Lobbywatch.ch: Neue Parlamentarier, neue Arbeit

Über 50 neue Parlamentarier ziehen nach den Wahlen ins Parlament ein. Neuen Lobbyisten wird Bundeshauszugang gewährt. Wer vertritt welche Interessen? Der Verein Lobbywatch.ch will Licht ins Dunkel bringen und hat ein Crowd Funding gestartet.

Im Parlament werden wichtige Entscheidungen getroffen. Neue Gesetze werden beschlossen. Subventionen werden verteilt. Alle versuchen zu ihren Gunsten Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen. Lobbyisten umschwärmen die Parlamentarier.

Wie stark ist der Einfuss der Pharmaindustrie im neuen Parlament? Welche Krankenkassenverwaltungsratsmandate haben die Parlamentarier? Haben Patientengruppen Lobbyisten?

Transparenz ist notwendig.

Im Parlamentsgesetz werden die Parlamentarier zwar zur Offenlegung verpflichtet. Doch die Angaben werden kaum geprüft – weder auf Vollständigkeit noch auf Aktualität. Die Interessenbindungen der zutrittsberechtigen Gäste werden überhaupt nicht offengelegt.

Der Verein Lobbywatch.ch, ein Zusammenschluss von Journalisten und Informatikern, recherchiert die Interessenbindungen von Parlamentariern und zutrittsberechtigten Gästen und schafft Transparenz.

Die Recherche ist aufwändig. Solange nicht alle Parlamentarier und ihre Gäste erfasst sind, sind Auswertungen nur beschränkt möglich.

Crowd Funding

Lobbywatch.ch hat deshalb ein Crowd Funding auf wemakeit.ch gestartet. In 45 Tagen sollen 15‘000 Franken gesammelt werden, damit freie Journalisten bis Frühling 2016 das Parlament vollständig erfassen. Nur wenn das Sammelziel von 15‘000 Franken bis zum 6.12.2015 18:00 erreicht ist, wird Geld an Lobbywatch.ch ausbezahlt.

Transparenz in der Schweizer Politik ist wichtig. Jetzt das Crowd Funding unterstützen!

Jede Unterstützung zählt.

Offenlegung

Ich bin im Verein Lobbywatch.ch engagiert.

Nachtrag

[Aktualisierung 22.12.2015: Das Crowd Funding war erfolgreich. Es konnten 17‘000 Franken gesammelt werden. Vielen Dank für die Unterstützung! Die Erfassung der Interessenbindungen läuft nun mit voller Kraft.]

Film "Multiple Schicksale" von Jann Kessler im Kino

Jann Kessler drehte 2013 als Maturaarbeit den Dokumentarfilm Multiple Schicksale über Multiple Sklerose und Menschen mit dieser Krankheit. Dabei auch seine Mutter mit MS, die seit vielen Jahren nicht mehr sprechen kann. Der Film beeindruckte und aus der Maturaarbeit entstand ein kinoreifer Film.

Jetzt im Kino.

Ein berührender Film.

Trailer: Multiple Schicksale

Vom Kampf um den eigenen Körper

Aufführungen

Tag Datum Zeit Ort Kino Reservation/Kommentar ♿️
FR 21.10.15 18:30 Thun Rex Thuner Kinopremiere mit Filmemachern sehr gut
FR 22.10.15 17:30 Frauenfeld Luna (Reservierung: 052 720 36 00) bedingt
FR 22.10.15 17:30 Wetzikon Palace (Karten kaufen)  
FR 22.10.15 18:00 Baden Sterk (Karten kaufen)  
FR 22.10.15 18:15 Winterthur Loge (Karten kaufen)  
FR 22.10.15 20:00 Frauenfeld Luna   bedingt
SA 23.10.15 14:00 Zürich Riff Raff Zürcher Kinopremiere mit Filmemachern gut
SA 23.10.15 17:30 Wetzikon Palace (Karten kaufen)  
FR 23.10.15 18:00 Oensingen Onik    
SA 23.10.15 18:00 Baden Sterk (Karten kaufen) bedingt
SA 23.10.15 20:00 Frauenfeld Luna (Reservierung: 052 720 36 00)  
SO 24.10.15 15:30 Frauenfeld Luna (Reservierung: 052 720 36 00)  
Mo 24.10.15 17:30 Frauenfeld Luna    
SO 24.10.15 17:30 Wetzikon Palace (Karten kaufen) bedingt
SA 24.10.15 18:00 Oensingen Onik Mit Anwesenheit des Filmemachers bedingt
SA 24.10.15 18:15 Winterthur Loge (Karten kaufen)  
Di 24.10.15 20:00 Frauenfeld Luna    
SO 25.10.15 10:45 Bern cineMovie    
SO 25.10.15 11:00 Oensingen Onik 1    
SO 25.10.15 11:00 Rheinach AG taB Atelier    
SO 25.10.15 11:15 Basel Atelier Basler Kinopremiere mit Filmemachern  
SO 25.10.15 18:00 Baden Sterk 2 (Karten kaufen)  
SO 25.10.15 18:00 Luzern Bourbaki Luzerner Kinopremiere mit Filmemachern  
SO 25.10.15 18:15 Winterthur Loge (Karten kaufen) bedingt
SO 25.10.15 18:45 Thun Rex 4 Thuner Kinopremiere mit Filmemachern bedingt
MO 26.10.15 12:15 Basel Atelier (Karten kaufen)
MO 26.10.15 17:30 Wetzikon Palace (Karten kaufen)
MO 26.10.15 18:00 Baden Sterk (Karten kaufen)
MO 26.10.15 18:00 Aarau Freier Film  
MO 26.10.15 18:15 Winterthur Loge 3 (Karten kaufen)
MO 26.10.15 18:45 Thun Rex 4  
MO 26.10.15 20:00 Frauenfeld Luna (Reservierung: 052 720 36 00)
MO 26.10.15 20:15 Oensingen Onik  
DI 27.10.15 12:15 Basel Atelier (Karten kaufen)
DI 27.10.15 17:30 Wetzikon Palace (Karten kaufen)
DI 27.10.15 18:00 Baden Sterk (Karten kaufen)
DI 27.10.15 18:30 Winterthur Loge (Karten kaufen)
DI 27.10.15 20:00 Frauenfeld Luna (Reservierung: 052 720 36 00)
DI 27.10.15 20:15 Gstaad Cine Theater (Karten kaufen)
MI 28.10.15 12:15 Basel Atelier (Karten kaufen)
MI 28.10.15 17:30 Wetzikon Palace (Karten kaufen)
MI 28.10.15 18:00 Baden Sterk (Karten kaufen)
MI 28.10.15 18:30 Winterthur Loge (Karten kaufen)
MI 28.10.15 20:00 Frauenfeld Luna (Reservierung: 052 720 36 00)
MI 28.10.15 20:15 Gstaad Cine Theater (Karten kaufen)
DO 29.10.15   Lausanne Société Suisse de la SEP  
FR 30.10.15   Lausanne Société Suisse de la SEP  
SA 31.10.15   Lausanne Société Suisse de la SEP  
SO 01.11.15 11:00 Oensingen Onik  
SO 01.11.15 11:00 Wohlen Rex  
MO 02.11.15 18:00 Oensingen Onik  
DI 03.11.15 18:00 Oensingen Onik  
MI 04.11.15 18:00 Oensingen Onik  
DO 05.11.15 18:00 Oensingen Onik  
FR 06.11.15 20.15 Ins Inskino  
SA 07.11.15 20.15 Ins Inskino  
SO 08.11.15 20.15 Ins Inskino  
SO 08.11.15 11:00 Liestal Oris  
MO 09.11.15 11:00 Liestal Oris  
DI 10.11.15 11:00 Liestal Oris  
MI 11.11.15 20.15 Ins Inskino  
DO 12.11.15 18:00 Locarno Rialto  
FR 13.11.15 18:00 Locarno Rialto  
SA 14.11.15 18:00 Locarno Rialto  
SA 14.11.15 18:00 Locarno Rialto  
SO 15.11.15 11:00 Liestal Oris  
SO 15.11.15 18:00 Locarno Rialto  
MO 16.11.15 18:00 Locarno Rialto  
DI 17.11.15 18:00 Locarno Rialto  
MI 18.11.15 18:00 Locarno Rialto  
DO 03.12.15 18:00 Thun Rex mit pro infirmis Thun – Kino für 8.–
DI 08.12.15 TBA Pfäffikon Rex
MI 09.12.15 TBA Pfäffikon Rex
Quelle: http://ms-film.ch/kinos.html, zuletzt abgerufen am 25.10.2015

Solothurner Filmtage

Die Jury der Solothurner Filmtage hat Jann Kesslers Dokumentarfilm ins Programm aufgenommen. Er wurde an den 50. Solothurner Filmtagen aufgeführt. Eine Premiere für eine Maturaarbeit.

Medien

Der Film fand auch in den Medien ein Echo. Bespielsweise wurde Jann Kessler am 23.10.2015 ins Tagesgespräch von SRF 1 eingeladen.

[Aktualisierung 15.11.2015: Das Migros-Magazin schrieb das Porträt Gefangen im eigenen Körper, MM43, 19.10.2015.]

Fazit

Ein empfehlenswerter Film. Er berührt. Der Dokumentarfilm Multiple Schicksale ist ein emotionaler Zugang zur Krankheit.

Kampf um den EDSS

Der EDSS wird in jeder klinischen MS-Studie als Mass für die MS-Behinderung verwendet. Oder das meinten wir zumindest. Prof. em. John F. Kurtzke, Erfinder des EDSS sagt, in den Studien werde nicht der EDSS sondern der Neurostatus von Prof. Ludwig Kappos gemessen. Der Neurostatus sei nicht dasselbe und nicht angemessen wissenschaftlich publiziert und referenziert.

I just learned that the unpublished system copyrighted in Switzerland as “neurostatus” has been called and referenced as my EDSS. It is not.

Anfang Jahr veröffentliche John F. Kurtzke den Artikel On the origin of EDSS1 („Der Ursprung des EDSS“), wobei er am Schluss den Neurostatus kritisiert. Damit die Kritik verständlich wird, erläutere ich den Hintergrund zuerst.

EDSS SkalaEDSS Skala | © 2015 Biogen Switzerland AG. Alle Rechte vorbehalten.

Hintergrund

EDSS1

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische, meistens langsame Krankheit. Verschiedenste Symptome kommen und gehen. Oder bleiben. Eine Behandlung der Krankheit wird seit Jahrzehnten fieberhaft gesucht. Die Behandlungserfolge von Therapien müssen gemessen werden. John F. Kurtzke entwickelte als junger Militärarzt in den 50er Jahren die erste MS-Behinderungsmessskala, den EDSS (Expanded Disability Status Scale for multiple sclerosis)1. Kurtzke publizierte den EDSS 1983 (und der Artikel avancierte zum zweithäufigst zitierten MS-Artikel)2. Für den EDSS werden die verschiedensten neurologischen Systeme wie Gangfähigkeit oder Blasenfunktion des Menschen getestet und in eine Skala mit 20 Stufen (von 0 bis 10) unterteilt. Erst diese Skala ermöglichte messbare, klinische MS-Forschung. Ein Meilenstein für die MS-Forschung. Jeder Neurologe kennt den EDSS. Der EDSS machte John F. Kurtzke zu einem der bekanntesten Neurologen.

Der EDSS hat Mängel, beispielsweise wird zu stark auf körperliche und zu wenig auf mentale Funktionen wert gelegt. Doch ein besseres Messprinzip konnte sich nicht etablieren.

Neurostatus3

Anfang der 80er Jahre verbreiterte sich das Interesse an der Erforschung medikamentöser MS-Behandlungen. Der EDSS etablierte sich. Es gab jedoch keinen standardisierten, umfassenden Messablauf zur Bestimmung des EDSS-Wertes. Es bestanden Unklarheiten und Doppeldeutigkeiten. Dies konnte, je nach Prüfer, zu einer anderen Einschätzung führen. Die Folge waren wenig zuverlässig und schlecht wiederholbare Resultate. Ludwig Kappos erkannte dies. Er erstellte einen standardisierten Messablauf, präzisierte die Definitionen und erstellte Richtlinien. Übungsunterlagen wurden erstellt. Dieses System wurde Neurostatus genannt. Neurologen wurden zur Bestimmung des EDSS gemäss den Neurostatus-Unterlagen für klinische MS-Studien trainiert. Das Unternehmen Neurostatus Systems wurde gegründet. Der Neurostatus wurde von Forschern und Sponsoren breit akzeptiert. Der Neurostatus wurde in den letzten 15 Jahren der Standard und bei praktisch allen klinischen MS-Studien angewendet. Bei den meisten Studien müssen die teilnehmenden Neurologen eine Neurostatus-Zertifizierung vorweisen.

Prof. Kappos entwickelte sich zu einem der einflussreichsten Neurologen im Bereich MS.

So weit, so gut?

Kritik von Kurtzke

[…], his
alterations to my FS and EDSS have been major ones that I
could not and would not agree to, had I been asked. And I believe that it is his „EDSS“ – also not mine – that has become
the only system permitted in multicentered drug trials yet still
referenced as being mine; […]

Prof. Kurtzke kritisiert in seinen Artikeln14 den Neurostatus im wesentlichen in drei Punkten:

  1. Der Neurostatus messe durch die geänderten Definitionen nicht den EDSS.
  2. Der Neurostatus mit seinen geänderten Definitionen sei nirgends wissenschaftlich publiziert.
  3. Der Neurostatus würde in den wissenschaftlichen Publikationen als EDSS ausgegeben.

I would suggest that authors, editors, sponsors, and regulating agencies consider issuing appropriate
corrections, and that the authors of “neurostatus” retract
claims and references that theirs is my EDSS.

Als solches fordert Kurtzke:

  • Die ordentliche Publikation des Neurostatus, inkl. Einführung der Neurostatus Skala.
  • Die korrekte Referenzierung des Neurostatus in den Studienpublikationen, inkl. Korrektur der bereits veröffentlichten Artikeln.

Bemerkungen

Ist die Kritik berechtigt oder mischt sich ein gelangweilter, pensionierter Professor ein?

Ist der Neurostatus so wie er jetzt ist, eine berechtigte kostenpflichtige Dienstleistung oder eine Geschäftemacherei durch einen gekidnappten EDSS?

Die Substanz der Kritik hängt vor allem vom ersten Punkt ab: Wie wesentlich sich der Neurostatus-Wert vom EDSS-Wert unterscheidet. Fakt ist. Sie unterscheiden sich. Wie wesentlich kann ich selbst nicht beurteilen.

Formal hat Kurtzke sicher recht, es sind zwei verschiedene Skalen. Als eine vom EDSS abgeänderte Skala muss der Neurostatus wissenschaftlich publiziert werden. Ohne Publikation kann es keine gute wissenschaftliche Auseinandersetzung geben. Für die Informationen müssten alle die Neurostatus-DVD käuflich erwerben. Zu welchem Preis? Zudem könnte die Vertriebsfirma Neurostatus Systems die Herausgabe überhaupt verweigern.

Da keine Veröffentlichung zum Neurostatus – dem akzeptierten Standard – vorhanden ist, können keine klinischen MS-Studien ohne die „Trainingsunterlagen“ der Firma Neurostatus Systems durchführt werden. Die Preise für den Neurostatus sind nicht öffentlich verfügbar. Für MS-Studien grosser Sponsoren wie Novartis sind die Preise sicher kein Problem.

Hier geht es nicht um Open Access. Sondern es ist noch eine Stufe davor: Der Neurostatus fehlt in der wissenschaftlichen Literatur gänzlich.

Wie kann es sein, dass bei exakter Wissenschaft sich alle auf A (den EDSS) beziehen, aber B (den Neurostatus) meinen? Gewohnheit? Vernachlässigbarer Unterschied? Kidnapping des EDSS? Eingeschlichener Fehler?

Ludwig Kappos bemerkt in seiner Antwort, dass die zum Neurostatus beitragenden Wissenschaftler nie einen finanziellen Gewinn aus dem Neurostatus bezogen haben. Die Unterlagen seinen durch das Copyright geschützt worden, weil professionelle Trainingsunterlagen und Webseiten erstellt worden sind.

Wichtig zu bemerken ist, dass die Kritik von Kurtzke nicht auf den Neurostatus als Instrument abzielt, sondern auf die Art und Weise, insbesondere die unwissenschaftliche Verbreitung und Anwendung.

Open Access

Leider sind die Artikel dieser Auseinandersetzung nicht Open Access und stehen somit der Allgemeinheit zum Lesen nicht zur Verfügung. Für die Nachvollziehbarkeit zitiere ich im Anhang die wichtigsten Stellen.

Erfreulicherweise veranlasste Prof. Kurtzke Anfang Jahr die Open Access Veröffentlichung seines fundamentalen EDSS Artikels2, damit er allen frei zugänglich ist. Dies ist sehr schön, doch schade, dass dies eine grosse Ausnahme bleibt.

Fazit

Diese Auseinandersetzung um den EDSS scheint mir recht bemerkenswert.

Wie wird es weitergehen? Wird der Neurostatus veröffentlicht? Werden die bisher veröffentlichten, den Neurostatus verwendenden Artikel korrigiert?

Der Form halber müssten die Artikel korrigiert werden, da die Wissenschaft der Exaktheit verpflichtet ist. (Autos werden auch zu tausenden in die Garagen zurückgerufen, wenn nachträglich Mängel festgestellt werden.)

Wenn man die Forderung von Kurtzke weiterdenkt, würde der EDSS als Begriff an Bedeutung verlieren, da er nur eine Zwischenetappe zum in Studien effektiv gebräuchlichen Neurostatus wäre.

Anhang

Leider sind die Artikel nicht Open Access und erlauben keine eigene Beurteilung. Für die Nachvollziehbarkeit zitiere ich wichtigsten Passagen.

On the origin of EDSS1

This system has not been altered in the ensuing 30+ years;
the scoring in 1984 remains the same in 2014. Since it is still in
rather wide use, I had recently asked the editors of Neurology
if this EDSS paper (Kurtzke, 1983) and its explanatory Apologia
(Kurtzke, 1989a) could be made available without cost to any
reader of the journal. They most kindly agreed, and anyone
can now download a free pdf file of each at www.neurology.org under All Issues for November 1983 and February 1989.

There is, though, a tsetse fly in the ointment.

Accordingly [all] the products of this
endeavor [EDSS and its precursors] are the property of the U S
Federal Government, and, as such, the author has been
informed [by the National Program Director for Neurology in
the VA] that they could not be copyrighted by any person,
institution or organization – at least in the United States…
[but] are in the public domain available without charge for use
by anyone” (Kurtzke, 2008).

I could find nothing
published on it, and that was when I wrote the Neurology
Program Director whose response was noted just above. In constructing this Commentary there was still nothing in the
medical literature, but I had learned from colleagues in
Europe and Australia that in order to be an investigator and
perform the EDSS in sponsored treatment trials required his
certification of successfully passing his examination in his
system, which he had copyrighted in Switzerland. Since it
seemed to me essential for this presentation that I see for
myself what this system entailed, I prevailed on one of them
to send me copies of the documents.

The main document, called “neurostatus ” (see Fig. 3 above)
began with “DEFINITIONS for a standardized neurological
examination [sic] and assessment of Kurtzke’s Functional
Systems and Expanded Disability Status Scale in Multiple
Sclerosis….
by Stacy S. Wu, MD and Prof. Ludwig Kappos, MD
Slightly modified from J.F. Kurtzke, Neurology 1983:33, 1444–52
© [no date] L. Kappos, Department of Neurology, University Hospital,CH-4031 Basel, Switzerland, Version 12/0[?]”

His General Guidelines divided the presentation into:
“Neurostatus (NS)” defining the specific tests he required to
perform his neurologic examination; his “Functional Systems
(FS)”; and his “Expanded Disability Status Scale (EDSS).” all
presented according to his Functional System titles.

His last category “9. Kurtzke’s Expanded
Disability Status Scale” above EDSS 4. is also not mine. He used
ambulation distances as cutoffs rather than nearest level to
performance and beyond 5.0 defined each step under “EDSS
10.0” with no mention at all of any FS scores.

In sum, integral to his system is the prescription for
performing and recording his neurologic examination, and
this, with or without its flaws, has never been part of my
system from its conception in 1953 to the present. Further, his
alterations to my FS and EDSS have been major ones that I
could not and would not agree to, had I been asked. And I believe that it is his “EDSS” – also not mine – that has become
the only system permitted in multicentered drug trials yet still
referenced as being mine; a situation of which readers and think editors have been totally unaware. The only ones who
would have known of the changes were the trialists themselves, all of whom I am sure were convinced that I was
complicit in these changes, or had at least known of and had
approved them.
I submit that his system is by no means the MS rating
system I developed and published, as outlined in this
Commentary. I would suggest that authors, editors, sponsors, and regulating agencies consider issuing appropriate
corrections, and that the authors of “neurostatus” retract
claims and references that theirs is my EDSS.

On the origin of Neurostatus3

Even if we accept this explanation of
the low reliability of the EDSS and the FS that has been
consistently reported in the pertinent literature it is clear that
a standardized, comprehensive neurologic assessment must be
performed as the basis for the determination of the FS and the
EDSS. In our own experience and in the continuous interactions
with neurologists all over the world it has also become clear
that the definitions provided to guide the determination of the
FS and EDSS grades were not always unambiguous or even
consistent. Based on the same findings different examiners
would in good faith come to assignments of different grades.

To propose the most appropriate target-aimed neurological
examination and to improve on the guidance provided for
transforming the findings of this examination into the appropriate FS and EDSS grades, that is – in a nutshell – the origin and
purpose of what in the last nearly 25 years became the
“Neurostatus”.

In the last 15 years, despite its possible shortcomings,
Neurostatus has been broadly accepted by investigators and
sponsors all over the world and has become the standard for
nearly all past and current therapeutic trials in MS.

It is self-evident that the authors of Neurostatus never claimed rights
on the EDSS or its FS. Ownership was claimed for the
teaching and documentation tools of Neurostatus, when
we needed to involve professionals for the production of
audiovisual material, for the creation of documentation
sheets or web based test modules and for data administration. Like Dr. Kurtzke, but voluntarily, the academic investigators involved in the development of Neurostatus have
never had any personal financial benefits from their participation in this work.

Further on the origin of EDSS4

I am fully confident that if he were to present his
complete Neurostatus for publication, it would meet with
a rapid and favorable response by all the editors of this
journal, with ensuing early publication. I would suggest,
should he do so, that his Appendix presenting the details of
his entire system might begin somewhat as follows:

Neurostatus (NS)
[comprising] A standardized examination (NSSE)
consolidated into functional systems (NSFS)
and summarized as the Disability Scale (NSDS)
Modeled after Kurtzke, Neurology 1983;33:1444–52….
©[date] Ludwig Kappos, MD….

Beschreibung des Neurostatus

Im Internet gibt es nicht viele Informationen zum Neurostatus. Eine Quelle sind die Folien How to Do the EDSS von Stephen S. Kamin, MD, New Jersey Medical School. Seite 5 beschreibt den Neurostatus.


  1. Kurtzke, J. (2015). On the origin of EDSS Multiple Sclerosis and Related Disorders, 4 (2), 95-103 DOI: 10.1016/j.msard.2015.02.003, siehe Auszug

  2. Der fundamentale Artikel über den EDSS „Rating neurologic impairment in multiple sclerosis“, Neurology, 1983 ist gemäss meiner Auswertung von 2012, der am zweithäufigsten zitierte Artikel bei MS. Der EDSS-Artikel wurde erfreulicherweise Anfang 2015 als Open Access veröffentlicht. 

  3. Kappos, L., D’Souza, M., Lechner-Scott, J., & Lienert, C. (2015). On the origin of Neurostatus Multiple Sclerosis and Related Disorders, 4 (3), 182-185 DOI: 10.1016/j.msard.2015.04.001, siehe Auszug

  4. Kurtzke, J. (2015). Further to the origin of EDSS (Response to: L. Kappos et al: “On the origin of Neurostatus” Multiple Sclerosis and Related Disorders 2015; 4: 186) Multiple Sclerosis and Related Disorders, 4 (3) DOI: 10.1016/j.msard.2015.04.007, siehe Auszug

Multiple Sclerosis Research Blog von Prof. Gavin Giovannoni

Gibt es auch Professoren oder Ärzte, die über Medizin bloggen? Was ist deren Motivation? Welche Haltung vertreten sie?

Seit längerem verfolge ich den Multiple Sclerosis Research Blog. Er hat den Blog wohl als Reaktion auf die CCSVI-Bewegung gestartet. Niemand scheint vor ihm die schulmedizinische Sichtweise bei Multiple Sklerose in den sozialen Medien vertreten zu haben. Es ist ein aktiver Blog. Neben Gavin Giovannoni schreiben noch andere MS-Forscher. Häufig wird ein wissenschaftlicher Artikel angegeben und kommentiert. Der Blog ist wissenschaftsnah. Als Leser ist man über die aktuellen, grossen Themen der MS-Forschung orientiert.

Der Blog wird vom Neurologen Gavin Giovannoni betrieben. Gavin Giovannoni studierte in Südafrika Medizin und ist Professor der Neurologie in London. Er ist Nachfolger von William Ian McDonald. Jener McDonald, dessen Name für die heute gültigen MS-Diagnose-Kriterien steht und die wohl die meisten kennen, die mit MS zu tun haben. Gavin Giovannoni ist ein engagierter Mensch. Ihm liegt sehr viel am Wohl der MS-Betroffenen. Gavin Giovannoni gehört zur „obersten Liga“ der MS-Forscher.

I was quite shocked by their paternalistic attitude. I actively fight paternalism, which is very common, if not the norm, amongst healthcare professionals: ‚Let’s not tell them about how bad MS can be, because they will find it too much to deal with‘. Gavin Giovannoni

Das schöne an Gavin Giovannoni ist, dass er gegen den Paternalismus in der Medizin antritt. Die Betroffenen sollen nicht bevormundet werden. Er enthält keine Informationen vor, nur weil er denkt, diese dürfen den Betroffenen nicht zugemutet werden.

Als bekannter MS-Forscher wird er häufig als Redner eingeladen. Seit langem stellt er seine Präsentationen konsequent auf dem Blog zur Verfügung.

Als Forscher arbeitet er mit der Pharma-Industrie zusammen. Leider ist es heutzutage so, dass in der Medizin nichts ohne Pharmaindustrie geht. Sie haben Geld. Die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie führt zur Interessenkonflikten. Gavin Giovannoni ist sich seiner Interessenkonflikten bewusst und pflegt einen transparenten Umgang damit. Im angelsächsischen Raum scheinen sich die Forscher generell des Problems bewusster zu sein.

Viel gelesen und beachtet wird der Blog, insbesondere wegen den Informationen zu PML (progressive multifokale Leukenzephalopathie). Auch von Neurologen weltweit. Gavin Giovannoni aktualisiert regelmässig die Risikoberechnung für PML: ClinicSpeak: natalizumab PML update – Q4 2014. Zur PML-Berechnung hat er kürzlich eine eigene Webapplikation für Betroffene gemacht: Understand your risk of PML with Tysabri

Um mehr Zeit für den Blog und die Online-Informationen zu haben, hat Gavin Giovannoni sich sogar ein halbes Jahr von der Klinik und vom Hochschulunterricht frei genommen (Sabbatical).

Gavin Giovannoni hat und setzt grosses Vertrauen in die MS-Medikamente. Er vertritt den Ansatz, die stärksten Medikamente sollten schon zu Beginn der MS-Erkrankung eingesetzt werden (frühe aggressive Behandlung), bis keine MS-Symptome mehr sichtbar sind (NEDA – No evience of disease activity).

Ich teile seine Ansichten diesbezüglich nicht. Doch schadet es nicht, sich mit gegensätzlichen Meinungen auseinander zu setzen.

Gavin Giovannoni vermutet die Ursache von MS sei ein Virus oder Virusüberresten im menschlichen Erbut (HERV).1 Er glaut nicht, dass der Körper sich plötzlich selbst attackiert (Autoimmun-Hypothese). Aktuell macht er sich Gedanken, ob er ein Crowd-Funding-Projekt für eine Pilotstudie zu seiner Hypothese starten soll.

Über die Dauer des Blogs kann bei Gavin Giovannoni ein Lernprozess festgestellt werden. Er lernte beispielsweise Verhaltensweisen von besser Betroffenen nach zu vollziehen2.

Fazit

Der Multiple Sclerosis Research Blog ist lehrreich. Man lernt das Denken eines klinischen Neurologen kennen. Man erfährt was in der MS-Forschung läuft. Die ClinicSpeak-Artikel von Gavin Giovannoni können allen mit einem tiefgreifenden Interesse an Multiple Sklerose empfohlen werden.

MS Informationstag "Aus der Forschung für die Praxis" 2015

Was waren die Themen am MS-informationstag? Was gibt es Neues?

Am 7. Februar 2015 führte das Universitätsspital Basel und die MS-Gesellschaft die traditionelle Informationsveranstaltung „Aus der Forschung für die Praxis“ durch, siehe frühere Berichte. Nachfolgend eine Auswahl, der für mich bemerkenswerten Themen der Informationsveranstaltung.

Reiten als Therapie

Ursina Wanner stellte die Hippotherapie K® vor. Bei der MS-Reha hört man schnell einmal von der Hippotherapie. Als Laie stellt man sich die Hippotherapie einfach als „ein bisschen Reiten“ vor. Hippotherapie K® ist nicht aktives Reiten. Sondern die Betroffenen sind auf dem Rücken der Pferde. Der bewegende Pferderücken überträgt sich auf den passiv reitenden Menschen. Für Betroffene, die nicht mehr selbst gehen können oder Spastiken haben, ermöglicht die Hippotherapie eine Bewegung des Beckens. Die Reiter sind dabei in einer aufrechten Position, wie wenn sie selbst wieder gehen würden. Bei den meisten anderen Therapien sitzen oder liegen die Patienten. Die Hippotherapie wurde 1966 von der Physiotherapeutin Künzle in Basel erfunden. Die Hippotherapie wird bei MS von den Krankenkassen übernommen, nicht bei anderen Krankheiten.

Was tun bei Blasenstörungen?

Die Urologin Sandra Möhr hat über eines der häufigsten MS-Symptome informiert – Blasenstörungen. Sie hat gezeigt, dass das nicht von ungefähr ist. Die Blase wird über lange Nervenbahnen vom Hirn und Rückenmark aus gesteuert. Lange Leitungen haben eine grössere Wahrscheinlichkeit von Läsionen (Entzündungen) befallen zu werden. Lange Zeit sind Blasenstörungen nicht gross störend. Sie werden kompensiert. Z.B. durch Pressen der Bauchmuskeln, teilweise geschieht dies auch unbewusst. Interessant waren auch die Hilfsmittel, für Frauen und Männer naturgemäss andere. Bei Männern gibt es beispielsweise „Urinkondome“, die kleine Urinmengenverluste während des Tages aufnehmen können. Ein einfaches, aber praktisches Hilfsmittel.

Die Schweizer MS Kohortenstudie: ein Update

Jens Kuhle informierte über die MS Kohortenstudie. Die Kohortenstudie will eine Patientengruppe (Kohorte) über mehrere Jahre regelmässig verfolgen und untersuchen, um so langfristige Resultate von Patienten unter Alltagsbedingungen zu erhalten. 735 Patienten mit insgesamt 1805 Visitationen und 979 MRIs wurden bisher erfasst. Die Leute sind durchschnittlich 1 Jahr dabei (Median 1 J.). Die Kohortenstudie wird von der MS-Gesellschaft und zahlreichen Pharmaunternehmen bezahlt.

Angehörigensupport und neue Homepage der MS-Gesellschaft

Susanne Kägi informierte als Bereichsleiterin Pflege- und Angehörigensupport der MS-Gesellschaft über die neue Dienstleistung Angehörigensupport. Nicht nur Betroffene selbst brauchen Unterstützung durch die MS-Gesellschaft, sondern auch die Angehörigen. Die Pflege von MS-Betroffenen kann schwierig und herausfordernd sein.

Nicole Jolley präsentierte als Bereichsleiterin IT und Digitale Kommunikation der MS-Gesellschaft über die neue MS-Gesellschafts-Homepage.

Kinect – mehr als nur eine Videokamera

Marcus D’Souza zeigte, die Fortschritte bei der Kinect-Kamera. Die Kinect-Kamera wurde für die Spielkonsole X-Box von Microsoft entwickelt und nimmt Entfernungen auf. Das Kinect-System wurde bereits letztes Jahr an der Informationsveranstaltung gezeigt. Damals war es noch in einem frühen Stadium. Mittlerweile ist das System gereift und es können bestimmte EDSS-Messungen durchgeführt werden, z.B. der Finger-Nase-Test. Das Kinect-System hat den Vorteil, dass der Computer die Messung immer gleich durchführt. Zusätzlich können die Patienten, die Messungen selbständig zu Hause mit dem Gerät durchführen können. Eine tägliche Messung ist aussagekräftiger als nur punktuelle Messungen, die nur Momentaufnahmen. Die Studie wird zusammen mit Microsoft, dem Hersteller des Kinect-Systems und anderen Universitätsspitälern durchgeführt. Das Kinect-System ist interessant bei klinische Studien, motorische Messungen könnten so besser durchgeführt werden.

Können elektrophysiologische Untersuchungen die Zukunft vorhersagen?

Prof. Peter Fuhr gab Einblick in seine Forschung in seine Forschungen. Er untersucht die evozierten Potentiale („Spannungsmessungen von Gehirnbereichen“). Früher wurden evozierten Potentiale routinemässige zur MS-Diagnose eingesetzt. Seit dem Aufkommen der MRIs werden sie nicht mehr eingesetzt, nur noch zu Forschungszwecken. Seine Forschungen haben ergeben, dass die Messungen der evozierten Potentiale den MS-Verlauf prognostizieren können, zumindest im statistisch gesehen. Die Studie wurde nur mit relativ wenigen Patienten durchgeführt. Wenn Effekte mit einer kleinen Anzahl statistisch signifikant ist, dann ist der Effekt normalerweise gross. Das Vortrag von Peter Fuhr hat mir gefallen, er ist als typischer Wissenschafts-Professor aufgetreten, andere wirken im Gegensatz eher wie Manager.

Therapien bei MS: Noch mehr Optionen – echter Fortschritt?

Prof. Ludwig Kappos informierte über Entwicklungen seit dem letzten Mal bei den MS-Medikamenten. Die noch nicht veröffentlichte Studie von Fingolimod (Gilenya) zur progredienten MS zeigte leider ein negatives Resultat. Fingolimod (Gilenya) hilft nicht bei der progredienten MS.

Bislang wird die Eskalationstrategie bei den Medikamenten eingesetzt, wenn ein MS-Medikament nicht hilft, wird ein stärkeres eingesetzt. Die Medikamente müssen regelmässig eingenommen werden. Mit dem neuen, starken Medikament Alemtuzumab (Lemtrada®) gibt es eine neue Therapieform: die Indukationstherapie. Diese Therapieform führt zu einer radikalen Veränderung und wird einmalig oder zweimalig durchgeführt, nicht mehr. Beispielsweise Alemtuzumab löscht vereinfacht gesagt das Immunsystem aus, so dass sich ein neues hoffentlich gesundes Immunsystem herausbilden kann. Das radikale Medikament Alemtuzumab hat ein erhöhtes Risiko, beispielsweise andere Immunerkrankungen können hervorgerufen werden. Die Hoffnung ist eine nachhaltige Besserung. Kurz gesagt, Alemtuzumab ist eine Lotterie.

Prof. Ludwig Kappos stellte das NEDA (No evidence of disease activity) Konzept bei MS vor: keine Evidenz (Belege) der Krankheitsaktivität. Bei NEDA ist das Ziel, dass bei MS keine Schübe mehr auftreten, keine Läsionen mehr im MRI vorhanden sind, keine Progression auftritt. Kurz, dass kein Krankheitsfortschreiten mehr feststellbar ist. Das entspricht einer Null Toleranz Strategie. Beim Verfolgen von NEDA werden deshalb häufig, auch bei gutem Gesamtzustand, wirksame bis sehr wirksame Therapien eingesetzt. Der Nutzen und das Risiko müssen abgewogen werden.

Interessenkonflikte

Prof. Kappos deklarierte als einziger seine Interessenkonflikte. Die Sponsorenliste am Schluss von anderen Vortragenden lässt teilweise auch auf Interessenkonflikte schliessen. Leider haben die anderen Redner ihre Interessenkonflikte nicht offen und vorgängig deklariert, so wie es die SAMW-Richtlinien in der Schweiz vorsehen.

Fazit

Für Betroffene finde ich es wichtig sich zu informieren. Wissen hilft. Alle Informationen müssen aber auch kritisch hinterfragt werden.

Diese Informationsveranstaltung hatte ein breites Themenspektrum. Erfreulicherweise standen die MS-Medikamente nicht im Fokus. Der Höhepunkt für mich waren die Fortschritte beim Kinect-System.

Transparenz bei Hochschulbibliotheken – Crowd Funding

Wieviel bezahlen Hochschulbibliotheken den grossen Wissenschaftsverlagen Elsevier, Springer und Georg Thieme für Zeitschriftenabonnente?

Gute Frage. Aktuell, dürfen die Kosten der Zeitschriftenabonnente von den Hochschulbibliotheken gar nicht öffentlich beziffert werden. Die Wissenschaftsgrossverlage Elsevier, Springer und Georg Thieme haben Vertraulichkeitsklauseln in die Verträge eingefügt. Niemand soll die Kosten kennen und niemand soll die Kosten vergleichen dürfen!

Doch Information ist notwendig für einen funktionierenden Markt.

Die meisten Hochschulen haben diese Geheimverträge trotz Öffentlichkeitsgesetzen1 akzeptiert und machen bei diesem gesamten Geheimspiel mit.

Ein engagierter Bürger2 will nun Klarheit! Er hat bei allen Hochschulen nachgefragt. Alle, ausser Lugano, haben die Auskunft verweigert. Trotz Öffentlichkeitsgesetzen.

In Genf liegt das Resultat der ersten Rekursinstanz nun vor. Obwohl der Genfer Datenschützer und Öffentlichkeitsbeauftragen (PPDT) zum Schluss kommt, die Universität solle die Bezahlungen öffentlich machen, verweigert die Universität Genf weiterhin die Akteneinsicht. Für die Universität scheint es gemäss Rektor wichtiger zu sein, die unnötigerweise zugesicherte Vertraulichkeit den Verlagen gegenüber einzuhalten, als der Öffentlichkeit gegenüber transparent auszuweisen, wofür sie die erhaltenen Steuergelder einsetzt.

Diese Entscheidung der Hochschule Genf möchte er am Genfer Verwaltungsgericht anfechten. Es ist für das demokratische Verständnis stossend, dass öffentliche Institutionen ihre Ausgaben geheimhalten können. Da es in der Schweiz bisher noch keine gerichtliche Praxis für die vorliegende Situation gibt, hofft er mit diesem Rekurs einen Leitentscheid für andere Hochschulen erreichen zu können.

Für die Anwaltskosten von geschätzten 5‘000 Franken hat er eine Crowd Funding auf „We make it“ gestart: Transparenz bei Bibliotheken

Das Ziel ist in einem Monat bis zum 18. Februar 2015 5‘000 Franken für die Anwaltskosten zu sammeln.

Aufgrund der Geheimverträge könnte es sein, dass die Schweizer Hochschulen horrende Beträge an die grossen Wissenschaftsverlage bezahlen. Preis/Leistung könnten für die Öffentlichkeit schlecht sein. Man weiss es nicht. Man darf es nicht wissen.

Als weiteres Zeichen des Missstandes hat die EPFL die Online-Ausgabe von Science vor Weihnachten abbestellt, wegen einer nicht vertretbaren Kostenerhöhung und unakzeptablen Vertragsklauseln. Den Wissenschaftsgrossverlagen scheint Rendite wichtiger zu sein als die Forschung. So wollten Elsevier, Springer und Georg Thieme der ETH die langjährige Praxis des Artikelkopierservices verbieten. Und verloren vor Bundesgericht.

Der holländische Wissenschaftsgrossverlag Elsevier erzielt Traumrenditen3:

Elsevier erzielte im Jahre 2013 einen Reingewinn von $1.38 Milliarden bei einem Umsatz von $3.56 Milliarden, was einer Gewinnmarge von 39% entspricht. Zum Vergleich. Novartis schafft es auf «nur» 27%.

Das viele Geld, welches aktuell den Wissenschaftsgrossverlagen zufliesst, wäre für die Forschung und die Öffentlichkeit wahrscheinlich besser in Open Access-Vereinbarungen investiert. Das mit öffentlichen Geldern erarbeitete Wissen wäre dann auch wieder allen öffentlich zur frei Verfügung. Ob Topforscher, ob Forscher aus einem Entwicklungsland oder ob Laie (Citizen Science). Einfach allen und auf unbegrenzte Zeit.

Mehr Informationen zur Crowd Funding Kampagne ist auf der Transparenz bei Bibliotheken Homepage zu finden.

Ich habe das Projekt unterstützt. 4

Wenn alle einen kleinen Beitrag leisten, kann zusammen etwas grosses erreicht werden.

Crowd Funding

Fazit

Transparenz bei den Zeitschriften Abonnementen der Wissenschaftsgrossverlage ist wichtig. Kostentransparenz ist notwendig.

Bis am 8. Februar 2015 läuft das Crowd Funding Transparenz bei Bibliotheken zur Deckung der Anwaltskosten von 5‘000 Franken für einen Entscheid des Genfer Verwaltungsgerichts. Dieses Crowd Funding ist unterstützungswürdig. Ich habe es unterstützt.

Nachtrag

[Aktualisierung 24.01.2015: Marcel Hänggi hat auf der Plattform oeffentlichkeitsgesetz.ch einen Artikel über das Crowd Funding und die Situation der Bibliothekskosten geschrieben: Mit der Crowd zu mehr Transparenz]

[Aktualisierung 27.07.2015: Nachdem sich die ETHZ und die EPFL die Auskunft verweigert hatten, wurde der Fall dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) zur Beurteilung vorgelegt. Der EDÖB machte die Empfehlung die Daten zu veröffentlichen und liess die Argumente der Bibliotheken nicht gelten. Mehr, siehe wisspub.net.]


  1. Die Webseite https://www.oeffentlichkeitsgesetz.ch/ ist eine Plattform für Journalisten und Bürger zum Schweizer Öffentlichkeitsgesetz. 

  2. Christian Gutknecht ist ein Kollege von mir und setzt sich für Open Access ein. Seit Ende letzten Jahres ist er Aktionär von Elsevier

  3. Ein sicherer Weg um Traumrenditen zu erzielen sind hohe Preise und kleine Leistung, abgesichert durch ein Monopol. 

  4. Wer kommt sonst noch zum Nachtessen? 

Patientenverfügung

Was ist eine Patientenverfügung? Was nützt eine Patientenverfügung? Ist eine Patientenverfügung sinnvoll?

Irgendwann sterben wir alle. Vor dem Tod kommt man meistens ins Spital, wo das Leben zu retten versucht wird. Wenn es schlimm ist, ist man nicht mehr ansprechbar. Die anderen müssen Entscheidungen für einen treffen. Häufig schwierige Entscheidungen. Soll das Leben um jeden Preis verlängert werden, auch wenn es keine Hoffnung mehr gibt? Dürfen Organe gespendet werden? Die Angehörigen fragen sich, was hätte der Betroffene gewünscht?

Genau, das kann mit einer Patientenverfügung in guten Zeiten festgehalten werden.

Eine Patientenverfügung hält den Willen über medizinische Massennahmen fest, wenn man selbst nicht mehr ansprechbar (urteilsfähig) ist. Der Ärzteverband FMH und die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) haben Formulare für eine Patientenverfügung vorbereitet. Es gibt eine ausführliche Version und eine Kurzversion. Die Kurzversion der Patientenverfügung ist ein A4-Blatt, das den Willen über den Verzicht von lebens- bzw. leidensverlängernden Massnahmen ohne Hoffnung auf Besserung festhält und das in fünf Minuten ausgefüllt ist. Zudem kann die Organspende erlaubt oder verboten werden. Bei der ausführlichen, 4-seitigen Version drückt man seine Haltung in der Beantwortung verschiedener Fragen aus.

Wichtig bei einer Patientenverfügung ist, dass diese auch bekannt ist. Am einfachsten kopiert oder scannt man die Patientenverfügung und übergibt sie den Angehörigen. So können diese dann, falls nötig, den Willen den Ärzten mitteilen.

Mit einer Patientenverfügung hilft man in erster Linie nicht sich selbst, sondern den Angehörigen und den Ärzten. Man nimmt ihnen schwierige Entscheidungen ab.

Jeder sollte eine Patientenverfügung ausfüllen, ob krank oder gesund, ob jung oder alt.

Die Formulare der Patientenverfügung können bei der SAMW heruntergeladen werden: Patientenverfügung

Ich selbst habe meine Patientenverfügung gerade eben verfasst.

Fazit

Die Kurzversion der Patientenverfügung ist in fünf Minuten ausgefüllt und nimmt den Angehörigen im Ernstfall schwierige Entscheidungen ab.

Jahresrückblick 2014

Bereits zum vierten Male darf ich einen Jahresrückblick schreiben.

Das vergangene Jahr 2014 war ein sehr intensives Jahr. Der Blog Patientensicht kam etwas zu kurz. Ich investierte viel Zeit in meine anderen Projekte.

Open Access in der Schweiz

In Sachen Open Access tat sich einiges im Jahr 2014 in der Schweiz.

Berge

Daneben nahm ich mir die Freiheit und war viel in den Bergen. Viele schöne Wanderungen, zwei Wochen mit dem Bike quer durch die Schweizer Alpen. Weiter war ich diesen Winter bereits fünf Mal auf den Tourenski.

Ausblick

Nächstes Jahr werde ich voraussichtlich wieder mehr Zeit für den Blog haben. Daneben wird das Projekt MS-Register der MS-Gesellschaft gestartet.

Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen ein gutes Jahr 2015.

Wissenschaftsverlage verlieren vor Bundesgericht gegen ETH-Bibliothek

Die Grossverlage Elsevier, Springer und Georg Thieme haben 2011 gegen die ETH Zürich bzw. die ETH-Bibliothek Klage beim Handelsgericht Zürich eingereicht. Sie wollten den bereits seit vielen Jahren existierenden Dokumentenlieferdienst der ETH gerichtlich verbieten lassen. Sie sahen ihr Urheberrecht verletzt. Die Wissenschaftsverlage verlieren nun in allen Punkten vor Bundesgericht in Lausanne. Der Dokumentenlieferdienst der ETH ist rechtlich zulässig und kann weiterbetrieben werden.

Die Wissenschaftsverlage Elsevier, Springer und Georg Thieme wollten den langjährigen Dokumentenlieferdienst der ETH-Zürich verbieten lassen, damit die Hochschule gezwungen würde die Online-Publikationen bei den Verlagen lizenzieren („kaufen“) zu müssen. Sie wollten mehr Geld aus dem vorhanden Fachzeitschriftenangebot herausholen. Die Forschenden wären eingeschränkt worden. Wohlgemerkt, es geht um Forschungsartikel, die von den Forschern den Verlagen gratis zur Verfügung gestellt und gratis kontrolliert (peer reviewed) wurden.

Erfleulicherweise sah das Bundesgricht keine rechtlichen Probleme beim Dokumentenlieferdienst der ETH. Diese Klage zeigt, dass das Wohl der Wissenschaft bei den Grossverlagen nicht an oberster Stelle steht. Es lässt sich vielmehr eine wissenschaftsbehindernde Haltung erkennen.

Die ETH-Zürich hält fest,

dass im vorliegenden Fall die Interessen von Wissenschaft, Forschung und Lehre gegenüber den kommerziellen Interessen einiger Verlage die Oberhand behalten haben. Die Standhaftigkeit der ETH Zürich hat auf diese Weise einen nicht unbedeutenden Beitrag zur Sicherung des Wissenschaftsstandortes Schweiz beigetragen.

Quellen:

EPFL bestellt Online-Ausgabe von Science ab – nicht vertretbare Kostenerhöhung

Ab 2015 haben die Forschenden der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) keinen komfortablen Online-Zugriff mehr auf die renommierten Science-Zeitschriften:

  • Science Online,
  • Science Signaling,
  • Science Express und
  • Science Translational Medicine.

Die Universitätsbibliothek der EPFL schreibt:

Science AAAS publisher, is taking advantage of its dominant position and trying to impose not only an unjustified price increase, but also new contract terms, which are very restrictive and as a result unacceptable for us.

Der Science AAAS Verlag nützt seine dominante Stellung aus und versucht nicht nur eine ungerechtfertige Preiserhöhung, sondern auch neue Vertragsbedingungen durchzusetzen, welche sehr restriktiv und als Konsequenz inakzeptabel sind. [Eigene Übersetzung]

Die EPFL ist keine kleine Provinzuniversität, sondern gehört als zweite eidgenössische technische Hochschule zu den besten europäischen Universitäten.

Die Forschenden in der Schweiz gehen davon aus, dass die Fachzeitschriften (Journals) einfach vorhanden sind wie sauberes Trinkwasser. Die Beispiele der EPFL und auch der Uni Konstanz zeigen, dass dies leider nicht mehr immer der Fall ist.

Einige Journals wie jene von Science werden in der Forschungsgemeinschaft als unentbehrlich angesehen. Bisher kam keine Universitätsbibliothek darum herum diese renommierten Fachzeitschriften zu abonnieren. Der Markt kann nicht spielen. Der Wettbewerb kann nicht für angemessene Preise sorgen. Diese Position haben auch die Wissenschaftsverlage erkannt und erhöhen in regelmässigen Abständen die Preise – bis in astronomische Höhen. Verlage wie Elsevier erzielen mittlerweile Margen, die sogar jene der Pharmaindustrie übertreffen und deutlich höher sind als jene der Schweizer Grossbanken.

Open Access ist ein Mittel um die Marktmacht der dominanten Verlage zu brechen. Da die Kosten nicht mehr von den Lesern, sondern beim Veröffentlichen bezahlt werden. Der Markt kann spielen. Die Forschenden suchen sich eine passende Fachzeitschrift für ihre Arbeit aus – bei der das Ansehen, die Qualität und die Kosten stimmen.

Das deutliche Zeichen der EPFL sensibilisiert vielleicht die Schweizer Forschungsgemeinschaft und könnte zu einer grösseren Akzeptanz von Open Access bei den Forschern führen.

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF), die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), die Universitäten haben für eine offene Wissenschaft und gegen missbräuchliche Kostensteigerungen zu Open Access bekannt und Open Access als notwendiges Ziel erklärt.

Fazit

Das Ausnutzen der monopolartigen Stellung der renommierten Fachzeitschriften scheint immer unerträglicher zu werden, wenn sogar die EPFL den Zugriff auf angesehene Fachzeitschriften aus Kostengründen einstellen muss. Open Access wird nicht zum Selbstzweck gefordert, sondern um Marktprobleme zu beheben und die Zugänglichkeit für alle zu ermöglichen. Open Access ist ein einfaches Mittel um das Problem der unkontrollierbaren Kosten der renommierten Fachzeitschriften zu lösen.

via EPFL verzichtet auf online Ausgabe von Science

Nachtrag

[Aktualisierung 03.02.2015: Universität Leipzig bricht Verhandlungen mit Elsevier ab, 03.02.2015. Pressemeldung: „Wir sahen uns zum wiederholten Male damit konfrontiert, dass eine Reduzierung des Angebots mit einer deutlichen Preissteigerung einhergehen sollte. Dieser aggressiven Preispolitik können und wollen wir nicht mehr folgen. Und unsere Bereitschaft, über alternative Lizenzmodelle ins Gespräch zu kommen, stieß nicht auf positive Resonanz. Wir sehen nunmehr keine andere Möglichkeit als den Abbruch der Verhandlungen.“]