Bekannte frühere Führungspersonen der MS-Gesellschaft

Welche bekannten Personen haben die MS-Gesellschaft früher geleitet?

Die MS-Gesellschaft wurde in früheren Jahren von heute bekannten Persönlichkeiten geleitet.

Name MS-Gesellschafts-Funktion Jahre Bekannt als
Pascal Couchepin Präsident des Vorstandes 1997 – 1999 Bundesrat (Gesundheitsminister) 1998 – 2009
Dick Marty Präsident des Vorstandes 2004 – 2005 Ständerat TI 1995 – 2011, Aufdecker von CIA-Gefängnissen in Europa als Europaratsabgeordneter
Jürg Kesselring Präsident des Vorstandes 2005 ­– 2012 Bekannter Neurologe, «Mr. MS» der Schweiz, Mitglied des IKRK seit 2011
Hans-Peter Fricker Direktor 1995 ­– 2004 Langjähriger Geschäftsführer des WWF Schweiz

Quelle: Handelsregister des Kantons Zürich1

Die bekannten Politiker waren nur kurz in der MS-Gesellschaft tätig.

Handelsregister

Das Handelsregister erfasst Informationen zur Führungsstruktur von Gesellschaften. Man sieht wer eine Gesellschaft rechtlich vertreten darf, z.B. Verträge abschliessen. Das Handelsregister ist Pflicht für Aktiengesellschaften und Stiftungen. Für Vereine ist ein Eintrag ins Handelsregister ab einer gewissen Grösse vorgeschrieben. Die kantonalen Handelsregister sind öffentlich zugänglich. Gesamtschweizerische Suchanfragen können auf zefix.ch des Bundesamtes für Justiz gemacht werden.

Fazit

Die MS-Gesellschaft ist mit ihren rund 15‘000 Mitgliedern und 50 Angestellten als Betroffenenorganisation ein grosser Verein. Verglichen mit anderen Organisationen hat die MS-Gesellschaft eine mittlere Grösse. Gesammelte Erfahrungen können in «grösseren Aufgaben» eingesetzt werden.

Die MS-Gesellschaft verfügte über – heutzutage – sehr bekannte Persönlichkeiten.

Nachtrag

Wie mir mein Tischnachbar an der MV 2013 in Luzern sagte, gab es die ungeschriebene Regel, dass der Präsident der MS-Gesellschaft FDP-Mitglied sein musste.


  1. Der Wechsel in der Geschäftsleitung ist nachgeführt. Die im Sommer 2012 neu gewählten Mitglieder des Vorstandes (Rebecca Spirig und Gilles de Weck) werden im Handelsregister noch nicht angezeigt. Ich kann mir diese Verzögerung beim Vorstand nicht erklären. 

Irving Kirsch: Moderne Antidepressiva sind «Super-Placebos»

Wie gut wirken moderne SSRI, SNRI oder NARI Antidepressiva? Was ist der Wirkmechanismus dieser Antidepressiva? Was sagen Studien? Wer ist Irving Kirsch? Worauf stützt sich die These von Irving Kirsch? Was sind Placebos? Was ist der Placebo-Effekt? Warum wirken Placebos?

Irving Kirsch ist ein britischer Psychologie-Professor an der Harvard Medical School. Zu seinen Forschungsgebieten gehört der Placeboeffekt.

Placebos sind Medikamente ohne Wirkstoff. Scheinmedikamente. Auf englisch werden Placebos häufig als Sugar Pills, also als Zuckerpillen bezeichnet. Das erstaunliche ist nun, dass diese Placebos trotzdem wirken können. Schmerzen werden gelindert und Beschwerden verschwinden. Solche Effekte können erstaunlicherweise physiologisch gemessen werden, z.B. werden die selben Hirnregionen wie bei den «richtigen Medikamenten» aktiviert. Das Interesse am Placebo-Effekt ist in den letzten Jahren erwacht. Wann wirken Placebos? Warum wirken Placebos?

Alle neuen Medikamente müssen zur Zulassung mit Placebos verglichen werden. Sie müssen beweisen, dass der eingesetzte Wirkstoff wirksam ist. Das neue Medikament muss besser wirken als ein Scheinmedikament. Irving Kirsch begann für seine Placeboforschung die Placbogruppen der wissenschaftlichen Literatur der Antidepressiva zu analysieren. Konkret machte er eine Metaanalyse. Er fasste die Daten vieler Studien in einer Metaanalyse1 zusammen.

Bei seiner Recherche fand er, dass Placebos annähernd so gut wirkten wie die Antidepressiva. Er war irritiert, da er die Medikamente vom Pharmamarketing als hochwirksame Medikamente kennenlernte. Er bekam vielfältige Reaktionen: Grosse Ablehnung seiner Methode wie grosse Unterstützung.

Bei der Analyse wurde klar, dass noch mehr Daten vorhanden sein mussten.

Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA verlangt von den Pharmafirmen alle Studienrohdaten vor der Zulassung, damit sie eigene Analysen durchführen kann. Bei der FDA mussten also noch mehr Studiendaten vorhanden sein.

Wie ist es möglich an die zusätzlichen Studiendaten zu kommen?

Ganz einfach, jeder US Bürger kann Einsicht in Behördendaten verlangen. Die USA haben nämlich seit den 70er Jahren ein Open Data-Gesetz, den Freedom of Information Act. Denn es gilt der einfache Grundsatz: Die Regierung und die Behörden der USA sind für ihre Bürger da. So sollen die Bürger auch die Daten ihrer Behörden einsehen können. (In der Schweiz gibt es übrigens seit 2006 das Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) mit der gleichen Funktion.) Ein Forscher aus den USA verlangte Einsicht in die Studiendaten der Antidepressiva der FDA.

Siehe da. Viele Studien wurden gar nicht veröffentlicht. Und dies sind vor allem Studien, die «negative Resultate» zeigten. Die vorhandene wissenschaftliche Literatur war stark irreführend. Schlechte Studien wurden nicht veröffentlicht und gute im Gegenzug mehrfach (publication bias).2

Interessanterweise waren die verheimlichten Studien und die mehrheitlich schlechten Studien nichts völlig neues. Experten aus diesem Forschungszweig war dies bekannt. Nur wurden diese Informationen den «normalen Ärzten» und den Patienten vorenthalten!

Irving Kirsch wiederholte mit den neuen FDA-Studiendaten seine Metaanalyse34. Der Unterschied zwischen Placebos und den Antidepressivas wurde noch kleiner. Zwischen den Antidepressiva und den Placebos gab es einen kleinen, im klinischen Krankheitsalltag kaum feststellbaren Unterschied.

Irving Kirsch fragte sich, was den kleinen Unterschied zwischen den Antidepressivas und den Placebos ausmachen könnte. Er prüfte verschiedene Thesen. Schliesslich konnte er es sich nur erklären, dass Antidepressivas «Super-Placebos» sind. Placebos sind nämlich nicht gleich Placebos. Zweimal täglich ein Scheinmedikament wirkt besser als eines. Und eine Placebospritze wirkt besser als zwei tägliche Scheinmedikamente. Seine Erklärung ist, dass während den Studien die Probanden merkten, ob sie das aktive Medikament mit dem chemischen Wirkstoff oder das Scheinmedikament ohne Wirkstoff erhielten. Jene mit dem aktiven Wirkstoff litten nämlich unter Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Magenbeschwerden, die anderen nicht. Es scheint folgender (unbewusste) Ablauf vorhanden zu sein: Wow, ich habe den aktiven Wirkstoff und mir wird es sicher bald besser gehen. Die Probanden scheinen davon ausgegangen zu sein, dass der Wirkstoff nützt. Diese könnten deshalb einen stärkeren Placeboeffekt entwickelt haben.

Die These von Irving Kirsch, dass Antidepressiva einfach Super-Placebos sind, wird gestützt durch andere Studien. Antidepressiva wurden auch mit Medikamenten aus anderen Bereichen der Medizin, z.B. Medikamenten gegen Magenbeschwerden, verglichen. Das sind also Scheinmedikamente gegen die Depression, aber aktive Medikamente gegen z.B. Magenbeschwerden. Es sind also aktive Placebos. Die aktiven Placebos können auch Nebenwirkungen verursachen. Die aktiven Placebos waren gleich wirksam wie Antidepressivas selbst! Der Unterschied scheint auf dem vorhanden sein von Nebenwirkungen zu beruhen. Zudem ist der Effekt der Antidepressiva nicht Dosis-abhängig, im Gegensatz zu deren Nebenwirkungen.

Die modernen SSRI, SNRI oder NARI Antidepressiva basieren auf der Hypothese, dass die Depression durch einen Mangel am Hirnbotenstoff Serotonin (umgangssprachlich auch Glückshormon bezeichnet) ausgelöst wird (chemical imbalance theorie). Die Theorie: Sorgt man dafür, dass genug Serotonin vorhanden ist, wird das Problem der Depression behoben. Die Theorie tönt auf den ersten Blick einleuchtend und gut. Doch diese in den 50er Jahren entwickelte Theorie ist wohl viel zu simpel, um eine so komplexe Krankheit wie die Depression zu erklären.

Zusammenfassung

  • Die Wirkung der Antidepressivas kommt nicht vom enthaltenen Wirkstoff. Die modernen Antidepressivas sind nichts anderes als Placebos.
  • «Negative Studien» werden verheimlicht.
  • «Positive Studien» wurden mehrfach veröffentlicht.
  • «Mittelmässige Studien» wurden geschönt und als «positive» dargestellt.
  • Eine riesige Marketingmaschinerie, die bis zur Korruption reichte, wurde für die Antidepressivas in Gang gesetzt.

Referenzen

Dieser Artikel basiert auf dem Buch von Irving Kirsch «The emperor’s new drugs»5.

Interessent ist ebenfalls die CBS-Fernsehsendung6 und das Interview7 von Irving Kirsch. Empfehlenswert ist der deutschsprachige Artikel «Des Kaisers neue Drogen»8.


  1. Forschungsartikel: Listening to Prozac but hearing placebo: A meta-analysis of antidepressant medication, Kirsch I, Sapirstein G. , Prevention & Treatment; Prevention & Treatment, 1998, 1(2):2a 

  2. Es ist ein Skandal, dass Studiendaten selektiv veröffentlicht werden. Das wissenschaftliche Prinzip wird komplett unterlaufen. Wissenschaft wird verunmöglicht. Anfang 2013 wurde deshalb die AllTrials-Initiative von Ben Goldacre gestartet, die eine vollständige Veröffentlichung von medizinischen Studien zum Ziel hat. Jetzt die AllTrials-Petition unterschreiben! 

  3. Forschungsartikel: The emperor’s new drugs: An analysis of antidepressant medication data submitted to the U.S. Food and Drug Administration, Kirsch I u.a, Prevention & Treatment, 2002, 5(1) 

  4. Forschungsartikel: Initial Severity and Antidepressant Benefits: A Meta-Analysis of Data Submitted to the Food and Drug Administration, Kirsch I u.a. , PLoS Med, 26. Feb. 2008, 5(2):e45, doi:10.1371/journal.pmed.0050045 

  5. Buch: The Emperor’s New Drugs: Exploding the Antidepressant Myth, Irving Kirsch, Vintage Digital, 2009 

  6. Fernsehsendung: Treating Depression: Is there a placebo effect?, CBSNews.com, 19. Feb. 2012, Direktlink CBS 

  7. Interview: Do Antidepressants Work? Interview With Irving Kirsch, AARP Bulletin, 2010 

  8. Deutschsprachiger Artikel: Des Kaisers neue Drogen, Der Freitag, 19. Dez. 2009 

Novartis und Roche veröffentlichen Studiendaten #AllTrials [akt.]

Novartis und Roche werden wie bereits GlaxoSmithKline (GSK) die Rohdaten vergangener und zukünftiger Studien veröffentlichen und die AllTrials Initiative unterstützen.

Nachdem Roche wegen zurückbehaltender Studiendaten von Tamiflu® anhaltend kritisiert wurde, überdachte Roche seine Position und entschied sich die Studienrohdaten von Tamiflu® öffentlich zur Verfügung zu stellen. Die systematische Auswertung von 2009, welche Cochrane aufgrund fehlender Daten abgebrochen hatte, wird wieder aufgenommen und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Wirksamkeit und die Nützlichkeit von Tamiflu® feststellen, denn die Staatengemeinschaft hat in der Zwischenzeit zur Linderung der Vogel- und Schweinegrippe (H5N1) Milliarden von Dollar für Tamiflu® ausgegeben. Staaten irren sich selten.

Doch Roche veröffentlicht nicht nur die Tamiflu® Studiendaten, sondern die Rohdaten sämtlicher seit den 80er Jahren zugelassenen Medikamente. Roche sieht den Nachprüfungen unabhängiger Forschern gelassen entgegen, denn die Wirksamkeit dieser Medikamente wurde bereits durch die Zulassungsbehörden staatlich festgestellt.

Novartis kann es nicht zulassen, dass die kleinere Roche ihr zuvorkommt und stellt die Studienrohdaten in einem noch ehrgeizigeren Plan bis Ende Jahr ebenfalls vollständig der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Der AllTrials-Initiant und Bad Pharma Autor Ben Goldacre äusserte seine Verwunderung, dass die langsamen Schweizer Pharmariesen den wendigen amerikanischen Pharmamultis Merck, Pfizer (Viagra®) und Johnson & Johnson noch zuvorgekommen sind. Die Schweizer liessen sich nur von GlaxoSmithKline (GSK) schlagen.

Thomas Cueni vom Branchenverband Interpharma meint: «Es war höchste Zeit, dass Roche und Novartis die Studienrohdaten öffentlich zugänglich machen. Das Image von Roche und Novartis litt, trotz guter Börsenperformance und hohen Löhnen für seine Angestellten, insbesondere im Top-Management, in der Öffentlichkeit. Meine Arbeit als Lobbyist im Bundeshaus wird einfacher werden.»

April, April! Die Freigabe der Studiendaten von Roche und Novartis ist leider meine Erfindung. Es wäre zu schön.
Staaten irren sich selten. Wer’s glaubt!
Im Internet steht viel geschrieben. Jeder kann schreiben was er will. Am 1. April nehme auch ich mir alle Freiheiten. Das schärft den kritischen Blick.
Die Informationen in den übrigen Artikeln hinterlege ich jeweils mit einer oder mehreren Quellen und sind somit von jedermann nachprüfbar.
Damit die Freigabe der Studienrohdaten von Roche und Novartis das nächste Mal nicht mehr als Aprilscherz verkündet wird, jetzt die AllTrials-Initiative unterstützen und unterschreiben.

Evidenzbasierte Medizin (EBM) und Cochrane [akt.]

Was ist evidenzbasierte Medizin? Warum ist evidenzbasierte Medizin wichtig? Was ist Cochrane? Funktioniert evidenzbasierte Medizin?

Evidenzbasierte Medizin (EBM)

Evidenzbasierte Medizin (EBM) bezeichnet eine Medizin, die auf Fakten basiert. Medizinische Entscheidungen sollen sich am besten vorhandenen Wissen orientieren. Es ist nichts anderes als eine wissenschaftlich fundierte Medizin.

War das nicht schon immer so? Was ist daran neu?

Seit langem wird die Medizin an Universitäten gelehrt. Ist da nicht automatisch Wissenschaft drin? Nehmen wir das Beispiel des Aderlasses, lange der häufigste angewendete medizinische Eingriff. Die Doktoren hatten ein Säfte-Modell des Menschen im Kopf. Dort machte ein Aderlass Sinn. Doch wäre es irgend jemand in den Sinn gekommen dies nachzuprüfen, ob es überhaupt hilft? Leute, mit und ohne Aderlass, zu vergleichen? Nach über 200 Jahren wurde dies dann endlich gemacht und siehe da, der Aderlass schadete sogar.

Nicht die Theorie zählt, sondern das Resultat. Um Resultate vergleichen zu können, müssen diese gemessen werden. Da bei Resultaten immer auch der Zufall mitspielen kann, genügt eine Messung nicht, sondern man macht mehrere Wiederholungen. Und über die verschiedenen Resultate lassen sich dann statistisch auswerten. Dies tönt jetzt vielleicht einfach. Doch Messungen können aufwendig sein, man denke z.B. die Messung einer Depression. Es müssen auch genügend Versuchspersonen mitmachen. Kurz, Messungen können aufwändig sein. Kleinere Studien sind einfacher. Aus diesem Grund gibt es auch mehr kleinere Studien.

Die statistische Aussagekraft kleinerer Studien ist oft beschränkt. Man kann keine eindeutigen Schlüsse ziehen.

Doch warum nicht die vielen kleinen Studien zu einer grossen zusammennehmen? Wenn die Daten der kleinen Studien vorhanden sind, ist dies möglich. Es können alle Studien, ob gross oder klein gesucht werden und daraus kann eine sogenannte Metaanalyse erstellt werden. Genau, das macht die Cochrane Collaboration.

Cochrane Collaboration

Die Wissenschaftler von Cochrane machen systematische Übersichtsarbeiten und fassen diese statistisch zu einer Metaanalyse zusammen. Übersichtsarbeiten (Reviews) wurden schon lange erstellt, aber nicht systematisch. Forscher nahmen beispielsweise jene Studien, die ihre Thesen unterstützen. Cochrane hat sich darauf spezialisiert, alle vorhandenen Studien systematisch mit festgelegten und nachvollziehbaren Kriterien zusammenzuziehen und auszuwerten. Sie haben «Werkzeuge» (Methoden) geschaffen und wenden diese an.

Die Cochrane Collaboration wurde 1993 von Iain Chalmers mit weiteren in England gegründet. Der Name Cochrane wurde in Andenken an den Arzt und Epidemiologen Archie Cochrane (1909 – 1988) gewählt, einer der Begründer der evidenzbasierten Medizin. Die Cochrane Collaboration ist eine Non-Profit-Organisation. Interessenkonflikte werden ernst genommen. Die Cochrane Collaboration ist mittlerweile eine weltweit tätige Organisation, auch mit Ablegern in der Schweiz und Deutschland.

Iain Chalmers wurde für seine Arbeit von der Queen geadelt.

Blobbogramm, das Cochrane Collaboration Logo

Cochrane Collaboration Logo© Cochrane Collaboration

Das Logo der Cochrane Collaboration zeigt ein Blobbogramm. Ein Blobbogramm ist das Resultat einer Metaanalyse. Das Logo der Cochrane Collaboration zeigt das Blobbogramm aller Studien zur Abgabe von Hormonen (Steroide) bei Frühgeborenen zum Überleben. Jede horizontale Linie steht für eine Studie. Je weiter links die Linie, desto hilfreicher sind die Hormone gemäss dieser Studie. Die zentrale, vertikale Linie ist die «Linie ohne Effekt». Wenn eine horizontale Linie die Linie ohne Effekt berührt, dann zeigt diese Studie keinen statistische signifikanten Nutzen. Je länger eine horizontale Linie, desto grösser die Unsicherheit einer Studie. Das sind die kleinen Studien. Das kleine Viereck unten zeigt den Nutzen über alle Studien zusammen. Bei diesem konkreten Beispiel ist das Viereck weit von der Linie ohne Effekt entfernt. Die Abgabe von Steroiden bei Frühgeborenen ist hilfreich. Leben von Frühgeborenen werden gerettet.

Das erstaunliche ist, dass das Blobbogramm erst 1989 erfunden wurde. Die Fakten zur Abgabe von Hormonen bei Frühgeborenen waren schon lange vorhanden, doch keiner machte Metaanalyse. Niemand wusste wie effektiv sie sind. In Folge dessen wurden selten Hormone gegeben und viele Frühgeborene verstarben unnötigerweise. Nicht weil die Daten nicht vorhanden gewesen wären, sondern nur, weil keine gesamthafte Auswertung gemacht wurde.

Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews)

Die Cochrane Collaboration stellt ihre Auswertungen als systematische Reviews zur Verfügung. Die Zusammenfassung kann jeder lesen. Dabei gibt es eine wissenschaftlich exakte Zusammenfassung und eine für Laien. Einige Zusammenfassungen gibt es auch auf deutsch. So wie sich das Wissen vergrössert, so werden die systemaischen Übersichtsarbeiten periodisch überarbeitet.

Probiert es aus!

Beispiel: Nutzen von Beta-Interferonen bei schubförmiger Multiple Sklerose

Die Zusammenfassung, Auswertung Stand 2009:

Multiple sclerosis (MS) is a chronic disease of the nervous system which affects young and middle-aged adults. Repeated damage to the myelin sheaths and other parts of the nerves can lead to serious disability. MS may be related to the immune system. Interferons have several effects on the immune system, and act against viruses. Interferons can help to reduce disability and attacks for people with multiple sclerosis, but there is not enough evidence about their usefulness in the long term. The review of trials found that interferons administered intramuscularly or subcutaneously can lead to a moderate reduction in recurrences and disability in people who have MS with remissions. Interferon-1a administered by the oral route was not effective for prevention of relapses. Side effects were usually influenza-like symptoms, injection site-reactions, pains in the joints and muscles, fatigue and headache.

Zugrunde liegende systematische Auswertung: Rice GP, Incorvaia B, Munari LM., Ebers G, Polman C, D’Amico R, Parmelli E, Filippini G. Interferon in relapsing-remitting multiple sclerosis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2001, Issue 4. Art. No.: CD002002. DOI: 10.1002/14651858.CD002002

Deutsche Übersetzung von 2007, die ich auf den Stand 2009 angepasst habe (meine Ergänzungen sind schräg hervorgehoben):

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, welche junge und mittelalte Menschen befällt. Dabei können wiederholte Schädigungen der Myelinscheiden und anderer Nerventeile zu schweren körperlichen Behinderungen führen. Möglicherweise spielt das Immunsystem bei der MS eine Rolle. Interferone wirken vielfältig auf das Immunsystem ein, und sind gegen Viren aktiv. Interferone können helfen die Behinderung und Schübe zu reduzieren, aber es gibt nicht genügend Beweise (Evidenz) zu ihrem langfristigen Nutzen. Diese Studienübersicht zeigt, dass unter die Haut oder in die Muskeln gespritzte Interferone zu einer moderaten Verringerung in der Zahl der Schübe und der Behinderungen bei Patienten mit schubweiser MS beitragen können. Oral verabreichtes Interferon-1a war nicht wirksam bei der Verhinderung von Schüben. Unerwünschte Nebenwirkungen waren Grippe-ähnliche Symptome, Hautreizungen an der Injektionsstelle, Schmerzen in Gelenken und Muskeln, Müdigkeit und Kopfschmerzen.

Kritik an Cochrane

Häufig wird die Cochrane dafür kritisiert, dass sie zu wenige Studien in ihre Metaanalysen aufnähme, dass die Aufnahmekriterien zu streng seien. Doch nur gute Qualitätskriterien garantieren qualitativ gute Metaanalysen.

Problem fehlender Daten (Publication Bias)

Die systematischen Übersichtsarbeiten liefern nur richtige Resultate, wenn die veröffentlichten Daten dem vorhandenen Wissen entsprechen. Fehlende Daten sind aktuell aber ein grosses Problem, denn «positive» Resultate werden viel häufiger veröffentlicht als «negative». Forscher berichten viel lieber über etwas, das sie gefunden haben als über nicht gefundenes. Und Herstellern kommen «positive» Resultate viel gelegener.

Beispielsweise verheimlicht Roche die Studiendaten zu Tamiflu. Seit 2009 versucht Cochrane eine Metaanalyse machen. Roche rückt die Daten nicht raus. Die Staaten haben für Milliarden Franken Tamiflu gekauft und bis heute ist nicht klar, ob Tamiflu überhaupt hilft, siehe Tamiflu Saga.

Systematische Übersichtsarbeiten fallen wegen der verzerrten Veröffentlichung in der Tendenz eher zu positiv aus.

Die All Trials Initiative fordert die systematische Publikation von durchgeführten Studien, damit die evidenzbasierte Medizin funktioniert. Alles andere entspricht einer Medizin des Mittelalters – mit Aderlässen. Unterschreibt die Petition!

Weiterführende Literatur und Quellen

Dieser Artikel ist frei nach diesen Quellen geschrieben.

Zusammenfassung

Die evidenzbasierte Medizin arbeitet mit wissenschaftlichen Prinzipien. Fakten zählen. Die traditionelle Schulmedizin wird auch salopp als Eminenzbasierte Medizin beschrieben.

Evidenzbasierte Medizin will den aktuell besten Stand zu einer medizinischen Fragestellung geben. Ein wichtiges Mittel sind systematische Übersichtsarbeiten (Systematic Reviews) und Metaanalysen.

Das Nichtveröffentlichen von durchgeführten Studien untergräbt die evidenzbasierte Medizin.

Cochrane ist ein Grundpfeiler der evidenzbasierten Medizin. Alle sollten Cochrane kennen und die Cochrane Zusammenfassungen im Patientenalltag nutzen.

Am 3. April 2013 strahlte SRF Radio 2 in der Sendung Kontext eine Reportage über Cochrane aus: Die medizinischen Besserwisser – 20 Jahre Cochrane Collaboration (27min). Das unabhängige Expertennetzwerk «Cochrane Collaboration» bewertet seit zwanzig Jahren medizinische Therapien – nicht zur Freude aller.

Reglement des Wissenschaftlichen Beirates der MS-Gesellschaft; Forschungsförderungsprozess

Was steht im Reglement des Wissenschaftlichen Beirates der MS-Gesellschaft? Wie ist der Prozess der Forschungsförderung der MS-Gesellschaft? Welche Rolle spielt der Wissenschaftliche Beirat?

Lange Zeit konnte diese Frage nicht beantwortet werden. Das Reglement des Wissenschaftlichen Beirates (WB) der MS-Gesellschaft war nicht öffentlich abrufbar. Seit Anfang Jahr ist das Reglement verfügbar.

Der Inhalt des Reglements ist, wie es für so Reglemente üblich ist, ziemlich unspektakulär. Wichtige Dokumente sind es trotzdem.

Die Statuten (Art. 8) der MS-Gesellschaft sehen die Regelung der Aufgaben und Kompetenzen des Wissenschaftliche Beirates in einem separaten Reglement vor.

Das Reglement in Kürze:

  • Zweck des WB
    • Der WB unterstützt und berät die MS-Gesellschaft in medizinischen und wissenschaftlichen Fragen und ist das Bindeglied zur medizinischen und wissenschaftlichen Welt.
  • Zusammensetzung des WB
    • Ausgewogene Verteilung von Fachleuten
    • Max. 5-köpfiger Ausschuss, inkl. Präsident und Vizepräsident
  • Ehrenamtlichkeit
  • Aufgaben des WB (Auswahl)
    • Durchführung eines MS-Kongresses
    • Selektion und Weitergabe von wichtigen Informationen für die MS-Gesellschaft
    • Mithilfe bei der Kommunikation von der MS-Gesellschaft
  • Aufgaben des Ausschusses
    • Bestimmen von Fachleuten zur Evaluation von Forschungsprojekten und Stellen von Anträgen zur Unterstützung der Gesuche an den Vorstand der MS-Gesellschaft im Rahmen des vom Vorstand beschlossenen Budgets
    • Verwertung und Kommunikation der Ergebnisse der unterstützten Forschungsprojekte
    • Vorbereitung der Geschäfte des WB
    • Bildung von Arbeitsgruppen für bestimmte Aufgaben oder Projekte
    • Qualitätskontrolle der medizinisch-wissenschaftlichen Informationsarbeit
    • Sicherstellung einer zeitnahen und kompetenten Kommunikation mit der professionellen Struktur der MS-Gesellschaft
  • Min. jährliche Sitzung

Der Ausschuss kann wie als der ständig aktive Kern angesehen werden.

Die jährliche Sitzung des WB war in der Vergangenheit am selben Tag wie der MS-Kongress (State of the Art Symposium), welcher Ende Januar stattfindet.

Bemerkenswerterweise ist das Reglement konsequent in der weiblichen Form geschrieben.

Forschungsförderung

Der Ausschuss hat eine wichtige Funktion bei der Forschungsförderung der MS-Gesellschaft.

  1. Der Ausschuss legt fest, wer die Gesuche beurteilen soll.
  2. Nach der Beurteilung werden Unterstützungsanträge an den Vorstand der MS-Gesellschaft gestellt.
  3. Der Vorstand der MS-Gesellschaft entscheidet über die Förderungsgesuche.

Gemäss persönlicher Auskunft1 von Prof. Dr. Kappos hat er mit Unterstützung seiner Sekretärin die Gesuche beurteilt und bearbeitet. Prof. Kappos hat also grossen Einfluss auf die Beurteilung der Forschungsförderung der MS-Gesellschaft. Faktisch entscheidet der Ausschuss, wenn auch der formelle Entscheid gemäss Reglement beim Vorstand liegt.

Fazit

Das Reglement ist zweckdienlich und klar. Der Ausschuss des Wissenschaftlichen Beirates hat bei der Forschungsförderung eine wichtige Funktion. Der formelle Entscheid über Forschungsförderungsgesuche liegt beim Vorstand.

Nachtrag

[Aktualisierung 01.01.2014: Im Dezember 2013 hat der Vorstand der MS-Gesellschaft das Reglement des Wissenschaftlichen Beirates überarbeitet. Im bin am Erstellen eines Vergleiches der alten und der neuen Version. Zu den Unterschieden werde ich einen Blogartikel schreiben.]


  1. Persönliche Frage am MS-Infotag in Basel vom 12.02.2011 

Süpervitamin

Musikvideo «Süpervitamin» von Müslüm. Die Musik beginnt ab 1:14.

Wer hat genau hingehört?

Vielleicht liegt Müslüm mit seinen Süpervitamine gar nicht so daneben?

Placeboforschung zeigt, dass der Arzt selbst schon wie ein Medikament wirken kann.

Der Arzt ist im praktischen Alltag häufig selbst das Plazebo, selbst wenn er diese grundsätzlich nicht verschreiben will.

Jean Martin, Mitglied der Nationalen Ethikkommission, Schweizerische Ärztezeitung, Juli 2012, 2012;93(31-32):1150

Hextril: Schreibfehler auf Medikamentenpackung und die Geschichte dahinter [akt.]

Was ist die Produktqualität von Medikamenten? Kann ich Medikamenten vertrauen haben? Wie hoch ist die Qualitätskultur in der Pharmaindustrie?

Anfang Winter war ich erkältet. Ich hatte Halsweh. Ich habe mir Hextril® in der Apotheke zum Gurgeln gekauft.

Oh, Schreck. Als ich mir die Packung daheim ansehe, finde ich einen Rechtschreibfehler. Es steht:

Arzneimittel für kinder unerreichbar aufbewahren.

Kinder ist falsch geschrieben. Ich nehme kaum an, dass die Marke „kinder“ der berühmten „kinder Schokolade“ von Ferrero gemeint ist.

Hextril® Photo mit SchreibfehlerHextril® Packung, der Pfeil zeigt den Schreibfehler. Photo: Patientensicht

Nun gut, kann man sich denken. Was ist schon dabei, ein Rechtschreibfehler kann jedem passieren.

Doch es handelt sich immerhin um ein Arzneimittel. Die Produktqualität von Medikamenten ist für Laien kaum beurteilbar. Da frage ich mich schon, wie ist die Qualität eines Arzneimittels, wenn die Firma nicht einmal eine Verpackung ohne Schreibfehler herstellen kann. Im Coop und im Migros ist mir noch nie ein Rechtschreibfehler aufgefallen. Und die haben mit all den Lebensmitteln bedeutend mehr Produkte.

Da gibt es aber auch eine Geschichte dahinter.

Hintergrund

Hextril® wird in der Schweiz von Janssen-Cilag verkauft und die gehören zum Johnson & Johnson Konzern. Der Johnson & Johnson Konzern war 2011 der viertgrösste Pharmakonzern. Und Johnson & Johnson hatte massive Qualitätsprobleme. Ein Rückruf reihte sich an den anderen, eine Auswahl:

Datum Rückruf Grund/Problem
17. Feb 2012 574‘000 Tylenol®-Flaschen Fehler im Flaschendesign
27. Jan 2012 2‘000 Tuben von Aveeno Baby Calming Comfort Lotion Zu hohe Bakterienwerte in Stichproben
21. Dez 2011 12 Mio. Flaschen von Motrin® Schmerzmittel Kapsel löst sich zu langsam auf, welche die Wirkung verzögert
23. Sept 2011 Zwei Chargen von Eprex® Blutarmutmedikament in 17 Ländern Uneinheitliche Wirkstoffdosierung (inconsistent potency)
14. April 2011 57‘000 Flaschen des Epilepsiemittels Topamax® Fäulnisgeruch (foul odor)
29. März 2011 700‘000 Flaschen von Tylenol® und anderen Konsumentenmedikamenten Moder- und Schimmelgeruch
08. März 2011 Fünf Chargen von Insulinpumpenpatronen (insulin pump cartridges) Mögliche undichte Stellen
02. März 2011 107 Chargen von chirurgischen Wundnähten Mögliche Sterilitätsprobleme
11. Feb. 2011 70‘000 Injektionsspritzen gefüllt mit dem antipsychotischen Medikament Invega® Spalt/Bruch in den Spritzen (cracks in the syringes)
14. Jan. 2011 50 Mio Flaschen und Verpackungen von verschiedenen Arten von Tylenol®, Benadryl®, Rolaids® und anderen Produkten Laxe/lockere Reinigungsabläufe in der Herstellungsfabrik
09. Dez. 2010 Alle Chargen des Entkalkungsmittels Softchews Rolaids Holz- und Metallsplitter (bits) in den Tabletten
02. Dez. 2010 12 Mio. Flaschen von Mylanta® und fast 85‘000 Flaschen des AlternaGel Flüssigentkalkers Die kleine Menge von Alkohol des Duftstoffes wurden nicht auf der Verpackung vermerkt
01. Dez. 2010 492‘000 Schachteln von Eintageslinsen Acuvue TruEye Kundenreklamationen wegen Verbrennungen
24. Nov. 2010 9 Mio. Flaschen von Tylenol® Unzureichende Warnung von Akloholspuren in den Duftstoffen
18. Okt. 2010 Eine Charge von Tylenol®-Kapseln für Erwachsene Moder- und Schimmelgeruch
08. Juli 2010 21 Chargen von Tylenol® für Kinder und Erwachsene, verschiedene Formen von Benadryl® und Motrin® welche in USA, Fiji, Guatemala, the Dominican Republic, Puerto Rico, Trinidad and Tobago und Jamaica verkauft wurden, zusätzlich zum Rückruf vom 15. Jan 2010. 2.5 Mio Medizinalflaschen waren betroffen. Moder- und Schimmelgeruch
15. Juni 2010 Vier Chargen Benadryl® und Extra Strength Tylenol® Gels, welche in den USA, Trinidad and Tobago, Bermuda and Puerto Rico verkauft wurden zusätzlich zum 15. Jan 2010 Rückruf. 50‘000 Flaschen waren betroffen. Moder- und Schimmelgeruch
30. April 2010 40 Produkte einschliesslich flüssige Baby- und Kinderschmerzmittel, Tylenol®, und Motrin® und die Allgergiemedikamente Zyrtec® und Benadryl®. Über 135 Mio. Flaschen waren betroffen, gemäss einer parlamentarischen Untersuchung. Herstellungsmängel, welche die Qualität, die Reinheit und Dosierung der Arzneimittel betreffen.
15. Jan. 2010 15 Mio. Flaschen von rezeptfreien Medikamenten einschliesslich Tylenol®, Motrin® and Rolaids®, Benadryl® und St. Joseph’s Aspirin®, betreffend Chargen in Nord- und Südamerika, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Fiji. Ungewöhnlicher modriger, muffiger und schimmliger Geruch wegen einer Chemikalie in Holzpaletten zum Lagern und Versenden der Produkte.
Dez 2009 Erweiterung des Novemberrückrufs von Tylenol® Arthritis Schmerzmittelkapseln Kundenberichte über ungewöhnliche modrige Gerüche in 100er Flaschen.
Nov 2009 Fünf Chargen von Tylenol® Arthritis Schmerzmittelkapseln Berichte von ungewöhnlichem modrigem, muffigem und schimmligem Geruch wegen welche in Verbindung mit Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall in Verbindung gebracht wurde.
Sept 2009 Einige Chargen von Baby und Kinder Tylenol® Mögliche bakterielle Verunreinigung
Juli 2009 Rezeptfreie Motrin® Tabletten von Drogerien. Dieser Rückruf wird vom US-Kongress parlamentarisch untersucht wegen des Verdachts auf Vertuschung durch Rückkauf anstatt eines ordentlichen Rückrufes. Gemäss J&J war die Gesundheitsbehörde FDA informiert, welche dies jedoch verneint. Probleme mit dem Auflösen

Rückrufe von Johnson & Johnson von Juli 2009 bis 17. Feb. 2012. Quelle: Timeline: Johnson & Johnson’s product recalls, Reuters, 21. Feb. 2012, eigene Übersetzung

Was in der Liste auffällt, ist, dass es sich um für Laien erkennbare Qualitätsprobleme handelt, wie z.B. Schimmelgeruch. Was aber ist mit Qualitätsmängeln, die nicht offensichtlich sind? Geruchlose Verunreinigungen oder falsche Dosierungen des Wirkstoffes? Man denke da z.B. an Psychopharmaka?

In der obigen Liste von Reuters ist der Rückruf von weltweit 85‘000 Hüftprothesen nicht einmal dabei. Die Schweiz war auch betroffen. (Quelle: Rückruf für Hüftprothesen von Johnson & Johnson in der Schweiz, 31.08.2010, Der Bund, NYT, 30.01.2013)

Rückruf von Hüftprothesen! Man stelle sich dies einmal vor. Womöglich von alten, gebrechlichen Menschen.

Dass, ob all dieser Qualitätsprobleme der Chef William Weldon gehen musste, ist nicht erstaunlich.

Die Financial Times Deutschland schreibt kurz und knapp:

Johnson & Johnson musste in den vergangenen zwei Jahren unter anderem künstliche Hüftgelenke, Kontaktlinsen und Schmerzmittel für Kinder zurückrufen.

Johnson & Johnson ist unter anderem bekannt für seine Penaten- und Bebe-Pflegeprodukte. Auch das Schmerzmittel Dolormin stammt von den Amerikanern.

Bemerkungen

Offensichtlich gab (oder gibt?) es bei Johnson & Johnson eine komplett mangelhafte Qualitätskultur. Das Management hat versagt. Die schiere Grösse dieser Pharmakonzerne ist ein Risiko.

Eine Fluggesellschaft mit diesem Qualitätsbewusstsein wäre schon lange aus dem Verkehr gezogen worden. Das Qualitätsbewusstsein im Flugverkehr ist viel weiter entwickelt.

Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ein Flugunfall für alle sichtbar ist. Ein tragisches Ereignis.

Bei Arzneimittelpannen ist es umgekehrt, es gibt viele verstreute Schicksale. Einzelne Betroffene haben keine persönliche Verbindung zu einander. Eine Rückführung auf ein Medikament kann schwer sein, besonders bei bereits alten und kranken Menschen mit verschiedenen Leiden.

Ist Johnson & Johnson ein Einzelfall? In der EU und den USA laufen jedenfalls ebenfalls Untersuchungen gegen Roche und Novartis. Novartis hat beispielsweise im Februar 2012 in den USA „freiwillig“ eine Fabrik wegen Qualitätsprobleme ausser Betrieb genommen (siehe auch After Manufacturing Gaffes, Worried Novartis CEO Insists ‚Quality Matters’, 5. Sept 2012, Forbes, Ed Silverman).

Neben diesen Herstellungsproblemen, fällt die Pharmaindustrie durch hohe Bussen und andere Justizfälle und immense Gehälter auf. Wissenschaft scheint weniger der Wahrheitssuche als viel mehr einer Marketingvorbereitungsetappe zu gleichen. Nur die „positiven Resultate“ fliessen in die Wissenschaft ein und die anderen verschwinden in einer Dunkelkammer.

Warum ist nur los mit dieser Industrie, deren primären Ziel es wäre, den Leuten (gute) Heilmitteln zu verkaufen?

In Angesicht all dieser Qualitätsprobleme und Rückrufe von Johnson & Johnson, wie ist dieser Schreibfehler auf der Hextril®-Packung zu beurteilen? Nur ein kleiner Rechtschreibfehler? Spitze eines Eisberges?

Nachtrag

[Aktualisierung 23.02.2014: Im Januar 2014 habe ich eine neue Packung gekauft. Der Rechtschreibfehler war auf dieser neuen Packung korrigiert. Parallel zum Blogartikel hatte ich Swissmedic auf dieses kleine Problem aufmerksam gemacht.]

Hextril: Schreibfehler auf Medikamentenpackung und die Geschichte dahinter

Was ist die Produktqualität von Medikamenten? Kann ich Medikamenten vertrauen haben? Wie hoch ist die Qualitätskultur in der Pharmaindustrie?

Anfang Winter war ich erkältet. Ich hatte Halsweh. Ich habe mir Hextril® in der Apotheke zum Gurgeln gekauft.

Oh, Schreck. Als ich mir die Packung daheim ansehe, finde ich einen Rechtschreibfehler. Es steht:

Arzneimittel für kinder unerreichbar aufbewahren.

Kinder ist falsch geschrieben. Ich nehme kaum an, dass die Marke «kinder» der berühmten «kinder Schokolade» von Ferrero gemeint ist.

Hextril® Photo mit SchreibfehlerHextril® Packung, der Pfeil zeigt den Schreibfehler. Photo: Patientensicht

Nun gut, kann man sich denken. Was ist schon dabei, ein Rechtschreibfehler kann jedem passieren.

Doch es handelt sich immerhin um ein Arzneimittel. Die Produktqualität von Medikamenten ist für Laien kaum beurteilbar. Da frage ich mich schon, wie ist die Qualität eines Arzneimittels, wenn die Firma nicht einmal eine Verpackung ohne Schreibfehler herstellen kann. Im Coop und im Migros ist mir noch nie ein Rechtschreibfehler aufgefallen. Und die haben mit all den Lebensmitteln bedeutend mehr Produkte.

Da gibt es aber auch eine Geschichte dahinter.

Hintergrund

Hextril® wird in der Schweiz von Janssen-Cilag verkauft und die gehören zum Johnson & Johnson Konzern. Der Johnson & Johnson Konzern war 2011 der viertgrösste Pharmakonzern. Und Johnson & Johnson hatte massive Qualitätsprobleme. Ein Rückruf reihte sich an den anderen, eine Auswahl:

Datum Rückruf Grund/Problem
17. Feb 2012 574‘000 Tylenol®-Flaschen Fehler im Flaschendesign
27. Jan 2012 2‘000 Tuben von Aveeno Baby Calming Comfort Lotion Zu hohe Baterienwerte in Stichproben
21. Dez 2011 12 Mio. Flaschen von Motrin® Schmerzmittel Kapsel löst sich zu langsam auf, welche die Wirkung verzögert
23. Sept 2011 Zwei Chargen von Eprex® Blutarmutmedikament in 17 Ländern Uneinheitliche Wirkstoffdosierung (inconsistent potency)
14. April 2011 57‘000 Flaschen des Epilepsiemittels Topamax® Fäulnisgeruch (foul odor)
29. März 2011 700‘000 Flaschen von Tylenol® und anderen Konsumentenmedikamenten Moder- und Schimmelgeruch
08. März 2011 Fünf Chargen von Insulinpumpenpatronen (insulin pump cartridges) Mögliche undichte Stellen
02. März 2011 107 Chargen von chirurgischen Wundnähten Mögliche Sterilitätsprobleme
11. Feb. 2011 70‘000 Injektionsspritzen gefüllt mit dem antipsychotischen Medikament Invega® Spalt/Bruch in den Spritzen (cracks in the syringes)
14. Jan. 2011 50 Mio Flaschen und Verpackungen von verschiedenen Arten von Tylenol®, Benadryl®, Rolaids® und anderen Produkten Laxe/lockere Reinigungsabläufe in der Herstellungsfabrik
09. Dez. 2010 Alle Chargen des Entkalkungsmittels Softchews Rolaids Holz- und Metallsplitter (bits) in den Tabletten
02. Dez. 2010 12 Mio. Flaschen von Mylanta® und fast 85‘000 Flaschen des AlternaGel Flüssigentkalkers Die kleine Menge von Alkohol des Duftstoffes wurden nicht auf der Verpackung vermerkt
01. Dez. 2010 492‘000 Schachteln von Eintageslinsen Acuvue TruEye Kundenreklamationen wegen Verbrennungen
24. Nov. 2010 9 Mio. Flaschen von Tylenol® Unzureichende Warnung von Akloholspuren in den Duftstoffen
18. Okt. 2010 Eine Charge von Tylenol®-Kapseln für Erwachsene Moder- und Schimmelgeruch
08. Juli 2010 21 Chargen von Tylenol® für Kinder und Erwachsene, verschiedene Formen von Benadryl® und Motrin® welche in USA, Fiji, Guatemala, the Dominican Republic, Puerto Rico, Trinidad and Tobago und Jamaica verkauft wurden, zusätzlich zum Rückruf vom 15. Jan 2010. 2.5 Mio Medizinalflaschen waren betroffen. Moder- und Schimmelgeruch
15. Juni 2010 Vier Chargen Benadryl® und Extra Strength Tylenol® Gels, welche in den USA, Trinidad and Tobago, Bermuda and Puerto Rico verkauft wurden zusätzlich zum 15. Jan 2010 Rückruf. 50‘000 Flaschen waren betroffen. Moder- und Schimmelgeruch
30. April 2010 40 Produkte einschliesslich flüssige Baby- und Kinderschmerzmittel, Tylenol®, und Motrin® und die Allgergiemedikamente Zyrtec® und Benadryl®. Über 135 Mio. Flaschen waren betroffen, gemäss einer parlamentarischen Untersuchung. Herstellungsmängel, welche die Qualität, die Reinheit und Dosierung der Arzneimittel betreffen.
15. Jan. 2010 15 Mio. Flaschen von rezeptfreien Medikamenten einschliesslich Tylenol®, Motrin® and Rolaids®, Benadryl® und St. Joseph’s Aspirin®, betreffend Chargen in Nord- und Südamerika, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Fiji. Ungewöhnlicher modriger, muffiger und schimmliger Geruch wegen einer Chemikalie in Holzpaletten zum Lagern und Versenden der Produkte.
Dez 2009 Erweiterung des Novemberrückrufs von Tylenol® Arthritis Schmerzmittelkapseln Kundenberichte über ungewöhnliche modrige Gerüche in 100er Flaschen.
Nov 2009 Fünf Chargen von Tylenol® Arthritis Schmerzmittelkapseln Berichte von ungewöhnlichem modrigem, muffigem und schimmligem Geruch wegen welche in Verbindung mit Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall in Verbindung gebracht wurde.
Sept 2009 Einige Chargen von Baby und Kinder Tylenol® Mögliche bakterielle Verunreinigung
Juli 2009 Rezeptfreie Motrin® Tabletten von Drogerien. Dieser Rückruf wird vom US-Kongress parlamentarisch untersucht wegen des Verdachts auf Vertuschung durch Rückkauf anstatt eines ordentlichen Rückrufes. Gemäss J&J war die Gesundheitsbehörde FDA informiert, welche dies jedoch verneint. Probleme mit dem Auflösen

Rückrufe von Johnson & Johnson von Juli 2009 bis 17. Feb. 2012. Quelle: Timeline: Johnson & Johnson’s product recalls, Reuters, 21. Feb. 2012, eigene Übersetzung

Was in der Liste auffällt, ist, dass es sich um für Laien erkennbare Qualitätsprobleme handelt, wie z.B. Schimmelgeruch. Was aber ist mit Qualitätsmängeln, die nicht offensichtlich sind? Geruchlose Verunreinigungen oder falsche Dosierungen des Wirkstoffes? Man denke da z.B. an Psychopharmaka?

In der obigen Liste von Reuters ist der Rückruf von weltweit 85‘000 Hüftprothesen nicht einmal dabei. Die Schweiz war auch betroffen. (Quelle: Rückruf für Hüftprothesen von Johnson & Johnson in der Schweiz, 31.08.2010, Der Bund, NYT, 30.01.2013)

Rückruf von Hüftprothesen! Man stelle sich dies einmal vor. Womöglich von alten, gebrechlichen Menschen.

Dass, ob all dieser Qualitätsprobleme der Chef William Weldon gehen musste, ist nicht erstaunlich.

Die Financial Times Deutschland schreibt kurz und knapp:

Johnson & Johnson musste in den vergangenen zwei Jahren unter anderem künstliche Hüftgelenke, Kontaktlinsen und Schmerzmittel für Kinder zurückrufen.

Johnson & Johnson ist unter anderem bekannt für seine Penaten- und Bebe-Pflegeprodukte. Auch das Schmerzmittel Dolormin stammt von den Amerikanern.

Bemerkungen

Offensichtlich gab (oder gibt?) es bei Johnson & Johnson eine komplett mangelhafte Qualitätskultur. Das Management hat versagt. Die schiere Grösse dieser Pharmakonzerne ist ein Risiko.

Eine Fluggesellschaft mit diesem Qualitätsbewusstsein wäre schon lange aus dem Verkehr gezogen worden. Das Qualitätsbewusstsein im Flugverkehr ist viel weiter entwickelt.

Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ein Flugunfall für alle sichtbar ist. Ein tragisches Ereignis.

Bei Arzneimittelpannen ist es umgekehrt, es gibt viele verstreute Schicksale. Einzelne Betroffene haben keine persönliche Verbindung zu einander. Eine Rückführung auf ein Medikament kann schwer sein, besonders bei bereits alten und kranken Menschen mit verschiedenen Leiden.

Ist Johnson & Johnson ein Einzelfall? In der EU und den USA laufen jedenfalls ebenfalls Untersuchungen gegen Roche und Novartis. Novartis hat beispielsweise im Februar 2012 in den USA «freiwillig» eine Fabrik wegen Qualitätsprobleme ausser Betrieb genommen (siehe auch After Manufacturing Gaffes, Worried Novartis CEO Insists ‚Quality Matters‘, 5. Sept 2012, Forbes, Ed Silverman).

Neben diesen Herstellungsproblemen, fällt die Pharmaindustrie durch hohe Bussen und andere Justizfälle und immense Gehälter auf. Wissenschaft scheint weniger der Wahrheitssuche als viel mehr einer Marketingvorbereitungsetappe zu gleichen. Nur die «positiven Resultate» fliessen in die Wissenschaft ein und die anderen verschwinden in einer Dunkelkammer.

Warum ist nur los mit dieser Industrie, deren primären Ziel es wäre, den Leuten (gute) Heilmitteln zu verkaufen?

In Angesicht all dieser Qualitätsprobleme und Rückrufe von Johnson & Johnson, wie ist dieser Schreibfehler auf der Hextril®-Packung zu beurteilen? Nur ein kleiner Rechtschreibfehler? Spitze eines Eisberges?

All Trials Initiative – Alle Studien registriert | Alle Resultate veröffentlicht (akt. 2)

Was ist AllTrials.net? Was will die Petition bezwecken? Wer steht hinter dieser Initiative? Warum ist diese Initiative wichtig?

Hilft Tamiflu? Wir wissen es nicht. Zahlten aber trotzdem Milliarden und gehen vielleicht sogar gesundheitliche Risiken ein. Wie die Tamiflu Saga zeigt, werden medizinische Studien verzerrt veröffentlicht (publication bias). „Unerwünschte“ Resultate werden unter den Teppich gekehrt.

Das verunmöglicht allen Medizinern, auch den besten und unabhängigsten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Medikamente auszuwählen. Auch die besten und unabhängigsten Mediziner können keine „besseren“ Daten „hervorzaubern“. Evidenzbasierte Medizin ist nicht möglich.

Ben Goldacre hat in seinem Buch Bad Pharma die aktuelle Situation detailliert analysiert und zusammengefasst.

Das Problem ist schon lange bekannt. Beispielsweise haben 2004 die Vereinigung der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften (International Committee of Medical Journal Editors; ICMJE) beschlossen, nur noch vorregistrierte Studien zu veröffentlichen. Denn bei der Registrierung ist noch unklar, ob ein „positives“ oder ein „negatives“ Resultat herauskommt. Die Zulassungsbehörde EMA der EU, führte das zentrale Studienregister EudraCT ein. Seit 2007 müssen für alle von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Medikamenten alle Studiendaten innerhalb eines Jahres in zusammengefasster Form auf clinicaltrials.gov veröffentlicht werden.

Alles bestens? Mitnichten! Das sind nur halbe Lösungen – Scheinlösungen:

  • Die angesehenen Fachzeitschriften der ICMJE hielten sich nicht an den eigenen Beschluss. Eine Studie zeigte 2008, dass die Hälfte der veröffentlichten Studien nicht richtig registriert wurden.1
  • Und das EU Register ist wohl zentral, aber geheim. Das EudraCT ist schlicht weg nicht öffentlich zugänglich. Salopp gesagt, ein Witz. Man stelle sich das vor. Das Transparenzwerkzeug ist geheim.2
  • Und bei den Amerikanern? Auch ein Fehlschlag. Eine Studie Anfang 2012 hat festgestellt, dass nur eine von fünf Studien ordnungsgemäss innerhalb eines Jahres auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht wurde.3

Das Traurige ist: Die Situation ist durch diese Scheinmassnahmen noch schlimmer geworden als vorher. Alle sagen, wir haben die Register, das Problem ist gelöst. Was aber gar nicht stimmt.

Der Mediziner und Autor Ben Goldacre ist nicht jemand der einfach jammert, sondern er handelt. Er hat deshalb mit dem angesehenen Fachmagazin BMJ, der Cochrane Collaboration und der James Lind Alliance, die AllTrials.net Initiative ins Leben gerufen.

All Trials Registered | All Results Reported

Es ist an der Zeit, dass alle Resultate klinischer Studien veröffentlicht werden. Davon werden Patientinnen und Patienten, Forschende, Apothekerinnen und Apotheker, die Ärzteschaft und die Behörden profitieren. Bitte unterzeichnen Sie die untenstehende Petition, wo auch immer in der Welt Sie sind:

In der Vergangenheit wurden die Resultate von tausenden von klinischen Studien nicht veröffentlicht. Manche Studien wurden nicht einmal registriert.

Informationen darüber, was in diesen Studien untersucht und gefunden wurde, könnten damit für Ärzte und Forschende für immer verloren sein, was zu schlechten Therapieentscheiden und verpassten Chancen für eine bessere Medizin führt; aber auch zu Studien, die wegen fehlender Information wiederholt werden.

Alle klinischen Studien sollten daher registriert werden, seien dies vergangene oder aktuelle. Die vollständigen Methoden und die Resultate sollten veröffentlicht werden.

Wir rufen Regierungen, Behörden und Forschungsinstitutionen dazu auf, Massnahmen umzusetzen, um diese zu erreichen.

All Trials LogoCC BY-NC-ND AllTrials.net

Das Problem ist schon zu lange ungelöst. Zu viele Scheinlösungen hat es gegeben.

Alle – Einzelpersonen, Gesellschaften und Institutionen, auch Schweizerische – sind jetzt aufgerufen die Petition zu unterschreiben und selbst aktiv zu werden.

Stand

Seit dem Start am 8. Jan. 2013 wird die Petition schon von vielen unterstützt. Eine Auswahl:

Die Initiative hat noch kaum Unterstützung aus der Schweiz. Die nichtveröffentlichten Studien sind eines der grössten Probleme der Medizin und der Wissenschaft. Jetzt unterschreiben.

Referenzen

[Aktualisierung 09.03.2013: 18th January 2013 Sir Iain Chalmers interviewed on the Today programme]

[Aktualisierung 25.03.2013: Artikel von GlaxoSmithKline-Direktor in Schweizer Ärztezeitung: Peter Kleist, Vier Schritte zu mehr Transparenz in der klinischen Forschung, Schweizerische Ärztezeitung, März 2013, 94(12):483–5]

[Aktualisierung 11.05.2013: Die AllTrials-Initiative findet nun auch in der Schweiz Unterstützung. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)5 und die Schweizerische MS-Gesellschaft unterstützen die Initiative. Bravo für die Vorreiterrolle. Hoffentlich folgen noch weitere Institutionen.]

[Aktualisierung 11.05.2013: Unterschriften bis zum 20. Mai sind besonders wichtig. Ende Mai findet eine wichtige Abstimmung in der EU statt. Jede Unterschrift zählt. Jetzt unterschreiben.]

[Aktualisierung 03.06.2013: Am 3. Juni ist im Tagesanzeiger ein ganzseitiger Artikel zum Buch Bad Pharma und zur All Trials Initiative erschienen. Online ist der Artikel nicht verfügbar. Der Artikel ist im Wirtschaftsteil. Ich habe den Artikel selbst noch nicht gelesen. Wenn der Tagesanzeiger in Griffnähe ist, lohnt sich wahrscheinlich die Lektüre.]

Die britische MS Society unterstützt die AllTrials Initiative ebenfalls.
Die Liste der der Unterstützer ist mittlerweile lang geworden. So muss es sein!
„Negative Studien“ dürfen nicht mehr verschwinden. Was leider heute noch bei etwa bei der Hälfte der Studien der Fall. Die guten ins Körbchen, die anderen sonst wohin. Und leiden müssen dann die Patienten unter vermeintlich wirksamen Medikamenten. Ausser Nebenwirkungen nichts gewesen.
Die Petition kann immer noch unterschrieben werden. Wer Forschung nicht zu Marketingzwecken, sondern zur wahrheitsgemässen Wirksamkeitsforschung will, der muss unterschreiben.

[Aktualisierung 12.04.2014: Wichtiger Teilschritt: Das EU-Parlament hat mit 547 gegen 17 Stimmen für die Offenlegung von neuen klinischen Studien gestimmt. AllTrials, 02.04.2014]

[Aktualisierung 12.04.2014: Der Pharma-Multi AbbVie hat seine Klage gegen die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) nach dem EU-Parlamentsbeschluss zurückgezogen. AllTrials, 03.04.2014]


  1. Ben Goldacre Bad Pharma, p47ff / Mathieu S, Boutron I, Moher D, Altman DG, Ravaud P. Comparison of Registred and Published Primary Outcomes in Randomized Controlled Trials. JAMA. 2009 Sep 2;302(9):977–84. 

  2. Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. Still waiting for functional EU Clinical Trials Register. BMJ. 2011 Jun 20;342:d3834-d3834. (via Bad Pharma, p47ff)
    Nach dem Erscheinen des Buches Bad Pharma von Ben Goldacre und politischem Druck sind bei der EU Bestrebungen im Gange, das Register nicht mehr geheim zu halten und den Forschern zur Verfügung zu stellen. 

  3. Prayle AP, Hurley MN, Smyth AR. Compliance with mandatory reporting of clinical trial results on ClinicalTrials.gov: cross sectional study. BMJ. 2012;344:d7373. (via Bad Pharma, p47ff) 

  4. Mit der 3 Mrd. USD Busse 2012 ist GSK ein gebranntes Kind auf dem Weg der Besserung. 

  5. Persönliche Auskunft vom Generalsekretär Dr. Hermann Amstad. 

All Trials Initiative – Alle Studien registriert | Alle Resultate veröffentlicht (akt. 1)

Was ist AllTrials.net? Was will die Petition bezwecken? Wer steht hinter dieser Initiative? Warum ist diese Initiative wichtig?

Hilft Tamiflu? Wir wissen es nicht. Zahlten aber trotzdem Milliarden und gehen vielleicht sogar gesundheitliche Risiken ein. Wie die Tamiflu Saga zeigt, werden medizinische Studien verzerrt veröffentlicht (publication bias). «Unerwünschte» Resultate werden unter den Teppich gekehrt.

Das verunmöglicht allen Medizinern, auch den besten und unabhängigsten, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die richtigen Medikamente auszuwählen. Auch die besten und unabhängigsten Mediziner können keine «besseren» Daten «hervorzaubern». Evidenzbasierte Medizin ist nicht möglich.

Ben Goldacre hat in seinem Buch Bad Pharma die aktuelle Situation detailliert analysiert und zusammengefasst.

Das Problem ist schon lange bekannt. Beispielsweise haben 2004 die Vereinigung der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften (International Committee of Medical Journal Editors; ICMJE) beschlossen, nur noch vorregistrierte Studien zu veröffentlichen. Denn bei der Registrierung ist noch unklar, ob ein «positives» oder ein «negatives» Resultat herauskommt. Die Zulassungsbehörde EMA der EU, führte das zentrale Studienregister EudraCT ein. Seit 2007 müssen für alle von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassenen Medikamenten alle Studiendaten innerhalb eines Jahres in zusammengefasster Form auf clinicaltrials.gov veröffentlicht werden.

Alles bestens? Mitnichten! Das sind nur halbe Lösungen – Scheinlösungen:

  • Die angesehenen Fachzeitschriften der ICMJE hielten sich nicht an den eigenen Beschluss. Eine Studie zeigte 2008, dass die Hälfte der veröffentlichten Studien nicht richtig registriert wurden.1
  • Und das EU Register ist wohl zentral, aber geheim. Das EudraCT ist schlicht weg nicht öffentlich zugänglich. Salopp gesagt, ein Witz. Man stelle sich das vor. Das Transparenzwerkzeug ist geheim.2
  • Und bei den Amerikanern? Auch ein Fehlschlag. Eine Studie Anfang 2012 hat festgestellt, dass nur eine von fünf Studien ordnungsgemäss innerhalb eines Jahres auf ClinicalTrials.gov veröffentlicht wurde.3

Das Traurige ist: Die Situation ist durch diese Scheinmassnahmen noch schlimmer geworden als vorher. Alle sagen, wir haben die Register, das Problem ist gelöst. Was aber gar nicht stimmt.

Der Mediziner und Autor Ben Goldacre ist nicht jemand der einfach jammert, sondern er handelt. Er hat deshalb mit dem angesehenen Fachmagazin BMJ, der Cochrane Collaboration und der James Lind Alliance, die AllTrials.net Initiative ins Leben gerufen.

All Trials Registered | All Results Reported

Es ist an der Zeit, dass alle Resultate klinischer Studien veröffentlicht werden. Davon werden Patientinnen und Patienten, Forschende, Apothekerinnen und Apotheker, die Ärzteschaft und die Behörden profitieren. Bitte unterzeichnen Sie die untenstehende Petition, wo auch immer in der Welt Sie sind:

In der Vergangenheit wurden die Resultate von tausenden von klinischen Studien nicht veröffentlicht. Manche Studien wurden nicht einmal registriert.

Informationen darüber, was in diesen Studien untersucht und gefunden wurde, könnten damit für Ärzte und Forschende für immer verloren sein, was zu schlechten Therapieentscheiden und verpassten Chancen für eine bessere Medizin führt; aber auch zu Studien, die wegen fehlender Information wiederholt werden.

Alle klinischen Studien sollten daher registriert werden, seien dies vergangene oder aktuelle. Die vollständigen Methoden und die Resultate sollten veröffentlicht werden.

Wir rufen Regierungen, Behörden und Forschungsinstitutionen dazu auf, Massnahmen umzusetzen, um diese zu erreichen.

All Trials LogoCC BY-NC-ND AllTrials.net

Das Problem ist schon zu lange ungelöst. Zu viele Scheinlösungen hat es gegeben.

Alle – Einzelpersonen, Gesellschaften und Institutionen, auch Schweizerische – sind jetzt aufgerufen die Petition zu unterschreiben und selbst aktiv zu werden.

Stand

Seit dem Start am 8. Jan. 2013 wird die Petition schon von vielen unterstützt. Eine Auswahl:

Die Initiative hat noch kaum Unterstützung aus der Schweiz. Die nichtveröffentlichten Studien sind eines der grössten Probleme der Medizin und der Wissenschaft. Jetzt unterschreiben.

Referenzen

[Aktualisierung 09.03.2013: 18th January 2013 Sir Iain Chalmers interviewed on the Today programme]

[Aktualisierung 25.03.2013: Artikel von GlaxoSmithKline-Direktor in Schweizer Ärztezeitung: Peter Kleist, Vier Schritte zu mehr Transparenz in der klinischen Forschung, Schweizerische Ärztezeitung, März 2013, 94(12):483–5]

[Aktualisierung 11.05.2013: Die AllTrials-Initiative findet nun auch in der Schweiz Unterstützung. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)5 und die Schweizerische MS-Gesellschaft unterstützen die Initiative. Bravo für die Vorreiterrolle. Hoffentlich folgen noch weitere Institutionen.]

[Aktualisierung 11.05.2013: Unterschriften bis zum 20. Mai sind besonders wichtig. Ende Mai findet eine wichtige Abstimmung in der EU statt. Jede Unterschrift zählt. Jetzt unterschreiben.]

[Aktualisierung 03.06.2013: Am 3. Juni ist im Tagesanzeiger ein ganzseitiger Artikel zum Buch Bad Pharma und zur All Trials Initiative erschienen. Online ist der Artikel nicht verfügbar. Der Artikel ist im Wirtschaftsteil. Ich habe den Artikel selbst noch nicht gelesen. Wenn der Tagesanzeiger in Griffnähe ist, lohnt sich wahrscheinlich die Lektüre.]

Die britische MS Society unterstützt die AllTrials Initiative ebenfalls.
Die Liste der der Unterstützer ist mittlerweile lang geworden. So muss es sein!
«Negative Studien» dürfen nicht mehr verschwinden. Was leider heute noch bei etwa bei der Hälfte der Studien der Fall. Die guten ins Körbchen, die anderen sonst wohin. Und leiden müssen dann die Patienten unter vermeintlich wirksamen Medikamenten. Ausser Nebenwirkungen nichts gewesen.
Die Petition kann immer noch unterschrieben werden. Wer Forschung nicht zu Marketingzwecken, sondern zur wahrheitsgemässen Wirksamkeitsforschung will, der muss unterschreiben.


  1. Ben Goldacre Bad Pharma, p47ff / Mathieu S, Boutron I, Moher D, Altman DG, Ravaud P. Comparison of Registred and Published Primary Outcomes in Randomized Controlled Trials. JAMA. 2009 Sep 2;302(9):977–84. 

  2. Wieseler B, McGauran N, Kaiser T. Still waiting for functional EU Clinical Trials Register. BMJ. 2011 Jun 20;342:d3834-d3834. (via Bad Pharma, p47ff)
    Nach dem Erscheinen des Buches Bad Pharma von Ben Goldacre und politischem Druck sind bei der EU Bestrebungen im Gange, das Register nicht mehr geheim zu halten und den Forschern zur Verfügung zu stellen. 

  3. Prayle AP, Hurley MN, Smyth AR. Compliance with mandatory reporting of clinical trial results on ClinicalTrials.gov: cross sectional study. BMJ. 2012;344:d7373. (via Bad Pharma, p47ff) 

  4. Mit der 3 Mrd. USD Busse 2012 ist GSK ein gebranntes Kind auf dem Weg der Besserung. 

  5. Persönliche Auskunft vom Generalsekretär Dr. Hermann Amstad.