Apps bald auch im DMP für Chroniker?

Auch wenn kontrollierte Studien mit großen Patientenzahlen derzeit fehlen (1) und noch nicht belegt ist, welche Funktionen von Apps den erhofften Nutzen schaffen, gibt es doch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten, die zeigen, dass sich mit Apps etwas bewegen lässt bei Menschen, deren Erkrankungen stark beeinflusst wird von lebensstilbedingten, verhaltensassoziierten Faktoren. Exemplarisch hier einige Arbeiten, die in den letzten Monaten in PeerReview Journalen veröffentlicht wurden.

  • Typ-2 Diabetiker: Regelmäßige Hilfebotschaften unterstützen Patienten und verbessern die Behandlungsqualität, gemessen als Veränderung des HbA1c-Wertes (2).
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Apps können sensibilisieren für Risikofaktoren und auf diese Weise die Medikamenteneinnahme unterstützen und dadurch die Adhärenz verbessern (3).
  • Koronare Herzkrankheit: Regelmäßige Hilfe- und Motivationsbotschaften können Verhaltensveränderungen unterstützen und sich positiv auf den Lebensstil auswirken (4).
  • App-Nutzer: Ernährungs- und Bewegungs-Apps helfen dabei, das Verhalten gesundheitsförderlich zu verändern. Sie machen Spaß, können aber auch sehr zeitaufwändig sein (5).

Aus der direkten Befragungen von Diabetikern (6, 7) ist bekannt, dass sie:

  • Apps nutzen wollen, um damit ihre Ernährungsziele (58%) und Bewegungsziele zu tracken (71%).
  • unterstützt durch Apps ihren Arzt doppelt so häufig kontaktieren.
  • Zugang haben wollen zu den Echtzeitdaten (88%), die von Behandlern erfasst werden.
  • überzeugt sind, dass Apps helfen können, besser mit Diabetes klar zu kommen.

Fazit: Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Untersuchungen geben Hinweise, dass Apps das Potential haben, Patienten zu unterstützen, die ihren Lebensstil gesundheitsförderlich verändern wollen. In Befragungen zeigen Diabetiker eine hohe Offenheit für Apps (7). Das sind gute Voraussetzungen dafür, Apps zukünftig auch in strukturierten Chronikerprogrammen (DMP) zu nutzen. Erste Pilotprojekte laufen, in denen die Behandlungs- und Patientendaten aus Apps ausgewertet und genutzt werden, um Patienten mit Diabetesrisiko frühzeitig zu erkennen bzw. durch eine verbesserte Versorgung Folgeerkrankungen bei bereits manifestem Diabetes zu reduzieren (8)

 

Quellen

  1. Studie Gesundheits- & Versorgungs-Apps: Hintergründe zu deren Entwicklung und Einsatz, 2015.
  2. Arambepola C, Ricci-Cabello I, Manikavasagam P, Roberts N, French DP, Farmer A
    The Impact of Automated Brief Messages Promoting Lifestyle Changes Delivered Via Mobile Devices to People with Type 2 Diabetes: A Systematic Literature Review and Meta-Analysis of Controlled Trials, J Med Internet Res 2016;18(4):e86
  3. Kang H, Park HA
    A Mobile App for Hypertension Management Based on Clinical Practice Guidelines: Development and Deployment, JMIR mHealth uHealth 2016;4(1):e12
  4. Pfaeffli Dale L, Whittaker R, Jiang Y, Stewart R, Rolleston A, Maddison R
    Text Message and Internet Support for Coronary Heart Disease Self-Management: Results From the Text4Heart Randomized Controlled Trial, J Med Internet Res 2015;17(10):e237
  5. Wang Q, Egelandsdal B, Amdam GV, Almli VL, Oostindjer M
    Diet and Physical Activity Apps: Perceived Effectiveness by App Users, JMIR mHealth uHealth 2016;4(2):e33
  6. mHealth Closing Knowledge Gaps for Chronic Disease Management, http://healthitanalytics.com/news/mhealth-closing-knowledge-gaps-for-chronic-disease-management
  7. DiMAPP: Diabetes-Management mit Apps. Derzeitige & zukünftige Nutzung, Einstellungen, Erfahrungen und Erwartungen von Betroffenen, 2015.
  8. Pilotprojekt zur Diabetes-Prävention von Roche Diabetes Care und SAP, https://www.roche-diabetes-politikportal.de/hintergruende/pilotprojekte/pilotprojekt-zur-diabetes-praevention-von-roche-diabetes-care-und-sap/
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Eine "gute" Blutdruck-App: Welche Funktionen sind wichtig?

Laut einer Umfrage der deutschen Hochdruckliga e.V. geben 59 Prozent der Befragten an, ihren Blutdruck mindestens einmal pro Tag zu messen und 55 Prozent führen ein Blutdrucktagebuch, jeder zehnte (11 %) nutzt dazu heute bereits eine App (1). Welche Unterstützung sollte eine Blutdruck-App bieten, damit sie Patienten beim Selbstmanagement wirksam und dauerhaft unterstützen kann?

Zur Evidenz von Blutdruck-Apps selbst, gibt es bisher kaum Studien. Die Auswertung von Studien zur Wirksamkeit digitaler Interventionen zur Unterstützung des Selbstmanagements von Bluthochdruck gibt Hinweise, dass sich die folgenden Funktionen positiv auswirken können (2):

  • Erinnerung an Einnahme der Medikamente scheint die Adhärenz wenigstens kurzzeitig zu verbessern.
  • Erinnerung an die Blutdruckmessung wirkt sich positiv aus. Ob diese Erinnerung in Form einer Warnmeldung erfolgt, wenn eine geplante Messung nicht durchgeführt, oder als voreingestellte regelmäßige Erinnerung, z. B alle drei Tage, scheint keinen Unterschied zu machen.
  • Einbindung von kurzen Feedbacknachrichten, Tipps oder Lernbotschaften, z. B. nach dem Eintragen der Blutdruckwerte ins digitale Tagebuch, zeigen Wirkung. Wer sich die Zeit nimmt, den Blutdruck zu dokumentieren, ist auch offen für Tipps bzw. Hinweise zum optimierten Selbstmanagement und zur langfristigen Umstellung von Verhaltensweisen.
  • Automatisierte Weiterleitung der Blutdruckdaten, z. B. als Wochenübersicht, an den behandelnden Arzt. Dies führt in Studien zu häufigeren Therapieanpassungen, was ein Indiz sein könnte für eine bessere Blutdruckeinstellung.

Was kennzeichnet eine gute Blutdruck-App darüber hinaus aus?

  • Durch die Einbindung der Nutzerzielgruppe bereits in der Entwicklungsphase der App, reduzieren sich die Fehler bei der Anwendung durch den App-Nutzer deutlich.
  • Eine gute Blutdruck-App sollte den Nutzer darauf hinweisen, sein Messgerät regelmäßig überprüfen zu lassen, denn nur wenn die aufgezeichneten Daten korrekt sind, bilden sie eine verlässliche Basis zur Orientierung im Selbstmanagement.
  • Auch Informationen zur korrekten Messtechnik sind wichtig, um verlässliche Messwerte zu erfassen. Da die meisten Blutdruckmessgeräte von den Patienten selbst erworben werden und sie keine Einweisung bekommen, könnten Videoanleitungen in einer Blutdruck-App die Anwendungsfehler reduzieren.

Wie lässt sich auf Basis dieser als wirksam bzw. wichtig identifizierten Funktionen das derzeitige App-Angebot für deutsche Verbraucher bewerten? Die Initiative Präventionspartner hat in ihrem aktuellen Screening insgesamt 29 deutschsprachige, kostenlose Blutdruck-Apps untersucht und dabei folgende Unterstützungsfunktionen festgestellt:

  • Fast alle Apps bieten eine Tagebuchfunktion (97 %), mit der sich Blutdruckwerte dokumentieren lassen.
  • In vier von fünf Apps (83 %) können die Tagebucheinträge als Backup auf der SD-Karte gespeichert und mit Dritten, z. B. dem behandelnden Arzt, geteilt werden.
  • Drei von vier Apps (79 %) visualisieren die Tagebucheinträge in Form von Graphiken, d. h. Verlauf und Trends der Blutdruckwerte werden erkennbar.
  • Knapp die Hälfte der Apps (41 %) bietet eine Erinnerungsfunktion, d. h. der Nutzer kann sich z. B. an die regelmäßige Medikamenteneinnahme oder Blutdruckmessung erinnern lassen.
  • Jede dritte App (28 %) vermittelt Gesundheitsinformationen interaktiv, d. h. bezogen auf den Nutzer, der z. B. mit einem BMI-Rechner (Body Mass Index) sein Risiko ermitteln kann.
  • Jede 7. App (14 %) bietet Zugriff auf Lebensmitteldatenbanken, die das Führen eines Ernährungstagebuchs  erleichtern.
  • Jede zehnte App (10 %) gibt vor, mit der Kamera des Smartphones den Blutdruck direkt messen zu können, obwohl keine dieser Apps als Medizinprodukt zur Therapie oder Diagnose von Krankheiten zugelassen ist. Die Anbieter sichern sich mit einem Haftungsausschluss ab, der vom Nutzer nicht unbedingt erkannt wird.

Blutdruck-Apps im Test 2015: Unterstützungsfunktionen

Fazit: Dokumentations- und Erinnerungsfunktionen dominieren in den untersuchten Blutdruck-Apps. Individuelle Motivationsbotschaften bzw. Tipps zum Selbstmanagement, die z. B. bei der Eingabe der Blutdruckwerte angezeigt werden, könnten Handlungsimpulse setzen zur regelmäßigen Blutdruckmessung, zur Gewichtsabnahme oder zur körperlichen Aktivität. Keine der untersuchten Apps nutzt diese Funktion, d. h. alle Blutdruck-Apps bleiben hier unter ihren theoretischen Möglichkeiten. Keine der Apps informiert darüber, ob die Entwicklung in Zusammenarbeit mit Betroffenen erfolgt ist. App-Anbieter, die ihren Entwicklungsprozess zukünftig in diesem Punkt offenlegen, könnten sich positiv abheben.

Weiter zu den Testberichten der 29 Blutdruck-Apps.
Weiter zum Download der Testübersichten aller 29 untersuchten Blutdruck-Apps.
Informationen zum methodischen Ansatz des App-Screenings.
 

Quellen

  1. Deutsche Hochdruckliga e. V, Umfrage 02/2015
  2. iMedicalApps, Evidence based list hypertension apps

Zwei Drittel nutzen Smartphone zur Gesundheitsaufklärung

Nach einer aktuellen Umfrage (Pew Research) verfügen bereits knapp zwei Drittel der Erwachsenen in den USA über ein Smartphone. Die Mehrheit (62 %) nutzt es, um Gesundheitsinformationen nachzuschlagen.

Erstaunliches Ergebnis: Selbst unter den Senioren über 65 Jahren zählt bereits jeder Dritte zu den Smartphone-Nutzern. Noch vor einem Jahr waren es lediglich 19 Prozent, das entspricht einem Zuwachs von 42 Prozent.

Fazit: Digitale Gesundheitsaufklärung hat bereits einen hohen Stellenwert und wird mit der zunehmenden Markterschließung älterer Bevölkerungsgruppen weiter an Bedeutung gewinnen.  

Quelle:

MobiHealthNews, April 2015: 64 Percent of US Adults own Smartphone now.

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Vorsicht Pollenalarm! 21 Pollen-Apps im Test

In Deutschland leidet fast ein Drittel aller Erwachsenen an Allergien, die Hälfte davon klagt über Heuschnupfen (1). Eine wirksame Strategie für Allergiker ist es, den schädlichen Pollen aus dem Wege zu gehen. Und hier können Gesundheits-Apps wertvolle Dienste leisten. Welche das im Einzelnen sind, hat die Initiative Präventionspartner in ihrem aktuellen Screening untersucht und dabei insgesamt 21 deutschsprachige, kostenlose Apps für Pollenallergiker getestet. Was können diese Pollen-Apps?

  • Aufklären: Zwei Drittel (62 %) der Apps klären auf mit gesundheitsbezogenen Informationen und Tipps, z. B. über verschiedene Pollenarten und wie man im Alltag mit Allergie besser umgehen kann.
  • Erinnern bzw. warnen: Über die Hälfte der Apps (52 %) erinnern an die Einnahme von Medikamenten oder warnen mit einer Push-Nachricht, wenn die aktuelle Pollenbelastung einen vorher definierten Wert überschritten hat. Viele Apps nutzen dazu die GPS-gestützte Standortermittlung.
  • Tagebuch führen: Fast jede zweite Pollen-App (48 %) hilft dem Nutzer dabei, ein Tagebuch zu führen um z. B. die aktuellen Beschwerden zu dokumentieren.
  • Überblick geben: Wochen- oder Monatsdiagramme (52 %) helfen dabei, Trends zu erkennen.
  • Allergierisiko einschätzen: Selbsttests (z. B. Allergie- bzw. Asthmatest) visualisieren das individuelle Risiko.
  • Daten teilen: Jede dritte App (29 %) bietet dem Nutzer die Möglichkeit, seine Tagebucheinträge oder die Ergebnisse seiner Risikotests zu versenden, z. B. an den behandelnden Arzt.

Zwei Drittel aller Pollen-Apps sind sog. Multifunktions-Apps (66,6 %), d. h. sie bieten im Durchschnitt drei der oben genannten Unterstützungsfunktionen an.

Die 21 untersuchten Apps wurden in Google Play insgesamt max. 1,7 Millionen mal heruntergeladen, knapp 90 Prozent dieser Downloads gehen auf lediglich zwei Pollen-Apps zurück.

Pollen-Apps im Test: UnterstützungsmöglichkeitenPollen-Apps im Test: Downloadkategorien

Fazit: Health-Apps mit einer Pollenvorhersage bzw. mit Informationen zu Pollen sind eine ideale Möglichkeit sich auch unterwegs über die aktuelle Pollenbelastung zu informieren. Das Problem: In Deutschland gibt es nur 14 Messstellen (2). Ein neuer Dienst des DAAB (Deutsche Allergie- und Asthmabund e. V.) setzt auf betroffene Allergiker, die die Belastung und die Schwere ihrer Symptome zusammen mit ihrem Standort melden können. Durch ein dichteres Datennetz soll die Güte der Pollenvorhersage verbessert werden. Leider ist dieser Dienst noch nicht als App verfügbar.

Die Übersicht mit allen 21 getesteten Pollen-Apps sowie Informationen zum methodischen Ansatz des App-Screenings steht hier kostenlos zum Download zur Verfügung. Die ausführlichen Einzeltestberichte aller Apps sind über die HealthonApp-Datenbank erreichbar.

Ergänzende Hinweise:

  • Drei der 21 getesteten Pollen-Apps bieten die Pollenvorhersage nur für die Schweiz, sie informieren jedoch auch über Allergien, Heuschnupfen oder Asthma, und können so auch für Allergiker in Deutschland nützlich sein, weshalb sie in diesem Screening berücksichtigt wurden.
  • Fünf Apps sind Asthma-Apps bzw. Apps zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge: Die Informationen zu Pollen bzw. die Pollenvorhersage ist lediglich ein Zusatzservice und nicht der eigentliche Schwerpunkt dieser Apps.

Quellen

  1. DGS1 Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (2013). Robert Koch-Institut
  2. Sonja Lämmel, Ökotrophologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund e. V. (DAAB). Selbsthilfeorganisation mit über 20.000 Mitgliedern.

Promillerechner & Trinkspiele: Taugen Apps als Aufklärungshilfen?

Smartphones (1) sind so wenig aus dem Alltag Jugendlicher wegzudenken, wie Alkohol (2). Damit stehen die Chancen theoretisch sehr gut, Jugendliche über Apps für den verantwortlichen Umgang mit der Droge „Alkohol“ zu sensibilisieren? Die Initiative Präventionspartner hat sich daher im größten App-Store nach deutschsprachigen, kostenlosen Angeboten umgeschaut und die Angebote in der Kategorie „Gesundheit & Fitness“ analysiert.

  • Nur jede vierte App (29%) vermittelt gesundheitsbezogene Informationen zu den Gefahren des Alkoholkonsums.
  • Die allermeisten Apps (71%) beschränken sich darauf, den Promillewert zu berechnen. Sie sensibilisieren so indirekt für die Gefahren, da sie den Alkoholgehalt verschiedener Spirituosen ausweisen und zeigen, wie nach wie vielen Gläsern Bier oder Wein gefährliche Promillegrenzen erreicht werden.
  • Manche Apps (2/14) verharmlosen die Gefahren und erhöhen über zweifelhafte Trinkspiele den sozialen Gruppendruck.

Wie können die untersuchten Apps, allesamt kostenlos, in Punkte Qualität und Transparenz beurteilt werden?

  • Jede zweite App ist offensichtlich werbefrei (50%), das heißt es sind keine Werbeeinblendungen oder Produktanzeigen erkennbar. Wie finanzieren sich diese Apps? Vielleicht mit den Nutzerdaten?
  • Mehr als drei Viertel der Apps (86%) machen keine Angaben zum Schutz bzw. Verwendung der Nutzerdaten. Und das, obwohl viele Verbraucher die Angst vor unerlaubtem Ausspähen von Daten als Haupthürde sehen für die Nutzung von Apps (GAPP-Studie 2014).
  • Finanzierungsangaben: 8 der 14 Apps  (57%) finanzieren sich vermutlich durch Werbeeinblendungen von Google sowie kostenpflichtige Zusatzelemente oder die kostenpflichtige Vollversion. Ausnahme ist eine App, die ausdrücklich privat finanziert wird.
  • Angaben zu Autoren (7%)  und den verwendeten Quellen (7%) finden sich nur in einer einzigen App.
  • Nur jede sechste App (14%) verfügt über ein Impressum, und das obwohl jeder App-Anbieter rechtlich dazu verpflichtet ist.
  • Bei knapp jeder 3. App gibt es die Möglichkeit den App-Anbieter via E-Mail zu kontaktieren (29%), Namen von konkreten Ansprechpartnern fehlen jedoch in den meisten Fällen.

Health-Apps zur Sensibilisierung für die Gefahren des Alkoholkonsums: HealthonApp-Ehrenkodex

Health-Apps zur Sensibilisierung für die Gefahren des Alkoholkonsums: Unterstützungsmöglichkeiten

Fazit: Apps, die für einen verantwortlichen Umgang mit Alkohol sensibilisieren, sind kaum in den App-Stores zu finden. Obwohl theoretisch jeder Jugendliche über Apps erreichbar wäre und Apps technisch viele neuen Möglichkeiten eröffnen, multimedial, individuell, kontextabhängig und mit spielerischen Elementen des Infotainments zu arbeiten und Peers über Social Media-Funktionen einzubinden, ist die smarte Alkoholprävention für Jugendliche in den App-Stores derzeit noch nicht angekommen. Krankenkassen und staatliche Aufklärungsbehörden (BZgA) lassen dieses vielversprechende Terrain bisher unberührt.

Quellen:

  1. Der Alkoholkonsum von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland 2012; http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/DrogenundSucht/Alkohol/Downloads/Info-Blatt_Alkoholsurvey_2012_final.pdf
  2. Bitkom Studie „Kinder und Jugend 3.0“ http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_PK_Kinder_und_Jugend_3_0.pdf

"Raucher-Apps" 12/2014: Datenhungrig & intransparent

Der Weg aus der Tabaksucht ist steinig, die langfristigen Erfolgsquoten sind niedrig (1), daran kann auch der Trend zur Nutzung digitaler Raucher-Coaches aus der Hosentasche derzeit noch wenig ändern (2). Kostenlose Raucher-Apps für Verbraucher informieren, rechnen, schrecken ab, rationieren und dokumentieren (3). Sie legen dabei einen enormen Datenhunger an den Tag, ohne allzu viel über die Motive und die Qualifikation ihrer Anbieter preiszugeben.

Hier die Ergebnisse des aktuellen Screenings der Initiative Präventionspartner. Sie hat im Dezember 2014 insgesamt 29 Apps zur Raucherentwöhnung untersucht, die insgesamt mind. 1,6 Millionen mal heruntergeladen worden sind. In diesem Blogbeitrag werden die untersuchten Apps unter besonderer Berücksichtigung von Qualität- und Transparenzkriterien beleuchtet:

  • Berechtigungen: Bei jeder vierten App (7/29) erklären sich die Berechtigungen nicht unmittelbar aus dem Funktionsumfang, den die App bietet. Im Durchschnitt braucht jede App 3,7 Berechtigungen (108 Berechtigungen /29 Apps), z. B. uneingeschränkten Internetzugriff (20/29 Apps), das Lesen des Netzwerkstatus (19/29), den Zugriff auf Speicher bzw. SD-Karte (13/29), da viele Apps mehr oder weniger umfangreiche Dokumentationen in einem sog. Rauchertagebuch anbieten. Spitzenreiter ist eine App, die insgesamt 13 Berechtigungen fordert.
  • Datenhunger der Apps vs. Angaben zum Datenschutz: Nur 2 Apps (13 %) machen Angaben zum Schutz der Nutzerdaten. Zur Erinnerung: 17 der untersuchten Raucher-Apps dokumentieren personenbezogene Daten ihrer Nutzer.
  • Angaben zur fachlichen Fundiertheit der Aussagen: Den Namen oder die Qualifikation des Autors gibt nur jede sechste App bekannt (17 %), Angaben zu den Quellen der gesundheitsbezogenen Informationen oder den Tipps (z. B. Folgen des Rauchens, Sterblichkeit, Gesundheitsschädigungen der Organe durch Tabakkonsum, Regeneration des Nichtrauchers etc.) nennt nur jede 13. App (n = 2; 7 %). Werden Quellen genannt, sind diese unvollständig, so dass der Nutzer sie nicht rückverfolgen kann. Verbraucher haben also keine Chance, die gesundheitsbezogenen Angaben in der App im Hinblick auf ihre fachliche Richtigkeit und Aktualität zu überprüfen.
  • Verkaufsplattform: Obwohl 62 % (18/29) der Apps ohne Einblendungen von Werbeanzeigen auskommen, offerieren viele dieser kostenlosen Apps Zusatzmodule oder Bücher des Anbieters, um damit Umsatzerlöse zu erzielen.
  • Interessenskonflikte: Wirtschaftliche Motive des Anbieters bleiben dem Nutzer in der Regel verborgen, nur eine App (n= 1; 3,5%) macht konkrete Angaben zur Finanzierung.
  • Fragen & Anregungen: Etwa jede zweite App (n = 14; 48%) gibt dem Nutzer die Möglichkeit, den Anbieter per mail zu kontaktieren, konkrete Angaben zu Ansprechpartnern fehlen in der Regel.
  • Rechtliche Pflichtangaben: Ein Impressum, das für jeden gewerblichen App-Anbieter verpflichtend ist, findet sich lediglich in 4 der 29 untersuchten Apps (17 %).

Apps zur Raucherentwöhnung im Test 12/2014Apps zur Raucherentwöhnung im Test 12/2014: Downloadkategorien

FAZIT: Kostenfreie Raucher-Apps bezahlt der Nutzer möglicherweise mit seinen Daten, auf die Dritte unberechtigt zugreifen, die Wahrscheinlichkeit, dass diese Apps den erfolgreichen Rauchausstieg erleichtern, ist derzeit jedoch gering. Dabei bieten Apps technisch optimale Voraussetzungen dafür, die in Leitlinien überprüften individualisierten Coaching-Ansätze wirksam und kostengünstig zu vermitteln. Die dazu erforderlichen, multifunktionellen Raucher-Apps evidenzbasiert zu entwickeln und über Studien zu evaluieren, ist komplex, zeit- und kostenintensiv. Wenn sich innovative App-Entwickler mit finanzstarken Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesundheitswesen zusammentun, kann es gelingen, diese Herausforderungen zum Wohle der App-Nutzer zukünftig erfolgreich zu meistern. 

Zum Download der Testübersicht mit 29 Apps zur Raucherentwöhnung

Zur Methodik des App-Screenings

Quellen:

(1) AWMF – Leitlinie Sucht: Tabakbedingte Störungen. Leitlinie Tabakentwöhnung.

(2) Abroms L, Padmanabhan N, Thaweethal L, Phillips T. iPhone apps for smoking cessation: a content analysis. Am J Prev Med. 2011;40(3):279-285.

(3) Blogbeitrag: „Was „Raucher-Apps“ können und was nicht: Screening 12/2014

Was „Raucher-Apps“ können und was nicht: Screening 12/2014

In Deutschland raucht noch immer jeder dritte Erwachsene und jeder achte Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren (1, 2). Tabakkonsum verursacht jährliche Kosten von bis zu 21 Milliarden Euro bedingt durch Erkrankungen und Todesfälle, zwei Drittel davon sind indirekte Kosten, z. B. durch Frühverrentung oder Arbeitsausfälle (3). Interventionen zur Tabakentwöhnung haben daher eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. Große Hoffnungen liegen in jüngster Zeit auf innovativen Ansätzen, auf Gesundheits-Apps, die Rauchern individualisiert und kostengünstig beim Ausstieg aus der Sucht helfen können.

Die Initiative Präventionspartner hat 29 Apps zur Raucherentwöhnung untersucht und geprüft, welche Unterstützungsfunktionen diese Apps derzeit bieten:

  • Viele Apps legen den Schwerpunkt auf der interaktiven Vermittlung von Informationen. 26 von 29 Apps (90 %) sensibilisieren den Nutzer mit Rechner- und Kalenderfunktionen für die negativen Folgen des Rauchens bzw. geben Anreize zum Durchhalten (Berechnung der bereits bewältigten Zeitspanne als Nichtraucher, Kosteneinsparung,  Verminderung der gesundheitlichen Belastung, z. B. des Teergehaltes in der Lunge).
  • Rauchertagebuch begleitet den Entwöhnungsprozess: Mehr als jede zweite App (59 %) gibt dem Nutzer die Möglichkeit z. B. seine aktuelle Befindlichkeit, die gerauchten Zigaretten oder die Gründe für den Rauchausstieg zu dokumentieren.
  • Motivationsanreize sollen beim Durchhalten unterstützen: 21 der 29 Apps (72 %) zeigen mit Medaillen oder Pokalen das Erreichen persönlicher Meilensteine auf, z. B. 50 Zigaretten nicht geraucht, 100 Euro eingespart, Herzinfarktrisiko gesenkt etc.
  • Unterstützung durch das soziale Umfeld: 10 Apps (34 %) helfen dem Raucher dabei, seine Tagebucheinträge oder das Erreichen wichtiger Meilensteine mit Freunden, Angehörigen oder z. B. auch mit dem behandelnden Arzt zu teilen, via  Facebook, Twitter oder per E-Mail.
  • Video- & Audioanleitungen: Hilfestellung bei der Durchführung von Entspannungsübungen bzw. Anleitungen zur Ablenkung bei Nervosität oder großem Verlangen nach Zigaretten bieten 4 Apps (14 %), z. B. Anleitung zur Massage von Akupressurpunkten.
  • Erinnerung an Einträge ins Rauchertagebuch: Um sich die Verhaltensänderung nachhaltig bewusst zu machen, erinnert jede 10. App (10 %) den Ex-Raucher daran, die täglich gerauchten oder eingesparten Zigaretten zu dokumentieren
  • Spielerische Anreize bieten 2 der 29 Apps (7 %): Der Nutzer soll animiert werden, sich mit seinem Raucherverhalten auseinanderzusetzen bzw. abgelenkt werden vom Wunsch, eine Zigarette zu rauchen.

Apps zur Raucherentwöhnung im Test 12/2014

FAZIT: Die Analyse der kostenlosen, deutschsprachigen Apps zur Raucherentwöhnung zeigt, dass wenige Apps umfassende Unterstützung bieten, viele beschränken sich auf Rechner- und Kalenderfunktionen, individualisiertes Feedback, orientiert an der Situation des Rauchers im Entwöhnungsprozess, bietet keine der untersuchten Apps.

Wie die getesteten Apps in Punkto Qualität und Transparenz der gesundheitsbezogenen Informationen abschneiden, dazu lesen Sie in Kürze einen Blogbeitrag auf dieser Website.

Zum Download der Testübersicht mit 29 Apps zur Raucherentwöhnung

Zur Methodik des App-Screenings

Quellen

(1)  Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)

(2) BZgA Repräsentativerhebungen zum Raucherverhalten 2012

(3) Direkte und indirekte Krankheitskosten durch Rauchen: Neubauer, S.; Welte, R.; Beiche, A. et al. (2006): Mortality, morbidity and costs attributable to smoking in Germany: update and a 10-year comparison. Tobacco Control 15: 464-471.

Relevant & häufig nachgefragt: Anti-Stress- & Entspannungs-Apps im Test

Jede 7. Krankschreibung geht in Deutschland auf psychische Belastungen, Depression oder Erschöpfung zurück (1). Übungen, die Verbrauchern dabei helfen, sich zu entspannen, abzuschalten, ihren Stresslevel zu kontrollieren, lassen sich dank Apps auf Smartphones oder Tablet-PCs überall einfach abspielen. Wie kommen sie bei Verbrauchern an und welche Unterstützung bieten sie bei näherer Betrachtung? Die Initiative Präventionspartner hat in ihrem aktuellen Screening insgesamt 26 Entspannungs-Apps untersucht. Alle analysierten Apps sind deutschsprachig und können von Verbrauchern über die beiden Kategorien „Gesundheit & Fitness“ bzw. „Medizin“ im Google Play Store im November 2014 kostenlos heruntergeladen werden. Hier die Ergebnisse:

Entspannungs-Apps sind gefragt

Insgesamt sind die 26 untersuchten Entspannungs-Apps insgesamt mindestens 2.3 Millionen Mal heruntergeladen worden und damit dreimal häufiger als z. B. die untersuchten 22 Diabetes-Apps (Screening Diabetes-Apps 10/2014).

Das lässt darauf schließen, dass die Gruppe der Stressgeplagten und nach Entspannung Suchenden Menschen eher in den App-Stores nach Unterstützung stöbert, als die 7 Millionen Diabetiker in Deutschland. Sicher spielt hierbei das höhere Lebensalter von betroffenen Diabetikern eine große Rolle. Auch wenn die Zahl der älteren Smartphone-Nutzer weiter deutlich ansteigt, verfügt derzeit nur jeder 5. Senior über 65 Jahren über ein solches Gerät (2).

Mit kostenlosen Apps Abverkauf ankurbeln

In großer Mehrheit sind es private Anbieter (z. B. Physio- oder Psychotherapeuten), die 25 der 26 Entspannungs-Apps kostenfrei anbieten, um damit ihre kostenpflichtigen Produkte (z. B. Bücher, Entspannungs-Apps) zu bewerben.

Obwohl psychische Belastungen eine hohe volkswirtschaftliche Relevanz haben, wird keine der untersuchten Apps von Krankenkassen angeboten. Krankenkassen schnüren in der Regel mit kostenlosen Vorsorge-Apps kompakte Präventionspakte für ihre Versicherten, um mit einer App alle wichtigen primärpräventiven Themen abzudecken (Ernährung, Bewegung, Früherkennung). Acht der insgesamt 52 untersuchten Krankenkassen-Apps behandeln auch das Thema Entspannung als wichtigen Schlüssel, um Wohlbefinden und Gesunderhaltung zu fördern.

Zum Download der Testübersicht mit 26 Entspannungs-Apps.

Zur Methodik des App-Screenings.

Entspannungs-Apps im Test 11/2014: Downloadbereich nach Google Play

Quellen:

(1) DAK Gesundheitsreport 2014, Stand 02/2014

(2) BITKOM, Stand 06/2014

Smart Relaxen: Entspannungs-Apps 11/2014 im Test

Suchen Verbraucher im Google-Store nach Hilfen bei „Burnout“, Stress, Erschöpfung, Anspannung, Verspannung oder nach Apps mit Yoga-Übungen, zur Meditation, für mehr Ausgeglichenheit und Wohlbefinden dann verbleiben bei genauerer Betrachtung von 600 angezeigten Treffern noch 26 Apps, die tatsächlich die versprochene Entspannung liefern und in den Kategorien „Gesundheit & Fitness“ bzw. „Medizin“ in deutscher Sprache und für den Verbraucher kostenlos angeboten werden.

  • Zwei von drei dieser Apps (65%) bieten zur Entspannung oder Mediationen beruhigende Musik bzw. Audio- oder Videodateien. Der Nutzer spielt sie auf seinem Smartphone ab, um sich damit zu entschleunigen, ob im Büro, auf der Zugfahrt oder im häuslichen Wohnzimmer.
  • Ein Drittel der Apps (27%) hilft visuell unterstützt Entspannungsübungen durchzuführen, bzw. den persönlichen Stress-Level zu erkennen.
  • Jede siebte App (15%) hilft mit einer Weckfunktion (n = 3) dabei, nach der gewünschten Zeit wieder wach zu werden und die Entspannungsübung zu beenden, bzw. erinnert an die regelmäßige Durchführung von Meditationsübungen (n = 1).
  • Hintergrundinformationen zu den Entspannungstechniken oder Tests zur Feststellung des eigenen Stress-Levels bieten nur wenige Apps (27%), auch Erklärungen zur Wirksamkeit dieser Entspannungsmethoden finden sich in den untersuchten Apps kaum.

Unter Qualitätsgesichtspunkten beleuchtet, fällt Folgendes auf:

  • Nur eine App macht Angaben zum Schutz bzw. zur Verwendung der Nutzerdaten. Und das obwohl der Datenhunger der untersuchten Apps insgesamt enorm ist: die 26 Apps fordern 119 Berechtigungen von ihren Nutzern, sie erklären nicht, warum sie für das Abspielen von Musik- oder Videodateien umfassende Berechtigungen ihrer Nutzer einfordern, z. B. den Zugriff auf Speicher, das Lesen des Netzwerkstatus, die Deaktivierung des Stand-by-Modus etc.
  • Auch wenn die Apps zunächst überwiegend werbefrei sind (65%), finanzieren sie sich zum großen Teil über sog. „In-App-Käufe“, d. h. durch den Verkauf kostenpflichtiger Entspannungsübungen, die der Nutzer nach Download der kostenlosen App erwirbt.
  • Nur jede dritte App (27%) verfügt über ein Impressum.
  • Angaben zu Autoren finden sich in jeder dritten App (27%), überprüfbare Quellen, auf die sich die gesundheitsbezogenen Aussagen beziehen, finden sich in keiner der untersuchten Apps.

Zum Download der Testübersicht mit insgesamt 26 Entspannungs-Apps.

Zur Methodik des Screenings.

Entspannungs-Apps im Test 11/2014: Verwendete MethodenEntspannungs-Apps im Test 11/2014: Qualität und Transparenz, HealthonApp-EhrenkodexEntspannungs-Apps im Test 11/2014: Anwendungsgebiete

 

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Telemedizin für Bluter: Ganz langsam auf dem Weg in die Regelversorgung

Am Anfang stand die Überzeugung von zwei engagierten Ärzten, die die Versorgung von Menschen mit angeborener Blutgerinnungsstörung verbessern wollten: Heute wird die telemedizinische Plattform „Smart Medication“ bereits von jedem zehnten der 3.000 betroffenen Patienten in Deutschland und von mehr als 30 behandelnden Spezialzentren genutzt.  

Krankheitsbedingte Einblutungen in Muskeln und Gelenke machen Patienten das Leben schwer und schränken deren Lebensqualität deutlich ein. Durch eine engmaschige, telemedizinisch gestützte Therapieführung können sich Patienten und ärztliche Spezialteams enger austauschen. Sie teilen die Einträge ihrer Therapietagebücher und die Bilder der Einblutungen miteinander und können die Therapie schneller und effektiver steuern, ohne lange, belastende Anfahrtswege zum nächsten Hämophilie-Zentrum. Abrechnen lassen sich diese telemedizinischen Leistungen leider noch immer nicht. Solange die Telemedizin aber nicht Teil der Regelversorgung wird, kommen Innovationen nur langsam an bei Patienten. Eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen steht auf der Digitalen Agenda der Europäischen Kommission. Die Ergebnisse ihrer öffentlichen Befragung zum Thema „Mobile Health“ wird im Dezember 2014 erwartet. Die Initiative Präventionspartner hat Patienten, Ärzte und Apotheker Kassen- und Pharmavertreter zu ihren Erwartungen im Hinblick auf mobile Gesundheitsanwendungen befragt und die Ergebnisse in den Diskussionsprozess eingebracht. Details zu den Ergebnissen.

Quelle: Ärzte Zeitung, 24.11.2014

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