Abfall am Strassenrand (mit Umfrage)

Was passiert mit Abfall am Strassenrand?

Ich gehe, wie viele andere, regelmässig joggen. Meine Eltern gehen regelmässig spazieren.

Am Strassenrand meiner wöchentlichen Joggingstrecken sehe ich immer wieder Abfall, auf dem Feld und im Wald.

Herumliegende BierdoseHerumliegende Bierdose | CC BY-SA Patientensicht.ch

Mir sind dabei verschiedene Fragen durch den Kopf gegangen.

Da mich dies wunder nimmt, möchte ich euch deshalb diese Fragen stellen:

Umfrage 1:
Was denkst Du, machen die anderen, wenn sie eine leere Aludose am Strassenrand liegen sehen?
Umfrage 2:
Was machst Du, wenn eine leere Aludose am Rand Deiner regelmässigen Spazier- bzw. Joggingstrecke liegt?

Die Umfragen sind anonym.

Ich bin gespannt, wie viele Leute mitmachen. Häufig ist die Beteiligung bei Mitmach-Aktionen bescheiden. Ist dies auch hier so?

Also, auf die obigen Umfrage-Links klicken und mitmachen.

Bericht: Informationsveranstaltung zu Open Access an Uni Bern, 2013

Am 17. September durfte ich an der Informationsveranstaltung zu Open Access in Bern teilnehmen.

Was ist bemerkenswert? Was ist mir aufgefallen?

Zu Beginn wurden zwei Schweizer Verlage wissenschaftlicher Zeitschriften wurden vorgestellt: Karger und MDPI.

Karger ist ein traditionsreicher Wissenschaftsverlag, der in der 4. Generation geführt wird und auf eine 120-jährige Geschichte zurückblicken kann. Gabriella Karger von der 4. Generation vertrat den Verlag. Interessanterweise wurde der Verlag in Berlin gegründet, dann dann zügelte das Unternehmen nach Basel. Karger verlegt Open Access und konventionelle Abonnements-bezahlte Zeitschriften.

Zu MDPI gibt es eine kleine Geschichte. In den 80er Jahren musste der Chemiker Dr. Shu-Kun Lin miterleben, wie eine umfangreiche Molekülsammlung von Ciba-Geigy bei der Pensionierung eines Arbeitskollegen einfach entsorgt wurde. Er wollte zukünftig eine Alternative schaffen und gründete eine non-profit Moleküldatenbank. Aus dieser Moleküldatenbank entwickelten sich wissenschaftliche Zeitschriften, die dann in einen eigenen Verlag ausgelagert wurden. Da sich die Abkürzung MDPI von Molecular Diversity Preservation International bereits etabliert hatte suchten sie nach einem Namen für den Verlag, der zu dieser Abkürzung passt: Multidisciplinary Digital Publishing Institute. MDPI ist ein reiner Open Access Verlag und die Publikationen erscheinen nur elektronisch. Er benutzt die CC BY Lizenz. MDPI beschäftigt, wenn ich mich richtig erinnere, Zweidrittel der Leute in China und ein Drittel in der Schweiz. Der Standort in China erlaubt die Kosten konkurenzfähig zu halten. Der Gründer von MDPI war an der Veranstaltung anwesend.

Bundeshaus mit Berner AlpenBundeshaus mit Berner Alpen, Aussicht von der Universität Bern | CC BY-SA Patientensicht.ch

Der Impact-Factor1 ist für Verlage und Wissenschaftler „das Mass aller Dinge“. Bei beiden wird er als Leistungsausweis verwendet. Ein hoher Impact-Factor bedeutet Prestige. Ein Wechsel auf Open Access kann aktuell nur unter der Berücksichtigung des Impact-Factors erfolgreich sein.

Gutscheine bei Zeitschriftenabonnements für Open Access Artikel sind eine interessante Idee. Die Verlage geben bei Zeitschriftenabonnements Gutscheine, die von Universitäten zum Freischalten von wissenschaftliche Artikel ohne zusätzliche Kosten berechtigen. Die Umstellung auf Open Access kann so erleichtert werden.

Bei nicht Open Access Artikeln ist es nach wie vor üblich, dass die Autoren, das Copyright an die Verlage abgeben. Sie verlieren dadurch jegliche eigene Rechte am ehemals eigenen Artikel. Für mich ist dies unverständlich, so etwas einzugehen. Ein hoher Impact-Factor ist den Wissenschaftlern aber wahrscheinlich viel wichtiger. Die Rechte am Artikel liegen danach beim Verlag. Er könnte die Artikel auch verschwinden lassen. Da ihm das Copyright gehört, hätte die Öffentlichkeit oder auch der Forscher selbst keine Möglichkeit, die Artikel selbst anzubieten. Ohne Einverständnis des Verlages ist dies nicht möglich. Ein solcher Fall könnte z.B bei einem Konkurs eintreten.

Wissenschaftliche Zeitschriften müssen bezahlt werden, keine Frage. Entweder von den Abonnenten oder von den Autoren. Da Open Access den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen ist, müssen deshalb die Kosten von den Autoren übernommen werden. Dies bedeutet eine Kostenverlagerung. Das Open Access Modell bedeutet für die Verlage mehr Wettbewerb. Die Autoren werden neben dem Impact-Factor auch den Preis der Publikation berücksichtigen. Je höher der Impact-Factor, desto mehr können und werden die Verlage verlangen. Die Preise für Open Access Veröffentlichungen reichen von 0 Franken bis 30´000 Franken. Eine neue Zeitschrift, die sich durchsetzen will kann zu Beginn auf jegliche Kosten verzichten. Eine Open Access Publikation im renommierten Nature beispielsweise soll 30‘000 Franken kosten.

Für eine Forschungsgruppe bedeuten die Open Access Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften (goldener Weg, Gold Road) zusätzliche Kosten. Open Access sieht deshalb auch die Möglichkeit vor, dass die Autoren den Artikel, z.B das PDF, kostenfrei in einer Universitätsablage ablegen (grüner Weg, Green Road).

Bei Karger beispielsweise seinen die Preise für Open Access aktuell nicht kostendeckend. Es können von den Autoren nur wettbewerbsfähige Preise verlangt werden. Beim Abonnementsmodell hingegen herrschen andere Verhältnisse: monopolartige Zustände. Die Universitätsbibliotheken haben bei (wichtigen) Zeitschriften keine Wahl, egal wie hoch die Preise sind, sie müssen die Zeitschriften abonnieren.

Wohl aufgrund der aktuell fehlenden Rentabilität, argumentierte der Karger-Verlag ziemlich defensiv und nicht wie ein Open Access-Verlag.

Die Umstellung auf Open Access könnte sicher beschleunigt werden, wenn die Öffentlichkeit für die Abonnementskosten der wissenschaftlichen Zeitschriften informiert würde. Die Universitätsbibliotheken könnten diese Kosten sichtbar machen. Anscheinend haben die etablierten wissenschaftlichen Verlage vorgesorgt und Verträge mit den Bibliotheken abgeschlossen, die eine öffentliche Information über die Abonnementspreise verbieten.

Professor Alessandro Lugli bemerkte, dass die Wissenschaftler nach wie vor gratis für die Verlage arbeiten – als Editoren oder als Begutachter (Reviewer). Ein Entgegenkommen seitens der Verlage sieht er als gerechtfertigt an.

Ich selbst sprach kurz über Open Access bei der Schweizerischen MS-Gesellschaft. Der Weg, die Probleme und die Missverständnisse über Open Access. Die Vorteile von Open Access, auch für eine gemeinnützige Organisation, musste bei diesem fachkundigen Publikum von Universitätsbibliothekaren nicht besonders erwähnt werden.

Es war spannend einmal auf der anderen Seite des Podiums zu sein.

Der Apéro zeigte, einmal mehr, wie wichtig Vernetzung ist. Es lohnt sich, seinen gewohnten Kreis zu verlassen.

Fazit

Obwohl öffentlich bezahlte Forschung, der Öffentlichkeit gehört, werden die Forschungsresultate nicht einfach der Öffentlichkeit zurückgegeben, sondern die Öffentlichkeit muss die freie Zugänglichkeit explizit einfordern.

Das Umdenken muss von den Forschungssponsoren wie dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) angestossen werden (sie verteilen das begehrte Forschungsgeld) und im Publikationsprozess der Forscher seinen festen Platz finden. Langjährige Gewohnheiten der Forscher müssen verändert werden.

[Aktualisierung 16.04.2014: Ein Bericht zur Veranstaltung wurde auf der Webseite der „Interessengruppe Wissenschaftliche BibliothekarInnen Schweiz (IG WBS)“ veröffentlicht: Open Access: Karger und MDPI (17.09.2013).]


  1. Der Impact-Factor misst wie viele Male wissenschaftliche Artikel einer Fachzeitschrift durchschnittlich zitiert werden. Mehr Zitationen zeigen einen höheren Einfluss in der Wissenschaft. Wissenschaftler suchen deshalb Zeitschriften mit einem möglichst hohen Impact-Factor. Die Zeitschriften wollen möglichst wichtige wissenschaftliche Beiträge und da die Wissenschaftler auf den Impact-Factor schauen, versuchen die Zeitschriften einen möglichst hohen Impact-Factor zu erreichen. 

Blogüberarbeitung 2013

Alles braucht seine Pflege.

Was hat sich am Blog geändert?

Artikel-E-Mail-Abo

Ich habe den E-Mail-Versand der Artikel überarbeitet. Neu werden auch die Bilder im E-Mail angezeigt. Zudem setze ich für den Artikelversand nicht mehr Google, sondern den E-Mail-Spezialisten MailChimp ein. MailChimp bietet mehr Möglichkeiten. Beispielsweise sollten die E-Mails besser dargestellt werden.

MailChimpMailChimp

Übersicht der zuletzt geänderten Artikel

Ich aktualisiere regelmässig bereits geschriebene Artikel mit Zusatzinformationen. Ich habe deshalb eine Übersicht der zuletzt geänderten Artikel eingeführt.

E-Mail-Abo der geänderten Artikel

Neu können geänderte Artikel ebenfalls wöchentlich oder täglich per E-Mail abonniert werden. Änderungen werden markiert. [Aktualisierung 19.09.2013: Beispiel.] Die geänderten Artikel werden maximal einmal pro Tag verschickt werden, nämlich in der Nacht.

Ein Abo der geänderten Artikel könnte beispielsweise bei Übersichtsartikel wie Multiple Sklerose: Medikamentenübersicht mit Preisen oder Pharmaindustrie: Fehlverhalten und Justizfälle nützlich sein.

Achtung: Das tägliche E-Mail-Abo kann häufige E-Mails zur Folge haben. E-Mail-Abos können jedoch jederzeit beendet werden.

Startseite

Ich habe die Startseite überarbeitet. Neu werden auf der Startseite nicht mehr die ganzen Artikel angezeigt, sondern deren Anfänge (Anrisstexte). Der neuste Artikel wird in ganzer Länge wiedergegeben. Ich denke, so bekommt man schneller einen Überblick.

Kurznews (Twitter)

Meine Tweets (Kurznews) werden wieder auf der Seitenleiste des Blogs dargestellt.

Datenformat

Ich werde sporadisch ältere Artikel auf ein neues Datenformat (Markdown) umstellen. Die Artikel erscheinen nicht anders als vorher.

Diese Umstellung kann vom System als Veränderung erkannt und als Aktualisierung behandelt werden. Dies betrifft die RSS-Feed-Abonnenten. Da die Artikel nach wie vor relevant sind, ist es kein Nachteil, wenn ältere Artikel wieder ins Bewusstsein kommen. Diese angepassten Artikel werden nicht per E-Mail an die Artikel-Abonnenten verschickt.

Dabei werde ich auch die Artikel auf ihre Aktualität überprüfen und falls nötig ergänzen und korrigieren, beispielsweise nicht mehr funktionierende Links.

Fazit

Ein Besuch des Blogs lohnt sich.

Ich hoffe die Änderungen gefallen.

Dank

Diese Gelegenheit möchte ich nutzen und mich bei meinen treuen LeserInnen für das Vertrauen bedanken.

Die neuen LeserInnen heisse ich herzlich Willkommen.

Überarbeitung

[Aktualisierung 21.09.2013: Wöchentliches E-Mail-Abo der geänderten Artikel hinzugefügt. Wem die täglichen E-Mails der geänderten Artikel zu viel sind und trotzdem über regelmässig geänderte Artikel informiert sein möchte, der kann die Artikel einmal wöchentlich abonnieren.]

Pragmatische Studien – Studien zur Routine machen

Warum gibt es noch soviel Unsicherheit bei medizinischen Entscheidungen? Warum werden nicht mehr Studien durchgeführt? Was kann dagegen getan werden?

Bei medizinischen Entscheidungen herrscht auch heute noch eine grosse Unsicherheit. Soll behandelt werden? Wenn ja, welche Behandlung ist bei einer Ausgangslage die beste?

Fundierte Entscheidungen basieren auf Wissen. Wissen basiert auf Daten. Und genau wegen den fehlenden Daten müssen medizinische Entscheidungen blind getroffen werden.

In der Medizin wird Wissen durch faire Tests gewonnen. Es ist einfach. Man vergleicht zwei Behandlungen und schaut, welche die bessere ist. Für aussagekräftige Resultate ist es wichtig, dass der Vergleich fair ist. Solche fairen Vergleiche werden als Randomisierte kontrollierte Studien (randomized controlled trials, RCT) bezeichnet.

Trotz des einfachen Prinzips der fairen Tests, werden zu wenig Vergleiche gemacht.

Ein Grund ist sicher, dass die Fairness des Vergleichs in der Praxis schwierig sein kann.

Ein anderer Grund ist die hohe bürokratische Hürde für klinische Studien. Eine Kontrolle von medizinischen Studien wurde notwendig, da in der Forschung menschenverachtende Experimente durchgeführt wurden. Doch die heutigen Regeln für Patientenstudien schiessen über das Ziel hinaus. Studien, auch bei unkritischen, zugelassenen Behandlungen sind teuer oder praktisch gar nicht durchführbar.

Abbau von bürokratischen Hürden

Das folgende Beispiel könnte nicht anschaulicher sein: Dreizehn Hausärzte wollen die Bioverfügbarkeit von zugeführtem Vitamin-D testen. Sie machen einen Selbstversuch, stellen die Resultate vor und werden gebüsst. Sie hatten nicht die richtigen Bewilligungen. Sie hätten den Versuch nicht durchführen dürfen.12

Die geltenden Regeln führen nicht dazu, dass geplante Versuche besser durchgeführt werden, sondern, dass die Versuche überhaupt nicht durchgeführt werden.

Kein Wissenszuwachs. Kein Abbau der Unsicherheit. Kein Fortschritt.

Die Studiendurchführung kann sich wegen den Kosten praktisch nur noch die Pharmaindustrie leisten. Und die Pharmaindustrie führt natürlich nur Studien durch, die in ihrem Interesse sind.

Es herrscht gerade zu eine paradoxe Situation. Ärzte dürfen alles verschreiben (Off-Label-Therapie) (was nicht schlecht ist). Doch wenn sie es zusätzlich testen wollen, ist es nicht mehr erlaubt (oder durch grosse bürokratische Hürden stark behindert).

Entscheidungen in der Medizin aufgrund von verlässlichen, wissenschaftlichen Daten wird als Evidenzbasierte Medizin (EBM) bezeichnet. Doch mangels Daten scheint die Evidenzbasierte Medizin auf halbem Weg stecken geblieben zu sein.

Kurz: Die Durchführung von einfachen medizinischen Tests ist zu kompliziert. Sie muss einfacher werden.

Die Forderungen sind:1

  • Pro Studie eine zuständige Ethikkommission, nicht mehr ein Dutzend Ethikkommissionen.
  • Vereinfachungen bei bereits zugelassenen Medikamenten
  • Vereinfachungen bei harmlosen Tests
  • Angebot von praxisrelevanten Kursen zur Studiendurchführung, z.B. an Ärztekongressen
  • Einfache Formulare für Studienteilnehmereinverständnis
  • Einfacher Abschluss von Studienhaftpflichtversicherungen
  • Vergünstigungen für nicht-kommerzielle Studien

Der Schutz der Studienteilnehmer soll und wird durch diese Massnahmen nicht verringert. Die Studien sollen nach wie vor überwacht werden. Die Information und Einverständnis des Patienten bleibt eine Voraussetzung.

Diese Forderungen bedeuten keinen Abbau an der wissenschaftlichen Vorgehensweise. Alle Studien sollen auch hier vorgängig registriert und anschliessend publiziert werden.

Studien zur Routine machen

Einen Schritt weiter geht die Idee von Ben Goldacre und seinen Kollegen. Bei jeder Verschreibung, wo zu wenig gesichertes Wissen vorhanden ist, soll beim Arzt auf dem Computer ein rotes Lämpchen aufleuchten und automatisch eine Studienteilnahme vorschlagen.3 Wenn es beispielsweise für die gleiche Diagnose zwei Medikamententypen gibt, aber keine Daten vorhanden sind, welcher Typ besser ist, soll der Typ zufällig gewählt werden. Der Zufall verhindert Verzerrungen (bias), dass z.B. ein Medikament zu Beginn einseitig, z.B. an die «Gesünderen», vergeben wird.

In den häufigen Krankheiten könnten wegen der grossen Anzahl Patienten die Wissenslücken in kurzer Zeit gefüllt werden.

  • Bessere Heilungen,
  • weniger Nebenwirkungen,
  • weniger unnötige Behandlungen und
  • tiefere Kosten wären die Folge.

Fazit

Es müssen mehr medizinische Studien durchgeführt werden um die Unsicherheit bei medizinischen Entscheidungen zu verkleinern. Klinische Studien müssen einfacher durchgeführt werden können.

Am besten werden medizinische Studien bei ungenügender Datenlage automatisch durchgeführt. Wir müssen pragmatischer werden. Die Verbesserung der Datenlage sollte zur Routine werden.


  1. Markus Gnädinger, Frank Bossert, Felix Eichmann, Bruno Haug, Martin Krüsi, Markus Nadig, u. a. Ceci n’est pas une étude, Schweizerische Ärztezeitung, Feb. 2013, 94(2013):261–3 

  2. Mit Vitamin D gegen die Bürokratie, Tages-Anzeiger, 18. März 2013 

  3. Staa TP, Goldacre B, Gulliford M, Cassell J, Pirmohamed M, Taweel A, Delaney B, & Smeeth L. Pragmatic randomised trials using routine electronic health records: putting them to the test, BMJ, 7. Feb. 2012 BMJ (Clinical research ed.), 344 PMID: 22315246 

Pragmatische Studien – Studien zur Routine machen

Warum gibt es noch soviel Unsicherheit bei medizinischen Entscheidungen? Warum werden nicht mehr Studien durchgeführt? Was kann dagegen getan werden?

Bei medizinischen Entscheidungen herrscht auch heute noch eine grosse Unsicherheit. Soll behandelt werden? Wenn ja, welche Behandlung ist bei einer Ausgangslage die beste?

Fundierte Entscheidungen basieren auf Wissen. Wissen basiert auf Daten. Und genau wegen den fehlenden Daten müssen medizinische Entscheidungen blind getroffen werden.

In der Medizin wird Wissen durch faire Tests gewonnen. Es ist einfach. Man vergleicht zwei Behandlungen und schaut, welche die bessere ist. Für aussagekräftige Resultate ist es wichtig, dass der Vergleich fair ist. Solche fairen Vergleiche werden als Randomisierte kontrollierte Studien (randomized controlled trials, RCT) bezeichnet.

Trotz des einfachen Prinzips der fairen Tests, werden zu wenig Vergleiche gemacht.

Ein Grund ist sicher, dass die Fairness des Vergleichs in der Praxis schwierig sein kann.

Ein anderer Grund ist die hohe bürokratische Hürde für klinische Studien. Eine Kontrolle von medizinischen Studien wurde notwendig, da in der Forschung menschenverachtende Experimente durchgeführt wurden. Doch die heutigen Regeln für Patientenstudien schiessen über das Ziel hinaus. Studien, auch bei unkritischen, zugelassenen Behandlungen sind teuer oder praktisch gar nicht durchführbar.

Abbau von bürokratischen Hürden

Das folgende Beispiel könnte nicht anschaulicher sein: Dreizehn Hausärzte wollen die Bioverfügbarkeit von zugeführtem Vitamin-D testen. Sie machen einen Selbstversuch, stellen die Resultate vor und werden gebüsst. Sie hatten nicht die richtigen Bewilligungen. Sie hätten den Versuch nicht durchführen dürfen.12

Die geltenden Regeln führen nicht dazu, dass geplante Versuche besser durchgeführt werden, sondern, dass die Versuche überhaupt nicht durchgeführt werden.

Kein Wissenszuwachs. Kein Abbau der Unsicherheit. Kein Fortschritt.

Die Studiendurchführung kann sich wegen den Kosten praktisch nur noch die Pharmaindustrie leisten. Und die Pharmaindustrie führt natürlich nur Studien durch, die in ihrem Interesse sind.

Es herrscht gerade zu eine paradoxe Situation. Ärzte dürfen alles verschreiben (Off-Label-Therapie) (was nicht schlecht ist). Doch wenn sie es zusätzlich testen wollen, ist es nicht mehr erlaubt (oder durch grosse bürokratische Hürden stark behindert).

Entscheidungen in der Medizin aufgrund von verlässlichen, wissenschaftlichen Daten wird als Evidenzbasierte Medizin (EBM) bezeichnet. Doch mangels Daten scheint die Evidenzbasierte Medizin auf halbem Weg stecken geblieben zu sein.

Kurz: Die Durchführung von einfachen medizinischen Tests ist zu kompliziert. Sie muss einfacher werden.

Die Forderungen sind:1

  • Pro Studie eine zuständige Ethikkommission, nicht mehr ein Dutzend Ethikkommissionen.
  • Vereinfachungen bei bereits zugelassenen Medikamenten
  • Vereinfachungen bei harmlosen Tests
  • Angebot von praxisrelevanten Kursen zur Studiendurchführung, z.B. an Ärztekongressen
  • Einfache Formulare für Studienteilnehmereinverständnis
  • Einfacher Abschluss von Studienhaftpflichtversicherungen
  • Vergünstigungen für nicht-kommerzielle Studien

Der Schutz der Studienteilnehmer soll und wird durch diese Massnahmen nicht verringert. Die Studien sollen nach wie vor überwacht werden. Die Information und Einverständnis des Patienten bleibt eine Voraussetzung.

Diese Forderungen bedeuten keinen Abbau an der wissenschaftlichen Vorgehensweise. Alle Studien sollen auch hier vorgängig registriert und anschliessend publiziert werden.

Studien zur Routine machen

Einen Schritt weiter geht die Idee von Ben Goldacre und seinen Kollegen. Bei jeder Verschreibung, wo zu wenig gesichertes Wissen vorhanden ist, soll beim Arzt auf dem Computer ein rotes Lämpchen aufleuchten und automatisch eine Studienteilnahme vorschlagen.3 Wenn es beispielsweise für die gleiche Diagnose zwei Medikamententypen gibt, aber keine Daten vorhanden sind, welcher Typ besser ist, soll der Typ zufällig gewählt werden. Der Zufall verhindert Verzerrungen (bias), dass z.B. ein Medikament zu Beginn einseitig, z.B. an die „Gesünderen“, vergeben wird.

In den häufigen Krankheiten könnten wegen der grossen Anzahl Patienten die Wissenslücken in kurzer Zeit gefüllt werden.

  • Bessere Heilungen,
  • weniger Nebenwirkungen,
  • weniger unnötige Behandlungen und
  • tiefere Kosten wären die Folge.

Fazit

Es müssen mehr medizinische Studien durchgeführt werden um die Unsicherheit bei medizinischen Entscheidungen zu verkleinern. Klinische Studien müssen einfacher durchgeführt werden können.

Am besten werden medizinische Studien bei ungenügender Datenlage automatisch durchgeführt. Wir müssen pragmatischer werden. Die Verbesserung der Datenlage sollte zur Routine werden.


  1. Markus Gnädinger, Frank Bossert, Felix Eichmann, Bruno Haug, Martin Krüsi, Markus Nadig, u. a. Ceci n’est pas une étude, Schweizerische Ärztezeitung, Feb. 2013, 94(2013):261–3 

  2. Mit Vitamin D gegen die Bürokratie, Tages-Anzeiger, 18. März 2013 

  3. Staa TP, Goldacre B, Gulliford M, Cassell J, Pirmohamed M, Taweel A, Delaney B, & Smeeth L. Pragmatic randomised trials using routine electronic health records: putting them to the test, BMJ, 7. Feb. 2012 BMJ (Clinical research ed.), 344 PMID: 22315246 

Abstimmung 22. Sept: Epidemiengesetz und Arbeitsgesetz (Tankstellenshops)

Am 22. September stehen in der Schweiz zwei Volksabstimmungen mit Bezug zur Gesundheit an.

Was soll am 22. September zum Epidemiengesetz und Arbeitsgesetz (Tankstellenshops) gestimmt werden?

Abstimmung

Revision des Epidemiengesetzes

Das Epidemiengesetz dient dazu, übertragbare Krankheiten zu erkennen, zu verhüten und zu bekämpfen. Bundesrat und Parlament haben das Gesetz überarbeitet und aktualisiert, um die Bevölkerung besser vor gesundheitlichen Bedrohungen zu schützen.

Das aktuell gültige Epidemiengesetz wurde 1970 in Kraft gesetzt. Vor 40 Jahren war die Welt weniger vernetzt. Das Risiko einer raschen Verbreitung von Infektionskrankheiten über den dichten Flugverkehr und die Warentransporten wurde erheblich grösser. Eine weltweite Zusammenarbeit bei der Bekämpfung könnte notwendig sein.

Die Nein-Kampagne spricht diffuse Ängste an. Beispielsweise wird vom Impfzwang gesprochen. Das Gesetz enthält ein Impfobligatorium. Das Obligatorium ist nichts Neues, es ist bereits im alten Gesetz von 1970 enthalten (und würde weiterhin bestehen).

So kann in sensiblen Bereichen von Spitälern (z. B. Neugeborenen- oder Krebsabteilungen) ein Impfobligatorium beim Personal angezeigt sein, um Patientinnen und Patienten vor gefährlichen Infektionskrankheiten zu schützen. Entscheidet sich eine Person gegen eine Impfung, so kann dies bedeuten, dass sie als nichtgeimpfte Person in sensiblen Spitalbereichen nicht eingesetzt werden kann.

Die Skeptiker gehen in einem Blogartikel auf die verschiedenen Argumente der Gegner des Epidemiengesetzes ein.

Von Impfungen profitieren nicht nur die geimpften Personen, sondern bei einer ausreichenden Impfrate, auch die nicht geimpften Personen. Viel weniger Leute können die Viren weiterverbreiten. Gerade behinderte Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, könnten davon profitieren.

Das Gesetz ist für Notlagen entworfen. In Notlagen ist man froh, wenn die Kompetenzen und Mittel geregelt sind. Was klar ist, dass ein Impfobligatorium eine starkes Mittel ist und den Behörden viel Macht gibt. Es bedarf eines behutsamen Umgangs damit. Bis jetzt wurde in der Schweiz noch kein Impfobligatorium ausgesprochen.

Im Gesetz selbst, wird automatisch von der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit von Impfungen und Medikamenten ausgegangen. Das ist aber keineswegs garantiert. Die Wirkung von Roche’s Tamiflu ist beispielsweise umstritten, trotz Milliardenkäufen der Staaten. Vor einem Einsatz muss die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit rigoros und nachvollziehbar überprüft werden, beispielsweise müssen Impfungen einen sicheren Schutz bieten und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen haben. Das muss aber für alle Medikamente und Impfungen gelten, ob vom Staat empfohlen oder obligatorisch erklärt, vom Hausarzt verschrieben oder selbst in der Apotheke gekauft. Wirksamkeit und Zweckmässigkeit sind unerlässlich. Diese Prinzipien müssen an anderer Stelle, für alle Medikamente geregelt sein und durchgesetzt werden. Heutzutage ist dies leider mit dem gültigen Heilmittelgesetz (HMG) noch nicht der Fall. Die Pharmaindustrie kann nach wie vor Studienresultate verheimlichen und beispielsweise nur die «positiven Studien» veröffentlichen.

Die Verschiebung von Kompetenzen von kantonaler auf die nationale Ebene bedeutet eine Zentralisierung. In einer Krisensituation können so schnell landesweite Massnahmen ergriffen werden. Effizientere (zentrale) Strukturen sind aber häufig auch anfälliger. Es genügt, wenn eine Behörde beeinflusst wird. Es ist daher auf eine strikte Unabhängigkeit des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu achten. Interessenkonflikte von Experten müssen sauber gehandhabt und möglichst vermieden werden.

Fazit

Das Epidemiengesetz gibt den Behörden einige Macht in die Hand, die in Notlagen notwendig sein könnte. Die Wirksamkeit und Zweckmässigkeit muss im Heilmittelgesetz besser verankert werden.

Ich stimme JA zu Epidemiengesetz.

Änderung des Arbeitsgesetzes zur Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops

Das Arbeitsgesetz soll so angepasst werden, damit Tankstellenshops auf Autobahnraststätten und an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr neu rund um die Uhr Personal beschäftigen dürfen.

Das Abdecken gewisser Produkte in der Nacht ist sicher bizarr. Diese konkrete Gesetzesänderung ist nicht dramatisch.

Das Gesetz bedeutet aber einen weiteren Schritt zur 24-Stunden-Gesellschaft. Der Tag und Nacht verschwinden. Eine ruhelose Gesellschaft. Nichtschlafen ist tödlich. Chronisch zu wenig Schlaf macht krank.

Ich stimme deshalb NEIN zur Änderung des Arbeitsgesetzes zur Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops.

Schlussbemerkung

Bildet euch eine Meinung! Geht Abstimmen!

Abstimmungsresultate Neu!

  • 60% sagen JA zum neuen Epidemiengesetz.
  • 56% sagen JA zum 24h-Betrieb in Tankstellenshops.

Quelle: Tagesanzeiger, 22.09.2013

Karikatur: Dr. COI behandelt im besten Interesse

In welchem Interesse handeln gesponserte Ärzte und Forscher? In jenem der Pharma, der Patienten oder der eigenen?

Bilder sprechen mehr als tausend Worte. Meine erste Karikatur:

Dr. COI behandelt im besten Interesse.Dr. COI (be)handelt im besten Interesse. COI = Conflict of interest = Interessenkonflikt | CC BY-SA Patientensicht.ch

Inspiriert von den Karikaturen von Widmer (WOZ) und Burki (24 heures) wollte ich es selbst einmal probieren.

Da die Arme etwas klein geraten sind, hier ein Ausschnitt mit den Armen:

Dr. COI Ausschnitt mit den ArmenDr. COI Ausschnitt mit den Armen. | CC BY-SA Patientensicht.ch

Im Sport werden die Sponsoren offen und stolz aufs Trikot oder den Rennanzug aufgetragen, z.B. auf dem Trikot von Rennvelofahrer Fabian Cancellara oder dem Rennanzug von Töfffahrer Tom Lüthi. Das Sponsoring ist wahrscheinlich in der Medizin ungleich grösser als im Sport, beispielsweise gibt Novartis jährlich rund 15 Mrd. Dollar für das Marketing aus (unglaubliche 50% mehr als für die Forschung). Doch die Mediziner tragen alle ihre weissen Kittel. Die Sponsoren werden möglichst versteckt und verheimlicht. Von Transparenz gegenüber den Patienten keine Spur. Das sollte nicht sein.

Interessenkonflikte (conflict of interests, COI) entstehen, wenn eine Person neben der Hauptaufgabe, in weitere Aktivitäten involviert ist. Beispielsweise wenn Mediziner auf gesponserten Kongressen weitergebildet werden oder Geschenke erhalten. Insbesondere häufig treten Interessenkonflikte in der akademischen Medizin auf, da viele Studien von der Pharmaindustrie gesponsert sind. Beispielsweise wenn Professoren klinische Studien für die Marktzulassung von Medikamenten der Pharmaindustrie durchführen. Das Heimtückische ist, dass sich Interessenkonflikte subtil und unbewusst auswirken.

[Aktualisierung 19.09.2013: Interview mit Tagesanzeiger-Karikaturist Felix Schaad, Tagesgespräch SRF 19.09.2013. Zu Beginn macht er 5cm² Zeichnungen zum Herantasten.]

Ankündigung: Informationsveranstaltung zu Open Access an Uni Bern, 17. Sept.

Am Dienstag 17. September 2013 findet an der Universität Bern eine Informationsveranstaltung zu Open Access statt.

In einem ersten Teil präsentieren sich die zwei Schweizerischer Wissenschaftsverlage Karger und MDPI.

Danach gibt es eine Podiumsdiskussion. Ich bin für die Podiumsdiskussion eingeladen worden. Die weiteren Teilnehmer sind

Moderiert wird die Diskussion von Christian Gutknecht von der Universitätsbibliothek Bern.

Organisiert wird die Veranstaltung von der Interessengruppe Wissenschaftliche BibliothekarInnen Schweiz (IG WBS).

Die Veranstaltung ist kostenlos. Zur Teilnahme ist eine Anmeldung nötig.

Ich freue mich auf den Anlass.

Teilnahme an Studien: Notwendigkeit und Bedingungen

Soll an klinischen Studien teilgenommen werden? Was muss bei einer Studienteilnahme beachtet werden?

Klinische Studien sind das Herzstück der medizinischen Forschung. Studien liefern die praktische Erfahrung, hochgestochen ausgedrückt, die empirische Evidenz für eine Behandlung. Denn Behandlungen und Theorien mögen auf dem Papier hervorragend aussehen, doch sie müssen auch in der Realität funktionieren. Beispielsweise die Argumente des Aderlassens mögen plausibel und hilfreich tönen, doch in Tests wurden die Theorien nicht bestätigt.

Unsicherheiten über Behandlungen können durch Studien geklärt werden. Ist die Behandlung A oder B besser? Und bei Alten Leuten?

Die Teilnahme an klinischen Studien ist wichtig! Studien bringen die Wissenschaft voran. Es ist geradezu eine Bürgerpflicht an Studien teilzunehmen.

Damit Studien effektiv sind, müssen aber wissenschaftliche und ethische Kriterien erfüllt sein. Eine Überprüfung können und müssen die Studienteilnehmer machen. Auch in ihrem eigenen Interesse.

Welcher Studienteilnehmer will schon, dass beispielsweise seine durchgeführte Studie nach Abschluss einfach in der Schublade verschwindet? Also, ohne den geringsten Beitrag zur Wissenschaft. Das ist leider kein hirnrissiges Beispiel, sondern traurige Realität. Denn die Hälfte aller Studien wurden und werden noch immer nicht veröffentlicht. Sie verschwinden einfach. Die Antwort auf die Unsicherheit ist da, aber womöglich passte sie dem Auftraggeber nicht. Oder es ist schlicht Faulheit des Forschers, wenn die Resultate vermeintlich für die Karriere zu wenig nützlich sind.

Eine Studie muss relevant sein. Die Forschungsfrage muss noch offen sein und nicht bereits geklärt. Nur so leistet eine Studie einen nützlichen Beitrag.

Im Leben gibt es Fragen über Fragen. Die Zeit reicht nie um alle zu beantworten. Wichtige Fragen müssen deshalb zuerst untersucht werden. Forschungsfragen müssen für Studienteilnehmer nachvollziehbar und für die Patienten nützlich sein. Studien ohne praktische Relevanz, beispielsweise nur zu Marketingzwecken, sind pure Verschwendung.

Vor einer Studienteilnahme sollten deshalb unbedingt folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Das Studienprotokoll muss ordentlich in einem öffentlich zugänglichen Studienregister eingetragen sein.
  2. Das Studienprotokoll muss Bezug auf systematische Übersichtsarbeiten bereits vorhandenen Wissens (systematic reviews of existing evidence) nehmen, die zeigen, dass diese Studie notwendig ist.
  3. Eine schriftliche Garantie bekommen, die sagt, dass alle Studienresultate nach Abschluss veröffentlicht werden und alle Studienteilnehmer die Studie erhalten werden, wenn sie es wünschen.
  4. Im Falle von Pharmastudien, eine schriftliche Garantie vom Pharmaunternehmen bekommen, dass (a) das finanzielle Risiko durch unerwünschte Nebenwirkungen übernommen wird und (b) insbesondere die Beweispflicht nicht beim Patienten liegt, sondern ein Zusammenhang vom Studienorganisator ausgeschlossen werden muss (Beweisumkehr).1

Beim dritten Punkt, wäre es noch besser, wenn die Veröffentlichung der Studienresultate für alle frei verfügbar ist, also Open Access ist.

Um es für Studienteilnehmer einfach zu machen, habe ich die obigen Bedingungen in Fragen umgewandelt, die eins-zu-eins vor Studienbeginn gefragt werden können:

  1. In welchem Studienregister ist diese Studie eingetragen? (wie dies von der Wissenschaft gefordert ist)
  2. Was ist der Stand des bereits vorhandenen Wissens? Was ist die Aussage der systematischen Cochrane Übersichtsarbeiten?
  3. Können sie mir die schriftliche Bestätigung geben, dass alle Studienresultate nach Abschluss veröffentlicht werden und ich den fertigen Forschungsartikel erhalten werde.
  4. Können sie mir die verbindliche Bestätigung der Leitung geben, dass ich (a) im Falle von finanziellen Schäden in Folge der Studie, z.B. Invalidität, entschädigt und (b) eine Zusammenhang plausibel begründen, nicht jedoch formal juristisch beweisen muss (Beweisumkehr).

Falls man keine Garantien für den 4. Punkte erhält und trotzdem bzw. unbedingt an der Studie teilnehmen will, sollte man sich selbst genügend finanziell, z.B. in Form einer Rechtsschutzversicherung, absichern.

Fazit

Die Teilnahme an klinischen Studien ist wichtig. Die Voraussetzungen für gute Forschung müssen aber erfüllt sein und das finanzielle Risiko der Patienten in Folge der Studie muss vom Organisator getragen werden. Jeder Studienteilnehmer sollte diese vier Punkte – in seinem Interesse – sicherstellen. Die oben formulierten, einfachen Fragen machen die Überprüfung der minimalen Studienvoraussetzungen einfach.

Referenzen

Dieser Artikel baut auf der Folie (Position 20:00) des Vortrages von Iain Chalmers auf. Sir Dr. Iain Chalmers ist Gründer der Cochrane Collaboration und Koordinator der James Lind Initiative.

Offenlegung

Ich habe bisher an zwei Studien teilgenommen, einer psychologischen und einer zur Blutuntersuchung. Die Studienresultate der zweiten kenne ich noch nicht und muss dieser einmal nachgehen.

Überarbeitung

[Aktualisierung 24.08.2013: Das finanzielle Risiko als 4. Punkt aufgenommen. Als Studienteilnehmer ist das ein sehr relevanter Punkt. Er wurde im Kommentar unten angeregt. In der Schweiz ist es leider so, dass die Beweispflicht beim Patienten/Studienteilnehmer liegt und ein solcher formal juristischer Beweis praktisch unmöglich ist, wie der Beobachter in seinem Artikel dargestellt hat.1]

[Aktualisierung 12.10.2013: Interview mit Margit Kessler zu Studienteilnahmen: «Ich empfehle jedem Teilnehmer, eine Versicherung abzuschliessen», Tages-Anzeiger, 12. Okt. 2013]

[Aktualisierung 22.10.2013: Die Deklaration von Helsinki wurde soeben überarbeitet. Die Deklaration von Helsinki (DoH): Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subjects wird von der World Medical Association (WMA), dem Weltärztebund erlassen. Die Deklaration von Helsinki regelt die medizinische Forschung mit Menschen. Ich habe einen Artikel geschrieben, der die alte und die neue Version vergleicht.]


  1. Hostettler O, Klinische Versuche: Tests mit Nebenwirkungen. Beobachter, 28. Jan. 2013; Nr 2. 

Behinderung und Technologie: Quadrocopter

Wie kann Technologie im Alltag helfen? Was sind neue Entwicklungen?

Technologie kann Aufgaben von behinderten Personen übernehmen, die sie selbst nicht mehr selbst ausführen können. Ein Rollstuhl ermöglicht beispielsweise die selbständige Fortbewegung bei gehbehinderten Personen. Ein Rollstuhl mit Motor erweitert den Radius.

Mit den vielfältigen Sensoren wie Beschleunigungs- und Positionsmessern, die wir von den Smartphones kennen und der grossen Rechenkapazität in kleinen Geräten werden autonome Systeme entstehen. Die technologische Entwicklung wird neue Anwendungen ermöglichen.

An der ETH Zürich wird die autonome Regelung von Quadrocoptern erforscht und entwickelt. Quadrocopter sind kleine Fluggeräte mit vier Rotoren. Die Quadrocopter der ETH können schon einiges. Beispielsweise können sie ein Stab balancieren. Und ihn sich sogar einander zuwerfen.

Eine, wenn auch noch rudimentäre, Kontrolle mit Handzeichen ist möglich.

Könnte man sich nicht vorstellen diese kleinen Helfer im Haushalt zu haben? Sie könnten beispielsweise Dinge holen und bringen. Wäre das nicht praktisch, wenn jemand gehbehindert oder krank ist?1

Die Forschung an der ETH findet unter der Leitung von Professor Raffaello D’Andrea statt. Die ETH hat dazu eigens eine Flughalle, die sogenannte Flying Machine Arena eingerichtet

Es ist wie mit aller Technologie. Sie kann für Gutes eingesetzt werden, es kann damit aber auch viel Unfug getrieben werden.

Jetzt ist es noch in der Forschung bei der ETH. Womöglich bald schon werden die Quadrocopter in unserem Alltag sein.

Fazit

Je mehr die Maschinen können, desto mehr können sie den Menschen auch helfen. Davon werden auch Behinderte profitieren.


  1. Mir kam diese Idee, während dem ich mit Fieber im Bett lag und meinen Thermoskrug mit Tee aus der Küche wollte. Liesse sich diese Idee nicht patentieren?