Poop

Es ist Nachmittag, die Visite ist durch und es steht keine Operation mehr an. Also Zeit für Büroarbeit. Meine Arbeitskollegin im gleichen Zimmer ist am telefonieren, zu Beginn höre ich gar nicht richtig zu. Bis es interessant wird.

Arbeitskollegin: “Hat der Patient Passage?”

“Ob der Patient Passage hat?”

“Hat er Stuhlgang??”

“KAKA???????”

Erst dann verstand die Person am anderen Ende der langen, langen Leitung, was gemeint war. Kaka ist einfach universell.

Hey, ich wollte mal fragen, ob du Tipps für Famulanten in der Chirurgie hast :) Dankeschön im Voraus!

Es gibt allgemeine Tipps für alle FamulantInnen:

1. Stell dich vor, bei jeder Person. Klar, es sind viele Menschen und bei manchen wird man sich doppelt vorstellen, weil es einfach Unmengen an Gesichter sind, die einem/r unterkommen werden. Als Studentin hatte ich manchmal das Gefühl, sowieso Luft zu sein (heute verstehe ich den Grund: im Stress ist die Betreuung von Studis zusätzliche Arbeit, und die wird im Ernstfall vernachlässigt. Das hat nichts damit zu tun, dass sie einem/r wirklich egal sind.), aber heute fallen mir StudentInnen in erster Linie positiv auf, wenn sie sich mit Namen vorstellen. Der erste Eindruck zählt!

2. Seid pünktlich. Und wenn ihr es nicht seid, erklärt den Grund. Zu spät kommende StudentInnen erwecken den Eindruck, dass es für sie eh nur ein un- oder schlecht bezahltes Praktikum ist, das uninteressant ist. Was zur Folge hat, dass man auch weniger machen darf.

3. BesserwisserInnen mag niemand. Es ist super und bewundernswert, wenn jemand mehr als der Durchschnitt weiß und bei manchen StudentInnen weiß man schnell, dass sie echt was draufhaben. Das muss man nicht proaktiv zur Schau stellen. Wenn jemand wirklich gut ist, merkt man das im Rahmen der Famulatur, und nicht weil diejenige Person dauernd hyperintelligente Bemerkungen ungefragt von sich gibt.

4. Der Tag neigt sich zu Ende, die ÄrztInnen sind mit Bürokram und ihr wollt nachhause gehen? Fragt! Einfach abhauen erweckt einen schlechten Eindruck. Eine simple Frage, ob man noch etwas helfen kann, ist absolut okay!

Tipps für die Chirurgie:

– Lernt und übt nähen. Schlichte Einzelknopfnähte, Donati, Allgöwer und Intrakutannähte. Übt es vor der Famulatur, während der Famulatur wenn gerade eine Flaute herrscht, und abends zuhause. Ihr werdet öfter eingesetzt und nehmt zusätzlich einem Assi wirklich Arbeit ab damit! Nicht dass Letzteres eure Hauptaufgabe ist, ihr werdet trotzdem damit punkten. Abgesehen davon macht es Spaß, wenn man nicht nur wie ein Hund neben den Assis herlauft, sondern auch wirklich mal arbeiten kann.

– Anatomie ist das A und O in der Chirurgie. Wenn ihr wisst, für welche Operation ihr eingeteilt werd: Nehmt euch am Vorabend noch einmal den Atlas her und geht die Strukturen durch. Peinliches Schweigen auf eine einfache Anatomiefrage im OP ist unangenehm.

– Esst genug. Eine OP kann je nach Haus schnell mal in einen 6-Stünder ausarten. Müsliriegel in der Tasche sind Gold wert.

– Seid euch für keine Arbeit zu schade. Chirurgie bedeutet Hand anlegen. Gilt für die Studi- als auch die Zeit danach. Wer gefragt sein und eingesetzt werden will, hilft auch der Pflege. Katheter legen, Blutabnahmen, PatientInnen lagern – das alles gehört dazu!

Wochenenddienste

Sie können gemütlich sein. Im Sinne von: abgespeckte Wochenendvisite, nicht dringend, man plätschert so durch die PatientInnenzimmer, plaudert ein bisschen hier, ein bisschen dort, trinkt einen Kaffee im Schwesternzimmer, und geht hoffentlich früh nachhause.

Können aber auch so ablaufen: man rauscht durch 30 PatientInnenzimmer, erledigt Konsile auf Station X (die im Nebengebäude liegt, am anderen Ende des Krankenhausgeländes) und hofft, dass niemand stirbt und man kein wichtiges Detail übersieht.

Sätze, die man im Falle 2 absolut nicht hören möchte:

– Die Angehörigen der schwerstkranken Frau Y., welche seit 100 Monaten auf der Station liegt, und für die du unter der Woche nicht zuständig warst, möchten bitte JETZT ein ausführliches Informationsgespräch!
– Der Blutdruck von Herrn Z. ist 60 zu 40 und die Drainage fördert blutig!
– Was ist eigentlich für eine Anschlusslösung an die Hospitalisation für Frau B. geplant?
– Warum hat man unter der Woche nie den Tacrolimusspiegel von Herrn LTX bestimmt?
– Das Hb vom Patienten auf Zimmer 304 ist seit Tagen bei 60!
– Kannst du bitte Pantozol auf Pantoprazol umverordnen?
– Mit wieviel kg darf der Patient, der vor 2 Wochen von den Orthopäden operiert wurde, eigentlich sein Bein belasten?

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Bootylicious

Als Allgemeinchirurgin verbringt man sehr viel Zeit mit Arschlöchern, oder besser gesagt: Arschlochproblemen. Ein häufiger Grund für eine Konsultation auf der Notaufnahme ist Blutabgang ab ano. Sprich: Blut kommt hinten raus. Was macht man als Chirurgin in dem Fall gleich zu Beginn, also nach “Was führt Sie hier her?”, “Seit wann besteht das Problem” oder “Haben Sie ungewollt an Gewicht verloren?”? Richtig, man nimmt einen linken und zwei rechte Handschuhe, sowie eine Tube Vaseline und schiebt den Zeigefinger in den PatientInnenpo. Warum zwei rechte Handschuhe übereinander? Weil einer reißen kann, und dann steckt man wortwörtlich in der Scheiße.

Ich bin letztens gefragt worden, welche Erkenntnisse man aus dieser Untersuchung gewinnen kann. Man beurteilt zuerst die Analhaut von außen – gibt es Hautveränderungen, oder Risse? Besteht eine Perianalvenenthrombose, spricht ein thrombosiertes Blutgefäß? Wölben sich beim Pressen Hämorrhoiden aus dem Analkanal heraus? Oder besteht schon in Ruhe ein Prolaps, also Vorfall? Mit dem Finger im Analkanal kann man anschliessend den Sphinktertonus, also den Spannungszustand des Schließmuskels beurteilen. Weiters, ob man im Anal/Rektalkanal Gewebe tastet, das dort nicht hingehört. Und wenn man seinen Finger anschließend betrachtet, klebt da hoffentlich kein Blut dran.

Bei Blutabgang aus dem After muss nicht zwingend ein Tumor vorliegen, sondern sehr häufig handelt es sich dabei um Hämorrhoiden. Hämorrhoiden sind Gefäßpolster unter der Darmschleimhaut, welche der Feinkontinenz dienen. Risikofaktoren wie zum Beispiel Verstopfung, Übergewicht oder Schwangerschaft begünstigen diese Erkrankung, welche sich durch das nach außen Ausstülpen des Hämorrhoidalpolsters auszeichnet. Von Hämorrhoiden abzugrenzen sind Perianalvenenthrombosen, welche den thrombotischen Verschluss eines Blutgefäßes bezeichnen.

Hämorrhoiden können auch bei jungen PatientInnen vorkommen, und sind keine Alterserscheinung. Vor allem bei Schwangeren ist dieses Problem ein sehr häufiges. So unangenehm ein Hämorrhoidalleiden auch ist, gefährlich ist es nicht und konservative, also nicht-operative Maßnahmen empfehle ich meinen PatientInnen IMMER vor einer eventuellen Operation. Das A und O ist ein regelmäßiger und weicher Stuhlgang. Mit stundenlangem auf der Toilette sitzen und Pressen verschlimmert sich die Symptomatik. Also: die Zeitung/das Handy draußen lassen! Neben Blut am Toilettenpapier beklagen die PatientInnen häufig ein Nässen und Jucken. Es ist nicht immer möglich, aber am besten duscht man die Analregion aus und trocknet sie anschliessend trocken ab.
Von Feuchtpapier rate ich ab, da das die Haut zusätzlich reizt.

In dem Sinne: happy pooping!

Walk away

Okay, das ist jetzt kein chirurgie- oder überhaupt medizin-spezifischer Gedanke. Nicht mal generell beruflicher Natur.

Die meiste Zeit macht es ja Freude. Ja, sogar Spaß. Man geht gern hin, verbringt gern den Tag dort und auch gern mal freie Tage. Setzt sich noch zu PatientInnen, denen es psychisch schlecht geht, obwohl man müde ist und die Liebe auf einen zuhause wartet.

Plötzlich befindet man sich in einer Situation, in der man einfach nur gehen möchte. Irgendwann, auf dem langen Berufsweg, sitzt man müde, ausgebrannt, unglücklich und hypoglykämisch in irgendeinem Büro in irgendeinem Krankenhaus und wird von einem Arbeitskollegen, der ebenso müde und ausgebrannt ist, gefragt: “Würdest du manchmal auch am liebsten alles hinschmeißen und einfach gehen?” – und man freut sich, dass man nicht alleine mit dem Gedanken ist.

Zwischen Stress, Druck, Undankbarkeit und der Müdigkeit verschwindet irgendwann die Freude, sich mit PatientInnen zu beschäftigen. Wenn man trotz zahllosen Überstunden nie alles perfekt erledigen kann, weil man dazu noch mehr Überstunden machen, oder den Schlaf komplett streichen müsste.

The Secret World Of Women Surgeons You Had No Idea Existed

The Secret World Of Women Surgeons You Had No Idea Existed:

md-admissions:

For all my lady surgeons and future lady surgeons, can I just: you all rock so hard and the fact that this is the 21st century and you do not get the respect you deserve is not right. Internists and surgeons talk shit about each other sometimes, but it’s just talk and I will fight for my lady-surgeons

Not only thanks to Niamey Wilson, but also to all other female surgeons (with or without kids). Thank you for your work and for being very important role models for me. Whenever I doubt my existance in this career-driven world where showing emotions is considered as being weak, people like you remind me of how I actually love this job despite all obstacles.

Fremdkörper

Liebe Patientinnen und Patienten, die ihr euch so gerne alles möglich im Haushalt verfügbare in eure Körperöffnungen schiebt.

Ich verurteile euch nicht. Ich kann nicht jeden Fetisch nachvollziehen, aber ich verurteile euch nicht und ihr müsst euch deswegen auch nicht schämen. Sex ist toll. Masturbation ist wunderbar. Okay, es ist 3 Uhr morgens und es überkommt einer/einem der unbändige Wunsch sich etwas hinten, vorne, oder – im Fall des weiblichen Geschlchtes – ganz vorne reinschieben zu wollen. Sprich anal, vaginal, oder auch in die Harnröhre.

Ich habe nur eine Bitte, vor allem um euch peinliche Besuche im Krankenhaus zu ersparen: Verschont eure Harnröhre, vor allem mit spitzen Gegenständen. Kein Draht, keine Buntstifte. Wählt als Beischlafpartnerin keine Leberwurst (ja, Leberwurst!), denn die Bröckelchen aus der Urethra zu fischen ist naja, mässig toll. Wählt für die anale oder vaginale Stimulation Gegenstände, die nicht vollkommen drinnen verschwinden oder stecken bleiben können. Schlechte Idee: ein ganzer Apfel. Eine brüchige, dünne Kerze – die natürlich im Rahmen des Gefechts bricht. Einen kompletten Hammer. Eine Raumspraydose mit dem Deckel voran, der natürlich 20cm weit drinnen stecken bleibt, sobald man die Dose rauszieht. Eine Glühbirne, die selbstverständlich im Rektum drinnen in 100 Teile zersplittert.

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Hi :) ich hab, wahnsinnig wie ich bin, die letzten Stunden damit verbracht sämtliche Einträge aus deinem Blog zu lesen und möchte hab a) einiges dazu gelernt b) 90% der Zeit in mich hineingegrinst. Dei Humor ist genial und ich hab bei weitem weniger Angst vor dem Krankenhausalltag als bisher. Abschließend: Hast du noch irgendwelche (neuen) Tips für angehende Medizinstudenten oder solche, die es sich zumindest überlgen? :D Kann man den Geruch von Formalin beschreiben?

Vielen Dank für die Blumen!

Zur ersten Frage: zum Thema Medizinstudium habe ich schon einige Beiträge geschrieben. Kurz noch einmal eine Zusammenfassung:

– Lesen, lesen, lesen &
– üben, üben, üben.
– Lasst euch nicht von MitstudentInnen fertig machen. Irgendwer lernt und weiß immer mehr als man selbst.
– Nerven behalten. Mehr als lernen kann man nicht.
– ÄrztInnen sind arbeitende Menschen, keine Göttinnen/Götter.
– PatientInnen sind Menschen mit Krankheiten und oft auch Ängsten.

Zur zweiten Frage: Schwierig. Etwas scharf, aber nicht in Richtung Menthol. Ich kann keinen Quargelkäse mehr essen, da mich dehr vom Geruch und Geschmack (nein, ich habe kein Formalin getrunken!) daran erinnert hat. Der ist aber auch ohne die Formalinassoziation eine heftige Angelegenheit.

Glück im Unglück

Alternativtitel: Horrorvorstellung.

Frau A., jung und ansonsten gesund, kommt mit rechtsseitigen Unterbauchschmerzen auf den Notfall. Seit zwei Tagen habe sie die Beschwerden, ein bisschen Fieber, ansonsten bestünden keine Begleitsymptome. Keine Grunderkrankungen. Keine Voroperationen. Das CRP und die Leukozyten hoch. Im Ultraschall ein verdickter Blinddarm. Ich kläre die Patientin über das Krankheitsbild der akuten Appendizitis (Blinddarmentzündung) auf, sowie über die Therapiewahl Nummer 1 (Operation) und die damit verbundenen Risiken. Blutung, Wundinfekt, Verletzung angrenzender Strukturen, Laparotomie, Drainageeinlage. Eine Stunde später landet Frau A. auf dem Tisch. Ich führe die diagnostische Laparoskopie durch, die Appendix ist verdickt und klebt retrocoecal und ist auch noch perforiert. So weit so schlecht so gut. Eine Stunde später ist der Wurm draußen, die Patientin im Aufwachraum. Zwei Tage später geht Frau A. geheilt und ohne Schmerzen nachhause. Alles wie immer. Schema F. Ich frage mich, warum es genau Schema F heißt. Aso, preußische Frontrapporte also.

Drei Tage nach dem Eingriff trudelt der Pathohistologiebefund ein. Akute Appendizitis. Plus Tumor. T3. Die Frau ist wenige Jahre älter als ich. Scheiße.

Ich stelle den Fall beim Tumorboard vor, eine Hemikolektomie rechts, also die Entfernung des rechtsseitigen Dickdarms wird vorgeschlagen. Anschließend informiere ich den Hausarzt der Patientin. Ich drücke mich vor dem Telefonat mit der Patientin und führe das Gespräch zuvor mehrmals im Kopf durch, um mir zu überlegen, wie ich ihr diese Diagnose schonend beibringe. Schonend, funktioniert das überhaupt in diesem Zusammenhang? Was, wenn sie alleine zuhause ist und sich dann verzweifelt vom Balkon wirft? Soll ich es ihr lieber persönlich mitteilen? Wie soll ich sie vorzeitig in die Sprechstunde einbestellen, ohne dass sie Verdacht schöpft?

Letztendlich wähle ich ihre Nummer und erzähle ihr ruhig und sachlich, weswegen ich mich melde. Dass es mir leid tue, ihr so eine Nachricht überbringen zu müssen – und frage mich, ob so eine Aussage passend ist in so einer Situation? Sie erkundigt sich, wie es jetzt weiter geht und ich erkläre ihr, dass sie in die Sprechstunde kommen soll, damit wir den zweiten Eingriff planen können.

Es handelt sich um ein T3 Stadium, jedoch lagen noch keine Metastasen vor und ich freue mich für die Patientin, dass es immerhin durch die Blinddarmentzündung zur “Nebendiagnose” der Krebserkrankung gekommen ist, bevor Filiae entstanden.