Endlich: HPV-Impfung für Jungen

Einer Forschergruppe ist der Durchbruch bei der Suche nach neuem Umsatz für die HPV-Impfstoffe gelungen: Penile Cancer Linked to Sexually Transmitted Virus, Study Says. 46,9% aller Penis-Krebserkrankungen sind durch HPV (Humane Papillomviren) verursacht. Was eigentlich schon bekannt war.

Was die Pressemeldung nicht betont: Peniskrebs ist sehr selten und tritt meist zwischen dem 50. und dem 70. Lebensjahr auf. In Deutschland erkranken nur rund 600 Männer jährlich. In Staaten und Kulturen, wie den USA, in denen Beschneidungen üblicher sind, ist die Inzidenz noch geringer, da das Risiko durch eine Zirkumzision erheblich gesenkt wird.

Die Studie ist ein Review, also eine Zusammenfassung von mehreren, hier 31 klinischen Studien. Solche Reviews in denen Marketing-Aussagen kommuniziert werden, waren auch Gegenstand des Ghostwriting-Skandals. In diesem Fall wird transparent gemacht, was offensichtlich ist:

[Author Silvia] De Sanjose has received research grants from Merck, its partner Sanofi-Aventis SA and Glaxo [maker of Cervarix]. The companies had no role in preparing, analyzing or interpreting the research, the authors of the review said.

FDA untersucht mögliche Leberschäden durch…

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat vor möglichen Leberschäden bei der Einnahme des Wirkstoffs Orlistat gewarnt. In einer Mitteilung lässt die FDA verlauten, dass sie Hinweisen nachgeht, die auf Leberschädigungen bei der Gewichtsreduktions-Therapie mit dem verschreibungspflichtigen Medikament Xenical® und alli®, der frei in Apotheken erhältlichen Variante mit der halben Wirkstoffdosis, hinweisen.

Zwischen 1999 and Oktober 2008 seien 32 Berichte über ernste Leberschädigungen beobachtet worden, davon sechs Fälle mit Leberversagen. 30 der berichteten Zwischenfälle ereigneten sich ausserhalb der USA. Gelbsucht und Schmerzen im Bauchbereich waren die häufigsten Symptome. 27 Patienten mussten stationär behandelt werden. Darüber hinaus prüft die FDA weitere Verdachtsfälle, die bei den Herstellern des Medikaments (Roche für Xenical® und GSK für alli®) eingegangen seien.

Die FDA stellt fest, dass derzeit die Daten analysiert werden und es zu diesem Zeitpunkt keine eindeutigen Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Leberschädigungen und der Einnahme von Orlistat gibt. Daher empfiehlt die Behörde den Ärzten nicht ausdrücklich, die Verschreibungspraxis zu ändern, auch die Patienten könnten alli® weiterhin indikationsgemäss verwenden.

In jedem Fall sollten Patienten ihren Arzt aufsuchen, wenn sie Leberschädigungen bemerken, die sich durch Symptome wie Schwäche und Abgeschlagenheit, Fieber, Gelbsucht oder braun gefärbter Urin äussern. Ärzte und Patienten werden aufgefordert Nebenwirkungen bei der Therapie mit Orlistat der FDA zu melden.

Laut dem Artikel im Deutschen Ärzteblatt wäre eine Hepatotoxizität von Orlistat sehr ungewöhnlich, da der Wirkstoff kaum vom Darm resorbiert wird.

Ghostwriting-Fall wird weiter diskutiert

Während Deutschland die gekauften Doktorgrade die Medien füllen, wird auf der anderen Seite des Atlantiks das Ghostwriting aufgearbeitet. Zur Erinnerung: Ein Artikel in der NY Times hat in der breiten Öffentlichkeit aufgedeckt, dass der Pharmakonzern Wyeth von 1998 bis 2005 Ghostwriter engagiert hat, 26 medizinische Fachartikel über die Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren zu verfassen. Als Autoren der vermeintlichen Fachartikel fanden sich renommierte Mediziner, die nur wenig oder nichts zum Artikel beigetragen hatten.

Wyeth-Dokumente online
Die auf Anordnung eines US-Bundesgerichst veröffentlichten 1500 Dokumente von Wyeth sind online bei PLOS Medicine zu finden. Sie zeigen detailliert wie von Ghostwritern geschriebene wissenschaftliche Artikel mit Marketing-Aussagen geplant und in Fachzeitschriften platziert worden sind. Aus einem typischen Projektplan vom Dienstleister DesignWrite mit Wyeth:

Client provides data report………. TBD
DesignWrite prepares outline………. 2 weeks
Client internal review………. 2 weeks
DesignWrite prepares first draft………. 4-8 weeks
Client internal review………. 2 weeks
DesignWrite addresses consolidated
client comments (second draft)………. 2-3 weeks
Second draft reviewed by selected author………. 2 weeks
DesignWrite incorporates author comments
(third draft)………. 2 weeks
DesignWrite assists in journal submission………. 2 weeks
Journal provides peer-reviewer comments………. TBD
DesignWrite addresses comments; resubmits………. 2 weeks
Journal acceptance and publication………. TBD

GSK räumt Ghostwriting ein
Ghostwriting ist im Pharmabusiness üblich. Es war daher nur die Frage wen es als nächstes trifft und nicht, ob überhaupt. Den schwarzen Peter hat GlaxoSmithKline (GSK) gezogen, als bekannt wurde, dass GSK (als SmithKline Beecham) für das Antidepressivum Paxil® (in Deutschland und Österreich Seroxat®) Ärzten eine umfangreiche Unterstützung bei der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Artikeln angeboten hatte. Das Programm, GSK-intern “CASPPER” genannt – wie der freundliche Geist aus der in angelsächsischen Ländern bekannten Kinderliteratur – umfasste die ganze Palette des Ghostwritings, von der Entwicklung eines Themas bis zur Einreichung des Manuskripts beim Verlag. Gemäss der internen pdf-DateiBroschüre war das Budget für 50 Artikel im Jahr 2000 bemessen.

CASPPER will enable your physicians to add, to the literature supporting the use of PAXIL, strengthen your relationships with key physicians and thought leaders in the psychiatric field, and ultimately, help you meet your sales goals.

Ein Sprecher von GSK betonte gegenüber der Nachrichtenagentur AP, dass in den veröffentlichten Artikel die Unterstützung des Autors offengelegt worden sei, und das Programm vor einigen Jahren beendet worden ist.

Die von Ghostwrittern geschriebenen Artikel über Paxil® sind zwischen 2000 und 2002 in fünf medizisnischen Fachzeitschriften erschienen. Vor den Gerichten sind Klagen von hunderten von Patienten gegen GSK anhängig, die gesundheitliche Schäden aufgrund der vom Unternehmen heruntergespielten Risiken des Medikaments anführen.

Politik interessiert sich für Ghostwriting
Kein Gesetz verbietet Ghostwriting. Dennoch ist unstrittig, dass die Autorenschaft bei einem Artikel der von Dritten geschrieben worden ist und zu dem der Wissenschaftler nicht angemessen beigetragen hat, eine unethische Praxis ist, gegen die sich Universitäten und Fachgesellschaften stellen müssen, um die Reputation der Medizinwissenschaft nicht komplett zu verspielen. In den USA haben die Boston University, Tufts University und Harvard Regeln, die ihrem Personal nicht erlaubt, mit ihrem Namen und dem Ansehen der Universität Artikel aufzuwerten, die sie nicht verfasst haben.

Vergleichbare Verhaltensregeln fordert der US-Senator Charles E. Grassley für alle Universitäten. Grassley hatte sich schon durch die unnachgiebige Verfolgung von Professoren, die Honorare von Pharmaunternehmen nicht angegeben haben, in der Pharmabranche unbeliebt gemacht.

Das National Institute of Health (NIH) trägt mit einem jährlichen Budget von 29 Mrd. Dollar zu fast 30% der gesamten Ausgaben in den USA für biomedizinische Forschung bei. Wer zahlt der führt: Hier sieht Grassley für die US-Bundespolitik einen Ansatz, um Institutionen und Personen, die von der Forschungsförderung des NIH profitieren, zur Beendigung der Ghostwriting-Praxis zu zwingen. Der Senator hat Briefe mit Fragen zum Ghostwriting an das NIH geschickt ähnliche Schreiben gingen an acht führende Fachzeitschriften.

Universitäten fürchten um Ruf
Schon Transparenz würde helfen. Sind doch die Universitäten um ihren guten akademischen Ruf besorgt. Die vom Wyeth-Skandal betroffen Universitäten müssen sich kritischen Fragen stellen, wie die Columbia Universität, die gleich drei Autoren in ihren Reihen hat, die für von DesignWrite verfasste Hormon-Artikel ihren Namen hergegeben haben.

Gleich doppelt hat es die University of Wisconsin erwischt. Nicht nur stand ein Professsor der Hochschule bei fünf der Artikel in der Autorenliste, sondern die Universität hatte zudem kurz nach der Veröffentlichung 2001 ein langjähriges mit 1,5 Millionen Dollar dotiertes Fortbildungsabkommen mit Wyeth geschlossen. Ziel war es, Ärzte und Patienten über die Vorteile der Hormontherapie zu informieren.

Der Fall geht bis nach Kanada. Eine Wissenschaftlerin der McGill University in Montreal hat in einem der Paper mit ihrem Namen die Rolle von Estrogen bei der Behandlung von Erinnrungsverlust bei älteren Menschen angepriesen. Die Professorin wollte dazu keine weiteren Erklärungen abgeben, bedauert jedoch ihren “Fehler”, die Universität untersucht den Fall.

Australien ist offener. Der betroffene Wissenschaftler, John Eden, bedauert ebenfalls sein Verhalten und räumt ein, dass er früher den Beitrag von DesignWrite offenlegen hätte sollen. Er verweist darauf, dass alle Artikel einem Peer-Review-Verfahren unterzogen worden sind und die Herausgeber der Zeitschriften ihren Teil beigetragen hätten, die positiven Reviews zu veröffentlichen.

Die Rolle der Journals bzw. Verlage und des Prozesses, wie wissenschaftliche Erkenntnisse generiert und bewertet werden kam bisher in der Diskussion zu kurz. Ein Argument Edens, deutet darauf hin, dass der Publikationsdruck Wissenschaftler aufgeschlossener für derartige unmoralische Angebote macht:

We academics are under some pressure to ‘publish or perish. Performance evaluation of at least Australian academics includes the number and quality of publications per year.

… und in Deutschland?
Hierzulande hat es in den Medien nur für Artikel über den Ursprungsbericht der NY Times gereicht. Kritische Nachfragen bei deutschen Medizinprofessoren? Nicht zu finden. Der illegale Handel mit Doktortiteln bewegt die Öffentlichkeit und Wissenschaft mehr, als Marketingaussagen, die von Pharmaunternehmen unter dem Deckmantel der Wissenschaft lanciert werden und möglicherweise negative Konsequenzen für Patienten haben können.

Leichen fleddern für den Profit

Die FAZ titel: China gibt Organhandel zu. In einem Bericht der chinesischen Staatspresse wurde zugegeben, dass etwa zwei Drittel aller Spenderorgane von hingerichteten Straftätern stammen. Der Zeitungsbericht deutet danach an, dass in China illegaler Organhandel verbreitet ist.

“Einige ignorieren rechtliche Verfahren hinsichtlich Organspenden von hingerichteten Gefangenen und machen satte Gewinne”, sagte der Chirurg Qian Jianmin vom Huashan-Krankenhaus in Schanghai. Da die Ärzte mit vielen unterschiedlichen Regierungsstellen zu tun hätten, gebe es Schlupflöcher für Korruption.

Organhandel – ein Problem von weit entfernten Schwellen- und Entwicklungsländern, in China, Indien oder Afrika? Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” hat diese Woche das Geschäft eines deutschen Unternehmens mit Leichenteilen aus der Ukraine aufgedeckt. Die Recherchen der Journalisten Markus Grill und Martina Keller in der Ukraine zeigen Einblick in eine verschwiegene und zweifelhafte Branche.

In dem Beschluss zur Eröffnung des Verfahrens [Ermittlungsverfahren Staatsanwaltschaft Kiew] steht: „Angehörige wurden betrogen, indem man ihnen sagte, dass nur ein kleiner Teil des Verstorbenen entnommen wird, also ein Knochen- oder Gewebeteil. Tatsächlich wurden aber fast alle Knochen und Gewebe entnommen … Das Material wird in vollem Umfang nach Deutschland gebracht.“

Gewebehandel ist ein lukratives Geschäft. Nach dem Bericht würde eine Leiche in ihre Einzelteile zerlegt, verarbeitet und verkauft in den USA bis zu 250 000 Dollar bringen. Die deutsche Firma liefert offenbar in grossem Umfang an den amerikanischen Gewebemarkt.

Dem Spiegel liegen tausende Seiten firmeninterner Protokolle,
Faxe, Lieferlisten und Dokumente aus den Jahren 2000 bis
2004 vor, die nahelegen würden, dass die Firma
die ukrainischen Leichenteile nicht nur selbst verarbeitete, sondern damit den US-Gewebemarkt belieferte. Dies wäre nach dem deutschen Transplantationsgesetz verbotener Organhandel.

Perry und die qlasse Pille

Kate Perry nimmt Qlaira®. Dies will ein Artikel im Freizeit-Magazin, der Wochenend Beilage der österreichischen Zeitung “Kurier”, nahelegen, in dem als Einstieg für die Schleichwerbung für die Verhütungspille von Bayer das Bekenntnis der Sängerin gewählt worden ist. “Ich werfe die Anti-Baby-Pille ein wie andere Vitamin C”. Laut dem Bericht soll Perry beim Wiener Lifeball im Mai verraten haben, dass sie sich mit Pillen der neuesten Generation schütze. Zum Nachrechnen: Der Ball war einen Tag nach Markteinführung des Medikaments in Europa. In der Heimat der Sängerin, den USA, ist die Pille noch nicht zu haben. Perry als early Adopter mit direktem Draht zu Bayer? Danach gibt der Autor Hinweise auf die neue Pillengeneration, die den Körper weniger stark belaste und eine Warnung: Trotzdem ist Estradiol noch lange kein Vitamin-C-Zuckerl.

Soweit redaktionelle Sauberkeit im Pharmawerbebusiness. Für die schmutzigen Teil darf die Expertin Dr. Monika Schaffner ran. In einem Kasten erklärt die Frauenärztin, die auch schon für “News Leben” Qlaira® positiv gewürdigt hat und für Bayer auf Kongressen das Medikament vorstellt, die nicht durch Studien bestätigten werbewirksamen Vorteile des Kontrazeptivums

Die Frauen fühlen sich wohler, sie haben mehr Lust, und die Scheide ist feuchter.

Sie verschreibe die Pille deswegen häufig. Damit auch jede Frau, weiss um was es geht, ist eine Packung mit Handelsnamen abgebildet. Leserinnenservice.

Zugegeben, mal neue Value Messages, sollten doch bisher Vorteile bei Haut, Haare, Körpergewicht und kürzere Blutungen, die in redaktionellen Artikeln von Experten herausgestellt wurden, die Frauen zum Gang zum Arztbesuch motivieren. Könnte ein Strategiewechsel sein, um andere, ältere Zielgruppen zu erreichen – was bedeuten würde, dass die hippe Q-Punkt-Kampagne in Österreich zuwenig junge, Lifestyle orientierte Frauen erreicht hat.

Titelhuberei

Bares gegen Doktor-Titel

Doktortitel-Verkauf: Professoren unter Korruptionsverdacht

Verkaufte Doktortitel – 100 Hochschullehrer unter Korruptionsverdacht

usw., usw., usw.

Liebe Journalisten, jetzt probieren wir es mal gemeinsam. Alle mitsprechen:

Der Dr. ist ein akademischer Grad und kein Titel.

Titel werden in Deutschland nur durch den Bundespräsidenten verliehen (§2 Abs. 1 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen), soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

Ist Tagungstourismus unnötiger Luxus?

Mit Geschäftsreisen erwirtschaften Fluglinien einen grossen Teil des Umsatzes, was in Krisenzeiten besondert hart zum Tragen kommt. Zu den guten Kunden gehört auch die Pharmaindustrie, die den weltweiten Medizinkongress-Zirkus am Laufen hält. Ist dieser Tagungstourismus noch angemessen?

Unnötiger Luxus, meint Malcolm Green, ein emeritierter Professor, in seinem Beitrag im British Medical Journal.

Why do we attend international conferences in such large numbers? One reason is to keep up to date in our specialty. We attend lectures, seminars, presentations, and plenary sessions, sitting in darkened rooms and listening to speakers talking to their slides, followed by a few questions. With modern technology speakers could be relayed from their home auditorium and we could just as well enjoy these sessions in darkened rooms in BMA House or in our own hospital or office. We could even ask questions if the session was in real time.

Er rechnet vor, dass alleine die Flüge der Teilnehmer zu 20 grossen Medizinertagungen in den USA jährlich einen Ausstoss von 600000 Tonnen Kohlendioxyd erzeugen. Das entspräche dem “Kohlenstoff-Fussabdruck” von einer halben Millionen Indern oder die Menge, die 120 Millionen Bäume im Regenwald aufnehmen. Die Energie für die Hotels, Kongresszentren und das Damenprogramm für die Begleitung nicht eingerechnet.

Alternativen gibt es bereits. In den Kommentaren zu dem Artikel berichtet ein Arzt von einer virtuellen Konferenz an der 1600 Hausärzte aus 65 Ländern teilgenommen hatten. Wenn der Tagungstourismus wegfallen würde, wäre das besonders für Medizinjournalisten bitter. Die kämen nicht mehr an nette Orte und in schicke Hotels, die sie sich privat nie leisten könnten.

Die Geister, die ich rief

Vor zwei Wochen schaffte es ein Wissenschafts-Pharma-Skandal bis in die deutschen Medien: Der Pharmakonzern Wyeth, bzw. bis 2002 “American Home Products”, hatte von 1998 bis 2005 Ghostwriter dafür bezahlt, 26 medizinische Fachartikel über die Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren zu verfassen. Als Autoren der vermeintlichen Fachartikel gaben sich renommierte Mediziner aus, die nur wenig zum Artikel beigetragen hatten.

Wyeth versichert es gäbe keine Belege, die nahelegen, dass das Untermehmen die Publikation von Artikeln unterstützt hat, von denen es wusste, dass Ergebnisse falsch oder verfälschend interpretiert werden. Die Autoren hätten zu jedem Zeitpunkt volle Kontrolle über die redaktionelle Arbeit gehabt.

Sonst an jedem Pharma-Skandal interessiert, hat mich das relativ kalt gelassen. Fast möchte ich sagen: “so what”. “Ghostwritring” ist üblich. So berichtet bespielsweise ein Kardiologe einer vom Wyeth-Fall betroffenen Universität, dass er erst in der vergangenen Woche zweimal gefragt worden sei, seinen Namen unter Fortbildungsunterlagen für verschiedenen Pharmaunternehmen zu setzen. Er hat es abgelehnt “because, frankly, it’s plagiarism.”

Das Problem liegt tiefer und ist mit ein paar Aufsehen erregenden Medienberichten nicht zu fassen. Es gibt einen ganzen Berufsstand der Ghostwriter: Medical Writer. Ohne diese geht es nicht in der medizinischen Forschung. Die tausende Seiten Studienberichte, Zulassungsdossiers, und andere Fachinformationen müssen von jemanden geschrieben werden. Da hat sich eine hochprofessionelle und -qualifizierte Dienstleistungsbranche entwickelt. Die Grenze zum Abfassen von wissenschaftlichen Artikeln, bei denen ein Dritter nur noch seinen Namen drüber setzt ist nur schmal. Sie wird umso öfter übersprungen, je mehr die “Publication Strategy” Teil des Marketings ist. Heute mehr noch als früher.

Der eigentliche “Skandal” liegt meines Erachtens darin: “The articles did not disclose Wyeth’s role in initiating and paying for the work.” Die geschilderten Fälle datieren Ende der 90er bis Anfang der 2000er. Da war die Deklaration des Anteils, den die Autoren zu einem Paper beigesteuert und die Angabe der Sponsoren, die die Sache bezahlt haben noch nicht so zwingend von den Verlagen vorgeschrieben wie heute.

Wenn die Artikel “geschönt” waren, müssten die Peer-Reviewer in die Kritik kommen. Anscheinend hatten die keine Einwände, obwohl es bei zu positiv interpretierten Review-Artikeln eigentlich kein Problem sein sollte, das zu erkennen und nachzuhaken.

Noch einmal zum Ghostwriting. Wie sieht denn grob die Realität bei der Durchführung klinischer Studien aus? Das Pharmaunternehmen zahlt für eine klinische Studie. In der Regel sind es multizentrische Studien, of international. Ein Zentrum ist Studienleiter, zum Teil pro Land, weil es die gesetzlichen Vorgaben fordern. Wie sollen denn die Ergebnisse veröffentlicht werden? Die Organisation und Auswertung übernehmen Dienstleister. Der Chefarzt an der Uniklinik hat dafür weder Kapazitäten noch Know-How. Wer schreibt die Berichte und Veröffentlichungen? Der Assistenzarzt? Soll der sich noch mit den klinischen Zentren in anderen Ländern absprechen? Wie soll der Sponsor da eine Deadline festklopfen? Immerhin sind klinische Studien und die Veröffentlichung Teil der Produktentwicklung und als Investitionen Teil des Business-Plans. Verzögerungen können Milliarden Umsatz kosten. Daher werden Dienstleister beauftragt, die zusammen mit dem Herstellers und den relevanten leitenden Studienzentren das Manuskript erstellen. Die Frage, in welcher Reihenfolge die Autoren erscheinen und wie der jeweilige Beitrag zum Manuskript angegeben wird (sozusagen die “Schöpfungshöhe”), ist ein Dauerbrenner in der Diskussion um Ethik, Good Publication Practice und Interessenskonflikte.

Ich sehe da eine Diskrepanz in der Betrachtung. Auf der einen Seite soll klinische Forschung und Zulassung immer genauer, besser, fehlerfreier, evidenter, qualitätsgesicherter, schneller, usw. werden. Das erfordert professionelle Arbeitsteilung und ein komplexes Zusammenspiel zwischen Unternehmen, spezialisierte Dienstleister, Scientific Community und Zulassungsbehörden.

Aber trotzdem wird von der Öffentlichkeit überspitzt das romantische Ideal zum ethischen Massstab genommen: Ein Forscher entwickelt in jahrelanger Laboreinsamkeit einen Wirkstoff. Führt eine Studie durch, aber nur wenn er zu feige für einen heroischen Selbstversuch ist. Schreibt die Ergebnisse zusammen und schickt sie an die renomierteste Fachzeitschrift. Korrespondiert mit seinen Fachkollegen über die Resultate. Verkauft das Medikament an ein Pharmaunternehmen und spendet die Erlöse für die medizinische Versorgung von Kindern in Entwicklungsländern.

Fazit: So wie es sich der unbeteiligte Beobachter vorstellt: Forscher macht Studie, schreibt ein Manusript und veröffentlicht es, kann es nicht laufen. Bei Goethe werden die vom Zauberlehrling gerufenen Geister mit knappen Befehlen des Meisters in die Schranken gewiesen.

Also alles eine Frage, wie man damit umgeht. Da kann es nur eine knappe Antwort geben: Transparenz.