Leichenfledderei

Beim Entscheid eine Person zu operieren muss man vieles berücksichtigen. Man soll nicht zu vorschnell einen Bauch aufmachen, aber auch nicht zu lange warten. Es geht um den richtigen Zeitpunkt. Um Nebenerkrankungen. Aber in fast allen Fällen nicht um das Alter.

Manchmal wird man kritisiert, wenn man Personen jenseits der 80 operiert. Dass man eine blutrünstige Chirurgin ist, der es nur um das Aufschneiden geht. Weil über 80-jährige Leute sollen leiden und sterben, die haben ja schließlich schon alles erlebt und kein Recht mehr auf einen operativen Eingriff. Sollen sie doch im Ileus verrecken und Scheiße kotzen. Oder mit einer gebrochenen Hüfte im Bett liegen, bis sie an einer Pneumonie dahinsiechen, obwohl sie gerne wieder laufen würden. Jawohl. Sind ja nur alte Menschen.

WTF?

Ein Patient – nicht dement und mit einem scheinbar funktionierendem Gehirn – hat auf seinem Nachtkästchen ein Pornoheft liegen. Offen. So offen, dass man gespreizte Vaginas, Popos, und mehr sieht. Einfach so. Ohne Anstalten es zumindest in die Lade zu geben, oder zu schließen wenn man zu ihm ins Zimmer kommt zur Visite.

Armes Pflegepersonal, die mit solchen Leuten mehr Zeit verbringen muss und ihnen näher kommt als ich…

Man, ich hab' echt so viele Fragen und bin selbst am Überlegen Medizin zu studieren… Vielleicht kannst du mir helfen: Gibt es so Grundeigenschaften, die man haben sollte, vor dem Studium? Hat man ein Leben neben dem Studium und der Berufstätigkeit oder wird Medizin zum Kern deines Seins? Wie lange dauert es wirklich bis man so richtig Arzt ist? Ist das nicht hart viel zum Auswendiglernen? Wie hast du das geschafft? Muss man dafür ein Superbrain haben? Sieht man überhaupt mal das Tageslicht?

“Gibt es so Grundeigenschaften, die man haben sollte, vor dem Studium?”

– Naturwissenschaftliches Interesse, Empathie, keine Menschenscheu, Sitzfleisch, Geduld.

“Hat man ein Leben neben dem Studium und der Berufstätigkeit oder wird Medizin zum Kern deines Seins?”

– Ist wohl von Person zu Person unterschiedlich. Es nimmt natürlich extrem viel Zeit (und auch Raum im Kopf) ein. Für mich ist es neben meiner Familie und meinen FreundInnen der meines Seins. Es macht mir unheimlich Freude und Spaß (den Satz muss ich an nem mühsamen, schlechten Tag unbedingt mir ins Gedächtnis rufen), und ist für mich der einzige Beruf den ich mir für mich vorstellen kann. Ich würde nichts anderes lieber machen. Außer eventuell Veterinärmedizin. Aber auch nur eventuell.

“Ist das nicht hart viel zum Auswendiglernen?“

– Was ist schon Auswendiglernen? Zu Beginn muss man viele neue Dinge und Begriffe lernen. Naturwissenschaftliche Grundlagen und so weiter. Aber das sind ja logische Sachverhalte (meistens) und das Medizinstudium besteht nur zu einem kleinen Teil aus Anatomie! Daneben gibt es noch (Bio)Chemie, Physik, Physiologie…

“Wie hast du das geschafft?“

– Siehe Frage Nummer 1 😉 Mit vor allem viel Geduld!

“Muss man dafür ein Superbrain haben?“

– Nein. Ein Superbrain besitze ich zumindest nicht. Habe keine ÄrztInnen in meiner Familie und war ne durchschnittliche Schülerin. Statt einem Superbrain sind Interesse, Geduld, ein durchschnittliches Maß an Intelligenz und Hausverstand wichtiger.

“Sieht man überhaupt mal das Tageslicht?“

– Ja.

Hey, ist der Tms schwer und was hast du getan um dich vorzubereiten? Und wie lange hast du gelernt? Ist das Gehalt für deine Leistungen passend ?

TMS: Musste erst mal googeln was das genau ist. 😉 Meine Antwort also: ich habe keinen blassen Schimmer wie (un)schwer dieser Test ist. Ich war in “meinem” Land im letzten Jahrgang, der diesen Test nicht machen musste. Im Studienjahr darauf begann der Unsinn dann erst.

Gehalt: Ja. Man muss sich für das für sich passende Gehalt einfach das richtige Haus bzw. das richtige Land suchen. Und nein, ich bin nicht geldgierig. Ich möchte einfach eine adäquate Entlohnung für einen anstrengenden, verantwortungsvollen Beruf erhalten, für den ich eine lange Ausbildung absolviert habe.

Bewältigung

Tja, wie geht man mit solchen Fällen um? Ich kann es nicht sagen. Es ist schrecklich was zeitweise passiert, und manchmal sind die schrecklichsten Fälle die, mit denen man erstaunlich gut umgehen kann. Weil es so unglaulich ist, dass man es gar nicht komplett fassen kann. Sondern man nimmt die PatientInnen so, wie sie kommen. Krank, manche kränker, manche unglaublich krank, manche “selbstverschuldet” (wobei, wer weiß was denen passiert ist?), manche aus heiterem (haha) Himmel, manche einsichtig, viele uneinsichtig. Es ist egal: sie sind Menschen, die Hilfe benötigen, die medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Es kommt jemand mit Krebs, man kümmert sich um die Person. Man kümmert sich um Wunden, näht, operiert, sorgt sich um Menschen. Es ist auch ein Stück Routine. Und das ist gut so.

Hm.

Ein Anruf, es ist Wochenende, Mittag, die Visite so halb durch. 

“Ein Hubschrauber ist auf dem Weg in unsere Klinik. Eine 24-jährige Frau ist aus dem 6. Stock gesprungen. In der 28. Schwangerschaftswoche.”

24 Jahre. Suizidversuch. 28. Schwangerschaftswoche.

Wir gehen in den Schockraum, wo sich schon mehrere Teams eingetroffen haben. Es gibt ein Ganzkörper-CT, da die Patientin zuerst in ein kleineres Spital gebracht wurde. Dort gab es zu wenig SpezialistInnen. Während wir warten sehen wir uns das CT an. Knochenbrüche von Kopf bis Fuss. Organruptur. Eingefallener Lungenflügel. Baby mit Schädelbasisbruch. 

Die Notfallärztin als Chefin ist mit einer roten Weste gekennzeichnet. Sie gibt den Ton an. Neben dem Tisch, auf dem in wenigen Minuten eine junge Frau liegen wird, steht ein Inkubator. Und viele Leute. Gynäkologie (Kind entbinden). Neonatologie (Betreuung falls Entbindung). Viszeralchirurgie (Leber zermantscht). Orthopädie (Schädelfraktur, Wirbelkörperfrakturen, instabile Beckenfraktur). 

Wir hören den Helikopter landen. “Ich bitte die Teams alle vor den Schockraum. Wir machen den primary survey und rufen euch dann je nach Bedarf dazu. Zuerst erfolgt ein Ultraschall um zu entscheiden ob wir das Kind entbinden müssen, um uns anschliessend um die Frau zu kümmern.”

Der Heli landet und kurz darauf wird die Patientin in den Schockraum gefahren. Intubiert, mit blauen Flecken übersäht. Erstaunlich wenig Blut äusserlich. Aber das Gesicht sieht komisch verschoben aus. ABCDE. Ultraschall: Kind tot. Das Neonatologie-Team packt den Inkubator und zieht wieder ab gen Kinderklinik.

Das tote Kind muss nicht sofort raus, deswegen der Entscheid die Frau zuerst den OrthopädInnen zu übergeben, um die instabile Beckenfraktur und die instabilen Wirbelkörperfrakturen zu versorgen. Solange das Baby im Bauch bleibt, ist vorerst auch die zermantschte Leber komprimiert. Viszeralchirurgie-Team zieht also auch ab. Die zweite Hälfte der PatientInnen muss noch visitiert werden.

Liebe Angehörige

Ich verstehe eure Sorgen um eure Lieben, die bei uns sind. Auskunft wird grundsätzlich immer gerne und selbstverständlich gegeben. Aber der schlechteste Zeitpunkt um sich zu erkundigen ist eindeutig das Wochenende, an dem ihr auf Besuch seid. Man ist alleine für 2 Stationen zuständig und hat dafür nur die Hälfte der Zeit wie unter der Woche. Auch wenn das Krankenhaus ein 24-Stunden-Betrieb ist, bedeutet das nicht, dass rund um die Uhr ausführlichst Auskunft gegeben werden kann. Wenn zusätzlich schon am Vortag die Ehefrau informiert wurde, neben dem Patienten natürlich, sehen wir es manchmal nicht ein wenn man am nächsten Tag auch noch die Halbschwester, den Onkel und den Bruder über die aktuelle Lage inklusive sämtlichen Zukunftstheorien aufklären soll, obwohl man gerade einmal die Hälfte der PatientInnen visitiert hat. Ihre kranken Schätze werden auch nicht sterben, zumindest nicht sofort, sonst lägen sie auch auf keiner Normalstation. Für Gespräche kann man sich auch gerne einen Termin ausmachen, per Telefon, wie bei anderen Berufsgruppen auch. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Unnötige Anrufe

Assistenzarzt= A, Menschenhandwerkerin= M.

*rrrring rrrring rrrring*

M: “Menschenhandwerkerin, Viszeralchirurgie, hallo?”
A: “Hallo, hier spricht der Assistenzarzt der Notaufnahme, ich möchte dich über eine Verlegung informieren…” (im Hintergrund hört man die Hektik)
M, in Gedanken: *Ah, das ist aber nett dass mal jemand anruft, anstatt einfach irgendeine Person zu verlegen ohne ein Wort zu sagen*
A: “Also es geht um Herrn Gastritis, er ist multimorbid und eigentlich ein internistischer Patient mit Diabetes, COPD, Hypertonie,…”
M: “Achso, ein internistischer Patient? Du bist hier auf der Chirurgie, hast du dich eventuell verwählt?”
A, wirkt immer gestresster: “Nein ich glaub der kommt auf deine Station, keine Ahnung wie das passiert ist und wer das veranlasst hat…”
M: “Ist das dann also ein Aussenlieger, aus Platzmangel auf der Internen?”
A: “Ja, vielleicht… Ich kann es nicht genau sagen… Ich will dir einfach nur den Patienten übergeben…”
M: “Wenn er chirurgisch ist gerne, wenn er internistisch läuft, warum rufst du nicht den internistischen Dienstarzt an? Wenn wir einen chirurigschen Patienten auf eine fachfremde Station verlegen, dann kümmern wir uns ja auch selbst darum. Also läuft er jetzt medizinisch?”
A: “Ja…”
M: “Warum rufst du nicht den internen Assistenzarzt an?”
A: “Dafür habe ich jetzt ehrlich gesagt keine Zeit und es ist mir auch egal… Tschüss!”

5 Minuten später ein neuer Anruf, eine unbekannte Frauenstimme (F) meldet sich.

F: “Hallo, hier spricht *nuschelnuschel*, ich habe gehört du willst einen Patienten nicht ansehen gehen?”
M, gestresst vom Tag und nach unnötigen, dummen Anfragen, die am liebsten ins Telefon schnauzen würde, aber zuerst einmal Luft holt: “Nein. Wenn ein chirurgischer Patient kommt, schaue ich mir den natürlich an. Mit internistischen Fällen habe ich allerdings nichts am Hut, solche Patienten wären auch schlecht betreut von mir. Abgesehen ist der Patient bis dato noch nicht einmal auf der Station aufgetaucht. Weder physisch, noch auf der Stationsliste.” (Innerlicher Nachsatz: WEIL ICH AUCH EBEN EINFACH KEINE INTERNISTIN BIN!! UND WIE KOMMEN SIE ÜBERHAUPT DAZU MIR VORZUWERFEN MIR EINEN PATIENTEN NICHT ANZUSEHEN BZW. NACHLÄSSIG ZU ARBEITEN, NACHDEM ICH MIR STÄNDIG UND AUCH GERNE DEN ARSCH AUFREISSE?)
F: “Darf ich dir einen Witz erzählen?”
M: “Ja, bitte.” (Nie wieder antworte ich auf eine so belämmerte Frage mit Ja.)
F: “Darf ich dir einen Witz erzählen?”
M: “JA, BITTE.” (Das war keine Nachfrage, sondern eine Aufforderung endlich deinen Witz zu erzählen damit wir dieses Telefonat beenden können!)
F: “Der Patient kommt auf eine ganz andere Station.”
M: “Okay?” (DAS wolltest du mir sagen? Das ein Patient, der nichts mit mir zu tun hat, den ich nicht kenne, dessen Geburtsdatum noch Vorname mir mitgeteilt wurde um im PC nachsehen zu können was der überhaupt genau hat, gar nicht auf meine Station kommt, und auch wenn er hier gelandet wäre, ich nichts mit ihm zu tun gehabt hätte da es sich um eine fremde Fachrichtung handelt?)
F: “Ja, das wollte ich dir nur sagen. Tschüss!”

Danke für eure Aufmerksamkeit. Mein Blog, mein Auskotzort. Täglich von zig (ja, nicht ab und zu, sondern es ist eine Seltenheit auch nur eine Person in Ruhe betreuen zu können) Anrufen aus der Visite gerufen werden ist ja in Ordnung wenn es um etwas WICHTIGES geht. Wenn es um eine Person geht, die ich betreue oder betreuen soll. Auch wenn man dafür während der Arbeit an anderen Menschen gestört wird und es unhöflich ist in der einen Sekunde noch mit dem Finger im Popo eines Menschen zu wühlen, um dann im nächsten Moment wortwörtlich rausgerissen zu werden… Aber unnötige Anrufe von gestressten Leuten zu erhalten um unnötige Informationen entgegen zu nehmen betreffend Leuten, mit denen ich 0 am Hut habe, um mir irgendetwas zuzuturfen…. NO GO. Um dann noch einen 2. Anruf zu erhalten, damit mir ein “Witz” erzählt werden kann… Schade dass es keine Rückruffunktion gibt, ich war in dem Moment so angefressen auf die Frau, dass ich sie gerne gefragt hätte, wofür der Anruf jetzt war. 

Hallo, bin grade auf folgendes Video gestoßen. Kannst du uns bitte erklären was die da machen?? ;) fail. to/watch / 12505- neulich-im-op-saal/

Sieht für mich wie die Entfernung eines Tibiamarknagels aus… 😉

Das ist ein langer Metall”nagel” der in ein gebrochenes Schienbein eingebracht wurde… Bei der Google-Bildersuche findet man da eh einige Fotos. Und hier in dem Video sieht man wie schwierig es ist, jahrelang eingewachsenes Metall aus einem Knochen wieder herauszubekommen. 😀 Das ist manchmal echt ein Kampf!