Baxters offizielle Zeckeninfos

Österreich und der Ixodes ricinus (gemeiner Holzbock) – eine besondere Beziehung. Die allgegenwärtige Warnungen vor Zecken in den Medien und die Aufforderung zu Impfung gegen den durch Zeckenbisse übertragenen FSME-Virus haben zu einer Verunsicherung der Bevölkerung geführt, die auch in den Notfallambulanzen bemerkt wird.

Auf die Spitze treibt dies das Boulevard-Blatt Krone mit einer Horrorstory über einen “Zeckenangriff”. “Mehr als 70 Zecken” krabbelten am Kopf des zweijährigen Leonid, viele hatten sich festgebissen” – wie viele verschweigt der Artikel. Genau wie die Tatsache, dass Menschen nur von adulten Tieren als Endwirt “angefallen” werden. In den vorhergehenden Entwicklungsstadien arbeiten sich die Nymphen über andere Zwischenwirte zur “Krone der Schöpfung” vor.

Als serviceorientierte Zeitung verweist der online-Artikel auf einen Link zur “offiziellen Zeckeninfo”.

Dahinter verbirgt sich zecken.at, ein vom Impfstoff-Hersteller Baxter finanziertes Portal. So eng wie Baxter in Österreich mit Ärzten, Gesundheitsministerium und Verbänden kooperiert, könnte das mit dem “offiziell” sogar stimmen.

Gekaufte Meinung mangelhaft gekennzeichnet

In einer Dissertation*, die an der Universität Wien eingereicht worden ist, wirft die Wissenschaftlerin Katja Horninger den Verlagen vor, die Vermischung von Redaktion und bezahlte Inhalten sei allgegenwärtig in Österreichs Zeitungen. Zwei Drittel aller Sonderseiten und rund ein Drittel aller redaktioneller Anzeigen würden mit falscher oder unzureichender Kennzeichnung versehen. Die Resultate haben in unserem Nachbarland Aufsehen erregt. In einem pdf-DateiPositionspapier ruft der Österreichische Ethik-Rat für Public Relations alle Verantwortlichen in der PR und Werbebranche sowie bei den Medien auf, sich gemeinsam für mehr Transparenz bei der Kennzeichnung entgeltlicher Beiträge in Medien einzusetzen und damit einen Beitrag zur Hebung der ethischen Standards in den betroffenen Berufsgruppen zu leisten.

Die meisten irreführenden Veröffentlichungen entdeckte Horninger in Beiträgen über öffentliche Institutionen, Kultur, Immobilien sowie Banken/Sparkassen/Versicherungen. Pharma? Fehlanzeige. Ein Erfolg der Werbe- und PR-Agenturen bzw. deren Auftraggeber aus der Pharmaindustrie, die ihre Werbung bevorzugt in redaktionellen Beiträgen unterbringt. Ebenso fallen die in Österreich so beliebten Disease-Awareness-Kampagnen nicht in das traditionelle Raster der Sonderwerbeformen und anderer Formen von Advertorials. Wenn eine ganze Zunft der Medizinjournalisten Hand in Hand mit der Gesundheitsindustrie zusammenarbeitet, haben selbst Publizistik-Forscher es schwer, redaktionelle Beiträge zutreffend zu bewerten.


*Katja Horninger: Bezahlte Wahrheiten. ‚Schleichwerbung’ in österreichischen Tageszeitungen. Eine Bestandsaufnahme. Dissertation Universität Wien, Juni 2009.

Wissenschaftliche Reviews als Marketing-Instrument

Contrary to what people might think, physicians do not go home and curl up with the New England Journal of Medicine and read randomized controlled trials. It’s just no one’s idea of a good time. We depend on our experts to synthesize medical literature and give us a clinically relevant synopsis. And that’s what reviews and commentaries are supposed to be. From the industry’s point of view, reviews and commentaries can be used to promote off label uses, new categories of diseases and completely ridiculous opinions.

Adriane Fugh-Berman gibt in einem Interview einen Einblick in Ghost-Writing, Publication-Strategy und Marketing der Pharmaindustrie.

Negativer Q-Test


Social media ist ein hartes Stück Brot für die Pharmawerbung. Da berichtet im Forum von netdoktor.de eine Anwenderin über Probleme mit der neuen Antibabypille Qlaira®.

Habe sie heute den 2. Tag genommen und mir gehts echt schlecht, extremer Druck im Kopf, Schwindel, heute Nacht hatte ich ne schlimme Panikattacke und meine Stimmung ist total zum Heulen, traue mich jezt überhaupt nicht die nächste Tbl aus der Packung zu nehmen.

Ob nach dem Lesen eine Internetnutzerin noch den Q-Test machen will, zu dem das Flash-Werbebanner für Qlaira® auf der rechten Seite auffordert?

Werbung in Österreich mit Ambulanzwagen

Der derzeit in Österreich laufende Spot für ein landestypisches Milchprodukt ist ziemlich daneben. Krampfhaft sucht man nach der Produktkommunikation und dem Unterhaltungswert, den der Hersteller drin sieht.

Oder doch der Beitrag des Molkereikonzerns zur Gesundheitsreform? Aktuell macht in unserem Nachbarland Schlagzeilen, dass ältere Patienten von Ärzten abgewiesen werden.

Medizinjournalismus mit Anspruch und unterstützenden…

Im deutschen Medizinjournalismus nahm ein Skandal Anlauf und wollte nicht so recht aus dem Startblock kommen. Zu gross ist die Angst, ein Dopingsystem aufzudecken. In der Hoffung, wenn alle ruhig bleiben, nicht um Aufmerksamkeit sprinten, es keine Fragen gibt.

Ein ehemaliger Verantwortlicher in einer Redaktion eines Fachmedium hat in einen Blog-Kommentar geäussert, dass Artikel von einem in dessen Marktsegment führenden Unternehmen quasi gekauft worden sind. Der Urheber zog den Kommentar zurück, das Unternehmen bestreitet den Vorwurf in E-Mails. Die Behauptung sei nachweislich falsch, diffamierend und geschäftsschädigend. Bloss keine Aufmerksamkeit. Jedoch ist der Kommentar in der Welt. Er wurde gelesen, weitergegeben und registriert.

Es würde nur bestätigen, was schon längst in der Öffentlichkeit bekannt und zum Klassiker in der pharmakritischen Berichterstattung geworden ist: Teile der Medizinpresse, ob Fach- oder Publikumsmedien sind käuflich und Werkzeuge der Pharma-PR. Im Übrigen nicht anders als in anderen Bereichen des Journalismus, ob Reise-, Musik-, oder Auto-.

Wenn Urteile zementiert werden, ist der schnelle Ausweg verbaut. Der kommentarfreudige Journalist versuchte es mit einer Erklärung an die lieben Kollegen. Nun sollte seine Kritik nur die ein “bisschen zu viel Hofberichterstattung” treffen. Also die kritiklose Veröffentlichung von Informationen im Interesse eines Unternehmens. Die im Fokus stehende Fachzeitung sei so seriös ist wie viele andere Medien und nicht weniger unseriös. Offen bleibt, ob die mangelnde journalistische Sorgfaltspflicht aus Unfähigkeit der Journalisten und Redaktion resultiert, oder Ergebnis der Pflege der Medienlandschaft durch die derart Begünstigten ist – oder beides. Im Grunde müssig, dies weiter zu diskutieren, wenn niemand das Rennen eröffnen will.

Entscheidend sind die Folgen. Unstrittig ist, dass Medizinjournalismus eine besondere Verantwortung gegenüber den Bürgern hat. Falsche Information kann im Extremfall tödlich enden. Ebenso muss die Tatsache akzeptiert werden, dass es in der Medizin selten absolute Wahrheit gibt. Obwohl dies für die vehementen Verfechtern der echten Wissenschaft gegen die Quacksalber der Komplementärmedizin ein unerträglicher Zustand ist. Das eröffnet viel Platz für Interpretationen und ist eine Herausforderung für den Anspruch an Qualität. Diesen können die Medien nicht einlösen. Selbst wenn sie es wollten – die ökonomischen Zwänge der Verlage aussen vor gelassen.

Ein Medizinjournalist sollte für eine objektive Berichterstattung die neuen Studiendaten kritisch beleuchten, die Therapiealternativen benennen, sie in ihrem Evidenzgrad und ihrer Indikation bewerten, potentielle finanzielle Auswirkungen auf das Gesundheitsystem im Auge behalten, Interessenskonflikte der Autoren und Unternehmen berücksichtigen, … und alles auf knackige und für die jeweilige Zielgruppe verständliche 6000 Zeichen bringen. Es gibt wenige Experten, die das schaffen, und diese arbeiten nicht für das karge Honorar eines Fachjournalisten.

Inhaltliche Komplexität und der schnelle Wandel medizinischer Erkenntnisse haben in der Medizin zu einer immer weitergehenden Spezialisierung geführt. Es gibt je nach Weiterbildungsordnung in Deutschland rund 60 Gebiete, Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen sowie 38 Fachgebiete in denen fakultative Weiterbildungen für ein Spezialthema absolviert werden können. Seit 2004 schreibt das SGB V die Pflicht zur fachlichen Fortbildung für alle an der vertragsärztlichen/-psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychologen verbindlich vor. Dagegen langt für einen Job als Medizinjournalist ein Diplom in Biologie, um mal eine der häufigsten Grundqualifikationen der Zunft zu nennen.

Selbst an den Mitteln zur Information fehlt es. Die wenigsten Medizinjournalisten, gerade bei den Freien, haben ständigen Zugang zu den Originalartikeln der Fachzeitschriften. Was nebenbei nicht weiter auffällt, da es auch an den Wissen um die Bewertung und kritische Interpretation der Studien mangelt. Drei Stunden Kurs “EbM-Basics für JournalistInnen” von Prof. Ingrid Mühlhauser auf der 10. Jahrestagung des Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin sind ein Tropfen auf den heissen Stein.

Medizinjournalismus. Ein ungleicher Wettkampf der nicht zu schaffen ist, ohne “unterstützende Massnahmen” der Pharmaunternehmen und anderer Helfer aus der Gesundheitswirtschaft.

Pfizers Weg die Mitarbeiter wertzuschätzen

Passgenauere Tätigkeiten, mehr Wertschöpfung im Job, mehr Spass bei der Arbeit. Danke Pfizer.

Denn oftmals bedeutet Outsourcing, Arbeitsplätze in Billiglohnländer auszulagern und die Stellen am heimischen Standort zu streichen. Nachdem Pfizer im Januar bereits 8.000 Stellen gestrichen hat, also 8.000 wertvolle Köpfe und 16.000 wertvolle Hände verloren hat, geht das Unternehmen das Thema jetzt anders an: Weil immer weniger Mitarbeiter immer mehr Arbeit erledigen müssen und der Produktivitätsdruck auf das Unternehmen enorm ist, werden die Mitarbeiter nun dazu ermutigt, selbst zu beurteilen, ob sie beispielsweise ihre Reisekostenabrechnung lieber selbst machen oder von einem Dienstleister in Indien bearbeiten lassen.

DTB warnt vor Änderung des Werbeverbots für…

Eine Aufweichung der Werbeeinschränkungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der EU würde zu irreführenden und interessensgeleiteten Informationen führen. Darauf weisen die Herausgeber des “Drug and Therapeutics Bulletin” (DTB), einem unabhängigen Arzneimittelinformationsdienst, in dem Editorial der aktuellen Ausgabe hin.

In Grossbritannien sammelt die Arzneimittelbehörde (MHRA) derzeit Stellungnahmen zu den Plänen der EU die direkte Information der Verbraucher durch die Pharmaunternehmen zu ermöglichen. Die Autoren des DTB befürchten die Wirkungslosigkeit der vorgesehenen Aufsichtsgremien, die in den Mitgliedsstaaten die Einhaltung der Regeln für eine objektive Information sicherstellen sollen. Erfahrungen in den USA hätten gezeigt, dass Verstösse zu spät erkannt werden und es schwierig sei, effektive und nachhaltige Strafen zu verhängen.

We believe that acceptance of the EC’s proposals would permit public dissemination of promotional information about prescription-only medicines, masquerading as ‘information provision’. Also it is questionable whether Member States’ regulatory bodies could effectively police this area, particularly given the increased resource involved. There is a need for independent, reliable information to enable people to make informed choices about treatment. However, pharmaceutical companies’ inherent conflict of interest means it is naive to expect them ever to provide such information.

How to misinform patients. Drug Ther Bull 2009;47:86.
doi 10.1136/dtb.2009.07.0027