Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte der MS-Gesellschaft (2008 – 2014)

Die MS-Gesellschaft hat die Liste der unterstützten Forschungsprojekten mit den Projekten bis Herbst 2014 ergänzt. Besten Dank an die MS-Gesellschaft für das Pflegen dieser Angaben.

Mit diesen neuen Daten habe ich die letzte Auswertung um die neuen Projekte ergänzt.

Auswertung Forschungsförderung

Die graphische Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte von 2008 bis Herbst 2014 zeigt folgendes Bild:

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 - 2014Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 – 2014

Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 - 2014Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 – 2014

Auswertung

  • Seit 2008 wurden 173 Forschungsgesuche bewilligt.
  • Rund 8.8 Mio. Franken wurden in den letzten 7 Jahren für die Forschungsförderung ausgegeben. Die MS-Gesellschaft vergibt jährlich etwa 1.2 Mio. Franken.
  • Ein unterstütztes Projekt erhält im Durchschnitt etwa 50‘000 Franken.
  • Die unterstützten Projekte werden fast ausschliesslich an die Schweizer Universitäten vergeben. Etwa die Hälfte der Projekte wurde an die Universitäten Basel und Zürich vergeben. Die Aufteilung ist in der ersten Grafik dargestellt.
  • Die MS-Gesellschaft hat zu über zwei Dritteln immunologische Forschung unterstützt, wovon 21 Projekte zur Mausforschung (EAE) gehören. Die zweite Grafik zeigt die Aufteilung nach Fachgebieten.1
  • Die 173 unterstützten Projekte wurden auf 92 verschiedene Personen verteilt.
  • 41 Projekte wurden an Forscher vergeben, die selbst im wissenschaftlichen Beirat (2014: 28 Mitglieder) sind, der diese Forschungsförderung vergibt.
  • 66 unterstützte Projekte wurden von Professoren eingereicht.
  • Die am stärksten geförderten Unis der letzten sieben Jahre sind:2
    • Universität Zürich: Fr. 2.2 Mio. Franken
    • Universität Basel: Fr. 2.1 Mio. Franken
    • Universität Genf: Fr. 1.6 Mio. Franken

Die folgende Tabelle zeigt die Forscher mit drei und mehr Projekten:

Forscher Anzahl Projekte ~Förderungsbetrag kCHF2
Britta Engelhardt 7 356
Burkhard Becher 7 356
Danielle Burger 7 356
Walter Reith 7 356
Patrice Lalive 6 305
Raija Lindberg 6 305
Ruth Lyck 6 305
Adriano Fontana 5 254
Renaud Du Pasquier 5 254
Tobias Suter 5 254
Nicole Schaeren-Wiemers 4 203
Norbert Goebels 4 203
Paul Grossman 4 203
Andrea Huwiler 3 153
Cornel Fraefel 3 153
Doron Merkler 3 153
Jan Lünemann 3 153
Jens Kuhle 3 153
Nanco van der Maas 3 153
Burkhard Ludewig 3 153
Stéphanie Hugues 3 153

Forscher, die seit 2008 drei und mehr geförderte Projekte haben. Die Veränderungen seit der letzten Auswertung sind gelb markiert und schräg geschrieben. kCHF = Kilo Franken, also Beträge in 1000 Franken; Datenquelle: MS-Gesellschaft, eigene Auswertung.

Im Sinne von Open Data ist die Auswertung als Tabellendokument, wie schon seit Beginn, als Anhang verfügbar.

Unterstützte Projekte Herbst 2014

Die folgenden Grafiken zeigen die im Herbst 2014 unterstützten Projekte.

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, Herbst 2014Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, Herbst 2014

Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, Herbst 2014Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, Herbst 2014

MS-Register

Wie viele MS-Betroffene gibt es in der Schweiz? Wie geht es ihnen?

Diese Fragen können nicht beantwortet werden. Keine Daten sind verfügbar. Man ist auf grobe Schätzungen angewiesen. Die MS-Gesellschaft hat deshalb die Einführung eines MS-Register für die Schweiz beschlossen, das genau diese Fragen beantworten soll. Das ist ein wichtiges Projekt. Ich werde auf das MS-Register (SMSR) in einem eigenen Artikel eingehen.

Kohortenstudie (SMSC-Study)

Zur Kohortenstudie wurden keine Daten veröffentlicht, oder zumindest sind mir diese nicht bekannt.

Fazit

Die Verteilung der Projekte auf die verschiedenen Universitäten und die einzelnen Personen ist ok. Inhaltlich ist die immunologische Forschung mit zwei Drittel der Projekte klar dominant. Die Immunologie ist der deutliche Schwerpunkt der geförderten Forschung der MS-Gesellschaft.

Aus Patientensicht würde ich mir wünschen, wenn die MS-Gesellschaft als Betroffenenorganisation die Prioritäten der Betroffenen in die Forschungsförderung klarer einfliessen lassen würde. Für Patienten relevante Fragestellungen, die sonst zu kurz kommen, sollten in der geförderten Forschung in erster Linie berücksichtigt werden.

Offenlegung

Seit Ende 2013 bin ich Mitglied es Wissenschaftlichen Beirates der MS-Gesellschaft. Die Auswahl der Projekte wird von einem Fachgremium vorgenommen. Für diese Auswertung habe ich mich auf die öffentlich verfügbaren Informationen, wie bereits seit der ersten Auswertung 2011, gestützt. Im Blog drücke ich meine persönliche Meinung aus, die nicht mit jener der MS-Gesellschaft übereinstimmen muss.


  1. Die Zuordnung zu den Fachgebieten habe ich aufgrund des Projekttitels vorgenommen. Eine Beschreibung oder Zusammenfassung habe ich mit den öffentlich verfügbaren Informationen erstellt. Ungenaue Zuordnungen sind deshalb wahrscheinlich. 

  2. Unter der Annahme gleich grosser Projekte. 

Interessenbindungen im Bundeshaus – Lobbywatch.ch

Was ist der Einfluss der Lobbygruppen im Schweizer Parlament? Welche Verflechtungen gibt es? Welche Interessen vertreten Parlamentarier und Parlamentarierinnen? Welche Organisationen und Verbände haben welchen Zugang im Bundeshaus?

Fragen, die schwierig zu beantworten sind, die aber für unser tägliches Leben von erheblichem Einfluss sind. Denn die 200 National- und 48 Ständeräte machen unsere Gesetze oder sie verteilen Subventionen.

Eine Gruppe von Bürgern versucht Antworten auf diese Fragen zu ermöglichen:

Die Plattform Lobbywatch.ch wurde an der Opendata.ch/2014-Konferenz am 18. September gestartet.

Das Schweizer Parlament ist nach dem Milizsystem aufgebaut. Die National- und Ständeräte üben ihr Mandat im Nebenamt aus. Es gibt im Jahr vier Sessionen, wo im Bundeshaus über die Gesetze beraten und entschieden wird. Als Milizparlamentarier gehen sie weiteren Tätigkeiten nach. Sie arbeiten beispielsweise als Anwälte, Bauern oder Verwaltungsräte. Als engagierte Menschen sind sie daneben in diversen Vereinen, Verbänden und Gesellschaften aktiv. Diese Tätigkeiten sind erwünscht und befruchten den politischen Prozess.

48 Ständeräte vertreten eine Bevölkerung von acht Millionen. Durch ihre Machtfülle sind die Parlamentarier und Parlamentarierinnen gesuchte Menschen. Alle kämpfen um ihre Gunst und ihr Wohlwollen. Die National- und Ständeräte werden umgarnt. Interessengruppen wie z.B. Pharmafirmen, Krankenkassen oder Spitäler haben oder bezahlen Lobbyisten, die sich für ihre Anliegen im Bundeshaus einsetzen. Teilweise sind die Parlamentarier selbst Vertreter solcher Interessengruppen, z.B. im Vorstand der Ärztevereinigung FMH. Die Parlamentarier können zudem zwei Gästen einen Zugang ins Bundeshaus ermöglichen. Das reicht von persönlichen Mitarbeitern über PR-Berater bis zu Verbandslobbyisten. Diese zutrittsberechtigten Gäste dürfen sich in der Wandelhalle frei bewegen und können versuchen anwesende Parlamentarier mit ihren Argumenten für ihre Anliegen zu gewinnen.

Grössere Organisationen und reiche Verbände können sich Lobbyisten und einen guten Zugang ins Parlament leisten. Einer Gruppe von kaum organisierten Menschen oder finanziell knappen Verbänden, wie z.B. den Steuerzahlern oder den Konsumenten, fällt es schwerer sich für ihre Anliegen Gehör zu verschaffen.

Die Parlamentarier sind vom Volk gewählt und vertreten dieses im Gesetzgebungsprozess. Für die Wähler oder Journalisten ist es nützlich zu wissen, welche Interessen ein Parlamentarier vertritt und zu welchen Organisationen eine Verbindung besteht.

Aus diesem Grund ist es im Parlamentsgesetz vorgeschrieben, dass die zutrittsberechtigten Gäste registriert und die Interessenbindungen der Parlamentarier erfasst und öffentlich zugänglich sind. Doch wird die Interessenbindungsliste nur einmal jährlich aktualisiert und wurde bisher von niemandem kontrolliert.

Lobbywatch.ch

Lobbywatch.ch füllt genau diese Lücke.

  • Auf der Internetplattform kann nach Parlamentariern oder Organisationen gesucht werden. Es werden die Verbindungen angezeigt.
  • Die Daten werden von Journalisten und Journalistinnen recherchiert und gepflegt. Der Einfluss ins Parlament wird gewichtet.

Die Parlamentarier werden in Lobbywatch.ch kommissionsweise erfasst. Aktuell sind die Parlamentarier der „Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK)“ in der Lobbywatch.ch-Datenbank enthalten. Die Recherche, die Pflege und die Qualitätssicherung der Interessenbindungen der Parlamentarier ist ein aufwändiger Prozess. Beispielsweise werden die recherchierten Daten vor der Veröffentlichung den Parlamentariern zur Gegenkontrolle vorgelegt.

Die Interessenbindungen der 38 National- und Ständeräte und deren Gäste führten zu Verbindungen zu über 700 Organisationen.

Crowd-Funding

Der bisherige Aufbau der Plattform wurde ehrenamtlich in einem Jahr Arbeit und auf eigene Kosten durchgeführt.

Die Erfassung aller Parlamentarier und Parlamentarierinnen ist im öffentlichen Interesse.

Zur Erfassung weiterer Kommissionen und zur Datenpflege wurde deshalb eine Crowd-Funding-Kampagne gestartet. In 45 Tagen sollen 10‘000 Franken gesammelt werden. Damit kann beispielsweise jemand zur regelmässigen Dateneingabe und -pflege bezahlt werden. Jetzt auf wemakeit unterstützen! Die Kampagne läuft bist Ende Oktober. Je mehr kleine Unterstützungen es gibt, desto breiter ist das Projekt abgestützt.

Zusammenfassung

Transparenz beim Gesetzgebungsprozess und bei der Subventionsverteilung im Bundeshaus ist wichtig. Ein Abruf der Interessenbindungen der National- und Ständeräte und eine Einordnung des Einflusses von Organisationen auf den Gesetzgebungsprozess ist für eine funktionierende Demokratie wünschenswert. Die neue Plattform lobbywatch.ch engagierter Journalisten und Bürger versucht diese Lücke zu schliessen. Bis Ende Oktober läuft die Crowd-Funding-Kampage zur weiteren Datenerfassung.

Offenlegung

Ich habe beim Aufbau der lobbywatch.ch Plattform mitgearbeitet und bin am Projekt beteiligt.

Ähnliche Artikel

Bereits erschienene Artikel zum selben Thema:

Nachtrag

[Aktualisierung 03.11.2014: Das Crowd-Funding-Ziel von 10‘000 Franken wurde mit den erzielten 14‘000 Franken sogar übertroffen. Das Geld steht nun bald dem Projekt für die Transparenzarbeit zur Verfügung.]

Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) fordert Open Access

Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat Ende Juni ein Positionspapier zu Open Access verabschiedet und veröffentlicht.

Was ist die Postion der Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) zu Open Access?

Nachfolgend, die wichtigsten Stellen des Positionspapiers der SAMW zu Open Access. Die fetten Hervorhebungen habe ich eingefügt.

Zusammenfassung des Positionspapiers

Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) setzt sich ein für eine enge Verbindung zwischen Praxis und wissenschaftlicher Medizin sowie für den Dialog mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Vor diesem Hintergrund unterstützt sie die Umsetzung von Open Access. Ein freier Zugang zu Forschungsergebnissen im Sinne von Open Access ist nach Meinung der SAMW der optimale Weg, um die Informationsversorgung von Forschenden, Medizinalpersonen, Patienten und allgemeiner Öffentlichkeit nachhaltig zu sichern und zu verbessern. Angesichts der neuesten, in diesem Positionspapier geschilderten weltweiten Entwicklungen von Open Access nimmt die Akademie Stellung und fordert Verlage und Wissenschaftsakteure auf, den Übergang zu Open Access zu erleichtern und zu beschleunigen, um den gesellschaftlichen Nutzen der medizinischen Forschung zu maximieren.

Problem

Die Kosten für die Lizenzierung von wissenschaftlichen Zeitschriften und Datenbanken steigen kontinuierlich und setzen die Bibliotheken und deren Träger erheblich unter Druck. Eine vollständige Informationsversorgung in dem Sinne, dass medizinische Institutionen ihren Mitgliedern den Zugriff auf den gegenwärtigen Stand des Wissens nachhaltig gewährleisten können, ist immer weniger finanzierbar.1 Dieser Zustand wird der Bedeutung der medizinischen Forschung und Praxis nicht gerecht.

Hinzu kommt, dass das vorhandene Informationsangebot in der Regel nur Angehörigen von Universitäten und Universitätsspitälern zur Verfügung steht, da nur diese die immensen Kosten für medizinische Informationen tragen können. Medizinalpersonen in nicht-universitären Spitälern, niedergelassene Ärzte sowie Patienten bleiben vom Zugang zu aktuellen Daten und Erkenntnissen weitgehend abgeschnitten.

Ziel

[SAMW hat sich] zum Ziel gesetzt, den Zugang zu Forschungsliteratur für jede wissenschaftlich interessierte Medizinalperson zu ermöglichen, auch ausserhalb des universitären Umfelds. 2

Für die SAMW stellt Open Access derzeit den optimalen Weg dar, um wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsdaten einem möglichst breiten Leserkreis aus Forschung und interessierter Öffentlichkeit dauerhaft und nachhaltig zur Verfügung zu stellen.

Ein maximaler und produktiver Austausch von Erkenntnissen und Ideen verlangt nach einer möglichst uneingeschränkten Wiederverwendung. Aus diesem Grund publizieren führende Open-Access-Verlage ihre Veröffentlichungen unter der Creative-Commons-Lizenz «Namensnennung» (CC BY), die als einzige den Anforderungen der Berliner Erklärung gerecht wird.

Darüber hinaus sieht sich die SAMW und mit ihr die Forschungsgemeinschaft in der Pflicht, Open Access mit konkreten Massnahmen zu unterstützen.

Eine konkrete Unterstützung ist absolut notwendig, da seit 10 Jahren Open Access in der Schweiz auf Papier existiert, aber leider nur in Form von Absichtserklärungen und nicht als frei zugängliche Forschungspublikationen.

Empfehlungen für Forscher

Die SAMW empfiehlt zudem allen Wissenschaftsakteuren, folgende Massnahmen zu ergreifen und wird in Zukunft entsprechende Bemühungen unterstützen:

  • Wissenschaftler sollen ihre Forschungsergebnisse möglichst rasch über Open-Access-Zeitschriften oder Open-Access-Repositories der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
  • Wissenschaftler sollen erwägen, auf die Publikation von Forschungsergebnissen und auf die Mitarbeit (z.B. als Reviewer oder in Editorial Boards) bei jenen Verlagen zu verzichten, die oben genannte Forderungen nicht erfüllen.

Empfehlungen für Forschungsförderer

  • Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen sollen die Praxis der Veröffentlichung nachhaltig beeinflussen, indem sie die freie Bereitstellung von Publikationen und Forschungsdaten über entsprechende Richtlinien fordern, dafür finanzielle Mittel bereitstellen und ein Monitoring zur Einhaltung der Richtlinien einrichten.
  • Forschungseinrichtungen und Bibliotheken sollen die wissenschaftliche Gemeinschaft beim Erwerb des Wissens und der Kompetenzen unterstützen, die für das Verständnis der neuen Publikationsmodelle notwendig sind. Dafür sind Kurse […] notwendig.
  • Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen sollen neue Evaluationsmodelle für Forschungsleistungen erarbeiten und testen. Dabei sollen Kriterien wie öffentliche Zugänglichkeit und Weiternutzungsmöglichkeiten von wissenschaftlichen Erkenntnissen stärker gewichtet werden, um den gesellschaftlichen Nutzen von Wissenschaft zu maximieren.

Empfehlungen an Verlage

Die Empfehlungen an die Verlage, kurz zusammengefasst, ist: Die obigen Punkte zu ermöglichen und die Open Access-Bestrebungen nicht zu behindern, z.B. durch Knebelverträge, die es den Universitätsbibliotheken nicht einmal erlauben öffentlich über die Kosten zu informieren.

Kommentar

Das Positionspapier der SAMW zu Open Access und damit die Haltung der SAMW ist ein wichtiger Schritt für den freien Zugang von Forschungsresultaten in der Schweiz. Besonders freut es mich, dass die SAMW die Patienten nicht vergessen hat und den Nutzen von Open Access für Personen ausserhalb von Universitäten erkannt hat.

Bemerkenswert ist, dass die SAMW es nicht einfach bei einem „Positionspapier“ bewenden lassen will, sondern konkrete Massnahmen anstrebt. Massnahmen, die das Potential haben zu greifen:

  1. Den nicht kooperativen Verlagen, die (gratis) Mitarbeit der Forscher (als Gutachter und Redaktoren) entziehen. (Denn viel Arbeit verrichten die Forscher gratis zugunsten der Verlage.)
  2. Ändern der Anreize für Forscher, sprich ändern der Bewertungsregeln der Forschung und damit der Forscher selbst (Evaluationsmodelle)

Gute Forscher wollen als gute Forscher erkannt werden. In der Wissenschaft gibt es Bewertungskriterien, z.B. die Publikationen in prestige-trächtigen Fachzeitschriften oder die Zitierhäufigkeit von Artikeln. Die Forscher richten sich nach diesen Kriterien aus um möglichst als gute oder gar hervorragende Forscher zu gelten. Wenn nun diese Kriterien um für die Gesellschaft wichtige Kriterien ergänzt werden, entsteht dadurch für die Allgemeinheit ein grösserer Nutzen. Ein gesellschaftlicher Nutzen ist letztendlich das Ziel der medizinischen Forschung. Die Bewertungskriterien sind ein eigenes spannendes Thema und möchte auf den Tagungsbericht „Braucht es eine neue Wissenschaftskultur?“ der nationalen Akademien verweisen.

Beispielsweise können bei der Evaluation der Fähigkeit des Forschers vor der Vergabe von Forschungsgeldern nur noch die öffentlich frei zugänglichen Publikationen in die Bewertung einbezogen werden. Der weltweit zweitgrösste medizinische Forschungsförderer, der Wellcome Trust, streicht seit 2013 alle nicht frei zugänglichen Publikationen aus dem Leistungsausweis eines Forschers. Dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) habe ich am ersten April ebenfalls eine Änderung der Forschungsbewertungskriterien zugunsten von Open Access angedichtet. Das könnte vielleicht durch die Bestrebungen der SAMW bald Realität werden.

Ich versuche ebenfalls einen konkreten Beitrag zu Open Access zu leisten. Seit 2010 versuche ich bei der MS-Gesellschaft, welche mit jährlich über 1 Million Franken Forschungsunterstützung zu den grösseren Forschungsfördern der Schweiz gehört, eine gemeinnützige Patientenorganisation ist und deren Mitglied ich bin3, Open Access einzuführen. Ich konnte bereits verschiedene Personen und Gremien überzeugen. Der letzte Durchbruch hat Open Access aber noch nicht geschafft. Die Forschenden selbst müssen noch vom Potential eines freien Zugangs zu ihrer Forschung überzeugt werden. Die SAMW-Position wird beim Aufzeigen der Vorteile von Open Access helfen.

Erwähnen möchte ich den Blogartikel Konkrete Umsetzung von Open Access für gemeinnützige Organisationen, welcher eine einfache Anleitung ist und zeigt, dass die Einführung von Open Access auch für kleine Organisationen gar nicht kompliziert ist. Die Umsetzung ist insbesondere dadurch einfach, da die Schweizer Universitäten mit ihren Universitätsbibliotheken wichtige Vorarbeiten, z.B. mit Open Access-Ablagen (Repositories), geleistet haben. Also, kleiner Aufwand, grosse Wirkung.

Open Access – also der freie Zugang zu hochstehenden medizinischen Forschungspublikationen – ist für mich als MS-Betroffener sehr wichtig. Die Empfehlungen der SAMW sind von grosser Bedeutung. Sehr erfreulich ist, dass das Dokument der SAMW kein „Wischi-Waschi“ ist, sondern eine klare Empfehlung mit konkreten Vorschlägen ist.

Nicht vergessen werden darf, dass Open Access kein Selbstzweck ist, sondern Open Access ist wichtig,

um den gesellschaftlichen Nutzen der medizinischen Forschung zu maximieren.


  1. Siehe dazu das «Memorandum on Journal Pricing» des Faculty Advisory Council der Harvard University vom 17. April 2012. 

  2. Mehrjahresprogramm 2012–2016 der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften – Programme pluriannuel 2012–2016 de l’Académie Suisse des Sciences Médicales. Basel: 43 und 55 

  3. Seit Ende 2013 habe ich eine Funktion bei der MS-Gesellschaft übernommen und bin im Wiss. Beirat der MS-Gesellschaft

Bericht zur Tagung "Braucht es eine neue Wissenschaftskultur?" der nationalen Akademien D/A/CH, 7. Juli 2014

Am 7. Juli fand an der Universität Zürich die Tagung „Braucht es eine neue Wissenschaftskultur?“ der nationalen Akademien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands statt.

Was habe ich gelernt? Was ist mir aufgefallen?

Wie misst man eine Forschungsleistung? Was ist ein guter Forscher? Was zeichnet gute Forscher aus?

Wissenschaftskultur

Ich möchte dementsprechend unter „Wissenschaftskultur“ im Folgenden die Gesamtheit derjenigen Werte und Prinzipien verstehen, an denen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Umgang miteinander orientieren.

Damit unterstelle ich nicht, dass sich alle Forscherinnen und Forscher jederzeit und überall bei ihrer Forschung und Lehre an die Grundregeln der Wissenschaftskultur hielten. Aber das Entscheidende ist, dass es solche Regeln gibt, die von ihnen als gültig anerkannt werden müssen, wenn sie der „Scientific Community“ angehören wollen.

Anerkannte Werte und Prinzipien der Wissenschaft, trotz ganz unterschiedlichen Fachrichtungen wie Germanistik oder Maschinenbau.

Kernelement: Vertrauen

Die Wissenschaft als gemeinsame Leistung unzähliger Forscherinnen und Forscher basiert ganz wesentlich auf Vertrauen, und alle Faktoren, die das Vertrauen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in die Ergebnisse ihrer Arbeit stärken, gehören meines Erachtens zu den
Kernelementen der Wissenschaftskultur. Prof. Sigmar Wittig (in Vertretung von Prof. Jörg Hacker), Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

  • Ehrliche Kommunikation der Resultate, z.B. Ergebnisse vollständig präsentieren und nicht nachteiliges weglassen
  • Grösstmögliche Nachvollziehbarkeit eigener Forschungsergebnisse durch transparente Darstellung der Vorgehensweise und möglichst offene Zugänglichkeit der verwendeten Forschungsdaten
  • Fairer Umgang mit wissenschaftlichen Beiträgen anderer, unabhängig von deren Reputation, z.B. keine Gutachten erstellen, bei vorhandenen eigenen Interessenkonflikten
  • Skeptische Haltung: Fähigkeit zu zweifeln ein Leben lang kultivieren – und dieser Zweifel sollte nicht nur die Resultate anderer betreffen

Werte und Prinzipien: Bericht der internationalen Akademien, 2012

Die InterAcademy Council (IAC) und des InterAcademy Panels (IAP) – globale Netzwerke nationaler Wissenschaftsakademien – hat 2012 den Bericht „Responsible Conduct in the Global Research Enterprise“ („Verantwortungsvolles Verhalten im weltweiten Forschungsbetrieb“) verfasst.

[Ich möchte] nachdrücklich auf eine Veröffentlichung des InterAcademy Council und des InterAcademy Panels aus dem Jahre 2012 hinweisen, deren Lektüre allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern uneingeschränkt empfohlen werden kann.

Eine gute Wissenschaftskultur ist von enormer Bedeutung.

Ansonsten wäre der Erfolg des weltweiten Gemeinschaftsprojekts „Wissenschaft“ grundsätzlich bedroht.

Die Selbstorganisation der Wissenschaft funktioniert nur, wenn die Forscherinnen und Forscher sich Werten wie Fairness, Transparenz und Objektivität verpflichtet fühlen.

Unsere Tagung fände nicht statt, wenn es mit der Umsetzung des von mir skizzierten Berufsethos im Alltag von Forschung und Lehre zum Besten bestellt wäre.

Peer Review (Begutachtung)

Die heutige Wissenschaft ist ohne Peer Review nicht denkbar. Forschungsanträge und Publikationen werden durch andere Forscher begutachtet und beurteilt.

Der Peer Review ist etwa 250 Jahre alt und wurde von den „Philosophical Transactions“, dem offiziellen Publikationsorgan der Royal Society (London), im Jahr 1752 eingeführt. Um die Aufnahme zweifelhafter Manuskripte in die „Transactions“ zu vermeiden, wurden Mitglieder der Royal Society um Gutachten gebeten. Da fast alle Mitglieder Peers, also geadelte Angehörige des Oberhauses waren, entstand so der Ausdruck Peer Review. Nach heutigem Verständnis sind Peers ebenbürtige Fachkolleginnen und -kollegen.

In anderen Worten, die Begutachtung durch andere Forscher des gleichen Gebiets wurde eingeführt, weil die Herausgeber der Fachzeitschrift die Qualität der Forschung nicht mehr selbst beurteilen konnten. Die Spezialisierung war zu weit fortgeschritten.

Der Peer Review ist ein Qualitätskontrollsystem der Wissenschaft.

Bibliometrie/Scientometrie

Wie misst man gute Forschung?

Aktuell, vereinfacht gesagt, man zählt die Anzahl Publikationen, abgestuft nach dem Renommee der Fachzeitschriften und zählt die Anzahl Zitationen.

Sehr lohnenswert für Zitationen ist das Mitverfassen von Konsensberichten und Richtlinien. Solche Publikationen werden sehr häufig zitiert.

Alternative Qualitätsmessungen, wie Resonanz in sozialen Medien, haben auch ihre Tücken. „Tweets und Likes“ sind einfach zu erstellen.

Meine Meinung

Wenn der Gemessene die Messung kennt, versucht er die Messwerte positiv zu beeinflussen, auch durch Tricks und Manipulation. Gute und einfache Messsysteme können so schnell wertlos werden.

Geheime Messverfahren sind jedoch keine Lösung. Ohne Transparenz sind die Messresultate nicht vertrauenswürdig und kaum brauchbar.

Doch wie wäre es, wenn es unterschiedliche Messverfahren gäbe und diese zufällig gewichtet würden? Also die Einführung des Zufalls (Randomisierung). Wenn etwas objektiv sein soll, es aber schwierig ist, so kann der Zufall gute Dienste leisten. In der Medizin werden beispielsweise seit Jahrzehnten randomisierte, doppelblinde Studien durchgeführt.

Ansehen, Anreizsysteme

[Als wäre] die Wissenschaft ein reiner Wettkampf dessen einziges Ziel darin besteht, möglichst viele Gegner zu schlagen. Ist der internationale Wettbewerb ein reiner Selbstzweck, in dem es allein ums Prestige geht? Sollte die Funktion der Wissenschaft nicht eher darin bestehen, einen gut
ausgebildeten und motivierten Nachwuchs heranzuziehen und gesellschaftlich relevantes Wissen zu erzeugen? Prof. Marcel Weber, Département de philosophie, Université de Genéve

Was motiviert Forscher? Wie werden Forscher für gute Arbeiten belohnt?

Belohnungssystem der Wissenschaft

„Die Wissenschaftssoziologen Bruno Latour und Steve Woolgar haben 1979 in ihrem einflussreichen Buch ‚Laboratory Life‘ ein Modell dieses Belohnungssystems entwickelt. Darin postulieren sie, dass dieses System im Wesentlichen aus so genannten „cycles of credibility“ (Reputationszyklen) besteht. Ein solcher Abschluss stattet eine junge Wissenschaftlerin oder einen jungen Wissenschaftler mit einem Startkapital aus. Die Währung dieses Startkapitals ist „credibility“ oder wissenschaftliche Reputation. Wenn die Nachwuchswissenschaftlerin nun eine Stelle in einem Labor oder einer Arbeitsgruppe antritt, investiert sie dieses Kapital, und zwar den gesamten Betrag. Sie kann das Startkapital vermehren, indem sie Papers produziert. Gelingt ihr das über längere Zeit nicht, ist das Startkapital aufgefressen. Publish or perish [„Publiziere oder krepiere“], wie man sagt. Ein Reputationszyklus kommt an sein Ende, wenn unsere Forscherin eine neue Stelle antritt, oder ein eigenes Forschungsprojekt erhält, und so weiter.

Auch etablierte Forschende machen nach Latour und Woolgar nichts anderes: Sie investieren und reinvestieren laufend ihre wissenschaftliche Reputation und versuchen diese so zu vermehren. Der Reputationsmechanismus sorgt für eine angemessene Ressourcenallokation, für eine Arbeitsteilung und er ist auch Garant für die Qualität von Daten.“1

Karriere

Das Thema Karriere hat an der Tagung weitaus am meisten Raum eingenommen. Alle Vorträge gingen in irgendeiner Form auf das Thema ein. Wie lange dauert die Anstellung? Befristung auf ein, zwei Jahre oder unbefristet? Wer bekommt eine Chance? Wer wird Professor?

Die aktuelle Personalpolitik bringt verschiedene Probleme:

  • Unmöglichkeit der Karriereplanung durch Kurzfristigkeit (kurze befristete Verträge) und Zufälligkeiten, mehr als in anderen Berufen
  • Spätes Ausscheiden aus dem universitären Betrieb, z.B. mit 40 Jahren, also bereits nach grossen „persönlichen Investitionen“
  • Bevorzugung von Männern

Erstaunlicherweise sind diese Probleme nicht neu. Sie sind schon seit fast 100 Jahren bekannt. Max Weber schrieb in „Wissenschaft als Beruf“, 1919:2

Ob es einem […] Privatdozenten, vollends einem Assistenten, jemals gelingt, in die Stelle eines
vollen Ordinarius und gar eines Institutsvorstandes einzurücken, ist eine Angelegenheit, die einfach
Hazard ist. Gewiß: nicht nur der Zufall herrscht, aber er herrscht doch in ungewöhnlich hohem
Grade. Ich kenne kaum eine Laufbahn auf Erden, wo er eine solche Rolle spielt. […] Das akademische
Leben ist also ein wilder Hazard.

Warum also ist nichts gegangen? Vielleicht, weil die Motivation jener, die es geschafft haben, plötzlich erlahmt, da sie dann Privilegien und Macht abgeben müssten. Als Professor sind einem fünf ergebene Assistenten lieber, als zwei unabhängige, eigenständige Assistenzprofessoren.

Gleichberechtigung, Frauenförderung

Prof. Brigitte von Rechenberg, Veterinärmedizinerin, ging in ihrem Vortag auf die Chancengleichheit in der Forschung ein. Vieles was sie sagte ist auch gültig ausserhalb der Forschung.

Plakative Kernsätze:

  • Die Attraktivität sinkt bei Frauen mit zunehmendem Erfolg, bei Männern steigt sie.
  • Karriereratgeber für Frauen beschreiben in der Regel „Wie sich Frauen am besten wie Männer verhalten können“.

Probleme

Obwohl alle Fachrichtungen sich zu den gemeinsamen Prinzipien der Forschung stützen, haben die verschiedenen Fachrichtungen interessanterweise ganz unterschiedliche Probleme:

In einigen Disziplinen ist der „Missbrauch“ („Dual Use“) von Forschungsresultaten ein Problem.

Prof. Peter Meier-Abt, der Präsident der Schweizerischen Akademie der Wissenschaften warf ein, dass auf ein Problem (der Medizin) in den Vorträgen überhaupt nicht eingegangen wurde: der Forschungsmüll („Waste-Problem“). Nicht verwertbare Ergebnisse. Resultate ohne Aussagekraft. Verschwendete Forschungsressourcen, (Siehe Blogartikel).

Forschungsmüll entsteht z.B durch

  • Nicht reproduzierbare Resultate,
  • Zu kleine Studien,
  • Forschungsfragen, die bereits geklärt sind.

In der Medizin wird nur rund die Hälfte der durchgeführten Studien publiziert, wobei Studien mit „positiven“ oder schmeichelhaften Resultaten rund doppelt so häufig publiziert werden wie Studien mit negativen Resultaten, (siehe Blogartikel).

Fazit

Es war eine interessante Fachveranstaltung. Ich habe einiges gelernt, auch zu Dingen, die ich gar nicht erwartet hatte, z.B. Gleichberechtigung.

Persönlich hat mich die argumentative Herleitung des Philosophieprofessors beeindruckt. Wahrscheinlich ein Merkmal seiner Disziplin: der Philosophie. Fasziniert hat mich auch die streitbare Art von Brigitte von Rechenberg. Einen Spiegel vorhalten und den Finger auf den wunden Punkt legen. Bei beiden hat nur schon die Art und Weise des Vortrags Freude gemacht.

Das Kennenlernen des Belohnungsmodells der Wissenschaft war sehr interessant.

Enttäuschend war für mich, dass es eigentlich den Hauptteil der Veranstaltung um „Stühle“ ging. Wer bekommt welchen Platz. Ich bin von der medizinischen Forschung geprägt und bin mit Peter Meier-Abt einer Meinung, dass wesentliche Probleme der aktuellen Wissenschaftskultur an der Tagung nicht angesprochen wurden. Diese Veranstaltung kann deshalb nur ein Anfang gewesen sein.


  1. Prof. Marcel Weber, Département de philosophie, Université de Genéve 

  2. Weber, Max: „Wissenschaft als Beruf“. In: Mommsen, Wolfgang J.; Schluchter, Wolfgang (Hrsg.): Studienausgabe der Max Weber-Gesamtausgabe. Bd. I/17. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1994, S. 3ff. 

Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte der MS-Gesellschaft (2008 – Frühling 2014)

Die MS-Gesellschaft hat die Liste der unterstützten Forschungsprojekten mit den Projekten bis Frühling 2014 ergänzt. Besten Dank an die MS-Gesellschaft für das Pflegen dieser Angaben.

Mit diesen neuen Daten habe ich die letzte Auswertung mit den neuen Projekten ergänzt.

Auswertung Forschungsförderung

Die graphische Auswertung der unterstützten Forschungsprojekte von 2008 bis Frühling 2014 zeigt folgendes Bild:

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 - Frühling 2014Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2008 – Frühling 2014

Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 - Frühling 2014Unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, 2008 – Frühling 2014

Auswertung

  • Seit 2008 wurden 60 Projekte unterstützt.
  • Rund 8.2 Mio. Franken wurden in den letzten 6½ Jahren für die Forschungsförderung ausgegeben. Die MS-Gesellschaft vergibt jährlich etwa 1.2 Mio. Franken.
  • Ein unterstütztes Projekt erhält im Durchschnitt 50‘000 Franken.
  • Die unterstützten Projekte werden mehrheitlich an die Schweizer Universitäten vergeben. Etwa die Hälfte der Projekte wurde an die Universitäten Basel und Zürich vergeben. Die Aufteilung ist in der ersten Grafik dargestellt.
  • Die MS-Gesellschaft hat zu über zwei Dritteln immunologische Forschung unterstützt, wovon 17 Projekte zur Mausforschung (EAE) gehören. Die zweite Grafik zeigt die Aufteilung nach Fachgebieten.1
  • Die 160 unterstützten Projekte wurden auf 87 verschiedene Personen verteilt.
  • 35 Projekte wurden an Forscher vergeben, die selbst im wissenschaftlichen Beirat (2013: 31 Mitglieder) sind, der diese Forschungsförderung vergibt.
  • 61 unterstützte Projekte wurden von Professoren eingereicht.
  • Die am stärksten geförderten Unis der letzten sechs Jahre sind:2
    • Universität Zürich: Fr. 2.1 Mio. Franken
    • Universität Basel: Fr. 1.9 Mio. Franken
    • Universität Genf: Fr. 1.4 Mio. Franken

Die folgende Tabelle zeigt die Forscher mit drei und mehr Projekten:

Forscher Anzahl Projekte ~Förderungsbetrag kCHF2
Walter Reith 7 359
Britta Engelhardt 6 308
Burkhard Becher 6 308
Danielle Burger 6 308
Patrice Lalive 6 308
Raija Lindberg 6 308
Ruth Lyck 6 308
Adriano Fontana 5 256
Tobias Suter 5 256
Nicole Schaeren-Wiemers 4 205
Norbert Goebels 4 205
Paul Grossman 4 205
Renaud Du Pasquier 4 205
Andrea Huwiler 3 154
Cornel Fraefel 3 154
Jan Lünemann 3 154
Nanco van der Maas 3 154
Burkhard Ludewig 3 154
Stéphanie Hugues 3 154

Forscher, die seit 2008 drei und mehr geförderte Projekte haben. Die Veränderungen seit der letzten Auswertung sind gelb markiert und schräg geschrieben. kCHF = Kilo Franken, also Beträge in 1000 Franken; Datenquelle: MS-Gesellschaft, eigene Auswertung.

Im Sinne von Open Data ist die Auswertung als Tabellendokument, wie schon seit Beginn, als Anhang verfügbar.

Unterstützte Projekte Frühling 2014

Die folgenden Grafiken zeigen die im Frühling 2014 unterstützten Projekte.

Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, 2013Anzahl Forschungsprojekte nach Universitäten, Frühling 2014

Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, Frühling 2014Neu unterstützte Forschungsprojekte nach Fachgebiet, Frühling 2014

Kohortenstudie (SMSC-Study)

Zur Kohortenstudie wurden keine Daten veröffentlicht, oder zumindest sind mir diese nicht bekannt.

MS-Register

Wie viele MS-Betroffene gibt es in der Schweiz? Wie geht es ihnen?

Diese Fragen können nicht beantwortet werden. Keine Daten sind verfügbar. Man ist auf grobe Schätzungen angewiesen. Die MS-Gesellschaft hat deshalb die Einführung eines MS-Register für die Schweiz beschlossen. Das ist ein wichtiges Projekt.

Fazit

Die Verteilung der Projekte auf die verschiedenen Universitäten und die einzelnen Personen ist ok. Inhaltlich ist die immunologische Forschung mit zwei Drittel der Projekte klar dominant. Die Immunologie ist der deutliche Schwerpunkt der geförderten Forschung der MS-Gesellschaft.

Aus Patientensicht würde ich mir wünschen, wenn die MS-Gesellschaft als Betroffenenorganisation die Prioritäten der Betroffenen in die Forschungsförderung klarer einfliessen lassen würde. Für Patienten relevante Fragestellungen, die sonst zu kurz kommen, sollten in der geförderten Forschung in erster Linie berücksichtigt werden.

Offenlegung

Seit Ende 2013 bin ich Mitglied es Wissenschaftlichen Beirates der MS-Gesellschaft. Die Auswahl der Projekte wird von einem Fachgremium vorgenommen. Für diese Auswertung habe ich mich auf die öffentlich verfügbaren Informationen, wie bereits seit der ersten Auswertung 2011, gestützt. Im Blog drücke ich meine persönliche Meinung aus, die nicht mit jener der MS-Gesellschaft übereinstimmen muss.


  1. Die Zuordnung zu den Fachgebieten habe ich aufgrund des Projekttitels vorgenommen. Eine Beschreibung oder Zusammenfassung habe ich mit den öffentlich verfügbaren Informationen erstellt. Ungenaue Zuordnungen sind deshalb wahrscheinlich. 

  2. Unter der Annahme gleich grosser Projekte. 

5 Jahre MS-Diagnose, 3 Jahre Blog

Wie geht es mir fünf Jahre nach der MS-Diagnose? Was hat sich verändert?

Fünf Jahre MS-Diagnose

Fünf Jahre sind nun seit meiner Diagnose mit Multiple Sklerose vergangen. Ich bin unendlich dankbar, denn mir geht es immer noch sehr gut. Ausser dem Schub, der zur Diagnose führte, hatte ich keinen weiteren Schub mehr. Ich kann glücklicherweise uneingeschränkt leben, habe einen fordernden Beruf und kann in meiner Freizeit spannenden Projekten nachgehen. Ich betreibe nach wie vor mit Freude Sport.

Ausser der Cortison-Behandlung am Anfang, hatte ich keine ärztliche Therapie. Keine hat mich bisher mit dem langfristigen Nutzen/Risiko-Verhältnis überzeugt. Alle MS-Therapien haben Nebenwirkungen. Durch das Verzichten auf die täglichen MS-Spritzen vermeide ich die teils lästigen Nebenwirkungen, wie grippale Symptome. Doch ist es wie mit dem Rauchen, den Genuss JETZT, bezahlt man womöglich mit späteren Gesundheitsproblemen. Bei MS würde dies bedeuten, dass JETZT eingesparte Nebenwirkungen, später in einem schlimmeren Verlauf enden könnten.

Ich bin nicht naiv. Ich weiss, dass wenn es auch keine erkennbaren Symptome gibt, die Krankheit trotzdem fortschreitet und eines Tages wieder an die Oberfläche tritt und mich behindern wird. Aber es ist unklar, ob dies morgen, in fünf oder in 15 Jahren sein wird.

In der Medizin besteht die Tendenz, positive Entwicklungen auf getätigte Handlungen zurückzuführen. Hätte ich in meinem Fall MS-Medikamente genommen, würde es sicher heissen, mein guter Verlauf sei dank den MS-Medikamenten so gut verlaufen. Doch ich habe keine genommen.

Ich versuche, möglichst gesund und vernünftig zu leben. Ich esse praktisch kein Fleisch, trinke keine Milch, rauche nicht und versuche mich ausreichend zu bewegen. Doch eine Garantie ist dies keinesfalls. In den fünf Jahren, gab es auch stressige, schwierige Zeiten. Zeiten mit wenig und schlechtem Schlaf. So, wie es die meisten Leute erleben.

Drei Jahre Blog

Den Blog betreibe ich nun seit drei Jahren. Dies ist mittlerweile der 145. Artikel.

Ich habe in dieser Zeit einige Artikel recherchiert und geschrieben, die es sonst nirgends gibt. Beispielsweise:

Interessenkonflikte sind ein Dauerthema. Sie werden leider meistens unter den Tisch gewischt.

Fazit

Das Schreiben des Blogs macht Spass. Es gab zwischendurch immer mal wieder kleinere Erfolge. Durch den Blog ergaben sich als zusätzliches Plus verschiedene interessante Kontakte.

Ich bin sehr glücklich, dass es mir nach wie vor so gut geht. Manchmal vergisst man es und man nimmt es einfach als gegeben hin.

Bericht zur Mitgliederversammlung 2014 der MS-Gesellschaft

Am 7. Juni fand in Luzern die 55. Mitgliederversammlung der MS-Gesellschaft statt.

  • Alex Rubli wurde als Betroffenenvertreter in den Vorstand gewählt.
  • PD Dr. med. Linnebank wurde als Vertreter des Wiss. Beirates in den Vorstand gewählt. PD Dr. med. Patrice Lalive tritt zurück.
  • Die Strategie 2014-2018 der MS-Gesellschaft wurde vorgestellt. Die Betroffenen stehen im Mittelpunkt.
  • Der MS-Preis (Fr. 3000) wurde an den Maturanden Jann Kessler für seinen Film „Multiple Schicksale“ über seine von MS-betroffene Mutter vergeben.

Kapellbrücke über die Reuss in LuzernKapellbrücke über die Reuss in Luzern. | CC BY-SA Horst Lechner via Wikimedia

Trotz des schönen Wetters sind die Mitglieder zahlreich erschienen. Als Neuerung wurde in diesem Jahr die Versammlung von Marianne Erdin, Medizin-Journalistin, moderiert. Der statutarische Teil wurde von der Präsidentin Prof. Dr. Rebecca Spirig geleitet. Die Versammlung fand wie bereits letztes Jahr im Verkehrshaus in Luzern statt.

Alle Traktanden sind im Sinne des Vorstandes jeweils annähernd einstimmig von den anwesenden 232 Mitgliedern angenommen worden.

Im folgenden fasse ich die bemerkenswerten Punkte zusammen.

Der Vorstand und die Geschäftsleitung der MS-Gesellschaft haben eine Strategie für die nächsten vier Jahre erarbeitet. Diese Strategie wurde den Mitgliedern beim Empfang übergeben und in Form eines Interviews der Präsidentin erläutert. Die Strategie ist bei der MS-Gesellschaft noch nicht im Internet verfügbar. Ich werde in einem separaten Artikel auf die Strategie eingehen. Folgende zwei Auszüge charakterisieren die Strategie.

Betroffene und Angehörige stehen bei uns immer an erster Stelle und wir vertreten deren Interesse.

Integrität, Transparenz und Nachhaltigkeit bestimmen unser Handeln.

Ausgehend von der Strategie wurde eine Statutenänderung vorgeschlagen. Insbesondere wurden klare Amtszeitbeschränkungen festgeschrieben. Zusätzlich wurden Ehrenmitgliedschaften eingeführt.

Amtszeitbeschränkungen, Transparenz, Vermeidung von Doppelmandaten und Interessenkonflikten entsprechen den Prinzipien einer „guten Führung“ (Good Governance). Die Präsidentin betonte die Wichtigkeit dieser Prinzipien.

Auf eine Ombudsstelle wurde verzichtet. Stattdessen wird auf die Möglichkeit der Diskussion an der Mitgliederversammlung verwiesen.

Der Jahresbericht 2013 (PDF) wurde vom Geschäftsleitungsmitglied Urs Stierli kurz vorgestellt.

Personelles

Therese Lüscher stellte sich für eine zweite Amtszeit zur Verfügung und wurde unter grossem Applaus wiedergewählt. Seit 2010 setzte sie sich mit grosser Hartnäckigkeit für die Belange der MS-Betroffenen im Vorstand ein.

Als weiteren Patientenvertreter wurde Alex Rubli gewählt. Er arbeitet bei Meteoschweiz und ist vielen Leute noch als Moderator der Wettersendung „Meteo“ des Schweizer Fernsehens in Erinnerung. Er will sich für die Betroffenen einsatzen, auch mit seiner noch immer vorhandenen Popularität. Er kennt den Forschungsbetrieb, nicht aber im Speziellen die Medizin. Er ist deshalb kompetent und trotzdem unabhängig (ohne Interessenkonflikte).

Liz Isler-Gruber stellte sich ebenfalls zur Wahl. Sie engagiert sich bereits jetzt stark für Betroffene in anderen Vereinen. Bedenken wegen der Belastung wurden vorgebracht. Sie unterlag schliesslich in der Wahl.

Die neuen Statuten und Reglemente der MS-Gesellschaft schliessen Doppelmandate aus. PD Dr. med. Patrice Lalive von der Universität Genf konzentriert sich auf seine Tätigkeit als Führungsperson im Wissenschaftlichen Beirat und tritt aus dem Vorstand zurück. PD Dr. med. Michael Linnebank vom Universitätsspital Zürich wurde stattdessen als Vertreter des Wiss. Beirates in den Vorstand gewählt. Es ist wichtig, dass Leute der Wissenschaft im Vorstand mitarbeiten, auch wenn diese immer Interessenbindungen (Interessenkonflikte) zur Industrie haben. Michael Linnebank wurde gefragt, ob er neben seinem grossen beruflichen Engagement für die Patienten auch ein Privatleben habe. Er verwies auf seine Familie mit vier kleinen Kindern.

MS-Preis 2014

Der Maturand Jann Kessler gewinnt den MS-Preis 2014 für seinen Film „Multiple Schicksale“ über seine von MS schwer betroffene Mutter. Der Film ist Jann Kesslers Maturaarbeit. An der Versammlung wurde ein kurzer Ausschnitt gezeigt. Jann Kessler wird im Verlaufe des Jahres den Film weiter bearbeiten. Der Film ist noch nicht öffentlich verfügbar.

Gilde-Check

Wie in den vergangenen Jahren durfte die MS-Gesellschaft und damit die Betroffenen den gesammelten Betrag des traditionellen Risotto-Tages der Gilde-Köche entgegen nehmen.

Nächste Versammlung

Die nächste Mitgliederversammlung wird im Sommer 2015 in Fribourg stattfinden.

Bemerkungen

Die vorgestellte Strategie geht in die richtige Richtung. Die Ziele der MS-Gesellschaft werden klar. Die Interessen der MS-Betroffenen werden in den Mittelpunkt der MS-Gesellschaft gestellt. Denn wer tut es sonst? Forscher und Ärzte haben beispielsweise bereits eigene Netzwerke und Interessenvertretungen, wie die Schweizerische Neurologische Gesellschaft. Die Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit der MS-Gesellschaft wird durch die ausgearbeitete Strategie gestärkt.

Ich bin absolut gleicher Meinung wie die Präsidentin, dass die Prinzipien einer „guten Führung“ (Good Governance) für das gute Funktionieren der MS-Gesellschaft sehr wichtig sind. Viele Probleme können durch Amtszeitbeschränkungen, Transparenz, Vermeidung von Ämterkumulation und Interessenkonflikten ausgeräumt werden.

Es ist sehr begrüssenswert, dass im Vorstand wieder zwei MS-Betroffene vertreten sind. Ärzte und Pflegepersonen können sich für Betroffene einsetzen. Doch gewisse Denkprozesse werden erst durch die MS-Diagnose und den täglichen Kampf in Bewegung gesetzt. Besten Dank an die zwei Betroffenen Therese Lüscher und Alex Rubli für das Zurverfügungstellen und die wichtige Tätigkeit.

Die von der Sendung Puls bekannte Moderation Marianne Erdin leitete die Versammlung gekonnt.

Es war eine lebendige MV. Es gab diverse Kommentare.

Jann Kessler ist ein würdiger Träger des MS-Preises. Sein emotionaler und persönlicher Film „Multiple Schicksale“ berührt die Menschen. Zudem sind 3‘000 Franken Preisgeld für einen Maturanden vergleichsweise mehr als für bereits berufstätige Personen.

Wie bisher immer hatte ich interessante, neue Leute getroffen.

Fazit

Die MS-Gesellschaft hat mit der Strategie und den Statutenänderungen einen wichtigen Schritt gemacht. Frühere Kritikpunkte wurden damit erfreulicherweise korrigiert.

Interessenbindung

Ich bin nicht mehr komplett unabhängig wie die letzten Jahre. Ich habe nun selbst eine Funktion in der MS-Gesellschaft angenommen.

Nachtrag

In Folge Ferien hat das Veröffentlichen des Berichtes etwas länger gedauert.

Der Bericht der MS-Gesellschaft über die Mitgliederversammlung ist bereits erschienen. Um möglichst unbeeinflusst zu bleiben, werde ich den Bericht erst nach meiner Veröffentlichung lesen.

[Aktualisierung 16.08.2014: Im Mitglieder Magazin der MS-Gesellschaft wurde ein Bericht über die Mitgliederversammung (Seite 8) abgedruckt.]

Open Access in der Schweiz, Stand 2013

Was ist der Stand von Open Access in der Schweizer Forschungslandschaft?

Forschungsergebnisse interessieren. Deshalb haben die Rektorenkonferenz der Schweizerischen Universitäten (CRUS) und der Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Jahre 2006 die Berliner Deklaration zu Open Access unterzeichnet. Die Unterzeichner verpflichten sich, Open Access (OA) zu unterstützen und in ihren Institutionen einzuführen.

Mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung sollte – nicht zuletzt im Interesse der Wissenschaft selbst – auch möglichst gut öffentlich und gebührenfrei zugänglich sein. SNF

Acht Jahre sind seit der Unterzeichnung der Berliner Deklaration durch die Schweizer Rektorenkonferenz vergangen. Was ist der Stand?

Ablagen und Richtlinien

Alle Universitäten haben institutionelle Ablagen (sogenannte Repositories) für Archivierung von Open Access Publikationen aufgebaut und die meisten haben Richtlinien erlassen.

Nachfolgende Tabelle zeigt den Open Access Stand für die Schweizer Universitäten mit medizinischer oder mit „Life Science“ Forschung.

Hochschule Ablage Berlin. Dekl.* Richtlinie, Seit OA Pflicht#
Universität Basel edoc 2007 2013 (PDF) ja
Universität Bern Boris 2007 2012 (PDF) ja
Université de Genève Archive-ouverte 2009 (PDF) ja
Université de Lausanne serval nein
Universität Zürich Zora 2004 2008 ja
ETH Zürich e-collection 2006 2008 ja
EPFL Lausanne Infoscience nein

Open Access Stand der Universitäten mit medizinischer oder mit „Life Science“ Forschung. Eigene Recherche, Stand: Mai 2014.
* Berlin. Dekl. = Wann wurde die Berliner Deklaration direkt von der Institution unterzeichnet?
# OA-Pflicht = Die OA-Richtlinie verpflichtet zu Open Access, ausser es wird durch das Copyright verhindert.

Neben den Universitäten wird die medizinische Forschung der Schweiz auch durch weitere Institutionen gefördert.

Förderer Berlin. Dekl.* Richtlinie, Seit OA Pflicht
SNF 2006 2008 (PDF) ja
European Research Council (ERC) 2012 ja
MS-Gesellschaft In Diskussion
Krebsliga nein ja, seit Ende 2014

Open Access Stand von bedeutenden Förderern Schweizerischer medizinischer Forschung. Eigene Recherche, Stand: Mai 2014.
* Berlin. Dekl. = Wann wurde die Berliner Deklaration direkt von der Institution unterzeichnet?

Der SNF nimmt in der Schweiz in Sachen Open Access eine Leit- und Vorbildfunktion ein.

Eine englischsprachige Übersicht zu Open Access mit wöchentlichen Aktualisierungen wird im Rahmen des EU-Projektes OpenAIRE gepflegt. [Aktualisierung 17.12.2015: Eine Open Access Übersichtsseite zur Schweiz ist vorhanden.]

Eine Übersicht über Open Access Richtlinien (Policies) weiterer Institutionen ist auf ROARMAP abrufbar.

Umsetzung

Aufgrund der Open-Access-Richtlinien müsste ein grosser Teil medizinischer Forschungspublikationen aus der Schweiz Open Access sein. Dies ist aber leider nicht der Fall. Die Open-Access-Richtlinien scheinen nicht kontrolliert zu werden. Die Forscher scheinen die Richtlinien und Open Access noch gar nicht zu kennen. Und wenn Open Access bekannt ist, werden die Richtlinien ignoriert. Konkrete Zahlen hat wohl niemand.

Fachzeitschriften (Journals)

Fachzeitschriften haben ganz verschiedene Verfahren und Richtlinien zur Publikationen von Forschungsartikel. Einige sind Open-Access-Fachzeitschriften, andere verlangen von den Forschern sogar, dass diese ihr eigenes Copyright abgeben.

Die Webseite ROMEO gibt Auskunft über die verschiedenen Copyright und Selbstarchivierungsregeln der Fachzeitschriften (Publisher copyright policies & self-archiving).

Ausblick

Die 51 Mitgliederorganisationen der Dachorganisation Science Europe setzen sich dafür ein, dass die Resultate von mit öffentlichen Geldern geförderter Forschung und Innovation in Europa mittels eines gebührenfreien Online-Zugangssystems verfügbar sind. Sie haben eine Liste mit zehn Prinzipien definiert, welche in ihren OA-Bemühungen Kohärenz und Konsistenz garantieren sollen. Der SNF hat durch seine aktive Mitgliedschaft bei Science Europe zum Positionspapier beigetragen und ist den darin genannten Prinzipien verpflichtet.

Science Europe: Position Statement – Principles for the Transition to Open Access to Research Publications (PDF, 144 KB)

Fazit

Der SNF ist die Leitorganisation bei Open Access in der Schweiz. Seine Richtlinien haben Gewicht in der Schweiz.

Leider existiert Open Access in der Schweiz mehrheitlich in Richtlinien und ist in der Praxis noch keine Selbstverständlichkeit. Die Richtlinien werden bedauerlicherweise nicht respektiert und durchgesetzt.

Es bleibt der Öffentlichkeit – den Steuerzahlern und den Patienten – nichts anderes übrig als ihr Recht bei den Forschern selbst einzufordern. Den Forschern muss klar sein, mit welchem Geld, mit welchem Ziel und unter welchen Bedingungen sie ihre Forschung durchführen dürfen.12

Nachtrag

[Aktualisierung 18.12.2015: Die Links wurden überprüft und ggf. erneuert.]


  1. Wohlgemerkt, es geht nicht um den Inhalt der Forschung, sondern nur darum, dass die Forscher ihre Resultate mit der Öffentlichkeit teilen – zugänglich machen –, damit die Allgemeinheit die Resultate nutzen und darauf aufbauen kann. 

  2. Forschung betreiben zu dürfen ist ein Privileg. 

HONcode: Qualitätsstandard für medizinische Webseiten; eigene Zertifizierung

Was ist der HONcode? Was sind die Anforderungen? Was sind die Ziele des HONcodes?

Im Internet kann jeder schreiben was er will, auch über medizinische Themen. Die Qualität und der Wahrheitsgehalt der Webseiten sind unterschiedlich. Umgekehrt suchen viele kranke, teils auch verzweifelte Menschen Rat im Internet.

Aus diesem Grund wurde 1996 die Stiftung Health On the Net (HON) in Genf gegründet. Die Stiftung unterhält einen Qualitätsstandard für medizinische Webseiten ein. Die Kriterien beziehen sich nicht direkt auf den Inhalt, sondern es sind formale Qualitätskriterien. Also Qualitätsmerkmale, die den Lesern von Webseiten helfen, selbst Rückschlüsse über die Qualität des Inhaltes zu machen, beispielsweise wann oder von wem ein Artikel geschrieben wurde. Ist der Artikel veraltet? Wurde der Artikel von einer Fachperson verfasst? Stehen kommerzielle Interessen hinter einer Webseite? Bestehen Interessenkonflikte?

Im Internet ist es leicht, vermeintlich unabhängige „Ratgeber-Seiten“ zu erstellen, die verdeckt Werbewebseiten für bestimmte Firmenprodukte sind.

HONcode

Die Qualitätsmerkmale werden als HONcode bezeichnet. Es sind formale Kriterien. Der HONcode umfasst folgende Richtlinien:

  1. Sachverständigkeit
    Die Qualifikation des Autors muss angegeben werden. Ist er medizinisch ausgebildet oder ein Laie?
  2. Komplementarität
    Webseiten können keine Menschen diagnostizieren und behandeln, sie können nur Informationen vermitteln.
  3. Datenschutz
    Der Datenschutz muss berücksichtigt werden.
  4. Zuordnung
    Die Aussagen müssen referenziert und die Artikel mit dem Datum der letzten Bearbeitung versehen werden.
  5. Belegbarkeit
    Die Aussagen müssen belegt und referenziert (siehe Punkt 4) werden.
  6. Transparenz
    Die Informationen sollen so klar wie möglich dargestellt werden und für weitere Auskünfte muss eine Kontaktadresse angegeben werden.
  7. Offenlegung der Finanzierung
    Auf Sponsoring oder kommerzielle Interessen muss hingewiesen werden.
  8. Werbepolitik
    Falls Werbung eine Finanzierungsquelle ist, muss dies eindeutig angegeben werden. Werbung muss von redaktionellen Material ersichtlich abgegrenzt werden.

Das sind vernünftige Kriterien, die jeder Webseitenbetreiben beachten sollte, auch im nicht-medizinischen Bereich.

Die HON-Stiftung bietet die Möglichkeit medizinische Webseiten zertifizieren zu lassen. Nach einem Antrag prüfen sie die Webseite auf die Einhaltung der Qualitätskriterien und vergeben das HONcode-Zertifikat.

Eine HONcode-Zertifizierung ist aber keine Garantie für wahren und richtigen Inhalt.

Eigene Zertifizierung

Seit Beginn des Blogs Patientensicht habe ich versucht die Anforderungen des HONcodes einzuhalten. Ende letzten Jahres habe ich dann einen Antrag zur HONcode-Zertifizierung gestellt. Im April erhielt nun der Blog Patientensicht das HONcode-Zertifikat. Keine Anpassungen an der Webseite mussten gemacht werden.

Diese Web Seite ist von der Health On the Net Stiftung akkreditiert: Klicken Sie, um dies zu überprüfen Wir befolgen den HONcode Standard für vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen.
Überprüfen Sie dies hier.

Fazit

Der HONcode umfasst sinnvolle, formale Qualitätskriterien. Diese helfen den Lesern die Qualität der Informationen von Webseiten selbst beurteilen zu können und z.B. veralteten oder kommerziell motivierten Inhalt erkennen zu können.

Abstimmung 18. Mai: JA zur "Medizinischen Grundversorgung" [akt.]

Am 18. Mai ist die Abstimmung zur medizinischen Grundversorgung (Hausarztmedizin). Worum geht es? Wie soll gestimmt werden?

In der Schweiz gibt es viele Ärzte und doch zu wenige. Es gibt viele Spezialisten und zu wenige Allgemeinpraktiker. Nicht zuletzt weil die finanziellen Anreize und das Ansehen die Spezialisten bevorzugen. Die Allgemeinmediziner sind für einen Grossteil der medizinischen Probleme die beste Anlaufstelle. Bei vielen Problemen können sie direkt helfen.

Abstimmung

Um auf die Missstände aufmerksam zu machen, haben die Hausärzte zuerst in Bern demonstriert und anschliessend, da sich nichts bewegte, die Initiative „Ja zur Hausartmedizin“ eingereicht. In kurzer Zeit wurde die doppelte Anzahl der notwendigen Unterschriften gesammelt. Um nicht eine einzelnen Beruf zu bevorzugen, wurde die Initiative der Hausärzte mit einem Abstimmungstext, der auf die gesamte medizinische Grundversorgung abzielt, ersetzt. Über diesen direkten Gegenvorschlag wird nun am 18. Mai abgestimmt.

Mit der vorgesehenen Verfassungsänderung werden folgende Ziele verfolgt:

  • Eine ausreichende medizinische Grundversorgung soll sichergestellt werden.
  • Die Aus- und Weiterbildung und die Berufsanforderungen sollen zu Gunsten der medizinischen Grundversorgung verbessert werden.
  • Die finanziellen Anreize sollen für die Berufe der Hausärzte erhöht werden.

Hausärzte sind sicher nicht von der Mindestlohninitiative betroffen, über welche am gleichen Tag ebenfalls abgestimmt wird. Hausärzte verdienen mehr als die meisten von uns. Was auch nicht schlecht ist. Sie arbeiten auch viel. Hausärzte vergleichen sich aber mit den Facharztspezialisten, die bis zu 600‘000 Franken verdienen können. Was würde ein Medizinstudent wohl lieber werden, ein viel arbeitender Hausarzt mit 200‘000 Franken oder ein Spezialist mit 600‘000 Franken?

Die Vorlage ist breit abgestützt. Nur wenige sprechen sich dagegen aus.

Fazit

Ja zur medizinischen Grundversorgung am 18. Mai.

Schlussbemerkung

Bildet euch eine Meinung! Geht Abstimmen!

Abstimmungsresultat

Der Verfassungsartikel zur Hausarztmedizin wurde von 88% der Stimmbevölkerung, bei einer Stimmbeteiligung von 53%, deutlich angenommen.