Kick-Back trifft Gesundheitsministerium

Kick-Back-Zahlungen von Hörgerätehändlern an HNO-Ärzte gehören nicht nur in Deutschland zu den Gepflogenheiten der Branche. Auch in Österreich ist der diskrete Umgang mit den Geldumschlägen anscheinend eine geübte Praxis. Mitte 2009 bestätigten der Hauptverband der Sozialversicherungsträger der Präsident des Verbands der Hörakustiker die Existenz von Schwarzgeld für HNO-Ärzte.

In Österreich hat das Magazin “Datum” nun schwere Vorwürfe gegen einen Spitzenbeamten im Gesundheitsministerium erhoben. Der HNO-Arzt, seit 2000 im Gesundheitsministerium beschäftigt, der im titelverliebten Österreich als “Generaldirektor für öffentliche Gesundheit” auftritt, obwohl es dieses Amt offiziell in der Minsteriumsverwaltung nicht gibt, soll über Jahre hinweg ein Mal im Monat von einem Boten in einem braunen Kuvert Bargeld von einem Hörgerätehändler erhalten haben, damit er diesem Patienten zuweist.

„Wir sind regelmäßig in die Ordination gefahren und haben dort braune Umschläge voller Geld überreicht. Rechnungen hat es dafür nie gegeben“, sagt ein Hörakustiker, der anonym bleiben möchte.

Aufzeichnungen des Geldboten zeigen, dass von 1998 bis 2002 insgesamt 133.200 Schilling (fast 10.000 Euro) an den Mediziner gezahlt wurden.

Die ganze Story gibt es als Volltext auf der Internetseite des Magazins.

Lustvoller Geheimnisverrat bei SpiegelTV

Das Marketing für die Frauen-Lust-Pille nimmt Fahrt auf. Am 7. Februar brachte SpiegelTV eine erstklassige Werbung für den in der Entwicklung befindlichen Hoffnungsträger von Boehringer. Der Beitrag Chemie des Verlangens – Forscher testen Lustpille für die Frau war eine unentschlossene Mischung aus Distanzierung und Neugier auf den zu erwarteten Medienhype.

Die Sprecherin brachte es thematisch entsprechend geheimnisvoll:

Was drin steckt im Sex-Smartie ist streng geheim. Klar definiert ist nur die Zielgruppe, denn jede 10. Frau hat heutzutage kein Verlangen mehr.

Wer sich wegen der späten Sendezeit noch nicht im Dämmerzustand befand, dem wurde eine halbe Minute lang auf dem dem PC-Monitor der Verantwortlichen Dame bei Boehringer das Geheimnis verraten.

Der Nutzen solcher TV-Beiträge wird wohl das Geheimnis der Journalisten bleiben.


Die Medien sind erwartungfroh: Wie etwa die Apotheken-Umschau oder der Tagesspiegel.

Lifestyle vs. Sicherheit

Nachdem deutsche und österreichische Zeitungen und Frauenmagazine den Leserinnen ausschliesslich redaktionell verbrämte Marketing-Aussagen zu Bayers “natürlicher” Antibabypille Qlaira® präsentiert hatten, hätte man fast annehmen können, Bayer und die beauftragen Werbeagenturen haben die Medien im Griff.

Ein Lichtblick ist der Artikel des Tagesanzeigers aus Zürich: Pille ‘natürlich’, Risiko unbekannt.

Die Pharmaindustrie preist die «Natürlichkeit» einer neue Antibabypille. Risiken, die der neuartige Stoff birgt, sind ihr im Detail «nicht bekannt». Jungen Frauen verkauft sie das Produkt mit Lifestyle-Argumenten.

Der Autor Thomas Knellwolf bringt die Fakten auf den Punkt.

Blogger gehören wieder zu den besten Journalisten…

Die Autoren des Pharma-Blogs “Stationäre Aufnahme” gehören zu den 10 besten Wissenschaftsjournalisten in Deutschland im Jahr 2009. Die 50-köpfige Jury der unabhängigen Fachzeitschrift medium magazin (Frankfurt/Main) wählte das Blog auf den 7. Platz in der Kategorie “Wissenschaft”. Damit ist das Blog das zweite Mal in Folge in den Top-10 vertreten, nach Platz 6 im vergangenen Jahr.

Blogger und Wissenschaftsjournalist Marcus Anhäuser vom Blog Plazeboalarm erreichte als 6. ebenfalls einen Platz unter den zehn besten Wissenschafts-Journalisten. Sieger in der Kategorie Wissenschaft wurde Werner Bartens, Leitender Redakteur der “Süddeutsche Zeitung”.

Pfizer lässt Mitarbeiter von Münster nach…

Pfizer schliesst den Wyeth-Standort in Münster und verfrachtet einige Mitarbeiter nach Berlin. Wieder einmal ein Grund für die gebeutelte Berliner Wirtschaftspolitik zu jubeln.

Da ist eine gute Entscheidung für Pfizer und eine gute Nachricht für Berlin. Das Unternehmen wächst hier und stärkt die Gesundheitswirtschaft in der Stadt. Wir freuen uns auf die neu nach Berlin kommenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und heißen sie hier herzlich willkommen!

200 Mitarbeitern soll mit Willkommensprämien, bezahlten Familienheimreisen und Unterstützung bei der Umzugsorganisation sowie bei der Suche nach Kita- oder Schulplätzen der Weg aus dem Münsterland nach Berlin erleichtert werden. Was der Tagesspiegel verschweigt: Die Mitarbeiter der ehemaligen Wyeth-Geschäftsbereiche Humanarzneimittel und Tiergesundheit müssen sich auf Stellen bei Pfizer in Berlin bewerben. Den Wyeth-Mitarbeitern wird lediglich versprochen, dass sie bei der Vergabe der neuen Stellen “bevorzugt” berücksichtigt werden. Wieviele wirklich nach Berlin kommen bleibt offen.

Schon beim Umzug von Karlsruhe nach Berlin ist bei der Stellenzahl ziemlich jongliert worden. Die Berliner Presse freut sich immer noch über 500 Mitarbeiter bei Pfizer am Potsdamer Platz, obwohl schon am Anfang klar war, dass erheblich weniger sind.

Pfizer wird den Umzug wieder einmal zum Personalabbau nutzen. Seit der Wyeth-Übernahme hat Pfizer weltweit 4200 Mitarbeiter abgebaut. Am Ende könnten es 20.000 Jobs sein, soll Pfizer signalsiert haben.

Der Betriebsratsvorsitzende von Wyeth befürchtet schon, dass eher nur eine kleine Zahl der in Münster im Innendienst Beschäftigten die Chance in Berlin wahrnehmen werde. Pfizer hat angekündigt, weitere Büroräume in dem Berliner Gebäude anzumieten. Vielleicht braucht es gar nicht soviel Platz.

Praxen-Eintrittsgebühr für Pharmaberater

Dem Pharmaaussendienst geht es schlecht. Stellenabbau, Leiharbeit, Gehaltsreduzierungen. Was zwei Unternehmensgründer nicht von Versuchen abhält, ihren Euro beim Vertrieb der Pharmaunternehmen zu kassieren. Der Schlüssel soll ein Terminportal im Internet sein. Ärzte können Gesprächszeiten für Pharmaberater festlegen, die dann vom Aussendienst gebucht werden.

Bei Pharm2Med bezahlt der Pharmaberater bzw. dessen Arbeitgeber für jeden über das Portal gebuchten Besuch 6 Euro (7,50 Euro pro Klinikarzt). Für den Arzt ist das kostenlos. Der Andrang hält sich in Gremzen. Bisher nutzen laut der Internetseite 238 Ärzte den Dienst. Da auch Gruppenpraxen und Praxisgemeinschaften darunter sein werden, reduziert sich die effektive Anzahl der Praxen, die eine Buchung über den Dienst von den Pharmaberatern verlangen, weiter.

Dabei steht das Business-Modell auf ethisch wackeligen Füssen. Der Kodex der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie legt im Punkt 7 des § 18 fest:

(5) Den Vertragspartnern oder Dritten darf kein Entgelt dafür gewährt werden, dass sie bereit sind, Pharmaberater zu empfangen oder von anderen Unternehmensangehörigen Informationen entgegen zu nehmen.

Damit würde sich der Arzt schon einmal vom Besuch der Pharmaberater der 68 Mitgliedunternehmen, die sich dem Kodex verpflichtet haben, entledigen.

Während die Dienstleistung von Pharm2Med schon ethisch bedenklich ist, scheint der andere Anbieter in Deutschland diese Grenze überschritten zu haben. Bei Causalo soll der vermittelte Besuch sogar 25 Euro kosten. Das würde die Kosten des Aussendienstes für die Pharmauntermehmen um 30% erhöhen. Vom Arzt verlangt das Unternehmen nochmal 120 Euro pro Jahr. Jedoch rein formal, denn der Arzt erhält jeweils 15 Euro von Causalo für die “Dokumentation von Pharmagesprächen zur Qualitätssicherung”. Er verdient also an jedem Besuch. Praktisch ein Kick-Back, der mit der bisher unbezahlten Zeit grechtfertigt wird, die der Arzt dem Pharmaaussendienst widmet. Der Causalo-Gründer verweist in einem Artikel im Kassenarzt auf 157 Millionen Euro, mit denen jährlich Ärzte die Pharmaindustrie derzeit durch ihre Zeit mit dem Pharmareferenten subventionieren würden.

Bei 20-30 Pharmaberatern jeden Monat ein interessantes Zubrot für den Arzt.

Den wirtschaftlichen Nutzen der Ärzte berechnet Causalo in einem Beispiel: Wenn der Arzt wöchentlich zwei Stunden Zeit für Gespräche mit Pharmareferenten vorsieht und diese Gespräche dokumentiert, kann er dadurch 4 920 Euro jährlich verdienen und seine Praxisnutzung optimieren.

Kein Wunder, dass 55% der von Causalo befragten Ärzte an einer honorierten Besuchsdokumentation interessiert sind.

Bei 15 Euro wird die Erinnerung an bessere Zeiten wach, in denen es für die forschenden Pharmaunetrmehmen noch keine Grenze von 5 Euro gab, die im Kodex nun für Werbegaben im Rahmen einer produktbezogenen Werbung vorgeschrieben ist.

Der Weg in die Gesundheitsvolkswirtschaft

Zahl des Tages: 2,472 Billionen Dollar.

Das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt Italiens, der siebtgrössten Volkswirtschaft der Welt. Ist aber nur die Summe, die in den USA in 2009 voraussichtlich für Gesundheit ausgegeben worden ist. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt der USA, ein Massstab, der zum Vergleich von Ländern herangezogen wird, stieg von 16,2% auf 17,3%.

Der Anteil der staatlichen Ausgaben an dieser Summe, z.B. durch Programm wie Medicaid oder Medicare, wird 2011 erstmals die 50%-Marke überschreiten. Alleine die vom US-amerikanischen Steuerzahler finanzierten Gesundheitsausgaben machten 8,4% des Bruttoinlandsprodukts aus, fast soviel, wie die Bürger in einigen europäischen Ländern mit anerkannt guter Gesundheitsversorgung wie Italien oder Grossbritannien, von ihrer wirtschaftlichen Leistung insgesamt, staatlich wie privat, für die Gesundheitsversorgung benötigen.