Maria auf Toast, Jesus auf Chips – Die Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit

Zu den erfolgreichsten Grundbausteinen der Evolutionsforschung von Religion gehört die These der schon von Charles Darwin selbst formulierten “Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit” (englisch: Hyper-Agency Detection (HAD) oder, seltener, auch Over-Detection of Agency (ODA), vereinzelt auch einfach “Agent Detection”). Damit ist die Beobachtung gemeint, dass unsere neurobiologisch vorgeprägten Wahrnehmungen (fachdeutsch: “Kognitionen”) unmittelbar Wesenhaftigkeit interpretieren – vor allem Gesichter. So wurde 2004 ein Käsetoast für die Summe von 28.000 Dollar versteigert, da Beobachter auf ihm spontan das Antlitz der Heiligen Maria wahrnahmen undweiter

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt – warum eigentlich?

Am Sonntag, dem 1. Dezember 2013, ist nicht nur der erste Advent und die demokratisch-parlamentarische Synodalwahl der evangelischen Landeskirche Württemberg – sondern auch (um 9.20 Uhr) ein weiteres Interview bei den Freunden von Radio RBB eins. Diesmal soll es, so wurde mir gesagt, um das Thema “Licht” in den Religionen gehen. Da traf es sich gut, dass ich just diese Woche beim Entzünden des ersten Chanukka-Lichtes in 2013 auf dem Schlossplatz Stuttgart dabei war – und ein Bild schießen konnte,weiter

Papst Franziskus zu Wissenschaft, Vernunft und Glauben in „Evangelii Gaudium“

Gerade befinde ich mich auf einer wissenschaftlichen Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, da sorgt “Evangelii Gaudium”, das erste eigene Lehrschreiben des neuen Papstes Franziskus u.a. mit der Forderung nach “Dezentralisierung” und der Kritik am religiösen Traditionalismus für Aufsehen. Da meine letzten beiden Blogposts sich mit den “Grenzen der Wissenschaft(ler)” und nicht-katholischen Organisationsformen von Kirche(n) befasst haben, möchte ich die Leserinnen und Leser auch extra informieren (denn im allgemeinen Medieninteresse steht das Thema leider nicht): Das Lehrschreiben enthält auch eigene Aussagen zum Dialog vonweiter

Die Kirche ist sehr demokratisch!

Bestimmt haben Sie beim Lesen der Überschrift gestutzt. Denn die meisten Menschen – Christen wie Nichtchristen – verstehen unter “der Kirche” fast reflexhaft die römisch-katholische Kirche. Doch ist dies zwar die zahlenmäßig größte, war aber niemals in der Geschichte die einzige Organisationsform von “Kirche”. Von der Urgemeinde an, in der wir bereits hebräisch- und griechischsprachige Flügel sowie verschiedene Strömungen unterscheiden können, bis in die heutige Zeit entfaltete sich das Christentum vielmehr als die Weltreligion der Vielfalt: Ständig entstanden neue Varianten,weiter

Naturwissenschaft gegen Religion? Wie sich Wissenschaftler selbst amputieren

Der Volksmund weiß: “Für Leute, die nur einen Hammer als Werkzeug haben, ist alles ein Nagel.” In der Wissenschaft kann man das hervorragend beobachten, denn hier werden Menschen über Jahre und Jahrzehnte in bestimmten Spezialdisziplinen eingewiesen, unter Druck wieder und wieder auf Stromlinienform geprüft und in ein immer einförmigeres Umfeld eingebunden (die akademische Form der Filterblase). Bald suchen wir die Welt nach Nägeln ab. Nehmen wir beispielsweise – ein Buch. Für die meisten nicht (über-)spezialisierten Menschen ist ein Buch selbstverständlichweiter

Geht Islamkritik auch sachlich? Ein Buch dazu von Nina Scholz und Heiko Heinisch

Als ich heute morgen las, dass Islamhasser in Leipzig blutige Schweineköpfe auf dem Grundstück einer geplanten Moschee platziert hatten, fiel mir eine Frage ein, die mir – auch hier auf dem Blog – immer wieder gestellt wurde: Gibt es denn in Deutschland nicht auch sachliche Islamkritik? Zwischen vorbehaltloser Bejahung und rassistischer Abwehr müsse es doch auch Stimmen mit Niveau geben! Ja, es gibt sie. Ein in der Sache kritisches, dabei aber sachliches und nicht-verletzendes Buch möchte ich heute vorstellen: “Europa,weiter

Leib und Seele oder mind and brain? von Marcus Knaup

Bereits vor über zwei Jahren hatte ich auf Natur des Glaubens einen Artikel über den aristotelischen Hylemorphismus von Marcus Knaup vorgestellt, der mich bereits seinerzeit sehr beeindruckt hatte. Bereits Aristoteles, so konnte ich dort erfahren, hatte sich mit dem so modern scheinenden Problem von Leib und Seele befasst und sich gefragt, wie und durch was Materie belebt, ja (selbst-)bewußt sein könnte. Er wandte sich dabei sowohl gegen den derzeit wieder gängigen Monismus, nach dem nur eine Existenzform (Materie oder Geist)weiter

Warum und wie verweigerten sich die Old Order Amish dem Sozialstaat?

Gerade auch in den Auseinandersetzungen des Kalten Krieges mit dem Sozialismus setzte sich auch in den USA die Forderung durch, Mindeststandards der Gesundheits- und Altersversorgung zu etablieren. So wurden (und werden) Steuer- und Versicherungssysteme aufgebaut, in die Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder auch alle Steuerzahler einzahlen und die umgekehrt Lebensrisiken absichern sollen. Für die Old Order Amish ergab sich dabei ein Problem, wie es in den gängigen Homo oeconomicus-Büchern der Wirtschaftswissenschaften eigentlich nicht vorgesehen ist: Sie waren und sind bereit, Steuern undweiter

NSA – Big Brother – Gott – Wie mächtig kann Überwachung werden?

Der Satireblog “Der Postillon” hat es einmal wieder auf den Punkt gebracht, indem er von einer “neuen Sekte” berichtete: Den NSAisten. Wir erfahren, dass die “Anhänger die allwissende und -mächtige Gottheit NSA verehren. […]. Die sogenannten NSAisten sind davon überzeugt, dass NSA nicht nur alles weiß, sondern über jeden ihrer Schritte aufmerksam wacht.” Auch ein Konvertit kommt zu Wort: “Michael Brandtner aus Duisburg ist ein glühender Verehrer der NSA: “Früher habe ich an den christlichen Gott geglaubt. Heute weiß ich,weiter

Glauben Sie (nicht) an den freien Willen? Das hat Konsequenzen für Ihr Verhalten!

 Als Religionswissenschaftler erforsche ich vor allem, wie der Glauben an überempirische Akteure wie Geister, Engel oder Gottheiten entsteht und das Verhalten von Menschen beeinflusst. Allerdings möblieren wir Menschen – und zwar Religiöse wie Nichtreligiöse – unseren geistigen Innenraum auch mit überempirischen Dingen (“Ideen”) wie “Menschenrechte”, “Wissenschaft” oder “freier Wille”, an die man glauben und über die man diskutieren kann. Die Diskussionen über “freien Willen” haben dabei ein oft grauenhaftes Niveau – beispielsweise, wenn sich Diskutanten nur auf den Unterschied zwischen “Zufall”weiter