Optische Kohärenztomografie (OCT)

Was ist die optische Kohärenztomografie (OCT)? Wie funktioniert dieses Verfahren? Was sind die Eigenschaften? Was sind Möglichkeiten? Was sind die Vorteile?

Am 2. Februar 2013 wurde in Basel der MS Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» durchgeführt. Der Augenarzt Dr. Konstantin Gugleta stellte in seinem Vortrag «OCT: der Blick ins Gehirn» die optische Kohärenztomografie (engl. optical coherence tomography), kurz OCT und deren Anwendung bei Multiple Sklerose (MS) vor.

Bei MS sind Sehnerventzündungen ein häufiges Symptom. Es sterben Nervenfasern ab. Der Sehnerv, ebenso wie das Gehirn selbst, lassen sich am lebenden Menschen nicht direkt und einfach untersuchen.

Aufbau des AugesAufbau des Auges | CC BY-SA Talos, colorized by Jakov; via Wikimedia

Der Sehnerv enthält etwa eine Million Nervenfasern, die Fortsätze (Axone) der Ganglienzellen der Netzhaut (Retina). Er ist im Auge «zu hinterst», man kommt nicht dazu. Wenn man ins Auge «normal» hineinschaut (Lichtmikroskopie) sieht man den Augenhintergrund: die Netzhaut (Retina) mit ihren Blutbahnen.

Ansicht des Augenhintergrundes. Zentral die Makula, rechts die PapilleAnsicht des Augenhintergrundes. Zentral die Makula, rechts die Papille | CC BY-SA; via Wikimedia

Ab hier kommt die optische Kohärenztomografie (OCT) ins Spiel. Sie erweitert die Abbildung um die dritte Dimension. Sie ermöglicht die Anfertigung von hochauflösenden Schnittbildern oder auch 3D-Tomografien mit einer zum histologischen Bild vergleichbaren Qualität (Auflösungsvermögen bis 3 µm im Vergleich zu 0,3 µm beim Lichtmikroskop). Die OCT funktioniert analog zum Ultraschall, aber mit Licht. Es werden Reflexionen an Grenzflächen von Materialien mit unterschiedlichem Brechungsindex ausgemessen und so ein dreidimensionales Bild rekonstruiert. Eine solche Rekonstruktion wird als Tomografie bezeichnet.

In-vivo-OCT-Scan einer Retina bei 800 nm und einer axialen Auflösung von 3 µmIn-vivo-OCT-Scan einer Retina bei 800 nm und einer axialen Auflösung von 3 µm | CC BY-SA medOCT-group, Dept of Med. Physics, Med. Univ. Vienna, Austria, 2004; via Wikimedia

Das Verfahren wurde 1991 erfunden und heute stehen Geräte der vierten Generation zur Verfügung. Dieses Verfahren bietet mehrere Vorteile:

  • Es ist schnell (1–2 s).
  • Es funktioniert mit normalem Licht. Es sind keine Laser- oder sonstige Strahlen.
  • Es ist nicht invasiv. Nichts muss verändert werden, höchstens kann die Pupille mit «Augentropfen» erweitert werden.
  • Die Bilder haben eine hohe Auflösung, vergleichbar mit Gewebeschnitten (histologisches Bild).
  • Verglichen mit MRI ist OCT ein preisgünstiges Verfahren.

Farbcodierte Differenzenbilder zu einem statistischen Durchschnitt lassen sich erstellen, dünnere Stellen als normal können beispielsweise rot eingefärbt werden. Die Abweichungen werden sofort ersichtlich. Die verschiedenen Augenkrankheiten zeigen typische Muster.

OCT Geräte sind in Augenkliniken vorhanden. Bei Sehnerventzündungen wird das Verfahren bei MS bereits eingesetzt. Ein Einsatz bei allen MS-Patienten zur Diagnose und Prognose könnte in Zukunft kommen.

Das folgende Video (engl.) zeigt die Anwendung eines OCT Gerätes:

Für die Interessierten zeigt das folgende Video (engl.) die Erfinder der optische Kohärenztomografie:

Bemerkung

Die optische Kohärenztomografie ist ein interessantes Verfahren. Früher oder später werden wahrscheinlich alle MS-Betroffenen vor diesem Gerät stehen.

Links

Links zu OCT-Bildern:

Open Access bei der MS-Gesellschaft

Warum ist Open Access wichtig? Was hat der Wissenschaftliche Beirat der MS-Gesellschaft beschlossen?

Open Access bezeichnet den kostenfreien Zugang zu wissenschaftlichen Artikel. Die Grundlagenforschung wird in der Regel öffentlich bezahlt – von Bürgern oder Spendern. Es wäre also nichts als Recht, wenn alle, Bürger, Spender und Forscher von der ganzen Welt, die entstanden Forschungsartikel lesen könnten. Gründe gibt es viele, weil sie dies tun möchten. Aktuell, kosten diese Artikel je etwa $30. Eine unnötige, doppelte Bezahlung.

Das muss nicht sein. Forscher und forschungsfördernde Instiutionen können etwas dagegen tun.

Der Wissenschaftliche Beirat der Schweizerischen MS-Gesellschaft hat an der Sitzung vom 26. Januar 2013 deshalb beschlossen, Publikationen, aus geförderten Projekten, frei zugänglich zu machen (Open Access).

Das ist ein sehr positiver Schritt.

Das Schema wird sich am Schweizerischen Nationalfonds (SNF) orientieren. Die konkrete Ausgestaltung ist in Arbeit.

Die Gemeinnützigkeit der Forschungsförderung der MS-Gesellschaft wird dadurch besser erreicht, wenn die Forschungsergebnisse öffentlich frei verfügbar (Open Access) sind und die Forschungsgemeinschaft vollumfänglich von den geförderten Projekten profitieren kann. Die MS-Gesellschaft kann auf diese Weise die Forschung mit den gesammelten Spendengeldern insgesamt stärker unterstützen. Und so ihrem gemeinnützigen Zweck zur För­derung und Unterstützung der MS-­Forschung noch besser nachkommen.

Dies ist eine weitere erfreuliche Bewegung bei Open Access.

Ich hoffe andere gemeinnützige, forschungsfördernde Gesellschaften machen den selben Schritt. Im Interesse der Betroffenen. Im Interesse der Forschung. Im Interesse der Gemeinschaft.

Nachtrag

[Aktualisierung 07.08.2013: Ein neuerer Blogartikel beschreibt wie die konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen einfach möglich ist.]

MS Informationstag "Aus der Forschung für die Praxis" 2013

Was waren die Themen? Was sind die neuen Entwicklungen? Was gibt es zu berichten?

Am Samstag 2. Februar 2013 fand im grossen Hörsaal der Universität Basel der MS-Informationstag «Aus der Forschung für die Praxis» statt. Dieser, wie schon die vergangenen Jahre, gut besuchte Anlass wird vom Universitätsspital Basel zusammen mit der Schweizerischen MS-Gesellschaft organisiert und von den Pharmaunternehmen Bayer Schering, Biogen-Idec, Merck Serono, Novartis und Teva Pharma unterstützt. Die diesjährigen Themen waren:

Prof. Dr. Kappos moderierte den Anlass.

OCT: der Blick ins Gehirn

Der Augenarzt Dr. Konstantin Gugleta stellte mit eindrücklichen Bildern die optische Kohärenztomografie (engl. optical coherence tomography), kurz OCT und deren Anwendung bei Multiple Sklerose (MS) vor. OCT ermöglicht die Anfertigung von hochauflösenden Schnittbildern (3D-Tomografien) mit einer zum histologischen Bild vergleichbaren Qualität. Die OCT funktioniert analog zu Ultraschall, aber mit Licht. Aus Platzgründen werde ich in einem eigenen Artikel näher auf die spannende optische Kohärenztomografie (OCT) eingehen, siehe Optische Kohärenztomografie (OCT).

Dr. Konstantin Gugleta deklarierte ohne Interessenkonflikte zu sein.

MS, Stress und Depression: das nervt

Prof. Dr. Pasquale Calabrese räumte in seinem witzigen Vortrag mit falschen Mythen über Stress auf.

Mythos Fakt
Stress ist grundsätzlich schädlich. Stress ist eine nützliche körperliche und psychische Funktion.
Stress ist eine Zivilisationskrankheit. Auch Höhlenmenschen hatten schon Stress. Man denke nur an Mammutjagt oder Säbelzahntigerangriffe.
Stress entwickelt sich überwiegend im Beruf. Stress gehört zum Leben.
Stress (engl. für „Druck, Anspannung“; lat. stringere: „anspannen“)
bezeichnet zum einen durch spezifische äussere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen bei Lebewesen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung.

Es spielt also nicht nur der äussere Reiz eine Rolle, sondern auch die Wahrnehmung und Reaktion durch die Person.

Der Weg vom Alarmsystem bis zur Reaktionsauslösung wird als Stressachse bezeichnet. Bei Stress werden verschiedene Hormone ausgeschüttet. (Cortison ist eines dieser Stresshormone).

Leistungsfähigkeit und Stress (Hypostress, Eustress, Distress / Hyperstress)Leistungsfähigkeit und Stress | CC BY-SA Patientensicht.ch

Stress ist also nicht per se schlecht. Neben einem Zuviel an Stress (Distress/Hyperstress)), kann es auch ein Zuwenig an Stress (Hypostress) geben. Ohne eine gewisse Aktivierung, ohne ein gewissen Druck bewegt man sich nicht. Der optimale Bereich wird als Eustress bezeichnet. Es verhält sich ähnlich wie beim Beinbruch. Früher hat man das Bein eingegipst und vollkommen entlastet. Heute schützt man es und lässt eine gewisse Belastung zu. Die Verheilung läuft so besser und schneller.

Eine dauernde Aktivierung ohne Entlastung, ein Dauerstress macht jedoch krank. Es kann zu Fehlverschaltungen kommen. Stress kann Depressionen auslösen. Stress kann durch dämpfende Massnahmen reguliert oder durch vorbeugende Massnahmen verhindert werden.

Stress und Depressionen können bei MS aber auch organisch durch Läsionen ausgelöst werden, beispielsweise wenn das Regulationssystem geschädigt wird.

Das Wohlbefinden eines Menschen hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Wertschätzung, soziale Unterstützung
  • Sinnhaftigkeit, Abwechslung, Gefühle
  • Mitsprache
  • Handlungs- und Entscheidungsspielraum
  • (Berufliche) Aktivität

Insgesamt ist es ein komplexes Regulationssystem.

Er machte keine Angaben über Interessenkonflikte.

Die dritte Säule in der MS-Therapie – Sativex, Fampyra und Co

Bei MS gibt es drei Klassen von Medikamenten:

  • Medikamente mit dem Ziel der Verringerung der Schubhäufigkeit und der Progression,
  • Schubtherapie mit Cortison und
  • Symptomatische Therapie zur Verringerung und Linderung der Symptome.

Dr. Marcus D’Souza ging auf die neuen Medikamente bei der symptomatischen Therapie ein. Sie verändern den MS-Krankheitsverlauf nicht, aber sie haben das Ziel die Lebensqualität zu verbessern.

4-Aminopyridin / Fampridin / Fampyra® (EU) / Ampyra® (USA)
Dieses Medikament soll die Nervenleitung verbessern und so beispielsweise die Gehfähigkeit verbessern. Das Medikament wirkt bei einem Drittel der Patienten, das heisst es wirkt also bei zwei Dritteln nicht. Als Nebenwirkungen1 wurden bisher Harnwegsinfektionen und Auslösung von epileptischen Anfällen festgestellt.
Sativex® (EU/USA)
Dieses Medikament beruht auf den Wirkstoffen (THC und CBD) von Hanf und dient der Schmerzlinderung. Hanf wurde schon bei den alten Chinesen zur Schmerzreduktion eingesetzt. Hanf war bis zum Aufkommen von Aspirin® das am häufigsten eingesetzte Schmerzmittel. Mit dem Aufkommen der Hippiebewegung kam Hanf in Verruf. Sativex® wird in die Mundhöhle gesprayt.
Dronabinol
Dronabinol beruht ebenfalls auf Hanf. Es enthält im Gegensatz zu Sativex® nur THC.

Alle drei Medikamenten sind in der Schweiz noch nicht zugelassen. Ein Einsatz ist auf Verschreibung möglich (Off-Label). Die Kosten von monatlich bis 1000 Franken werden jedoch nicht automatisch von der Krankenkasse übernommen.

Neues von der MS-Gesellschaft

Dr. Christoph Lotter der MS-Gesellschaft informierte über die verschiedenen Angebote und Aktivitäten der MS-Gesellschaft:

  • Case Management: Die Fallbetreuung hat sich etabliert und wird auch von Unternehmen genutzt.
  • Psychologische Unterstützung: Ein über die Schweiz verteiltes Netz von 130 Fachpersonen wurde, unter Mithilfe von Prof. Pasquale Calabrese, aufgebaut.
  • In den letzten 15 Jahren hat die MS-Gesellschaft ca. 350 wissenschaftliche Projekte mit total 15 Mio. CHF unterstützt.
  • Ein Angebotsbedarf für pflegende Angehörige wurde festgestellt. Spezifische Angebote für diese Gruppe sind im Aufbau.
  • Neue Online-Angebote wie Facebook werden geprüft. Eine rasche Umsetzung wird durch den Schutz der persönlichen Daten gebremst.
  • 80% der MS-Gesellschaft werden durch Spenden finanziert. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen. Sei es für das Beratungsangebote oder zur Forschungsförderung.

Wer impft, gewinnt

Der Immunologe Prof. Dr. Tobias Derfuss informierte über Impfungen und MS.

Lösen Infektionen Schübe aus?

Nach Infektionen ist das Schubrisiko bis zu 3× erhöht. Eine erhöhte MRI-Aktivität nach Infektionen ist feststellbar.

In der westlichen Welt ist die Zahl von Infektionen wegen Hygienemassnahmen, besseren Lebensumständen und Impfungen stark zurückgegangen.

Zwei Arten von Impfungen werden unterschieden: die Aktive und die Passive. Bei der Aktiven wird das Immunsystem zum Aufbau der Schutzfunktion angeregt. Bei der Passiven wird die Schutzinformation als Blutprodukt direkt übertragen. Die passive Form wird nur selten, z.B. in Notfällen eingesetzt.

Lösen Impfungen Schübe aus?

Eine Metaanalyse2 zeigt ein geringes Risiko für Diphterie und Tetanus.

In einer Studie wurden die Schübe nach einer Grippeimpfung untersucht. Zwischen der Placebo- und den Geimpften gab es keine nennenswerten Unterschiede.

Was ist der Einfluss von MS-Medikamenten auf Impfungen und Infektionen?

Kein Einfluss von Beta-Inferferonen auf die Grippe wurde festgestellt.

Es wurde kein negativer Einfluss von Fingolimod auf das Impfansprechen festgestellt.

Impfungen sollten frühsten zwei Wochen nach dem Cortison-Einsatz erfolgen.

Empfehlung

Totimpfstoffe gelten aus gut verträglich, Lebendimpfstoff bedingen eine gewisse Vorsicht.

Empfohlen Nicht empfohlen / begingt genaue Abklärung
Tetanus, Dipherie, Influenza, Pneumokokken, Pertussis, Hepatitis B Gelbfieber, Tollwut
VZV (Windpocken Lebendimpfung, vor Einsatz von Fingolimod, wenn keine Immunität besteht)

Prof. Dr. Tobias Derfuss informierte das Publikum zu Beginn des Vortrages über seine Interessenkonflikte.

Was ändert sich durch die neuen Medikamente?

Prof. Dr. Ludwig Kappos betonte zu Beginn die Kompensationsmöglichkeiten des Gehirns. Im frühen Stadium ist das Gehirn in der Lage Schädigungen zu kompensieren. Es gibt noch wenig feststellbare Symptome. Wenig klinisch feststellbare Symptome heisst also nicht automatisch, dass das Krankheitsfortschreiten stehen bleibt.

Phasen der MS-Schädigung (Kompensation, Strukturelle Zerstörung, Klinisch feststellbar)Phasen der MS-Schädigung | CC BY-SA Patientensicht.ch

Anschliessend gab er einen Überblick über die aktuellen und die kommenden MS-Medikamente. Er verglich die Wirksamkeit, die Wirkungseigenschaften, die Nebenwirkungen von

  • den Beta-Interferonen (Betaseron®, Avonex®, Rebif®),
  • Glatirameracetat (Copaxone®),
  • Fingolimod (Gilenya®),
  • Mitoxantron,
  • BG-12 (Fumarsäure, Dimethylfumarat, Fumarat, Fumarsäuredimethylester),
  • Teriflunomide (Aubagio®) und
  • Alemtuzumab (Lemtrada®, früher als MabCampath® für Leukämie).

Das noch nicht zugelassene Alemtuzumab ist ein immunsuppressives Medikament. Es wird das stärkste MS-Medikament werden. Seine Wirkung wird als «Neustart des Immunsystems» beschrieben. Als Nebenwirkungen wurde eine grössere Infektanfälligkeit, wie auch das Auftreten von anderen Immunerkrankungen festgestellt. Wegen der Nebenwirkungen macht das Medikament nur bei schweren Krankheitsverläufen Sinn.

Im Artikel Informationsveranstaltung «Medikamentenentwicklung und MS» der MS-Gesellschaft habe ich bereits über BG-12 und zu Teriflunomide geschrieben.

Er nannte Faktoren, wie das Potential der Medikamente besser ausgeschöpft werden kann. Zum Schluss zeigte er Kriterien, die zu einer höheren Wirkungserwartung führen.

Prof. Dr. Kappos informierte das Publikum zu Beginn des Vortrages über seine Interessenkonflikte.

Fragen

Einige ausgewählte, allgemeine Fragen des Publikums3:

  1. Warum werden wir auf neue Medikamente «gluschtig» gemacht, die gar nicht oder nur schwer erhältlich sind?

    Es ist das Ziel über neue Entwicklungen zu informieren. Eine Zulassung ist beantragt worden. Diese Medikamente werden wahrscheinlich in Zukunft erhältlich sein.

  2. Ist die Zeckenimpfung (FMSE Impfung) empfohlen?

    Ja, wenn ein Risiko eines Zeckenbisses mit FMSE-Erreger vorhanden ist.

  3. Fördern die Beta-Intererone oder Copaxone Depressionen?

    Das Thema wird kontrovers diskutiert. Bei Personen «ohne Vorgeschichte» wurde kein erhöhtes Risiko festgestellt.

Offenlegung der Interessenkonflikte

Das Publikum wurde erfreulicherweise jeweils zu Beginn eines Vortrages über das vorliegen vonInteressenkonflikten informiert, wie es die SAMW-Richtlinien vorsehen. Prof. Kappos und Derfuss erklärten, dass ihre Forschung auch von grossen Pharmaunternehmen finanziert wird, da die staatliche Finanzierung nicht ausreichend ist. Diese Transparenz ermöglicht dem Publikum das Gehörte eigenständig einzuordnen.

Bemerkungen

Das war ein gelungener und gut besuchter Anlass. Mit ca. 500 Teilnehmern zählt dieser Anlass zu den grösseren fachorientierten Publikumsveranstaltungen. Die Vorbereitung war gut und die Organisation klappte reibungslos.

Die Vorträge waren ausnahmslos gut verständlich und informativ. Persönlich am interessantesten fand ich die Vorträge über die optische Kohärenztomografie (OCT) und den Stress. Es wurde angekündigt, dass die Folien in etwa zwei Wochen ins Netz gestellt werden.

Ein solcher Anlass ist ein guter Weg für die Wissenschaftler ihren Wissensstand und ihre Haltung, wie beispielsweise beim Thema Impfen, dem Publikum zu vermitteln.

Die MS-Gesellschaft hatte einen Infostand mit Broschüren aufgestellt. Mitarbeiterinnen standen für Fragen zur Verfügung. Ein solcher Anlass gibt die Möglichkeit die Köpfe hinter den Texten und Broschüren zu sehen.

Ich versuchte die wesentlichen Informationen der Veranstaltung ausgewogen wiederzugeben. Ich hoffe dieser Bericht war hilfreich.

Nachtrag

Die Vorträge können als PDF heruntergeladen werden, siehe News-Meldung der MS-Gesellschaft.


  1. Gemäss Wikipedia wird 4-Aminopyridin / Fampridin unter dem Markennamen Avitrol® ebenfalls als Vogelgift vertrieben. Ist dies eine Frage der Dosis? 

  2. Farez et al. J. Neurol 2011 

  3. Während dem Schreiben dieses Artikels ist mir eine eigene Frage in den Sinn gekommen: Wer ist von Redner wie geimpft? Dies wäre interessant zu wissen, denn man soll Leute nicht Worten, sondern nach Taten beurteilen. 

Offenlegung von Interessenbindungen an Publikumsveranstaltungen

Gelten die SAMW-Richtlinien «Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie» auch für Publikumsveranstaltungen? Dürfen dem Publikum, in der Wissenschaft als notwendig erachtete Informationen, vorenthalten werden? Müssen die SAMW-Richtlinien angewendet werden?

Die Schweizerische MS-Gesellschaft führt zusammen mit dem Universitätsspital Basel jährlich eine gut besuchte Informationsveranstaltung über die neusten Entwicklungen in der MS-Forschung durch. Ärzte und Forscher halten zu unterschiedlichen Themen Vorträge. Häufig geht es um aktuelle und kommende MS-Therapien. Studien zu Medikamenten werden vorgestellt. Nutzen und Risiken werden besprochen.

Forscher haben häufig enge Kontakte zur Pharmaindustrie. Sei es aufgrund von Studien, die sie in deren Auftrag machen, sei es als Berater oder als bezahlte Redner an Tagungen, oder alles zusammen. Das führt zu Interessenkonflikten. Diese Interessenkonflikte können ohne Auswirkung sein oder aber zu Verzerrungen führen, auch unbewusst. Interessenkonflikte sind leider weit verbreitet. In der Wissenschaft sind Interessenkonflikte schon lange ein Thema. Transparenz über Interessenbindungen ist gefordert. Richtlinien wurden erlassen.

In der Schweiz regeln die SAMW-Richtlinien «Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie» den Umgang mit Interessenkonflikten. Die erste Massnahme ist Offenlegung1. Forscher und Ärzte müssen Interessenbindungen dem Publikum offen legen.

Ich besuchte verschiedene Informationsveranstaltungen. Bis auf eine löbliche Ausnahme hat in den vergangenen zwei Jahren keiner der Ärzte oder Forscher seine Interessenbindungen offengelegt.

«Beratende Kommission» der SAMW

Die «Beratende Kommission» der SAMW ist für Fragen zu den SAMW-Richtlinien zuständig. Um es genau zu wissen, ob die SAMW-Richtlinien «Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie» auch für Publikumsveranstaltungen gelten, habe ich mich an diese Kommission gewendet.

Die Beratende Kommission hat an der Sitzung vom 7. April 2011 über das Thema beraten und folgendes beschlossen:

Medizinische Referenten sollten auch an Publikumsveranstaltungen ihre Interessenbindungen offen legen.

Ein Artikel zur Information ist in der Schweizerischen Ärztezeitung vorgesehen.

In der Zwischenzeit, wenden Sie sich für weitere Auskunft am besten direkt an den SAMW-Generalsekretär Dr. Hermann Amstad.

Veranstaltungsorganisatoren

Die Organisatoren von Informationsveranstaltungen sind ebenfalls in der Pflicht. Sie sollten die Redner vorgängig auf die Offenlegung von Interessenbindungen hinweisen. Eine wiederholte Missachtung darf nicht toleriert werden.

Die Schweizerische MS-Gesellschaft nimmt das Thema ernst. Seit Anfang 2013 enthält die Vortragsvereinbarung einen Abschnitt über die Offenlegungspflicht von Interessenbindungen bzw. Interessenkonflikten. Die MS-Gesellschaft hat mit dieser Anpassung einen sehr vorbildlichen und wichtigen Schritt gemacht. Ich hoffe, dass dieses Beispiel Schule macht.

Zusammenfassung

Die SAMW-Richtlinien «Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie» gelten für Publikumsveranstaltungen. Interessenbindungen müssen offengelegt werden.


  1. Deklaration alleine reicht nicht. Sie ist nur ein erster notwendiger Schritt. 


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TED Talk von Ben Goldacre: Datenverheimlichung

Was ist ein TED Talk? Was ist das Thema des Vortrages?

In den USA gibt es die Vortragsreihe TED Talk. Eingeladen werden Forscher und Leute mit Ideen. Die Liste der Redner reicht von Bill Clinton über Bill Gates bis zu Nobelpreisträgern. Die Vorträge dürfen maximal 18 Minuten lang sein. Die Vorträge werden dann ins Internet gestellt, nach dem Motto: „Ideas worth spreading“ (dt.: „Ideen, die es Wert sind, verbreitet zu werden“).

Ben Goldacre konnte eine Vortrag über das Verheimlichen von Studiendaten machen. Das ist der zentrale Kritikpunkt seines neuen Buches Bad Pharma: How Drug Companies Mislead Doctors and Harm Patients.

Mit deutschen Untertiteln

Ben Goldacre erläutert in seinem Vortrag von Mitte 2012 das Problem von fehlenden «negativen» Resultaten. In der 14-minütigen TED-Talk Aufzeichnung What doctors don’t know about the drugs they prescribe erläutert Ben Goldacre die Verzerrung der Forschungsliteratur (Publication Bias). Wenn von 10 Studien über ein Medikament nur die 5 «positiven» publiziert werden und die 5 anderen nicht, so meinen alle das Medikament sei wirksam, was es aber bei ganzer Datenlage nicht ist.

Weitere interessante Videos sind auf der Seite Hörens- und sehenswerte Sendungen aufgelistet.

Ein 60 minütiger (lustiger) Vortrag Book Discussion on Bad Pharma (engl.) von Ben Goldacre aus Seattle vom 18.02.2013. Ebenfalls sehenswert.

SAMW Richtlinien: Zusammenarbeit Ärzteschaft – Industrie, Überarbeitung 2013, mit Versionsvergleich

Was hat sich mit der Fassung 2013 der Richtlinien geändert? Wie unterscheiden sich der Vernehmlassungsentwurf und die endgültige Fassung?

Zusammenarbeit Ärzteschaft – Industrie© SAMW

Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) erstellen Richtlinien für die Ärzteschaft. Diese Richtlinien werden vom Ärzteverband FMH in die Standesordnung aufgenommen.

Die SAMW Richtlinien «Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie» zur Regelung von Interessenkonflikten sind seit 2006 in Kraft. Anfang 2012 hat der SAMW-Vorstand die «Beratende Kommission» beauftragt, die Richtlinien zu überarbeiten. Eine Vernehmlassung wurde durchgeführt. Die neue Version wurde in der Schweizer Ärztezeitung, 2013, 94(1):12–7 veröffentlicht und tritt am 1. Februar 2013 in Kraft. Die Richtlinien können als Broschüre von der SAMW Webseite heruntergeladen werden.

Die Richtlinien wurde im Wesentlichen präzisiert und moderat ergänzt. Damit wurden die Richtlinien gestärkt. Die neuen Richtlinien stellen ein Verbesserung im Vergleich zur alten Version dar.

Neu sind beispielsweise:

  • Die Expertentätigkeit wird geregelt,
  • angehende Mediziner dürfen während dem Studium nicht mehr mit Geschenken und anderen Vorteilen beeinflusst werden,
  • Medizinstudenten müssen auf Interessenkonflikte sensibilisiert werden,
  • Ghost Writing und Guest Authors werden ausdrücklich als nicht akzeptabel angesehen,
  • der Kontakt zwischen Pharmavertretern und dem Spitalpersonal, hauptsächlich Assistenzärzten, muss geregelt werden,
  • das Trennungsprinzip, das Transparenzprinzip, das Äquivalenzprinzip, das Dokumentationsprinzi​p, das Vier-​Augen-​Prinzip und das Kontentrennungsprinz​ip werden zum Umgang mit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten als Grundsätze erwähnt,
  • und viele kleinere Änderungen, wie anstatt „zentrales Register“ neu „öffentlich zugängliches Register“, wurden gemacht.

Dass solche Richtlinien zwingend notwendig sind, zeigen viele Beispiele und das Verhalten der Verantwortlichen der Pharmaindustrie.

Versionsunterschiede

Die Richtlinien gibt es nur gedruckt oder als PDF. Die Unterschiede der verschiedenen Fassungen zu erkennen, ist nicht leicht. Um die Unterschiede einfach sehen zu können, habe ich mich entschlossen den Informatik einzusetzen. Ich habe beide Versionen eingelesen, von Hand umgewandelt und mit einem Computerprogramm verglichen.

Die Versionsunterschiede (HTML-Webseite, 420 KiB) sind als Webseite abrufbar.

Die Unterschiede werden Wort für Wort angezeigt. In dieser Darstellung lassen sich die Unterschiede leicht erkennen. Ich hoffe das Befassen mit der neuen Fassung der Richtlinien wird dadurch erleichtert.

Unterschiede zum Vernehmlassungsentwurf

Die endgültige Fassung basiert in weiten Teilen auf dem Vernehmlassungsentwurf. Verschiedene punktuelle Ergänzungen wurden gemacht, meistens Präzisierungen.

Beispiele von Unterschieden zwischen dem Entwurf und der endgültigen Fassung sind:

  • Neu wurde der Satz „Zudem sensibilisieren sie die Studierenden für mögliche Interessenkonflikte bei der Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie.“ (Zeile 431ff) hinzugefügt.
  • Präzisierung
    • Fassung 2006: „Die an Fortbildungsveranstal​tungen als Zuhörer (d.​h.​ ohne aktive Beteiligung mit Referat oder Poster)​ teilnehmenden Ärzte leisten eine angemessene Kostenbeteiligung.“
    • Entwurf: „6.​ Die an Fortbildungsveranstal​tungen als Zuhörer (d.​h.​ ohne Präsentation)​ teilnehmenden Ärzte leisten eine angemessene Kostenbeteiligung.​“
    • Fassung 2013: „6.​ Die an Fortbildungsveranstal​tungen als Zuhörer (d.​h.​ ohne Präsentation,​ ​Poster,​ Referat,​ Sitzungsleitung o.​ä.​)​ teilnehmenden Ärzte leisten eine angemessene Kostenbeteiligung.​“
  • Der Satz des Entwurfs „4. Mitglieder von Gremien, die für die Ausarbeitung von Guidelines oder Leitlinien zuständig sind, legen zu Beginn und danach periodisch ihre Interessenkonflikte offen; diese Angaben werden zusammen mit den Guidelines oder Leitlinien veröffentlicht.“ wurde mit „und danach periodisch“ ergänzt.

Vernehmlassungsvorschläge

Ich habe an der Vernehmlassung teilgenommen und Stellung genommen. Meine Vorschläge wurden nicht berücksichtigt.

Umsetzung

Die „Beratende Kommission“ ist mit der bisherigen Umsetzung nicht zufrieden. Die Anwendung der Richtlinien ist verbesserungsfähig, beispielsweise bei Informationsveranstaltungen. Meiner Ansicht nach hätten die Richtlinien noch weiter gestärkt werden können. Hoffentlich helfen die gemachten Verbesserungen der neuen Fassung bei der zukünftigen Umsetzung im medizinischen Alltag.

Erstellung des Versionsvergleiches

In Deutschland hat eine Gruppe junger Netzaktivisten angefangen Gesetzestextunterschiede mit Programmen zu erfassen und zu vergleichen. Ich finde es hervorragend Informatikmittel für öffentliche Informationen einzusetzen. Inspiriert von dieser Initiative, bot sich mir diese Richtlinienüberarbeitung an, den automatischen Vergleich an diesem kleinen Beispiel durchzuführen.

Wie habe ich den zweispaltigen Versionsvergleich erstellt?

Für die technisch Interessierten, im Sinne von Open Source und Open Data, hier die Details. Die Nichtinteressierten können diesen Abschnitt überspringen.

Ich habe

  1. die PDFs heruntergeladen (Die Richtlinien stehen nur als PDF zur Verfügung.),
  2. den Inhalt der PDFs mit dem Acrobat Reader (acroread) als Text abgespeichert,
  3. von Hand die Markdown Extra Formatierungen eingesetzt und die Struktur leicht angeglichen,
  4. die Markdown-Dateien mit Pandoc normalisiert (Zeilenumbrüche am gleichen Ort, gleiche Formatierungen, …)
  5. mit dem GNU diff einen Unified-Diff erstellt,
  6. mit einem erweiterten1html2diff2 Python-Script die formatierte, zweispaltige HTML-Datei erstellt.

Ideal wäre natürlich, wenn die Richtlinien, wie die deutschen Bundesgesetze, ebenfalls in maschinenlesbarer Form veröffentlicht werden, z.B. als XML.

Als Nebenprodukt sind die Richtlinien 2013 und die alten Richtlinien 2006 als HTML-Webseiten (inkl. Markdown-Quelldateien) entstanden. Die Richtlinien in dieser Form sind vielleicht jemandem von Nutzen.

Für die Interessierten stehen der Unified-Diff, die normalisierten Markdown-Dateien und das Python diff2html Skript als Anhang zur Verfügung.

# Normalize
pandoc -f markdown -t markdown -o d_RL_ZAeI_2013_normalized.md d_RL_ZAeI_2013.md
pandoc -f markdown -t markdown -o d_RL_ZAeI_2006_normalized.md d_RL_ZAeI_2006.md
# Additional parameter: --atx-headers

# Diff
diff -U9999999 --minimal d_RL_ZAeI_2006_normalized.md d_RL_ZAeI_2013_normalized.md > d_RL_ZAeI_2006_2013.full.diff

# Generate pretty formatted HTML
diff2html.py -o d_RL_ZAeI_2006_2013.diff.html -i d_RL_ZAeI_2006_2013.full.diff

Meldung der SAMW

7.01.2013 | Richtlinien
«Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie»: die revidierten Richtlinien treten am 1. Februar 2013 in Kraft

Die SAMW hat im Jahr 2002 erstmals «Empfehlungen zur Zusammenarbeit Ärzteschaft – Industrie» veröffentlicht; diese wurden im Sommer 2005 erstmals überprüft und wo nötig angepasst.

Neu handelte es sich nicht mehr um Empfehlungen, sondern um «Richtlinien», in die auch die bisherigen Leitlinien der FMH zur Anerkennung von Fortbildungsveranstaltungen im Rahmen der FBO eingeflossen sind. Sie sollten nicht verbieten, sondern zur Förderung von Objektivität und Qualität, zur Transparenz, zur Vermeidung von Abhängigkeiten und zum bewussten Umgang mit Interessenkonflikten beitragen. Für die Umsetzung der Richtlinien hat die SAMW 2007 eine «Beratende Kommission» eingesetzt.

Anfang 2012 hat der SAMW-Vorstand die «Beratende Kommission» beauftragt, die Richtlinien zu überarbeiten. Insofern sich die Richtlinien prinzipiell bewährt haben, hat die Kommission wesentliche Teile der bisherigen Richtlinien unverändert belassen. Ganz neu ist nur das Kapitel III (Expertentätigkeit). In den anderen Kapiteln hat sie versucht, offensichtliche Lücken zu schliessen und Präzisierungen anzubringen.

Nach einer breiten Vernehmlassung hat der Senat der SAMW die definitive Fassung der revidierten Richtlinien an seiner Sitzung von Ende November 2012 genehmigt.

Schlussbemerkung

Die neuen Richtlinien stellen durch die Präzisierungen eine Verbesserung dar. Die Richtlinien wurden gestärkt. Alle, die im Gesundheitswesen mit der Industrie in Berührung kommen, sei es als Betroffene mit Medikamenten, als Pflegende oder als Ärzte, sollten die neuen Richtlinien kennen. Mit dem Wort für Wort Versionsvergleich (HTML-Webseite, 630kB) lassen sich die Unterschiede der neuen und der alten Fassung leicht sehen.


  1. Ich habe meine Änderungen dem Projekt geschickt und diese sind nun eingelossen. So können alle davon profitieren. 

  2. Verarbeitung von Umlauten (utf-8) hinzugefügt; wörterbasierter Vergleich mit simplediff 

Multiple Sklerose (MS): Die zehn wichtigsten ungelösten Fragen

Was sind die relevanten, offenen Forschungsfragen der MS-Betroffenen? Von den Pflegenden? Welche MS-Forschung ist prioritär? Welche Antworten erwarten die MS-Betroffenen von der Forschung? Welche Forschungsprojekte sind aus Patientensicht förderungswürdig? Welche aus Sicht der Ärzte?

Die britische Multiple Sclerosis Society hat sich letzten Sommer genau diesen Fragen angenommen. Sie hat die Initiative Setting MS research priorities gestartet.

In der Initiative geht es darum, die Forschungsfragen von MS-Betroffenen, Pflegenden und Ärzten zu sammeln und zu gewichten. Die Prioritäten werden in einem mehrstufigen Prozess ermittelt:

  1. Forschungsfragen sammeln
  2. Prüfen, welche Forschungsfragen schon mit dem vorhanden Wissen beantwortet werden können
  3. Fragen sortieren und gruppieren
  4. Priorisieren
  5. Die zehn wichtigsten ungelösten Fragen auswählen

Jeder kann Forschungsfragen über die MS Society Umfrage bis Ende Januar einreichen.

Top 10 Prioritäten© unbekannt

Die gefundenen Forschungsprioritäten werden danach bekanntgegeben. Die MS Society wird ihre Forschungsförderung nach diesen Prioritäten ausrichten. Die MS Society erarbeitet die zehn wichtigsten, offenen Forschungsfragen nicht nur für sich, sondern führt diesen Prozess, als ihr Beitrag, für die weiteren Forschungsförderer durch.

Ich finde diese Initiative der MS Society sehr wichtig. Das Feld der MS-Forschung ist riesig. Es gibt sehr viele Forschungsförderungsgesuche. Nicht alle Forschungsfragen sind auch relevant für die Betroffenen oder die Pflegenden. Diese Initiative hilft die Stimme der Betroffenen einzubringen.

Falls Fragen eingereicht wurden, die durch die Wissenschaft bereits ausreichend beantwortet wurden, heisst dies, dass die gefundenen Forschungsergebnisse zu wenig bekannt sind. Bei einer Häufung solcher bereits beantworteter Fragen, muss die Informationsverbreitung verbessert werden, z.B. durch eine Informationskampagne.

James Lind Alliance (JLA)

Die MS Society erarbeitet die Prioritätenliste mit der James Lind Alliance (JLA). Das ist eine Non-Profit-Organisation, die sich auf das Finden und Gewichten von unbeantworteten, medizinischen Fragen spezialisiert hat. Die JLA wurde von Iain Chalmers 2004 mitbegründet. Iain Chalmers war ebenfalls an der Gründung der Cochrane Collaboration beteiligt. Eine Medizin ohne Cochrane Collaboration ist heute nicht mehr vorstellbar.

James Lind war ein schottischer Schiffsarzt. Er hat vor 250 Jahren für die oft tödliche Krankheit Skorbut, mittels eines simplen Versuchs, herausgefunden, wie Skorbut geheilt und verhindert werden kann. Skorbut kann durch Zitronen oder Chabis geheilt werden. Die Krankheit entsteht durch Vitamin C Mangel. Das wussten sie damals allerdings noch nicht.

Schweizerische MS-Gesellschaft

Die MS-Gesellschaft fördert die MS-Forschung mit jährlich 1.3 Mio Franken. Der MS-Gesellschaft habe ich letzten Sommer das Anliegen vorgebracht, dass die praktisch relevanten Forschungsfragen von Betroffenen stärker in der Forschungsförderung einbezogen werden sollten. Aktuell werden die Fördergesuche von einem kleinen Kreis von Forschern beurteilt.1 Von der Initiative der MS Society habe ich erst kürzlich erfahren. Die Initiative der MS Society ist ein hervorragender Ansatz. Ich hoffe die Schweizerische MS-Gesellschaft wird ebenfalls in dieser Richtung aktiv.2

Schlussbemerkung

Die Forschung ist kein Sandkasten nur zum Vergnügen der Forscher. Relevante Fragen sollen mittels wissenschaftlicher Methoden beantwortet werden. Die Initiative der britischen MS Society ist ein sehr wichtiger Beitrag.

Ich hoffe andere Forschungsförderungsgesellschaften, wie die Schweizerische MS-Gesellschaft oder die DMSG orientieren sich ebenfalls an diesen wichtigsten Forschungsprioritäten. Wenn diese Prioritäten nicht direkt übernommen werden können, sollten die eigenen Forschungsprioritäten ebenfalls nach dem Vorbild der MS Society, unter Einbezug der Betroffenen und Pflegenden, ermittelt werden.


  1. Nach meinem Wissenstand entscheidet das Gremium des Wissenschaftlichen Beirates nach eigenem Gutdünken. 

  2. Vielleicht sollte man eine Petition starten. 


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Jahresrückblick 2012

Was waren die Höhepunkte des letzten Jahres aus Patientensicht? Was ist bemerkenswert?

Patientensicht LogoDas Jahr ist bald zu Ende. Es ist Zeit zurückzuschauen.

Recherchen und Artikel

Ich habe einige spannende Recherchen machen können. Die Resultate habe ich in, teils längeren, Hintergrundartikel zusammengefasst.

Die sieben wichtigsten sind:

Klassiker sind die Versammlungsberichte und die Auswertung der geförderten Forschung der MS-Gesellschaft:

Bücher und Sendungen

Das mit Abstand wichtigste Buch des Jahres ist Ben Goldacres «Bad Pharma». Alle, die mit Medikamenten zu tun haben, Patienten wie Ärzte, sollten es gelesen haben.

Die Bücherliste führe ich stets nach.

Die einen mögen Bücher, die anderen schauen lieber fern. In Archiven und auf Youtube gibt es ein grosses Angebot. Meine Auswahl habe ich in der Übersicht sehens- und hörenswerte Fernseh- und Radiosendungen zusammengestellt.

Wissenschaft

Aus der riesigen Fülle von wissenschaftlichen Publikationen gab einige wenige, die direkt patientenrelevante Fragestellungen erörtert haben:

In der EU und besonders in Grossbritannien sind 2012 richtungsweisende Entscheide zu Open Access, dem freien Zugang zur wissenschaftlicher Literatur, getroffen worden.

Reichweite

Zum Ende Jahr habe ich mehr Leser und Leserinnen als zu Beginn. Das freut mich sehr. Ich möchte mich bei allen Leser und Leserinnen für das Vertrauen bedanken.

Die Blogartikel kommen zunehmend in den Googlesuchresultaten vor.

Gegen Geld fremde Artikel veröffentlichen? Sicher nicht! Die vermehrten Anfragen zu «kommerziellen Partnerschaften» waren etwas nervig.

Technisch

Der Schreibspass hat sich durch das Schreiben mit Markdown markant erhöht.

Weiter habe ich habe am Blog immer wieder kleine Verbesserungen vorgenommen. Ich bin mit dem aktuellen Stand sehr zufrieden. Erweiterungsideen habe ich natürlich immer noch.

Ausblick

Die Schweizerische Akademie der Wissenschaften (SAMW) wird die überarbeiteten Interessenkonfliktrichtlinien veröffentlichen. Der Ständerat wird über die IV Revision 6b entscheiden. Ebenfalls steht die Abstimmungstransparenz des Ständerates nochmals auf den Traktanden.

Die britische Multiple Sclerosis Society (MSS) sucht zusammen mit der James Lind Alliance (JLA) die zehn wichtigsten, unbeantworteten Fragen von MS-Betroffenen. Daraus wird mitte Jahr eine Liste mit den zehn wichtigsten Forschungsprioritäten der MS-Betroffenen veröffentlicht.

EU Zulassungsbehörde European Medicines Agency (EMA) wird das Studienregister (trial register) 2014 (endlich) öffentlich zugänglich machen. Nächstes Jahr wird erarbeitet, was alles veröffentlicht werden soll.

Schlussbemerkung

Ich habe noch viele Fragen und Ideen für neue Artikel.

Durch den Blog haben sich bereits ein paar interessante Kontakte ergeben. Auch kleinere Erfolge sind zu verzeichnen. Mehr dazu im nächsten Jahr.

Danke für das Lesen!

Ich wünsche allen gute Gesundheit und ein gutes Neues Jahr!


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Bericht zur Tagung "Ein nachhaltiges Gesundheitssystem für die Schweiz"

Ist das heute Gesundheitswesen nicht nachhaltig? Was war bemerkenswert? Wer war anwesend? Was habe ich gelernt?

Am 4. Dezember 2012 veranstalteten die Akademien der Schweiz das Symposium „Ein nachhaltiges Gesundheitssystem für die Schweiz“ am Inselspital in Bern. Es war am gleichen Ort wir die Informationsveranstaltung «Medikamentenentwicklung und MS» der MS-Gesellschaft, nur diesmal im grossen Hörsaal.

Es war eine interessante Veranstaltung. Ich muss da gleich anfügen, dass ich wahrscheinlich ziemlich der einzige „Zivilist“ war. Alle anderen waren aus beruflichen Gründen anwesend. Eine weitere Ausnahme gab es. Die Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss.

Die Veranstaltung war folgendermassen aufgebaut:

  1. Analyse der Probleme
  2. Lösungsansätze
  3. Angehen und Umsetzen der Massnahmen

Die Akademien haben Studien erstellen lassen und Dokumente geschrieben. Das Programm, die Studien und Dokumente sind bei den Akademien Schweiz im Dossier Ein nachhaltiges Gesundheitssystem zusammengestellt.

Nachfolgend Punkte sind mir aufgefallen. Es sind meine persönlichen Punkte und nicht alle sind fachlich relevant.

Unnötige Behandlungen

Ein Drittel aller Diagnosen und Behandlungen seien in der Medizin unnötig. Jede medizinische Fachrichtung soll 10 offensichtlich unnötige Behandlungen benennen, diese nicht mehr durchführen, beispielsweise der PSA-Test. Meistens hilft es, wenn diese unnötigen Behandlungen nicht mehr vergütet werden.

Unnötige Behandlungen und Diagnosen kosten nicht nur, sondern sie schaden auch. Ein körperlicher Eingriff ist immer mit Gefahren verbunden. Bei unnötigen Behandlungen sieht das Nutzen/Schaden-Riskio sehr schlecht aus.

Infras-Studie

Interessanterweise haben die Studie „Ineffizienzen im Schweizer Gesundheitssystem“ extern vergeben. Die Studie wurde vom Beratungsunternehmen Infras durchgeführt.

Behandlungskosten

Im Publifocus von TA-Swiss wurde festgestellt, dass die Bürger und Patienten keine Ahnung über die Kosten von medizinischen Behandlungen haben. Stimmt. Ich kenne die Kosten von medizinischen Eingriffen nicht. Man könnte nun denken, die Patienten bekommen die TARMED-Rechnungen und dort steht es. Doch diese Rechnungen decken nicht den ganzen Behandlungsbetrag ab, der direkte kantonale Beitrag an die Spitäler ist nicht enthalten. Die Transparenz der Kosten würde das Kostenbewusstsein stärken. Es wurde bemerkt, dass sich Patienten beim Kennen der wahren Kosten sich für teure Behandlungen schämen würden.

Pharmasklaven

Im Publifocus haben einige Bürger zum Ausdruck gebracht, dass sie die Ärzte als Sklaven der Pharmaindustrie wahrnehmen.

Podiumsdiskussion

Es wurden zwei Podiumsdiskussionen unter der Moderation von Iwan Rickenbacher durchgeführt. Ich habe zum ersten Mal eine Podiumsdiskussion live miterlebt. Der Moderator überlegte sich im voraus spannende Fragen. Das ist sehr bequem für das Publikum.

Aufs Podium eingeladen waren ein Ökonom aus dem Tessin (Luca Crivelli), ein Medizinprofessor aus Genf (Arnaud Perrier), eine Ständerätin (Christine Egerszegi-Obrist, Präsidentin der Gesundheitskommission) und ein Pflegevertreter aus dem Jura.

Sprachlich war es interessant. Jeder hat, bis auf den Tessiner, in seiner Muttersprache diskutiert. Auf eine deutsche Frage, eine französische Antwort. Das System hat sehr gut funktioniert. Gut schweizerisch.

Die Arbeitsplätze im Gesundheitswesen gaben zu reden. In der Schweiz gibt es über eine halbe Million Arbeitsplätze im Gesundheitswesen. Der Gesundheitsbereich ist also ein sehr bedeutender Arbeitgeber.

Die Ständerätin Egerszegi zählte die Projekte dieser Legislatur auf:

  • KVG-Aufsichtsgesetz (Wie werden Prämien berechnet?)
  • E-Health
  • Heilmittelgesetz
  • Managed Care, neuer Anlauf
  • Risikoausgleich
  • Steuerung der Ärzte („Ärztestopp“)
  • Vertragsfreiheit
  • Kostenbeteiligung

Iwan Rickenbacher hat die Podiumsdiskussionen souverän geleitet.

Vergleich mit dem Ausland von Andrew Street

Als Starredner war der angesehene englische Gesundheitsökonom Andrew Street eingeladen. Er verglich die europäischen und amerikanischen Gesundheitssysteme. Dabei wurde deutlich, wie sich die Gesundheitssysteme unterscheiden: Anzahl Spitalbetten pro Person, Wartezeiten, Gesundheitskosten, Beliebtheit, Herkunft der Ärzte und Pflegenden, Datenerhebung, …

Im Gesundheitswesen hat es die Tendenz, wie anderswo auch, dass verfügbare Kapazitäten ausgenutzt werden. In Deutschland hat es sehr viele Spitalbetten, in England wenig. In Deutschland gibt es viel mehr Spitalaufenthalte.

Grossbritannien hat ein nationales und zentrales Gesundheitssystem (NHS). Behandlungen werden vom staatlichen Institut auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft (NICE). Gemäss Andrew Street ist das britische Gesundheitssystem ziemlich gut: Es ist relativ billig und die Bevölkerung ist zufrieden.

Fusionen

England hatte das Problem, dass es zu viele Spitäler gab. Spitäler schliessen ist politisch sehr heikel. England hat einen Trick angewandt. Anstatt die Spitäler zu schliessen, haben sie die Spitäler fusioniert. Spätestens bei der nächsten Gebäuderenovierungen wurden die Spitäler durch die Verwaltungen „optimiert“. Die Bevölkerung hat nichts gemerkt und es gab keinen Aufschrei. Der Prozess war langsam.

Übergewicht

Eine grosse Herausforderung des britischen Gesundheitssystems ist das Übergewicht. Es gibt viele dicke Leute. Diabetes ist eine Folge davon.

Datenlage

Die Schweiz schnitt in einem Bereich sehr schlecht ab: bei der Datenerhebung und Auswertung. In der Schweiz sind praktisch keine Daten vorhanden. Keine aussagekräftigen Statistiken können erstellt werden.

  • War die Behandlung erfolgreich? (Effektivität)
  • Was wollen die Patienten bei einer Krankheit? Höhere Lebensqualität oder längeres Leben? (Qualität)
  • Was ist der Kosten/Nutzen der Behandlungen? (Wirtschaftlichkeit)
  • Wie zufrieden sind die Patienten? (Zufriedenheit)
  • Welcher Krebs tritt wie häufig auf? Was sind die Verläufe? Welche Behandlungen geben die besten Aussichten? (Krebsregister)
  • Wieviel wird mit den Fallpauschalen (DRG) gespart? Was sind die Effekte dieser Abrechnung? (Anreize)
  • Uvm.

Kurz: Es mangelt an Feedback (Rückmeldung).

Ohne Rückmeldung kein Lerneffekt.

Positionspapier „Nachhaltige Medizin“

Der Basler Medizinprofessor Daniel Scheidegger illustrierte engagiert die vorhanden Probleme im Gesundheitswesen. Er stellte das Positionspapier der Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) vor.

Beitrag der Medizin zur Gesundheit

  • 50% Kultur, Bildung
  • 20% Umwelt
  • 20% Genetische Faktoren
  • 10% Medizinische Versorgung

In anderen Worten: Der Einfluss der Medizin wird überschätzt. Hinweise: Die Zahlen sind nur ungefähr..

Die Erwartungen der Bevölkerung an die Medizin sind nicht realistisch. Vieles ist unmöglich. Nur in wenigen, seltenen Fällen ist Heilung möglich. Die Pflege steht in der Praxis im Vordergrund.

Was wollen die Patienten? Will ein Krebspatient zwei Wochen länger leben oder die letzten zehn Tage zu Hause bei seinen Grosskindern verbringen?

Personal

Die Schweiz hat zu wenig Ärzte. Die Schweiz hat zu wenig Krankenschwestern. Die Antwort des Marktes: Import. Dank der Attraktivität der Schweiz ist dies möglich. Ein viertel aller Ärzte kommt aus dem Ausland. Wie lange noch?

Müssen eigentlich alle die medizinischen Tätigkeiten von Ärzten ausgeführt werden? Sollten nicht auch Pflegerinnen Medikamente verschreiben können? Warum eigentlich hat der Arztberuf so viel mehr Ansehen als der Pflegeberuf? Ist es angemessen nach einem ETH-Studium zum Apotheker nachher nur Medikamentenschachteln zu verkaufen?

Teilnehmer

Eine Teilnehmerliste lag auf. 249 Personen waren angemeldet. Die Liste zeigt die verschiedenen Akteure in der Gesundheitspolitik. Die Teilnehmer kommen aus allen Ecken und Enden des Gesundheitsbereiches:

  • Ärzte (FMH, SSO)
  • Spitäler (Uni, Kantonale, Hirslanden Klinik, St. Anna, H+, uvm.)
  • Hochschulen (Uni BE, Uni ZH, ZHAW, HSG, Berner Fachhochschule)
  • Forschung (SAMW, SAGW, Akademien Schweiz)
  • Versicherungen (SUVA, santésuisse, CSS, Assura)
  • Pharma (Interpharma, MSD, Janssen-Cilag, GSK, sanofi-aventis, Medtronic, Johnson & Johnson, Takeda Pharma, vips Vereinigung der Pharmafirmen in der Schweiz, B. Brown Medical)
  • Politik (kantonale Gesundheitsdirektoren/Regierungsräte [TI, ZG], GDK, Ständerätin, Altbundesrätin)
  • Verwaltung & Behörden (BAG, swissmedic)
  • Patientenvertreter (Patientenstelle, Patientensicht, Krebsliga)
  • Banken (Credit Suisse)
  • Forschungs- und Beratungsunternehmen (infras, Ernst Basler + Partner, Künzi Beratungen, Lenz, Integria Consult, 4econonmics, Büro Vatter, Köhler, Stüdeli & Partner, Züllig Consulting)
  • Weitere (Schweizerisches Rotes Kreuz, Paraplebigker Zentrum)
  • Personalverbände (Physiotherapie, Interverband für Rettungswesen IVR-IAS)
  • Dienstleistungen (Swisscom)
  • Presse (Schweizerische Ärztezeitung, Patientensicht)
  • Ausländische Institute (IQWiG)

Die obigen Organisationen sind mir ins Auge gestochen. Ich habe die Zusammenstellung nicht systematisch vorgenommen.

Die bekannten Persönlichkeiten waren:

  • Ruth Dreifuss, Alt-Bundesrätin
  • Christine Egerszegi-Obrist, Ständerätin, Präsidentin der Gesundheitskommission
  • Thomas Cerny, Krebsspezialist Kt. Spital St. Gallen, ehemaliger Arzt von Kurt Felix
  • Jacques de Haller, Abtretender FMH-Präsident
  • Carlo Conti, Präsident der Gesundheitsdirektoren Konferenz (GDK) der Kantone
  • Trix Heberlein, Alt-National- und Alt-Ständerätin ZH
  • Iwan Rickenbacher, ehemaliger Generalsekretär der CVP
  • Thomas Cueni, der Cheflobbyist von Interpharma war auf der Liste. Sein Namensschild blieb liegen und ich konnte ihn auch nirgends sehen.

Das Essen war in der Veranstaltung inbegriffen und so haben alle gemeinsam gegessen und geredet. Für mich war es das erste Mal mit einem ehemaligen Regierungsmitglied im gleichen Raum zu sein.

Optische Eindrücke

Rolf Iten von Infras war der grösste, dünn und lang, einen Kopf grösser als der Rest. Jacques de Haller ist eine mächtige Erscheinung, gross und massig. Christine Egerszegi war die kleinste. Ruth Dreifuss gehörte auch zu den eher kleineren. In Natura stechen einem diese Unterschiede direkt ins Auge. Auf Porträtphotos ist mir dies noch nie aufgefallen.

Wie weiter?

Die Akademien Schweiz haben ihren Plan (Roadmap) mit sieben Zielen bis 2017 vorgestellt. Wer soll was machen? Fünf Jahre sind in der Politik keine lange Zeit. Speziell bei einem so umstrittenen Thema. Alle sind im Grundsatz dafür, sobald es aber konkret wird wollen sie eine Ausnahme.

Die vorgestellten Ziele sind:

  1. Die Zahl gut ausgebildeter Gesundheitsfachleute, die am richtigen Ort zum Einsatz kommen, ist genügend gross und gesichert.
  2. Die Versorgungsmodelle entsprechen dem Bedarf und den Bedürfnissen.
  3. Die Steuerung des Gesundheitssystems beruht auf relevanten Daten und adäquaten Strukturen.
  4. Es existieren neue Finanzierungsmodelle, die Fehlanreize verhindern.
  5. Medizinische Leistungen in Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation werden nur vergütet, wenn sie den WZW-Kriterien genügen.
  6. Die Forschung liefert die notwendigen Grundlagen, um das Gesundheitssystem nachhaltig zu gestalten.
  7. Sowohl Public Health als auch die Eigenverantwortung des Bürgers sind gestärkt.

WZW steht für Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit.

Alle Ziele sind wichtig. Das 5. Ziel ist am „medizinischsten“. Das Ziel 3 für bessere Daten und mehr Transparenz ist ein notwendiger Schritt. Mehr Forschung wäre sicher gut. Das Ziel 4 zur Verhinderung von Fehlanreizen ist gut.

Über diese Ziele und ihre Massnahmen könnte noch viel mehr geschrieben werden. Meine Zeit als Blogger ist beschränkt. Genug für jetzt.

Schlussbemerkung

Das Schweizerische Gesundheitswesen steht vor grossen Herausforderungen. Bemerkenswert ist, dass sich die Akademien sich diesem Thema angenommen haben. Sie haben sich die Aufgabe selbst übertragen. Sie haben kein Mandant und keinen Auftrag. Ich finde es gut, dass sich die Akademien der Wissenschaften Schweiz sich dem Thema angenommen haben.

Am Anlass war die Pharmaindustrie gut vertreten. Wahrscheinlich besser als die Patienten selbst. Die Interessengruppe der „Steuerzahler“ habe ich überhaupt nicht gefunden.

Die Veranstaltung war interessant. Die Vorträge waren gut und die Themen relevant. Der Starredner Andrew Street hat eine packende Präsentation geboten. Die Podiumsdiskussion war spannend. Es war interessant die Personen hinter den Namen zu sehen.Die Teilnahme hat sich für mich gelohnt.

Referenzen

Nachtrag

[Aktualisierung 12.01.2015: Die Akademien Schweiz haben eine Webseite zum Thema aufgeschalten: www.roadmap-gesundheitssystem.ch]

IV-Revision 6b: Entscheide des Nationalrates vom 12.12.12 [akt.]

Der Nationalrat hat über die IV-Revision 6b entschieden. Er will

  • das stufenlose System einführen.
  • wie bisher ab 70% Behinderungsgrad eine volle IV-Rente auszahlen.
  • das neue stufenlose System für alle (bisherige und neu) IV-Rentner einführen.
  • IV-Rentnerinnen und -Rentnern die Taggelder während Eingliederungsmassnahmen nicht kürzen.
  • keine Kürzung der Kinderrenten.

Die Entscheide waren knapp.

Der Druck der Behindertenorganisationen sei zudem heftig gewesen, mit Hunderten von personalisierten Briefen und E-Mails. Tagesanzeiger

Die Aktion war erfolgreich!

Berset ist wie Cassis überzeugt, dass bei einer Reduktion der Kinderrente das Risiko gross gewesen wäre, dass an der Urne der gesamte zweite Teil der 6. IV-Revision bachab geht – also auch das nicht sehr umstrittene stufenlose Rentenystem.

Erfreulicherweise zeigen die Entscheide des Nationalrates in die richtige Richtung.

Die Entscheide sind noch nicht definitiv. Das Geschäft geht zurück an den Ständerat.

Offenlegung

Ich habe Multiple Sklerose. Ich bin (noch) nicht behindert.


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