Meldungen (4)

Ich habe die letzte Zeite die medizinischen News verfolgt und eine Auswahl zusammengestellt. Dies hat nun eine ganze Menge ergeben!
Lobbying in Bundesbern
Die mächtigen Einflüsterer im Bundeshaus, tagesanzeiger.ch: (Tagesanzeiger.ch/Newsnet…

Interessenkonflikt: Definition

Was ist ein Interessenkonflikt? Wie äussert sich ein Interessenkonflikt? Schadet ein Interessenkonflikt?

Was ist ein Interessenkonflikt?

Zu Beginn eine Definition, damit im weiteren Klarheit herrscht, was mit Interessenkonflikten gemeint ist.

Im Buch Conflict of interest in medical research, education, and practice (Lo B, Institute of Medicine, National Academies Press; 2009) wird ein Interessenkonflikt definiert (Seite 6, online einsehbar):

Interessenkonflikte sind definiert als Gegebenheiten, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, welches sich auf ein primäres Interesse beziehen, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst werden.

Eine Erläuterung von Prof. Dr. D. Klemperer (Interessenkonflikte und Beeinflussung. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. 2009;103(3):133-135 [PDF]) zum Begriff Interessenkonflikt:

Der Begriff Interessenkonflikt bezeichnet einen Zustand. Dieser Zustand ist gegeben, wenn materielle oder soziale Vorteile in einem Spannungsfeld zu den primären ärztlich-ethischen Zielsetzungen stehen. Entscheidend ist das Vorliegen eines Spannungsfeldes bzw. eines Konfliktes. Wie sich der Konflikt auswirkt, ist unerheblich für die Frage, ob ein Interessenkonflikt vorliegt. Auch die Meinung des Betroffenen darüber oder sein Gefühl sind bedeutungslos. Wenn also jemand meint, keinen Interessenkonflikt zu haben, spielt das keine Rolle, denn Interessenkonflikt bezeichnet einen objektiven Sachverhalt. Interessenkonflikt – dies sei noch einmal betont, weil es eine häufige Quelle für Fehleinschätzungen ist – bezeichnet einen Zustand und nicht ein Verhalten. Interessenkonflikte werden häufig nicht angegeben, weil der Betroffene zwar einen Interessenkonflikt erkennt, jedoch meint, dieser beeinflusse ihn nicht.

Interessenkonflikte können das Urteilsvermögen beeinträchtigen. Die Beeinträchtigung zeigt sich in einseitiger und verzerrender Abwägung von Argumenten und Sachverhalten, der Vermeidung wichtiger Fragen, fehlender Ernsthaftigkeit in der Suche nach Wahrheit und Unfähigkeit, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Offenlegung von Interessenkonflikten bezeichnet Thompson als notwendig aber nicht hinreichend, weil die Offenlegung das Problem der möglichen Beeinflussung nicht löst.

Interessenkonflikte kommen ebenfalls im Alltag vor. Bei jeder Aufgabe, die man für jemanden anderen oder eine Gemeinschaft übernimmt, gibt es ein Spannungsfeld zu seinen persönlichen Interessen. Häufig sind die eigenen Interessen deckungsgleich, jedoch nicht immer. So kann ein Arbeitnehmer mehr für seine Karriere arbeiten als fürs Unternehmensziel.

Die verschiedenen Interessen können zu Zielkonflikten führen. Wie werden die verschiedenen Ziele gegeneinander abgewogen?

Je mehr unterschiedliche Rollen ein Person wahrnimmt, desto höher ist auch das Risiko, dass sich diese Rollen in die Quere kommen.

Besonders beachtenswert wird es, wenn jemand eine Anwaltsrolle oder Schiedsrichterrolle wahrnimmt.

So sind in der Medizin klinische Forscher, welche medizinische Studien über die Wirksamkeit von Medikamenten durchführen, in einer Schiedsrichterfunktion. Die Leute gehen bei Ärzten davon aus, dass diese das medizinische Wissen im Interesse des Patienten anwenden, als ein Anwalt in medizinischen Fragen.

In kommenden Artikeln werde ich weiter auf Interessenkonflikte eingehen, z.B. wie soll mit Interessenkonflikten umgegangen werden.

 

Hinweis 10.12.2011: Vor kurzem ist ein Fachbuch zum Thema veröffentlicht worden. Interessenkonflikte in der Medizin: Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten, Klaus Lieb, David Klemperer, Wolf-Dieter Ludwig, Springer, 2011. books.ch, amazon.de*.

Meldungen (3)

Supermedizin treibt Gesundheitskosten in die Höhe, Spiegel Online, 17. Aug. 2011

Die Kosten steigen, doch der Nutzen ist fraglich – das ist ein durchaus zweifelhafter Zustand.

Ärzte-Initiative im Internet: Vorsicht Operation? Vorsicht Ferndiagnose!, sueddeutsche.de, 18. Aug. 2011

Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.

Konflikt um Landärzte: Wertverlust, FAZ.NET, 17. Aug. 2011

Ohne Zweifel: Eine gute Versorgung kostet Geld. Wertschätzung und Verständnis dagegen sind auch im maroden Gesundheitssystem immer noch umsonst.

Heikle Priorisierung in der Medizin: Limitierte Ressourcen verlangen nach ethisch schwierigen Entscheiden, Neue Zürcher Zeitung, 24. Aug. 2011

Die Anzahl QALY drückt aus, wie viel zusätzliche Lebenszeit in guter Lebensqualität mit dem neuen Medikament gewonnen werden kann. Damit tragen die QALY dem Umstand Rechnung, dass mit gewonnener Lebenszeit manchmal ein Verlust an Lebensqualität einhergeht oder umgekehrt ein Gewinn an Lebensqualität nicht immer mit einem Gewinn an Lebenszeit verbunden ist.

Die Biologie des Selbstmords: Wechselwirkungen zwischen Erfahrungen und Genen beeinflussen das suizidale Verhalten, Neue Zürcher Zeitung, 24. Aug. 2011

Bei der Suche nach Antworten hilft die Epigenetik. Das Epigenom ist die chemische Struktur, welche die Gesamtheit der Gene umgibt. Umwelteinflüsse wie Nahrung, Rauchen oder Stress verändern das Epigenom, beispielsweise durch Anlagerung von Methylgruppen. Diese Variationen sorgen dafür, dass bestimmte Gene an- oder abgeschaltet werden.

Spitäler lehnen Umsetzung der Fallpauschalen ab: Streit um Übermittlung von Patientendaten, NZZ Online, 15. Aug. 2011

Beide Organisationen werfen den Krankenkassen vor, die Daten nicht zur Rechnungskontrolle, sondern zur besseren Risikoselektion missbrauchen zu wollen.

Placebo-Studie erzürnt US-Mediziner, Spiegel Online, 17. Aug. 2011

Bei der Frage nach dem Befinden schnitten das tatsächliche Medikament und die zwei Placebo-Therapien dagegen etwa gleich gut ab. Die Patienten berichten im Schnitt von einer Besserung um 40 bis 50 Prozent. Bei der Gruppe, die gar nicht behandelt wurde, lag der Wert bei 20 Prozent.

Bias and Ghosts

Logdberg L. Being the Ghost in the Machine: A Medical Ghostwriter’s Personal View, PLoS Med.  2011, 8(8):e1001071, doi:10.1371/journal.pmed.1001071

So I questioned the account executive at the large agency that had hired me. In particular, I wanted to ask the physician author their view of the drug’s benefits. Attempts to discuss my misgivings with the meded contact met with the curt admonition to “just write it.” But perhaps because this particular disorder was so close to home, I was unwilling to turn this ugly duckling of a “me-too” drug into a marketable swan.

Ioannidis JPA. Excess Significance Bias in the Literature on Brain Volume Abnormalities, Arch Gen Psychiatry. 1. Aug. 2011, 68(8):773–80, doi:10.1001/archgenpsychiatry.2011.28

There are too many studies with statisticallysignificant results in the literature on brain volume abnormalities.This pattern suggests strong biases in the literature, withselective outcome reporting and selective analyses reportingbeing possible explanations.

Matheson A. How Industry Uses the ICMJE Guidelines to Manipulate Authorship—And How They Should Be Revised, PLoS Med.  2011, 8(8):e1001072, doi:10.1371/journal.pmed.1001072

To qualify as an author, an individual must (1) contribute substantially to either conception and design, or acquisition of data, or analysis and interpretation of data; and (2) draft the article or revise it critically for important intellectual content; and (3) be responsible for final approval of the manuscript [2]. This “triple-lock” formula has become a de facto license for misrepresentation. Provided academics make some contribution to design or data analysis, some revisions to a manuscript, and approve it, they are required to be named as authors. By contrast, industry may conduct most of the design, data collection and analysis, and all the writing, but if sign-off is ceded to the academic, it is disqualified from authorship. Unsurprisingly, the practice of ceding final sign-off to academic “authors” is widespread in commercially driven publications.

In reality, drafting constitutes a substantial intellectual contribution to the form and content of manuscripts. It is for this reason that industry seeks to control it, while evading the visibility of byline authorship.

(Cost-)Effetiveness of Fingolimod (Novartis)

Multiple sclerosis (relapsing-remitting) – fingolimod: appraisal consultation document, National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE), 4. Aug. 2011

Appraisal Committee’s preliminary recommendations:
Fingolimod is not recommended for the treatment of relapsing–remitting multiple sclerosis.

Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte der MS-Gesellschaft (2008 – 1. Hälfte 2011)

Letzten Herbst habe ich die Veröffentlichung der geförderten Forschung der MS-Gesellschaft und einen freien Zugang (Open Access) der Resultate angeregt. Die MS-Gesellschaft hat nun die unterstützten Forschungsprojekte ab dem Jahr 2008 auf ihrer Homepage veröffentlicht. Besten Dank an die MS-Gesellschaft für die Veröffentlichung dieser Informationen.

Auswertung Forschungsförderung

Ich habe die unterstützten Forschungsprojekte (Zeitraum von 2008 bis zur ersten Hälfte 2011) angeschaut und ausgewertet:

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 - 1. Hälfte 2011Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 – 1. Hälfte 2011

Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 - 1. Hälfte 2011Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 – 1. Hälfte 2011

  • Es wurden 94 Projekte unterstützt.
  • Ca. 4.2 Mio. Franken wurden im Zeitraum 2008 bis 1. Hälfte 2011 für die Forschungsförderung ausgegeben. Die MS-Gesellschaft vergibt jährlich etwa 1.2 Mio. Franken.
  • Ein unterstütztes Projekt erhält somit im Durchschnitt 45’000 Franken.
  • Die unterstützten Projekte wurden mehrheitlich an die Schweizer Universitäten vergeben. Etwa die Hälfte der Projekte wurde an die Universitäten Basel und Zürich vergeben. Die Aufteilung ist in der ersten Grafik dargestellt.
  • Die MS-Gesellschaft hat zu über zwei Dritteln immunologische Forschung unterstützt, wovon 10 Projekte zur Mausforschung (EAE) gehören. Die zweite Grafik zeigt die Aufteilung nach Fachgebieten. Die Zuordnung zu den Fachgebieten habe ich aufgrund des Projekttitels vorgenommen.
  • Die 94 unterstützten Projekte wurden auf 54 verschiedene Personen verteilt.
  • 21 dieser Personen sind selbst im wissenschaftlichen Beirat 2011 (27 Mitglieder) vertreten, der diese Forschungsförderung vergibt.
  • 37 unterstützte Personen sind Professoren.

Die folgende Tabelle zeigt die Forscher mit drei und mehr Projekten:

Forscher Anzahl Projekte
Danielle Burger, Uni GE 4
Renaud Du Pasquier, Uni LS, Wissenschaftlicher Beirat 4
Britta Engelhardt, Uni BE, Wissenschaftlicher Beirat 4
Adriano Fontana, Uni ZH 4
Paul Grossman, Uni BS 4
Walter Reith, Uni GE 4
Norbert Goebels, Uni ZH 4
Lalive Patrice, Uni GE, Wissenschaftlicher Beirat 3
Raija Lindberg, Uni BS 3
Tobias Suter, Uni ZH 3
Burkhard Becher, Uni ZH, Wissenschaftlicher Beirat 3
Ruth Lyck, Uni BE 3

Fazit

Die Verteilung der Projekte auf die verschiedenen Universitäten und die einzelnen Personen ist ok. Inhaltlich ist die immunologische Forschung mit zwei Drittel der Projekte klar dominant.

Der inhaltlichen Gewichtung der Förderung werde ich einen eigenen Artikel widmen.