kinderärzte im focus

zwei sehr engagierte kollegen aus münchen werden online im focus, also focus-online interviewt und porträtiert, sehr lesenswert.

take a look.

schade nur, dass neben den vielen positiven kommentaren im anschluss an den artikel leider auch wieder die blogtrolle ihr unwesen treiben: natürlich findet sich wieder einer, den das jammern auf dem angeblich so hohen niveau missfällt, und einer, der tatsächlich bezweifelt, dass kleinkinder 8-10mal im quartal in die praxis kommen – hier vermutet der schreiberling *zitat* übertreibungen oder evtl. interessengesteuerte angaben *zitat*. tja, da kommentiert eben einer, der keine ahnung hat, was in kinderarztpraxen abgeht.

und dann noch … winnenden III

wenn sich keine entscheidenden neuen aspekte ergeben, mein letzter beitrag zum thema amoklauf in winnenden:

mit graus habe ich gestern mal wieder eine der zahlreichen reporter gesehen, die vor dem bekannten spot vor der realschule stehen und über die neuesten erkenntnisse berichten. und, oh graus, im hintergrund nicht nur eltern mit ihren kindern mit blumengaben und betroffenen blicken, sondern auch zwei oder drei pfeifen – allesamt männer mittleren alters – die gaffend in die kamera blicken, zweie nicht müde, mit der kamera alles festzuhalten, und einer sogar kurz winkend.

so – und genau das ist das problem nach drei oder vier tagen – vor allem am wochenende danach (ute hat es in den kommentaren zu meinem letzten eintrag schon angedeutet): das alles verkommt zum medien-hype, schon gibt es die gaffer, die auch an den autobahnen halten, um blut und zerquetschtes blech zu sehen und zu fotografieren – sensationstourismus. keine übertreibung: gehen wir heute ins schwimmbad oder spielen wir playstation oder fahren wir nach winnenden.

oh graus.

wie sag ich´s meinem kinde

wie spricht man mit kindern über diesen amoklauf in winnenden? wie fängt man sie auf, wenn sie sich gedanken machen, wie erklärt man?

natürlich ist das sehr altersabhängig und relativ radikal würde ich empfehlen, kindergartenkinder damit nicht zu belasten. erschreckend aber, wie das auch in diesem alter schon thematisiert werden muss.

kinder holt man da ab, wo sie sind. wenn ein kind sich nicht für die thematik interessiert, sollte man ihm auch nicht diese information aufdrängen. ein kind hat nicht dieses informationsbedürfnis wie wir erwachsenen. umgekehrt: wenn ein schulkind etwas über winnenden mitbekommen hat – und das werden sicher heuer die meisten sein – sollte man mit dem kind auch darüber reden.

ziel aller gespräche ist die ruhe. vermeidet panische erklärungen oder aufbauschende sensationslüsternde umschreibungen. 

1. aninmiert die kids, selbst zu reden – kinder teilen sich mit, wenn sie es brauchen. selber erzählen ist besser, als nur dem zu lauschen, was erwachsene erzählen.

2. gebt euren kindern schutz. floskeln wie "alles ist gut" oder "wir passen auf dich auf" sind besser als das ewige "du brauchst keine angst zu haben" – davon bleibt nur das wort angst übrig.

3. haltet die erklärungen kurz. details wie kopfschüsse oder die menge an munition oder die genaue psyche des täters sind für ein kind nicht von belang und multiplizieren nur die sorgen. "der junge war krank" oder "es sind viele menschen gestorben" reichen aus.

4. relativiert die tat. so schlimm sie sind, so selten kommen amokläufe in unseren breiten vor. das darf man vermitteln. aber: trotzdem davon sprechen. totschweigen oder ablenken bringt nichts.

5. man darf die eigene machtlosigkeit eingestehen. man suche nicht krampfhaft nach worten oder erklärungen. manche dinge passieren, ohne dass man sie erklären kann. auch das darf man sagen. und man darf seinen kindern zeigen, dass man selbst schockiert ist und trauert.

6. brauchen die kinder die fernsehbilder? ich denke nein. im radio wird schon genug berichtet, das bekommen die kinder ausreichend mit. vielleicht kann man kindern bilder in der zeitung zeigen, das sollte reichen. wer unbedingt will – es gibt eine gute "logo!" – sendung zu winnenden.

7. irgendwann darf auch wieder alltag sein. ein kind muss keine pietät zeigen, muss auch nicht über tage trauern. banal: das leben geht weiter.

alles verblasst

was interessieren mich pickelchen am popo oder eine rotznase, die man suchen muss und dass ein fünfjähriger noch kein schönes bild malen kann? alles verblasst.

wozu impfungen durchführen, wozu dieses blog schreiben, wozu sich über kinderarzthonorare aufregen? alles verblasst.

was stören mich die staubmäuse unter den wickeltischen, das schlechte wetter oder die eigene befindlichkeit? alles verblasst. 

nur zum telefon greifen, die eigene familie anrufen. interessant finden, wie sehr man bei bestimmten nachrichten die stimme und die rücksicherung der eigenen liebsten braucht. alles andere verblasst.

wird taub und dumpf. angesichts nachrichten wie dieser:

Mindestens zehn Tote bei Amoklauf in Realschule

kurze weisheit zum abend

je später die sprechstunde, desto unerfahrener die eltern und desto aufwändiger die beratung.

ungelogen gestern und heute jungen eltern mit jeweils zweiwöchigen säuglingen über jeweils 30-40 minuten verklickert, wie man a) stillen und flasche auf die reihe bekommt b) den nabel richtig pflegt c) dass man mit einem säugling auch spazierengehen kann d) wie ein normaler neugeborenenstuhlgang aussieht e) was dieses pickelchen und solches hippelchen bedeutet und f) welche vorsichtsmaßnahmen es gibt, dem plötzlichen kindstod ein schnippchen zu schlagen. und so weiter und so fort.

hallo, bin ich hebamme oder was? manchmal denke ich, die hebammen hier im umkreis geben überhaupt kein wissen mehr weiter, hauptsache auf du mit den eltern und hauptsache schon mal ein paar globuli dagelassen. aber eine normale solide wochenbettberatung bekommen die nicht hin.

ok ich steigere mich jetzt etwas rein, es gibt auch hier solche und solche, und alle mitlesenden hebammen sind natürlich ausgenommen – aber heute hats mir echt gereicht.

und ja: dafür sehe ich keinen cent. keinen cent. null. nix. alles privatvergnügen. 

anne will

gestern grosse diskussionsrunde bei anne will über vorkasse bei medizinern – ganz grosses kino. eingeladen der medizinjournalist (und abgehalfterte assistenzarzt) bartens, frau caspers (ich bin das sprachrohr von frau schmidt)-merk, herr söder von der csu, immer für unpopuläre statements gut, der bundes-kv-köhler, wohl als arztvertreter, dazu ein privatmediziner. von der basis, nur auf der couch, eine betroffene patientin, deren story wirklich peinlich war für die ganze ärzteschaft, aber eben nicht repräsentativ, und ein internist aus stuttgart, der als wirklich einziger auf dem boden der tatsachen blieb.

unglaublich grausig populistisch die bemerkungen der frau will "die patienten in geiselhaft zu nehmen", dazu einspieler mit einem gefakten transparent in der fussgängerzone "mit 120 000 euro im jahr am existenzminimum – so geht es den ärzten", und dergleichen mehr.

man lese alleine den blog der ard zu dieser sendung, und die vielfalt der gedankengänge wird offensichtlich.

vorkasse für patienten ist sicher nicht ethisch vertretbar, aber wieder einmal mussten die ärzte am ausgestreckten moral-arm verhungern – wir dürfen keine proteste, wir dürfen keine zeichen setzen, wir dürfen uns alles gefallen lassen und wir dürfen alles hinnehmen, was uns politik und selbstverwaltung einbrocken.

die vorkasse war der aufhänger – schnell war allen diskutanten klar, dass dieses vorgehen nicht ok ist – aber dann hätte man zum eigentlichen problem übergehen müssen: dass dieses gesundheitssystem so nicht mehr zu halten ist.

– mehr transparenz in die abrechnung für die ärzte und patienten
– wer gute medizin macht, sollte gut dafür bezahlt werden
– mehr geld für die sprechende medizin als für das hamsterrad in vielen praxen
– ergo: eine schlanke gebührenordnung für ärzte, die dem patienten eine rechnung schreibt, dieser kann sie kontrollieren und dann an die kasse weiterreichen, die ihm die kosten erstattet oder mit dem arzt direkt abrechnet. 

so ergingen sich am ende alle in irgendwelchen absichtserklärungen, dass alles besser werden soll (außer frau caspers-würg, die ja eh schon alles richtig gemacht hat) – und am ende sind es die ärzte und die patienten, die darunter leiden werden. und die säckel der funktionäre bleiben voll. 

video zur sendung

namenswolke

soley – timea – saloua – cid – channelle – lausia – nehemia – laurin – flurina – naemia – yonnick – neo – kimon – jasmyna – nelio – janoscha – tuc – kis – lysann – midas – odina – angelyka – tyron – rocky – rebecka (! – genau so!) – adolf (!) – caprice – danyio – zimbo – morice (! – genau so!) – candy – nemo – bryana – andi – cynzia – – ja, und auch angelyna (jolie) und brad (pitt) und brittney (spears) und so weiter.

wohlgemerkt, das sind alles vornamen von deutschen familien, die hübschen italienischen namen bei italienern wie giacomo oder türkische bei türkischen familien, wie ebru etc. – habe ich alle außenvorgelassen. es sind doch mehr die deutschen, die namen erfinden, verfremden, aus anderen sprachen entleihen und verwurschteln. das y ist doch ungemein wichtig geworden. der arme buchstabe fristete bisher auch eher ein schattendasein.

der kevinismus ist doch eine quelle steter freude.

gehts besser?

"na, sie und ihr team sind aber auch froh, dass die erkältungswelle ein bissel abklingt, oder?"

sagte eine mutter heute zu mir und rettete damit den tag, die woche und die ganzen vergangenen zwei monate, angefüllt mit richtig und richtig lang kranken kindern, genervten ungeduldigen eltern, ausfällen im personal und bei sich selbst – kurzum dem klassischen jahresanfang. danke. 

passiv handy

er hat die ganze zeit sein klapphandy am ohr und spricht in lauten wortsalven auf den gegenüber ein – sprache irgendwie russisch polnisch suaheli – könnte aber auch schwäbisch hessisch berlinisch sein, ist doch austauschbar. zwischendrin macht er pause, drückt umständlich auf den tasten des handys herum, um sekunden später wieder lautstark ein telefonat zu führen.

platziert hat er sich auf einem der bänke, die rund um den sandkasten aufgebaut sind, breitbeinig, zurückgelehnt, den handyarm lässig auf die lehne der bank gestützt, die rechte – kippequalmend – wird ab und an in theatralischen bewegungen gefuchtelt. als sehe der andere diese gestiken. 

pepi-ivan-moritz versucht währenddessen, die treppe der rutsche zu erklimmen. auch wenn man ihn nur von hinten sieht, erahnt man den schnodder, der ihm aus der nase gen mund rinnt, erahnt man die nuckiflasche mit dem undefinierbaren orange-grellen multivitamingesöff, welche geschickt zwischen den zähnen getragen wird, weil die hände schließlich zum klettern benötigt werden.

er schafft es nicht. die sechsfach-tasking-kiste mit händen und füssen, schnodder und flasche ist einfach zuviel für ihn. irgendwann gibt er frustriert auf, schwäche überkommt ihn, und er setzt sich auf den hosenboden. ein kurzer blick zu handy, seine augen füllen sich mit tränen, laufen über die wangen, vermischen sich mit dem schnodder. erst leise dann lauter weint er.

handy blafft etwas ins telefon, hält den hörer an die brust, hebt die bekippte hand, streckt den arm gen pepi-ivan-moritz und blafft in diese richtung. sprachlich unverständlich, aber sicher im sinne von sich-nicht-so-anstellen oder heul-nicht. ohne erfolg natürlich. handy murmelt nochmal etwas in dasselbe, klappt es dann tatsächlich zu – hoffnung keimt auf – und erhebt sich.

mit breiten schritten geht er auf pepi-ivan-moritz zu, der ein wenig stiller wird in seinen bemühungen, handy hat jetzt beide hände geöffnet und hält sie dem jungen entgegen. tiraden über tiraden kommen aus seinem mund. eher harte worte, kein weichen, tröstenden.

pepi-ivan-moritz ist trotzdem froh, das sein vater (!) bei ihm ankommt. der hebt ihn auf die füsse, wischt mit dem ärmel seiner bomberjacke gleichzeitig über augen, nase und mund des kleinen. immerhin senkt er etwas die stimme.

nimmt ihn an der hand und geleitet ihn hinüber zu der kleinkinderschaukel, die mit dem sicherheitssitz. pepi-ivan-moritz steckt sich wieder die nuckiflasche zwischen die zähne, trotz greinenden augen sieht er ein wenig zufriedener aus. und er schubst die schaukel mit seinem sohn (!) tatsächlich an.

zieht das handy aus der jacke, und geht im multitasking auf: rechte hand schubst pepi-ivan-moritz an, mit der linken hält er das handy ans ohr und spricht hinein, mit kippebewehrter verqualmter stimme. irgendwie russisch polnisch suaheli – könnte aber auch schwäbisch hessisch berlinisch sein, ist doch austauschbar.