Zuschauer losgelassen werde.

Heute gibt es nun neue Hoffnung auf ein weiteres unterhaltsames Kapitel dieser absurden Tragikomödie: Der WDR arbeitet nach Auskunft der Redaktion von “die story” an einer “Aktualisierung” des Films. (-> Update 77, 78).

Bei der ARD hat man Erfahrung mit Schleichwerbungs-Recycling.

Nach journalistischen Grundsätzen

Auch für ihre Vorhaltung, der Autor sei Scharlatanen aufgesessen oder gar selbst verstrickt, sehe ich keine Grundlage. Der Autor hat unabhängig und nach journalistischen Grundsätzen gearbeitet und war in seiner Arbeit während der mehrmonatigen gründlichen Recherche keinerlei Einflussnahmen von Dritten ausgesetzt.

WDR-Programmdirektorin Verena Kulenkampff [Edit: mit Datum vom 9.11.] in einer Reaktion auf die Beschwerde eines Zuschauers über Klaus Martens’ Regividerm-Reportage “Heilung unerwünscht”.

Regividerm-Werbefeldzug der ARD wird immer absurder

Ich mag das nicht übersetzbare englische Wort “hilarious”, weil es die jüngsten Entwicklungen im Regividerm-Skandal so treffend beschreiben würde: Der WDR nimmt klammheimlich die Wiederholung des Films aus dem Programm, ohne sich von seinem Inhalt zu distanzieren. Unterdessen springt sein Schwestersender rbb für die schwächelnden Heilmittel-Werberkollegen aus dem Westen in die Bresche, rührt die Werbetrommel für Buch, Salbenhersteller und Film, und sucht nun sogar nach Reality-TV-Kandidaten, die die Salbe mit Kamerabegleitung testen wollen (-> Update 72, 74).

Social Media und Wissenschaftsjournalismus

Mark Scheloske, leitender Redakteur bei ScienceBlogs.de, hat auf der Wissenswerte 2009, dem Bremer Forum für Wissenschaftsjournalismus, über “Social Media” und Wissenschaftsjournalismus referiert.

Die Präsentation, in der sogar die “Stationäre Aufnahme” einen kurzen Auftritt hat (im Kapitel “Mecker-Ecke und Korrektiv”), ist mit einem neumodischen Tool erstellt, das Powerpoint ziemlich alt aussehen lässt.

Mal sehen, ob sich blogger.de damit zum Absturz bringen lässt (Start mit Pfeil nach rechts, weiterblättern durch Klick auf die Präsentation):

Eindeutig kriminell

At the very same time Pfizer was in our office negotiating and resolving the allegations of criminal conduct in 2004, Pfizer was itself in its other operations violating those very same laws. They’ve repeatedly marketed drugs for things they knew they couldn’t demonstrate efficacy for. That’s clearly criminal.

Staatsanwalt Michael Loucks gegenüber Bloomberg über die illegale Off-Label-Vermarktung von Bextra® , für die Pfizer eine Rekordstrafe von insgesamt rund 2,3 Milliarden Dollar bezahlen muss.

Verträglichkeit von Pandemrix® bleibt in der…

Das Arzneitelegramm veröffentlicht in seiner aktuellen Ausgabe eine aktualisierte Einschätzung zur Schweinegrippeimpfung und spricht von einem “Verträglichkeitsmythos”:

In Deutschland steht kein bewährter nichtadjuvantierter Spaltimpfstoff gegen Schweinegrippe zur Verfügung, sondern mit PANDEMRIX ein teurer, ausgesprochen schlecht verträglicher Impfstoff sowie mit CELVAPAN ein unzureichend erprobter Ganzvirusimpfstoff, der – für Grippeimpfstoffe unüblich – auf einer Tierzelllinie gezüchtet wird.

Dazu präsentieren die Autoren eine Tabelle, die den Vergleich der Verträglichket eines mit dem Pandemrix®-Wirkverstärker AS03 adjuvierten Vogelgrippe-Impfstoffs mit der eines nicht-adjuvierten Vergleichsimpfstoffs ermöglicht. Auffällig ist, dass bei Verwendung des adjuvierten Impfstoffes beispielsweise Schüttelfrost als Nebenwirkung fünf mal so oft (bei immerhin 20 Prozent der Probanden) und Fieber doppelt so häufig (bei vier Prozent der Probanden) beobachtet wurde.

Die Daten stammen aus Studien mit gesunden Probanden. Chronisch Kranke gehören jedoch neben Schwangeren zu den Personen, die vordringlich geimpft werden sollen. Aber:

Auch für chronisch Kranke finden wir zu PANDEMRIX keine Daten, die eine Beurteilung von Nutzen und Schaden ermöglichen.

Wie die Nebenwirkungen der Pandemrix®-Impfung bei einem chronisch kranken Patienten in der Praxis aussehen können, schildert eindrucksvoll der herzkranke Spiegel-Online-Kolumnist Joachim Mohr:

Beim Abendbrot esse ich keinen Bissen. Ich fange an zu frieren, bekomme Gliederschmerzen. Um 21 Uhr will ich nur noch eines: schnellstens ins Bett. Ich messe Fieber und habe 38,8 Grad!

[…]

Die Nacht ist schrecklich, eine richtige Grippe-Nacht: Schüttelfrost, Schwitzen, Fieber, unruhiger Schlaf. Immer wieder quälen mich Magenkrämpfe – und Sorgen um mein Herz.

[…]

Ich wollte mit der Impfung gegen die Schweinegrippe meinem besonderen Risiko durch meine Herzkrankheit Rechnung tragen, habe mich jedoch durch das impfbedingte Fieber einem anderen Risiko ausgesetzt. Nun, die Medizin ist eben kompliziert. Aber eine Schweinegrippe-Erkrankung verliefe wahrscheinlich viel schwerwiegender als meine Impf-Reaktion und würde ein viel größeres Risiko bedeuten.

Zuviel vornehmen sollte man sich für den Tag nach der Impfung vielleicht nicht.

Gerd Antes in der SZ:

Den Impfstoff als sicher zu bezeichnen, ist falsch und wird durch regelmäßige Wiederholung durch die Präsidenten von Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut nicht richtiger.

Genauso falsch ist es, den Impfstoff als unsicher zu bezeichnen, so oft Impfgegner das auch wiederholen. Das Wort “sicher” ist irreführend, da es die wünschenswerte Sicherheit nicht gibt und nicht geben kann. Das ist kein spezielles Problem dieses Impfstoffs, sondern gilt allgemein.

[…] “Unbedenklich” ist das treffendere Wort und Voraussetzung für die Einführung.

Ganz sicher ist das Ergebnis aber nie, kann es nicht sein. Wer das trotzdem behauptet, stellt sich in eine Reihe mit denen, die obskure Produkte als garantiert nebenwirkungsfrei bezeichnen.

Eigentor

NDR Info exklusiv: Daimler verlangt Blutproben von Bewerbern – Experten sehen rechtswidriges Handeln

Zitate aus der Meldung frei bei Nennung “NDR Info”

Bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern wendet der Daimler-Konzern fragwürdige Methoden an. Nach Informationen von NDR Info müssen Bewerber für neue Stellen schon während des Bewerbungsverfahrens Blutproben abgeben.

(aus einer Pressemitteilung des NDR vom 28.10.)

Nun aber berichten Beschäftigte des NDR, dass auch der Sender selbst Stellenbewerber zum Bluttest bitte. […] Der NDR bestätigte, dass allen Bewerbern, die einen Arbeitsvertrag erhalten sollen, Blut abgenommen werde.

(aus der taz vom 4.11.)

Geschmäckle auf unsere Zunft

Der ganze Medizinjournalismus und wahrscheinlich nicht nur der
Medizinjournalismus, der ist schon relativ durchdrungen von der Pharmaindustrie. Ich hab das erlebt, ich hab einen Artikel geschrieben für Zeitungen über eine unabhängige Patientenzeitschrift, also, die bewusst unabhängig ist und über Arzneimittel informiert, und da hab ich sehr viel Ärger bekommen. Also, eine Zeitung hat es letztlich gedruckt, eine zweite Zeitung, da wollte es der Redakteur drucken und hat dann Riesenärger mit seinem Chef bekommen, und der Chef hat ihm gesagt, dass von mir in Zukunft erst mal keine Artikel mehr gedruckt werden, und von einer dritten Redakteurin hab ich gehört: das wirft ja ein Geschmäckle auf unsere Zunft.

Die freie Medizinjournalistin Anna Schmidt in einer Sendung des “Deutschlandradio Kultur” über Journalistenpreise mit einem Schwerpunkt auf Medizinjournalismus. Teilnehmer am Gespräch u.a. auch Spiegel-Journalist Markus Grill (pdf-DateiManuskript zur Sendung). (via)

Hier gibt es übrigens eine unabhängige Patientenzeitschrift über Arzneimittel zu kaufen, die vielleicht der Gegenstand von Frau Schmidts Artikel gewesen sein könnte.