Man gebe: 5,4 mg Heroin

Pre-anaesthetic treatment: 1/12 grain Heroine

Medizinhistorisch interessante Videos über chirurgische Eingriffe in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hier ein Kaiserschnitt.

So sah damals eine Patientenakte aus.

Als Nachschlag gibt es noch:
Entfernung von Rachenmandeln und Polypen.
Exstirpationen von grossen, zystischen Ovarialadenomen
Entfernung eines Hirntumors.

Ratiopharm-Ermittlungsakte bei wikileaks aufgetaucht

Vor vier Jahren hatte der Ratiopharm-Skandal Aufsehen erregt. Zwischen 1996 und 2005 soll Ratiopharm Ärzte mit Geld, Gutscheinen und Geschenken dazu gebracht haben, bevorzugt die Produkte des Unternehmens zu verschreiben. Die Aufdeckung durch den Journalisten Markus Grill im Stern löste umfangreiche staatsanwaltliche Ermittlungen aus, deren Ergebnis nun im Internet bei Wikileaks aufgetaucht ist. Die 96-seitige Ermittlungsakte wurde von Unbekannten auf die Internet-Sammelstelle für geheime Dokumente hochgeladen und gibt einen Einblick in die Dimensionen des korrupten damaligen Vertriebsgeschäft von Ratiopharm.

Die Wirtschaftwoche erhielt das Dokument vorab und berichtet in einem Artikel über Details aus der Akte.

Ein paar Splitter: Im Jahr 2005 erreichten die Beteiligungen der Ärzte an ihren Verschreibungsumsatz mit Ratiopharm-Medikamenten alleine bis August eine Höhe von mehr als 450.000 Euro. Es ist ein Beispiel aufgeführt, in der eine Praxis 2004 von Ratiopharm über 7000 Euro erhalten hatte.

Zwischen den Zeilen wird jedoch auch deutlich, dass die Ärzte nicht unschuldig sich den Verlockungen des Ratiopharm-Aussendienstes hingegeben haben. Zur Korruption gehören immer zwei Parteien So heisst es in einer E-Mail einer Regionalleiterin vom Februar 1999 an ihre Pharmareferenten:

“wie Ihr auf der letzten Tagung berichtet habt, bietet Azu [ein Mitbewerber] Beteiligungen für Verordnungen. Falls Ihr diesbezüglich angesprochen werdet, bzw. Ihr erfahrt, daß Azu in diese Richtung etwas anbietet, fragt knallhart Eure Ärzte, was sie wollen und was Ihr für sie tun könnt. Wenn ein Arzt Geld möchte, ruft mich an, wir finden einen Weg.

Verordnungen brachten nicht nur Geld: Nach den Aussagen eines ehemaligen Ratiopharm-Aussendienstmitarbeiters sind ganze Arztpraxen samt Mitarbeiter zum Essen eingeladen worden – alles unter dem Deckmantel “Fortbildungsmassnahmen”.


Update:
Ratiopharm hat die Echheit der Akte bestätigt und wikileaks Strafverfolung angedroht.

Patientenverbände in Verzeichnis von Burson-Marsteller

Selbst PR-Agenturen sind manchmal uneigennützig. Die Brüsseler Dependance des Kommunikationsriesen Burson-Marsteller stellt allen Pharma-Lobbyisten ein pdf-DateiEuropean Patient Group Drectory zur Verfügung. In dem mittlerweile in 3. Auflage erschienenen Werk werden 186 Patientenorganisationen vorgestellt, die in Brüssel ihre Interessen oder die ihrer Sponsoren vertreten.

Bei den Sponsoren bleibt einiges im Dunkeln. Die meisten geben bei “Pharmaceutical funding” ein “-” oder “None” an. Überprüfbar ist dies nicht. Dennoch gibt sich der Leiter der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission in seinem Vorwort zuversichtlich:

I have challenged the producers of this Directory in the past to give more funding information, and I welcome the improvements in this respect in the current edition. I am sure that even more transparency will come by
the time of the 4th edition, because it will become increasingly evident to those who wish to take part in policy debate that it is in their own interest to be fully transparent about governance and funding.

Burson-Marsteller ist der Herausgeber. Als Autor zeichnet sich eine Organisation verantwortlich, die Lesern des Blogs bekannt ist: PatientView. Das Beratungsunternehmen PatientView unterhält ein Netzwerk zu Patientenorganisationen und verkauft dies für Befragungen an Pharmaunternehmen und Lobbyisten.

Roche schreibt US-Abgeordneten die Rede

Der US-Kongress debattiert über die Gesundheitsreform. Die Argumente sponsert der Pharmakonzern Roche. Die Statements von mehr als ein Dutzend Abgeordneten waren ganz oder in Teilen von Lobbyisten im Dienste des Biotechunternehmens Genentech, einer Roche-Tochter, ausgearbeitet worden, berichtet die NY Times. Die Lobbyisten, die für Genentech und zwei Anwaltskanzleien tätig sind, lieferten zwei Versionen – jeweils eine für demokratische Abgeordnete und für ihre Kollegen bei den Republikanern. Genentech schätzt, dass 42 Kongressabgeordnete wenigstens einige Punkte aus der Vorlage aufgenommen haben.

Asked about the Congressional statements, a lobbyist close to Genentech said: “This happens all the time. There was nothing nefarious about it.”

Surfen auf der Suizidwelle

Die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging Medizin versucht die Bestürzung in den Medien über den Suizid des Fussballnationalspielers zu nutzen, um sich und eine fragwürdige Hormonsubstitutions-Therapie zu pushen. Dagegen ist selbst die Boulevardpresse ein Hort des Mitgefühls und der Pietät.


Nebenbei: Der in der Pressemitteilung zitierte Arzt hat auch schon mit Hademar Bankhofer über Hormonprobleme und Anti-Aging geplaudert.

+/- Gesundheitsfonds

Gestern brachte das TV-Magazin Plusminus einen Beitrag über einen abtrusen Kodier- bzw. Software-Fehler. Patienten, bei denen eine Makuladegeneration beim Augenarzt diagnostiziert worden war, sind zu HIV-Patienten gemacht worden.

Über die Folgen wird nun gestritten. Auch ein Beispiel für die mangelnde Qualität des Medizinjournalismus in Deutschland. Der MDR, der als ARD-Anstalt den Beitrag verantwortete, fand einen Professor, der von 10 Milliarden Schaden zu Lasten der Versicherten sprach, weil die künstlich erzeugten teureren Patienten den Kassen mehr Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds brächten. Der Professor wird als “Gesundheitsexperte” vorgestellt, auf der Internetseite als “Gesundheitsökonom”. Bei genaueren Hinsehen, ist der FH-Professor eigentlich Experte für Sozialpolitik und beschäftigt sich mit Themen wie Zivildienst, freie Wohlfahrtspflege oder Kindertageseinrichtungen.

Ungewohnt scharf reagiert das Bundesversicherungsamt, dem der MDR Untätigkeit vorgeworfen hatte.

Hecken betonte, der EDV-Fehler, durch den Patienten bei Augenärzten automatisch ein Code für eine nicht vorhandene HIV-Infizierung zugeordnet wurde, sei längst abgestellt. Die bis dahin erfolgten Fehldiagnosen in den Jahren 2008 und 2009, hätten ohnehin keine Auswirkung gehabt, da die Zuweisung an die Kassen aus dem Gesundheitsfonds zurzeit auf den Diagnosen des Jahres 2007 basieren.

Der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich beziehungsweise die jeweilige Diagnose entscheide nur darüber, wie hoch der Anteil einer Kasse an der Gesamtsumme ist.

Wenigstens hat der Chef der Aufsichtsbehörde den Gesundheitsfonds verstanden. Wie wäre es, Herr Hecken, Journalisten Fortbildungsveranstaltungen zum Gesundheitsfonds und zum deutschen Gesundheitssystem anzubieten?

Der Diagnosefehler bleibt dennoch ein tolles Stück aus dem deutschen Gesundheitswesen und lässt auf weitere Höhepunkte nach der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte hoffen. Oder auch nicht, wenn die Journalisten weiterhin die Komplexität nur ansatzweise erfassen.

Engel im Pharmamarketing

Gibt mal wieder eine neue Pharmamarketing-Agentur mit dem poetischen Namen HealthAngels. Dementsprechen werben sie für ihre Dienstleistungen mit dem Claim “Wir sind die Guten.” Hätte man von Engel auch nicht anders erwartet. Wie passt dann das Angebot unter “Below the line” zu dem moralischen Anspruch? “Direct-to-Consumer-Konzepte für RX-Medikamente” – übersetzt aus dem Werberdenglisch: Bewerbung von verschreibungspflichtigen Arzneimittel an Endverbraucher.

Dem schiebt das Heilmittelwerbegesetz eigentlich einen Riegel vor. Das offene Angebot der Dienstleistungen in der Grauzone des Pharmamarketings zeigt, wie ernst Agenturen und ihre Kunden den ethischen Anspruch nehmen. Die “Engel” werden kaum sich in diesen Sumpf begeben, um irregeleitete Schäfchen auf die saubere Seite des Pharmamarketings zu führen.

Düstere Zukunft für die Elite-Pharmaberater

Der Pharmaausendienst ist teuer, uneffizient und fast schon anachronistisch in einer Zeit, in der Ärzte nicht mehr die alleinige Verschreibungshoheit haben, sondern Rabattverträge, Richtgrössen oder Nutzenbewertungen die Wahl des Medikaments bestimmen. Ein Pharmapersonaldienstleister hatte mal wieder zu einem Forum über die Zukunft des Pharmaaussendienstes eingeladen. Diese sieht düster aus, bei solchen innovativen pdf-DateiVisionen:

“Elite” und “Standard” gab es schon immer. Die einen parlieren mit dem Facharzt; die anderen sagen ihren Text im Sprechzimmer des Allgemeinmediziners auf, zeigen dabei Präsentationen, immer noch meist auf Hochglanzpapier und nicht im Notebook, und laden ihre Medikamentenmuster ab. Dazu als Wunschtraum noch eine weitere Gruppe von Aussendienstlern, die Krankenkassen, Politik oder KOL (“key opinion leader”) überzeugen, Rabattverträge aushandeln oder Ärzte-Fortbildungen betreuen sollen. Unscharf, irgendwo zwischen Lobbyist, Key-Account-Manager oder PR-Anja-Tanja. Genauso vage wie die Zukunft der Pharmaberaterzunft.

Bei solchen Berichten fällt immer wieder auf, dass die eigentlichen Herausforderungen ignoriert werden. Durch die trockene Entwicklungspipeline der Pharmaindustrie fehlen neue Produkte, die erklärt werden müssen. Der Kostendruck im Gesundheitswesen verschiebt das Gewicht vom Marketing zur Evidenz. Das Internet bringt Informationen und Fortbildungen weitaus personalsparender an den Arzt und hat gerade in der Pharmabranche noch Potential. Nicht zuletzt Patienten informieren sich vermehrt selber – an den Ärzten und den Glotzpappen des Pharmaussendienstes vorbei. Und am Horizont wartet die Lockerung das Werbeverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die die direkte Information der Konsumenten durch die Hersteller bisher verhinderte.

Kaum mehr Platz für pharmazeutisch-technische-Assistenten oder medizinische Fachangestellten, die Offizin und Praxis für die Aussicht auf einen Job als Pharmaberater mit doppeltem Gehalt und schicken 3er BMW entfliehen wollen. Aber auch bei den Dipl.-Biologen hat das “wenn ich sonst nichts bekomme, werde ich Pharmaberater” als Seelentröster längst ausgedient. Nun heisst es “mache ich halt was mit Wissenschaftsmedien…”.