Führt (Verschwörungs-)Verbloggung auch zu Verblödung? Streitbares von Kardinal Reinhard Marx

Führt die Ausweitung des Medienangebotes zu einer sich weltweit austauschenden “Noosphäre” oder doch, wie der Medientheoretiker Marshall McLuhan in späten Ahnungen meinte, zu einer “Retribalisierung” der Menschen entlang ihrer – nicht immer nur edlen – Gefühle? Dazu hatte ich vor enigen Wochen den ef-Artikel “Gefühlte Wahrheiten? Leben zwischen Realität und Medienblasen” publiziert. Auf die Frage nach der wachsenden Reichweite auch katholisch-fundamentalistischer Blogs gab nun Kardinal Reinhard Marx eine recht streitbare Antwort, die ich hiermit gerne zur Blog-Diskussion stelle.

Zeit als Rätsel (auch) der Religionswissenschaft. Quantic-Video & Artikel

Schon in den frühesten, religiösen wie auch wissenschaftlichen Schriften der Menschheit finden wir ein (bis heute anhaltendes) Ringen mit einem der größten Rätsel unseres Universums: Der Zeit. Ist die Zeit selbst ein Hervorbringendes wie im Physikalismus, im Zoroastrismus (“Zrvan” = Zeit als Vater von Ahura Mazda und Angra Mainyu) oder im Glauben der Mormonen (ein ewiges Universum, in dem Lebewesen zu Gottheiten aufsteigen)? Oder ist die Zeit ein Geschaffenes wie in Judentum, Christentum und Islam, deren Alleingottheit also vor undweiter

Warum nehmen die Golfstaaten kaum Flüchtlinge auf? Von Ölreichtum und Kälte

Ob in Europa, im Nahen oder Mittleren Osten – gerade auch Muslime sprechen mich auf einen schmerzhaften Widerspruch in der derzeitigen Weltpolitik an. Während einige mehrheitlich islamisch geprägte Staaten wie die Türkei, Jordanien oder der Libanon Millionen von Bürgerkriegsflüchtlingen aufnehmen – schlagen sich ausgerechnet die “Eliten” der reichen, arabisch-islamischen Ölstaaten in die Büsche. Zwar spenden sie Geld an Hilfsorganisationen und diverse, islamisch geprägte Rebellenfraktionen, doch nehmen sie kaum Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsregionen bei sich auf. Für Empörung sorgt so beispielsweise das Statement des kuwaitischen Funktionärs und “Researchers” Fahid Al Shalami, der erklärte, die Golfstaaten seien eben “nicht für Flüchtlinge, sondern für Arbeiter” geeignet, für Fliehende “zu teuer” und außerdem ungeeignet zur Aufnahme von Menschen “mit einer anderen Kultur” und mit “psychologischen Problemen und Trauma” (vgl. den sehr hörenswerten Braincast von Arvid Leyh). Und wir stellen fest: Arabische Rassisten formulieren ganz genau die gleichen, menschenverachtenden “Argumente” wie ihre europäischen Pendants, um ihre menschliche Kälte und Empathielosigkeit zu rechtfertigen. Das “Problem” ist nur: In Kuwait regieren diese Leute – und zwar nach der Invasion des Irak und dem zweiten Golfkrieg von 1991 wiedereingesetzt von westlichen Truppen! Und schon damals hatte sich das fundamentalistisch-religiöse Regime unmittelbar nach der “Befreiung” bei den palästinensischen Gastarbeitern für “mangelnde Loyalität” revanchiert, indem es knapp eine halbe Millionen Menschen innerhalb weniger Tage aus dem Lande wies – eine bis dahin beispiellose, ethnische Säuberung unter “arabischen Brüdern”!

20.000 Kommentare unter dem Blog! Ge-Danken zum Miteinander auf Natur des Glaubens

Es muss geschehen sein, als ich darüber staunte, wie weit der Himmel an einem Nordseestrand sein kann. Es gab keine Benachrichtigung, keine Fanfare, ich hatte wohl nicht einmal Netz. Doch ich hatte Blogposts voreingestellt und Kommentatorinnen und Kommentatoren überschritten die Schwelle. Spuren im Sand und darüber ein Regenbogen. Die Nordsee, wo der Wind weht und auch die Gedanken Auslauf bekommen. Foto: Michael Blume Natur des Glaubens weist nun über 20.000 Kommentare in über 500 Blogposts auf. Hunderte von Stunden von Austausch, Diskussion, Dialog, verteilt über nun siebeneinhalb Jahre. Und wenn es mir wohl auch nicht immer gelungen ist, so habe ich doch versucht, auf jeden konstruktiven Kommentar auch persönlich zu antworten. Ein ewiges Seminar, mit Höhen und Tiefen, mit Einsichten und Erfahrungen zwischen “teilnehmender Beobachtung” und vielen Überraschungen. Viele kamen, einige blieben, wenigen musste (und muss) ich die digitale Tür weisen.

Der (marxistische) Begriff Entfremdung von Joachim Israel (1972)

Für mich gibt es zwei Varianten der wundervollen Bücher-Schatzsuche: Digital streife ich gerne durch die eBook-Sortimente auf der Suche nach unentdeckten Perlen gerne auch unbekannter Autorinnen und Autoren zu günstigen Preisen. Und real komme ich an keinem Bücher-Grabbeltisch vorbei, ohne nach Werken zu stöbern, die mich überraschen könnten. Und so sprang mir an einem Kiosk am Stuttgarter Schlossplatz ein Titel zu einem Thema ins Auge, das mich schon länger interessiert hatte: “Der Begriff Entfremdung”. Der Autor, Prof. Joachim Israel (1920weiter

Schule und Chronobiologie – Gönnt den Jugendlichen endlich mehr Schlaf!

Jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler kennt das Problem: Auch dann, wenn Erkenntnisse mehrfach überprüft und interdisziplinär (weitgehend) abgesichert sind, bedeutet das noch lange nicht, dass sich diese dann auch in Gesellschaft und Politik durchsetzen würden. Und eine Öffentlichkeit, die unkritisch jedem wissenschaftlichen Trend hinterherläuft, kann ja auch niemand wollen. Und doch empfinde ich es als ärgerlich und frustrierend, wie langsam sich die interdisziplinären (biologischen, psychologischen, pädagogischen usw.) Befunde der Chronobiologie in unseren Konzepten von Jugend & Schule durchsetzen. Auch in der aktuellen (August 2015-)Ausgabe von Gehirn & Geist findet sich ein hervorragender Überblicksartikel von Stefanie Reinsberger “Acht Uhr ist zu früh zum Lernen”. Screenshot zum lesenswerten Chronobiologie-Artikel der Gehirn & Geist-Ausgabe August 2015. Die promovierte Biologin und Wissenschaftsjournalistin stellt darin den schon klassischen Befund dar, nach dem Menschen zu unterschiedlichen Schlaftypen veranlagt sind – den eher frühschlafenden und -aufstehenden “Lerchen” und den eher spätschlafenden und -aufstehenden “Eulen”. Darüber hinaus zeigt sie auf, wie sich die Schlafzyklen im Lebenslauf (durchschnittlich) verändern – gerade im Jugendalter werden Menschen (und auch verwandte Jungprimaten!) deutlich “euliger”, finden also erst später in den Schlaf und morgens schwerer aus den Federn. Das ist ein auch (chrono-)biologisch veranlagtes Verhalten, das also nicht einfach durch “ein bißchen guten Willen” ausgeglichen werden kann!

Öl- und Glaubenskriege. Wie das schwarze Gold Politik, Wirtschaft und Religionen vergiftet

“Kein Blut für Öl!” – “Eigentlich geht es bei all diesen Kriegen doch gar nicht um Religion, sondern um Rohstoffe, oder!?” – “Warum entwickeln sich in den reichen Ölstaaten eigentlich keine Demokratien? Und warum sind einige afrikanische Länder mit Ölfunden sogar ärmer geworden?” – “Warum glaubt die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, dass es dem Nahen Osten besser ginge, wenn es weniger Öl und dafür mehr Wasser gebe?” – “Was ist denn gerade mit Venezuela los?” – “Wäre Putin ohne die Öl-weiter

Religionsgemeinschaften und Familienbiografien in Deutschland – Eine neue GESIS-Studie

Immer mal wieder schaue ich glücklich auf die Abruf- und Verkaufszahlen rund um “Religion und Demografie” – die Frucht jahrelanger Forschungen. Doch nicht zuletzt dank lieber Freundinnen und Freunde auf Facebook & Twitter (wie z.B. Dagmar Heinemann) bekomme ich auch immer wieder Meldungen über neue, empirische Studien zum Thema. So erhielt ich auch den Hinweis auf einen neuen Forschungsartikel von Stefan Weick von GESIS, dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Weick erkundet, ob und wie sich Konfessionszugehörigkeit in Deutschland auf die Familienbiografienweiter

Wird “liberal” das neue Rechts? Wie braune und rote Kollektivisten die Traditionen der Freiheit kapern (wollen)

“An den Liberalismus glaube ich wie eh und je, fester sogar. Aber einst, in den Tagen süßer Unschuld, glaubte ich auch an die Liberalen.” – G.K. Chesterton, “Orthodoxie”, 4.02   Zu den grundlegenden Erkenntnissen (nicht nur) der Religionswissenschaft gehört: Deutungsmacht über Begriffe ist reale Macht. Denn über die Definition von Begriffen wie zum Beispiel “gut”, “Sünde” oder “Gott”, aber auch “Freiheit”, “Erfolg” und “Glück” lassen sich menschliches Denken, Fühlen und Handeln vorprägen und steuern. Im neu erschienenen “Verlockungen der Unfreiheit” beschreibe ich die Entstehung und bis heute verheerende Wirkung der “Protokolle der Weisen von Zion”. Es ist also kein Wunder, dass auch die bedeutende Weltanschauung des Liberalismus immer wieder das Ziel von Umdeutungsversuchen war und ist. Denn der liberale Kerngedanke ist ja ebenso einfach wie revolutionär: Jeder Mensch sei gleichwertig und mit unaufgebbaren (politischen, wirtschaftlichen, sexuellen etc.) Freiheitsrechten geboren.

Religionskrieg um Schuld(en)? Zum Einfluss der Konfessionen in Europa

Als ich letzte Woche die Süddeutsche (SZ) aufschlug, sprang mir ein Zitat ins Auge, das ich mir gleich notierte. Emmanuel Macron, Wirtschaftsminister in der Regierung des sozialistischen Präsidenten Hollande im laizistischen Frankreich, habe demnach die quälende Debatte um die Griechenland-Euro-Krise mit der Aussage kommentiert: Es gibt eine Art Religionskrieg zwischen dem calvinistischen Nordeuropa, das den Sündern nicht verzeihen will, und einem katholischen Südeuropa, das dies alles hinter sich lassen will.” In diesem griffigen Zitat findet sich eine Menge “klassischer” Religionssoziologie. So bezieht sich die Aussage vom “calvinistischen Nordeuropa” auf Max Weber (1864 – 1920), der die These vom “protestantischen Arbeitsethos” entwickelt hatte: Weil evangelische (vor allem: calvinistische) Christen keine sichere Heilszusage durch ihre Kirchen mehr erhalten konnten, sondern selbst direkt vor Gott standen, hätten sie Erfolg im wirtschaftlichen Leben als Zeichen göttlicher Zuwendung gedeutet. Und da zugleich das Zeigen von Luxus evangelisch verpönt gewesen sei, habe sich ein Zyklus aus Schaffen, Sparen und Investieren als Triebkraft des Kapitalismus entwickelt.