Hilfe für Medizinjournalisten

Das Journal of the National Cancer Institute (JNCI) macht sich Gedanken, wie Medizinjournalisten geholfen werden kann, qualitativ bessere Arbeit abzuliefern. In einem Editorial analysieren Steven Woloshin, Lisa M. Schwartz und Barnett S. Kramer die Berichterstattung von einigen wissenschaftlichen Artikeln und Erkenntnissen und kommen zu dem Schluss:

When it comes to exaggeration of health hazards and medical breakthroughs, there is plenty of blame to go around.

Es soll jedoch nicht bei der Kritik bleiben. Zum einen können nach Ansicht der Autoren die Zeitschriften die aggregierten Resultate wie absoluten Risiken oder Einschränkungen besser kommunizieren. Einige Journals präsentieren schon Zusammenfassungen wie “Limitations”, “Contexts and Caveats” oder “Bias, confounding, and other reasons for caution”, die die Bewertung für Journalisten, aber auch für andere Interessierte erleichtern soll.

Das JNCI hat sich entschlossen mehr zu tun. Die Zeitschrift hat eine Website gestartet, die Journalisten helfen soll, es richtig zu machen (“get it right”). Den Anfang machen auf der Internetseite eine Reihe von Tipps, die die Autoren für ein Buch entwickelt und für Journalisten angepasst haben.

Die erste Handreichung enthält zwei Glossare mit Definitionen und Beispielen für typische statistische Masse, die in medizinischen Veröffentlichungen verwendet werden. Ein weiteres Dokument soll Journalisten bei der Intepretation helfen, was die gefunden Resultate aussagen, welche Bedeutung sie haben und ob sie missverständlich sein können. Wenn es darauf keine Antwort gibt, legen die drei Wissenschaftler den Journalisten nahe, die Story zu vergessen. Ausserdem gibt es noch Vorschläge für angemessene Formulierungen, was für deutsche Medizin-Journalisten nur begrenzt von Nutzen ist.

Für Nachhilfe in Sachen Interpretation von medizinsichen Studien brauchen deutsche Journalisten gar nicht so weit zu surfen. Das Ärzteblatt hat eine mittlerweile 9-teilige Serie zur Bewertung wissenschaftlicher Publikationen veröffentlicht. Gleich 24 Teile hat die Statistik-Serie der Deutschen Medizinischen Wochenschrift aus dem Jahr 2007. Zu finden auf mit der Suche nach dem Stichwort “Statistik-Serie”, die aber eher was für Hardcore-Einsteiger und Wiedereinsteiger ist.

Interessenskonflikte und Transparenz in der klinischen…

Nicht deklarierte Interessenskonflikte, Ghostwriting und anderes Fehlverhalten beim der Veröffentlichung wissenschaftlicher Artikel haben in den letzten Monaten Schlagzeilen über die Fachöffentlichkeit hinaus gemacht. Als Reaktion darauf initierte die International Society for Medical Publication Professionals die Überarbeitung der Publikationsleitlinien und veröffentlichte die neue Fassung der Good publication practice for communicating company sponsored medical research (GPP2) im British Medical Journal.

Darin sind Empfehlungen enthalten z.B. für die Rolle von Autoren, Sponsoren und anderen, die zu einer wissenschaftlichen Veröffentlichung ihren Teil beisteuern. Neu ist eine Checkliste, mit der das Paper oder die Präsentation anhand von Kriterien überprüft werden kann.

Bei den Beziehungen zu den Sponsoren empfehlen die GPP2 schriftliche Vereinbarungen, in denen die Verantwortlichkeiten des Pharmaunternehmens festgelegt werden. Dazu gehört der vollständige Zugang zu den Studiendaten, die Publikationsfreiheit, aber auch die Verpflichtung der Autoren, mögliche Interessenskonflikte und die Finanzierung der Studie offenzulegen.

Die GPP2 orientieren sich an der Praxis klinischer Studien, in der Pharmaunternehmen klinische Studien für ihre Produkte bezahlen und Einrichtungen und Kliniken damit beauftragen. In der gleichen Ausgabe des BMJ wird in zwei Beiträgen die grundsätzliche Frage erörtert, ob nicht generell unakzeptable Interessenskonflikte entstehen, wenn Pharmaunternehmen für eigene Medikamente Studien durchführen.

Yes – meint Ben Goldacre, Journalist und Arzt, in Grossbritannien durch seine Kolumne Bad Science im Guardian bekannt. Für ihn gibt es eine wachsende Evidenz, dass Interessenkonflikte der Pharmaunternehmen zu “Bad Sciense” führen und medizinische Entscheidungen verfälschen und den Patienten schaden.

This is dangerous and absurd. Doctors who are making treatment decisions need access to good quality trial data, presented transparently, and all of it, not just the positive findings that drug companies choose to share.

Dies weist Vincent Lawton, ehemaliger Manager bei Merck & Co. und Direktor bei der Arzneimittelaufsichtsbehörde MHRA mit einem No zurück. Für ihn ist es unrealistisch, dass die Pharmaunternehmen ihr intellektuelles Eigentum aufgeben, nachdem sie “Milliarden von Pfund” in die Arzneimittelentwicklung investiert haben. Eine Verlagerung der Forschung von der Pharmaindustrie zu unabhängigen Institutionen würde zu Verzögerungen, Ineffizienz und einem Mangel an Innovation führen.

Companies should continue to work closely with academia and regulators to identify weaknesses or shortcomings and find ways to address them. Appropriate safeguards of transparency, scientific integrity, and regulation should ensure that different interests do not become unacceptably conflicted.

Pharmawerbung wird von den Versicherten bezahlt

In den Vereinigten Staaten dürfen verschreibungspflichtige Medikamente gegenüber dem Verbraucher beworben werden. Diese DTC-Werbung (direct-to-consumer) steht von vielen Seiten unter Kritik, selbst in der Pharmaindustrie wird DTC-Werbung als ein Grund für das schwindende Vertrauen der Öffentlichkeit in die Branche angesehen. Eine im letzten Jahr verkündete Werbepause von sechs Monaten für neue Produkte war ein verzweifelter Versuch gegenzusteuern, Bristol-Myers Squibb setzte sich sogar ein Moratorium von einem Jahr.

Eine Studie, die in der der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift “Archives of Internal Medicine” veröffentlicht worden ist, gibt den Gegnern der DTC-Werbung für Arzneimittel weiter Auftrieb. Danach zeigen Werbekampagnen keine Wirkung auf die Verkaufszahlen, verteuern aber das Medikament und damit die Kosten für die Krankenkassen und Gesundheitssysteme.

Der Autor der Studie, Michael R Law, hatte schon 2008 die Wirkungslosigkeit der TV-Spots auf die Verkaufszahlen gezeigt. Eine weitere Studie wies 2006 darauf hin, dass die massive Kampagne für Vioxx in den USA zwar die Arztebesuche beeinflusste aber die Anzahl der Verschreibungen in weitaus geringerem Masse. In der aktuellen Untersuchung wurden zum ersten Mal die finanziellen Folgen analysiert.

Die Wissenschaftler trugen die Verschreibungsdaten für den Blutverdünner Plavix® (Wirkstoff Clopidogrel) der Hersteller Bristol-Myers Squibb (BMS) und Sanofi-Aventis von 27 staatlichen Medicaid-Programmen von 1999 bis 2005 zusammen. Die Verschreibungszahlen stiegen nach dem Start der DTC-Kampagne im Jahr 2001 nicht gegenüber dem Trend an, jedoch erhöhte sich der Preis plötzlich und dauerhaft. Die Autoren führen das darauf zurück, dass Sanofi-Aventis and Bristol-Myers Squibb ihre Ausgaben für die Werbung auf das Produkt aufgeschlagen haben. Das führte zu zusätzlichen Verschreibungskosten von 207 Millionen Dollar. Die beiden Hersteller gaben nach den Angaben im Artikel 350 Millionen Dollar zwischen 2001 und 2005 für die DTC- Werbung aus.

Angesichts der Resultate klingt das Statement der BMS-Sprecherin gegenüber Bloomberg hilflos:

The Bristol-Myers Squibb/Sanofi partnership supports direct-to-consumer advertising as a way to encourage consumers to play a more active role in their health care.

Klar geht es um Umsatz beim Marketing. Die Verschreibungszahlen legen nahe, dass die aktive Rolle der Patienten ziemlich überschätzt wird und damit auch der erwartete Nutzen für die Pharmaindustrie. Es bleiben einzig die negativen Konsequenzen für die Krankenkassen und Versicherten: Neben den direkten zusätzlichen Ausgaben durch die Verteuerung des Produktes, kommen noch Kosten für die Folgen der zum Teil irreführenden Werbung hinzu, beispielsweise unnötige Arztbesuche oder die Behandlung von Nebenwirkungen bei nicht-indizierter Einnahme.

Bleibt die Frage, wie das uns in Europa betrifft. Es gibt in der EU Bestrebungen, das Werbeverbot zu lockern und den Pharmaunternehmen in Print und Internet zumindest die Information des Verbrauchers zu erlauben. Von Abgrenzungsproblemen zwischen Werbung und Information mal abgesehen, die derzeit diskutiert werden – wenn man die Ergebnisse der Untersuchung überträgt, werden die Pharmaindustrie-Informationen die Krankenkassen, Gesundheitssysteme und Patienten zahlen. Niemand bestreitet, dass es Informationsbedarf gibt und die Patienten zunehmend sich im Internet selber schlau machen wollen. Die Verbraucher geben am Ende das Geld aus, dann können sie auch beste objektive Informationen verlangen. Ob diese gerade von den Arzneimittelherstellern kommen werden?

Die Suche der Pharmaindustrie nach Liebe

Das Ansehen der Pharmaindustrie in der Bevölkerung ist suboptimal, um es mal vorsichtig zu formulieren. Daher machen sich Branchen-Veranstaltungen, die sich damit beschäftigen, wie das Image verbessert werden kann, immer gut. Am 16. November hatte der Pharma Marketing Club Austria (PMCA) zum “14. Österreichischen Pharma Marketing Tag” pdf-Dateieingeladen, bei dem der Frage nachgegangen werden sollte, “wie erfolgreiche Imagearbeit in der Pharmaindustrie aussehen kann”.

Da ging es um die Relevanz der Wirkung, um strategische Übrlegungen für eine erfolgreiche Imagearbeit, um Ergebnisse von Marktforschung zum Thema Selbstbild vs. Fremdbild. Am Ende wurden dann in einer Podiumsdiskussion die Wunden geleckt: “Warum immer wir?”. Laut dem Branchennewsdienst pharmainside lautete das Fazit: “Insuffiziente Kommunikationsstrategien” und “zu wenig Transparenz”.

Die eigentliche Frage blieb unerwähnt: Was hat die österreichische Pharmaindustrie in den letzten fünf Jahren versäumt? Fünf Jahre, weil der 9. Österreichische Pharma Marketing Tag das Thema “Pharma als Marke” pdf-Dateihatte. Ein Déjà-vu. Auch damals wurde über Markenführung und das Image der Pharmaindustrie im Fremdbild vs. Wunschbild gesprochen. Ein echter Dauerbrenner.

Lösung sollte eine Imagekampagne bringen, die 2005 gelaufen ist. Wie es aussieht ohne nachhaltigen Erfolg, sonst hätte sich der PMCA heuer einem erfreulicheren Thema widmen können.

Oder der PCMA hätte sich die Veranstaltung schenken können, und gleich zum Kontakteknüpfen in der “Pharmig-Lounge” übergehen können – bis 23:00 Uhr im Programm, 2004 brauchte man noch kein offizielles “Socialising”. Denn in einem Kommentar der österreichischen Ärztezeitung vom August hat der Medizinethiker Enrique Prat dargelegt, dass der Wunsch der Pharmaindustrie nach einem guten Ruf fast aussichtslos und auch nicht notwendig ist.

Patienten:

Ein normaler Patient nimmt ein Arzneimittel in der Regel nur, weil er krank ist und gesund werden will, aber auch Angst hat, mehr zu leiden, wenn er die Medikamente nicht schluckt. Das Präparat wird er niemals als positiv besetztes Konsumgut lieben, und die Pharmafirma spielt im Prozess der Genesung für den Patienten kaum eine glückliche Rolle.

Ärzte:

Der Arzt lässt sich oft durch die “Angebote” der Arzneimittelproduzenten locken. Umgekehrt nutzt er mitunter auch seine starke Position aus und verlangt “Gegenleistungen”: Macht eine Firma nicht mit, kann sich der Arzt an die Konkurrenz wenden; macht sie mit, dann bestätigt sie ihren schlechten Ruf.

Die Medien mit ihrem wünschenswerten Hang zur Aufdeckung von negativen Verhalten tun ihr übriges.

Die Antwort liegt weder in Imagekampagnen, noch in Kodizes oder Selbstverpflichtungen, sondern im Bemühen um Vertrauen, Transparenz und Verantwortung. Geliebt wird die Pharmaindustrie nie werden, aber dass sie respektiert wird, sollte genug Ansporn zum ethischen Handeln sein.

Unerlaubte Preisabsprachen bei Potenzmitteln in der…

In der Schweiz hat die Wettbewerbskommission (Weko) gegen Pfizer, Bayer und Lilly wegen Preisabsprachen bei Potenzmitteln eine Busse von 5,7 Millionen Franken verhängt. Die Firmen hätten die Wiederverkaufspreise für ihre Medikamente wie Viagra, Cialis und Levitra in Form von Publikumspreisempfehlungen festgelegt. Dem ist eine dreijährige Untersuchung der Weko vorausgegangen.

Die Weko hat sich wahrscheinlich nicht nur die Verkaufspreise angesehen, um den Verstoss festzumachen, jedoch lohnt sich mal ein Blick auf die Preise. Als Vergleich soll hier die jeweils kleinste Packung mit der empfohlenen Anfangsdosis dienen.

In der Schweiz sind Medikamente mit 2,4% Umsatzsteuer belegt. Die unverbindliche Preisempfehlung gemäss Herstellerangaben sind in der Schweiz:

Präparat Grösse/Dosis Preis inkl. Preis exkl.
Viagra 4 x 50 mg 90,55 CHF 88,42 CHF
Levitra 4 x 10 mg 93,40 CHF 91,21 CHF
Cialis 4 x 10 mg 107,70 CHF 105,17 CHF

Besonders Pfizers Viagra® und Levitra® von Bayer sind mit Nettopreisen von umgerechnet 58,67 Euro (Viagra®) und 60,52 Euro (Levitra®) sehr nahe beieinander. Cialis® ist mit 69,78 Euro ein wenig teurer.

Jedoch zählt nicht alleine der ähnliche Preis. In der Schweiz halten die Hersteller die Preise hoch. In Deutschland, auch kein Niedrigpreisland, wenn es um patentgeschützte Medikamente geht, liegen die Apothekenverkaufspreise trotz 19% Umsatzsteuer erheblich unter denen in der Schweiz:

Präparat Grösse/Dosis Preis inkl. Preis exkl.
Viagra 4 x 50 mg 46,16 Euro 38,78 Euro
Levitra 4 x 10 mg 51,29 Euro 43,10 Euro
Cialis 4 x 10 mg 62,49 Euro 52,51 Euro

In Deutschland fallen Potenzmittel in eine Lücke der Arzneimittelpreisverordnung. Für nichtrezeptpflichtige Medikamente (OTC – “over the counter) gilt keine Preisbindung und die Apotheken können sich dem Preiswettbewerb stellen. Zwar werden die Kosten für Viagra & Co. wie die meisten nicht-rezeptpflichtigen Medikamente nicht von den Krankenkassen bezahlt und der Kunde könnte selber sich den preiswertesten Anbieter suchen. Jedoch unterliegen die Mittel gegen erektile Dysfunktion der Rezeptpflicht und somit sind die Margen des Grosshandels und der Apotheke festgelegt.

In der Schweiz wird wegen der fehlenden Erstattung von den Krankenkassen der Preis nicht staatlich festgelegt, sondern von den Verkäufern bestimmt. Der Markt untersteht bei den Eidgenossen den allgemeinen Regeln des Kartellrechts.

Die Freigabe der Preise für alle Medikamante, die in Deutschland von der Versorgung ausgeschlossen sind, insbesondere “Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität” gemäss § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V, wäre zu überlegen. Dann könnte auch in Deutschland das Kartellamt, wie schon bei den Geldbussen gegen Hersteller von OTC-Medikamenten, im Falle von Preisabsprachen einschreiten.

Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin verlässt…

Die Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin hat den den Unterstützerkreis des Aktionsbündnis ‘meine Wahl’ verlassen. Im Juni 2008 hatte ein “Aktionsbündnis meine Wahl” auf sich aufmerksam gemacht. Der “Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen, Selbsthilfevereinigungen, Hilfsmittelherstellern und Versorgungspartnern wie Sanitätshäusern und Homecare-Unternehmen” stellte sich als eine Astrosurfing-Kampagne der PR-Agentur Weber Shandwick im Auftrag des Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) heraus.

Die Landesvereinigung Selbsthilfe war eine der letzten renomierten Verbände, die sich für den BVMed einspannen liessen. Auf der Mitgliederverammlung am 22. Oktober hat sich eine überwältigende Mehrheit für den Abschied aus der Kampagne ausgesprochen, obwohl der Vorstand sich für dieses PR-Bündnis und seine Ziele sowie den Verbleib der Landesvereinigung Berlin eingesetzt hatte.

Damit unterstützen als grosse Selbsthilfeverbände nur noch die Deutsche Parkinson Vereinigung und der Deutsche Schwerhörigenbund die BVMed-Aktion.

Gesundheitspolitik im SWR-Nachtcafé

Diskussionsrunden im Fersehen über Gesundheitspolitik bleiben meist auf einer phrasenhaften Ebene. Eine positive Ausnahme war am 20. November das Nachtcafé im SWR. Im YouTube-Channel der ARD ist die Sendung nun zu sehen.

Unter den Diskutanten sind Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) und der vielfach ausgezeichnete investigative Journalist Markus Grill, der u.a. die Ärzte-Bestechung bei Ratiopharm, Aspirin-Preisabsprachen bei Bayer und die Verstösse von Novartis gegen den Kodex der “Freiwilligen Selbstkontrolle Arzneimittelindustrie” aufgedeckt hat.

Ex-Ratiopharm-Chef steigt ins Ratiopharm-Bietergefecht…

Ratiopharm wird verkauft. Dezeit läuft das Bietergefecht. Wer aber meint, der Verkauf von einem der grössten deutschen Pharmaunternehmen mit über 5000 Mitarbeitern und fast 2 Milliarden Euro Umsatz weltweit wäre ein wichtiges Thema in der deutschen Wirtschaftspresse, der wird enttäuscht. Der Focus meldet um 17:00 Uhr plichtgemäss: Zweite Bieterrunde für Ratiopharm endet am 4. Dezember.

Die eigentliche Top-Nachricht wird ignoriert: Albrecht Links Up With EQT to Bid for Ratiopharm, FT Reports. Die Financial Times hatte gemeldet, dass der ehemalige Vorsitzende der Ratiopharm-Geschäftsleitung, Claudio Albrecht, zusammen mit der Private Equity Gesellschaft der schwedischen Wallenberg-Familie ins Rennen um das Generika-Unternehmen einsteigt.

Albrecht musste 2005 im Zuge der Aufdeckung des Korruptions-Skandals seinen Hut nehmen. Andere Finanzinvestoren haben sich auch Generika-Haudegen mit ins Boot geholt. Wenn man dazu noch bedenkt, mit welchen Methoden Finanzinvestoren das Fremdkapital wieder reinholen, dann sind das weder für die Ratiopharm-Mitarbeiter, noch für die Ethik der Branche gute Aussichten.

Zur Venus mit Qlaira

Nachdem das österreichische Frauenmagazin “Wienerin” im Juli der Antibaby-Pille Cerazette® von essex Pharma grosszügig redaktionellen Raum gegeben hat, darf das Konkurrenzprodukt von Bayer nicht nachstehen. Unter dem Titel “Die Venus Woche” werden die Erkenntnisse von Rebecca Booth verhackstückt, deren Buch im März 2010 auf deutsch erscheinen wird. Die US-Frauenärztin verbindet geschickt Ernährung, Hormone und Lebenstil zu einer Frauen-Wellness-Mixtur.

Die Ärztin ist bekennende Befürworterin der Hormonersatztherapie, ungeachtet, dass seit Monaten Wyeth und Pfizer wegen verschwiegenden Risiken ihrer Hormonpräparate in der Kritik stehen. Gerade in dieser Woche wurde Pfizer vor einem US-Gericht zu 6,3 Millionen Dollar Schadensersatz verurteilt worden ist, da die von Wyeth sowie Pharmacia & Upjohn hergestellten Menopausen-Mittel Premarin, Provera und Prempro bei der Klägerin Brustkrebs verursacht hätten. Weitere 1500 Klagen sind noch anhängig.

Wo Hormone und Wellness im Spiel sind, ist die neue Pille von Bayer mit der “Wirkung des natürlichen Östrogens” nicht weit.

In dem Artikel darf die Grazer Frauenärztin Monika Schaffer darauf hinweisen, dass Qlaira® den Frauen ihr monatliches Stimmungshoch zurückgeben könnte. Sie berichtet von individuellen Erfahrungen aus ihrer Praxis. Die Grazerin kennen die Leser des Blogs schon als Expertin in redaktionellen Schleichwerbeartikeln aus news Leben oder Kurier und als Referentin auf Forbildungsveranstaltungen zu Qlaira®. Schon im Kurier-Artikel hatte sie nicht durch Studien gedeckte Marketingaussagen propagiert “Die Frauen fühlen sich wohler, sie haben mehr Lust, und die Scheide ist feuchter. Nun wird das Statement mit dem Avis versehen, dass

… Studien, die diese Aussagen verifizieren könnten, noch im Gange sind.

Trotzdem bleibt der Artikel eine redaktionell verbrämte Werbeanzeige und damit eigentlich, wie die anderen redaktionellen Beiträge rund um die Pille von Bayer ein Fall für den österreichischen Werberat.