Risiken und Nebenwirkungen des Pillenmarketings

In der Schweiz untersucht die Arzneimittelaufsichtsbehörde (Swissmedic) Daten und Studien sowie zu Risiken und Nebenwirkungen verschiedener Antibabypillen. Auslöser war der Fall einer 16-jährigen Schweizerin aus Schaffhausen, die seit der Einnahme des Verhütungsmittels Yasmin® des Hersteller Bayer schwer behindert ist, nicht mehr sprechen kann und künstlich ernährt werden muss. In der Schweiz sind seit 1990 mindestens fünf Frauen verstorben, nachdem sie mit fünf gängigen Präparaten hormonell verhütet hatten.

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte, dass für Yasmin® Meldungen eingangen seien zu “sieben Todesfällen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels Yasmin oder Wirkstoffkombination von Yasmin”. Einer dieser Fälle beziehe sich auf den Tod eines Embryos in der sechsten Schwangerschaftswoche bei einer Frau, die unter Yasmin schwanger wurde. Das BfArM sieht jedoch keinen Anlasse für neue Untersuchungen.

Yasmin® ist eine echter Blockbuster und Umsatzgarant für das Unternehmen. Die Produktfamilie um die Antibabypille war 2008 die stärkste Medikamentengruppe des Pharmageschäfts von Bayer. Im ersten Quartal erzielte der Konzern damit einen Umsatz von 319 Millionen Euro, ein Plus von 7,4 Prozent binnen Jahresfrist. Umso härter trifft das absehbare Ende des Booms. Den Informationen des Tagesspiegels zufolge will der Konzern in diesem Jahr jetzt nicht mehr wie noch zu Beginn des Jahres vorgesehen 240 Millionen Verpackungseinheiten in Berlin produzieren, sondern nur noch 180 Millionen, also ein Viertel weniger.

In den Fokus gerät dabei auch die Marketing-Strategie, die auf den “Zusatznutzen” der oralen Kontrazeptiva zielt. Schönere Haut, keine Gewichtszunahme durch das Gestagen Drospirenon, Linderung von PMS-Beschwerden, bis hin zum “Verlegen” der Periode. Die Verhütung gerät zur Nebensache.

Auch bei der neuen Pille Qlaira® zielt Bayer auf den Lebensstil und nicht auf die einzig zugelassene Indikation, der oralen Kontrazeption.

In den USA ist die FDA aufmerksam, wenn Pharmaunternehmen ihre Produkte mit irreführenden und überzogenen Aussagen bewerben, die nicht mit der Zulassung gedeckt sind. Das musste im Oktober 2008 Bayer für die Pille Yaz® erfahren. Das Unternehmen erhielt von der FDA einen pdf-DateiWarnbrief, in dem zwei TV-Spots angemahnt wurden, in denen die Indikation der Pille erweitert, die Effektivität übertrieben und ernsthafte Risiken für Nebenwirkungen bagatellisiert worden waren.

In Europa dagegen verschliessen die Behörden die Augen, weil nicht sein kann, was nicht darf. Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist auf Fachkreise beschränkt. Obwohl gerade im Internet die Pharmaunternehmen immer dreister die Grenze zwischen erlaubter Information über Erkrankungen und verbotener Werbung für Arzneimittel zur Therapie dieser zu ihren Gunsten verschieben.

Nicht unerwartet daher das Statement des Leiters der Abteilung Pharmakovigilanz beim BfArM zu dem Lifestyle-Marketing für Antibabypillen, das die unbefriedigende rechtliche Situation bei der Medikamentenwerbung auf den Punkt bringt:

Wir entscheiden über die Zulassung eines Arzneimittels, nicht über deren Werbeaussagen.


Update
Hier ist einer der abgemahnten Spots:

Die Musik, ein Scandal Cover, liefert “The Veronicas”, ein angesagtes australisches Sänger- und Songwriter-Duo. Bayer hat sich schon 2005 die Zusamenarbeit mit der damals nur Australien bekannten Band gesichert.

In 2005, “Bayer came to us and said we’re looking for a way to connect with women a little bit better,” says Yaffa. “They really wanted to improve their brand messaging, really have people go and speak to their doctors—and those were the campaign elements that we really needed to deliver on.” To meet those criteria and build brand equity, he says, the company was looking for an artist that would bring the right personality and partnership potential.

Die Pharmaindustrie als Musikmanager. Auch mit Hilfe der Commercials haben die Veronicas den Durchbruch in den USA geschafft.

But that is also where a strong partnership can pay off. Now that Yaz is the number-one-selling birth control pill in the U.S., Bayer is moving into the third phase of its campaign with the Veronicas, where it will use one of the band’s own songs, “Change,” in an upcoming commercial.

Der Lifestyle-Charakter der Medikamentenwerbung wird im Vergleich mit dem Spot aus dem Jahr zuvor deutlich.

Bayer weiss was Frauen wollen

Die Begeisterung der österreichischen Medien über die neue Verhütungspille Qlaira®, ausgesprochen Klära, nimmt kein Ende. Die Zeitschrift “news leben” widmet sich in der Juni-Ausgabe ganzseitig der “natürlichen Pille”, die “Frauen wollen”, glaubt man der Überschrift.

Für news Leben stellt sich als Expertin OA Dr. Monika Schaffer in den Ring, die ebenfalls Anfang August bei der von Bayer Schering Pharma gesponserten “aks Sommerschule”, einem Fortbildungskongress im schönen sommerlichen Bregenz zur Festspielzeit, “Die neue Pille mit natürlichem Östrogen” pdf-Dateivorstellen wird.

Der Artikel geht das Thema von der Marketingseite an und zitiert nicht näher beschriebene Umfragen, nach denen “eine moderne Pille nicht nur gut verträglich und ein möglichst geringes gesundheitliches Risiko darstellen, sondern auch noch einen Zusatznutzen haben” soll. Den kennen wir schon aus den anderen Zeitschriftartikeln: Menstruationsbeschwerden lindern und eine positive Wirkung auf Haut und Haare. Diese Kriterien werden geschickt mit Qlaira® verbunden, indem im nächsten Satz gesagt wird, dass 55% der befragten Frauen zu einer Pille mit naturidentischem Hormon wechseln würden. Was nebenbei die Umsatzerwartungen von Bayer verdeutlicht und den Marketingaufwand erklärt.

Die Expertin darf eine vergleichweise abgehobene Stellungnahme abgeben.

Die neue Pille ist eine Annährerung an eine fast natürliche Verhütung. Sie erweitert unsere Therapiemöglichkeiten und ist eine Bereicherung für die Frau in ihrer Auswahl und sehr sicher.

Was ist eine natürliche Verhütung? Und seit wann bedarf das Risiko schwanger zu werden einer Therapiemöglichkeit?

Auch bekannt aus anderen Jubel-Berichten, die erwähnten positiven Effekte auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden und die “deutlich weniger Nebenwirkungen”. Alles “laut Studien” bestätigt. Dennoch: Zu der am meisten relevanten Nebenwirkung, dem Thromboserisiko, gibt es für Qlaira® und andere Dienogest-haltige Kontrazeptiva bisher keine veröffentlichten Daten. Und um noch einen draufzusetzen schliesst der Beitrag mit dem Hinweis, dass die neue Pille Frauen “viel besser in die Wechseljahre gleiten lässt”. Marketingaussagen die weder mit Studien gedeckt sind, noch mit der in den Fachinformationen angebenen Indikation übereinstimmen.

Traumberuf Medizinjournalist (XV)

What should any researcher expect from a journalist beyond the keen intelligence needed to see the newsworthiness of the researcher’s work, and the ability to spell his or her name correctly? For some scientists, the answer is probably ‘Not much’. Many tend to think of science journalism as a kind of public-relations service, existing purely to explain new scientific findings to the masses.

Die Fachzeitschrift “Nature” macht sich anlässlich der 6. Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten (30.6-2.7. in London) Gedanken um die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus. In drei Essays werden die Defizite und Herausforderungen für Journalisten und Naturwissenschaftler benannt.

Boyce Rensberger, bis 2008 Leiter des Knight Science Journalism Fellowship Programm am MIT, bringt es auf den Punkt:

If science journalists are to regain relevance to society, not only must they master the new media, they must learn enough science to analyse and interpret the findings — including the motives of the funders. And, as if that were not enough, they must also anticipate the social impacts of potential new technologies while there is still time to make a difference.

Bei dem Anspruch wird der real existierende Medizinjournalismus in Deutschland zum hoffnungslosen Fall.

Kopfüber für die Schönheit

Eines muss man ja Hademar Bankhofer zu Gute halten. Seine Ideen sind unerschöpflich. Beispiel Cellulite – ein beliebtes Thema der bunten Blätter im Sommer. Aktuell empfiehlt der Medizinguru in seiner ORF-Kolumne täglich 15 bis 20 Minuten kopfüber auf einem Brett zu liegen. Die Schräglage sei für den Körper nicht nur erholsam, sondern rege auch die Aktivität der Lymphe an.

Damit bereichert er seine schon sehr umfangreiche Sammlung von Tipps zur Bekämpfung der Orangenhaut um weitere, die nach ärztlicher Meinung lediglich ein gutes Gefühl geben, etwas unternommen zu haben.

Diskussionskultur: Obama vs. Ulla Schmidt

Heute abend, um 19:15 Uhr unserer Zeit, wird Barack Obama live auf Fragen zur US-Gesundheitsreform antworten, die ihm Bürger per Youtube-Video, als Twitter-Tweet und in Facebook gestellt haben.

“National Online Discussion” – in Deutschland derzeit nicht denkbar. Wir müssen solange mit einem Interview mit Ulla Schmidt im Ärzteblatt zufrieden sein.

Bei einer Diskussion über Gesundheitsziele wäre ich sofort dabei. Wir diskutieren auch über Kosten-Nutzen-Bewertungen.

Man sollte Ulla Schmidt beim Wort nehmen. Wird Zeit, dass die Diskussion nicht wie bisher den Politikern, Experten und Lobbyisten vorbehalten bleibt.

a-t fordert Marktrücknahme von Lantus®

Für den unabhängigen Informationsdienst Informationsdienst arznei-telegramm (a-t) ist eine Marktrücknahme des Insulins Lantus® die einzig logische Konsequenz. Ende letzter Woche war das langwirkende Analog-Insulinin die Diskussion geraten, da es möglicherweise das Krebsrisiko für Diabetiker erhöht.

Verschiedene Studien aus Deutschland, Schweden, Schottland und Grossbritannien hatten einen Zusammenhang zwischen der häufigen Einnahme von Glargin (Handelsname: Lantus®) und der Entstehung von Krebs gezeigt. In Deutschland hatte Wissenschaftler des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zusammen mit Mitarbeitern des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) die Daten von fast 130.000 deutschen Patienten mit Diabetes analysiert, die zwischen Januar 2001 und Juni 2005 mit Humaninsulin oder den Analoginsulinen Lispro (Handelsname Humalog®), Aspart (Novorapid®) oder Glargin (Lantus®) behandelt worden waren.

In einem “blitz-a-t” vom 27. Juni weist die a-t Redaktion darauf hin, dass schon seit der Markteinführung im Jahr 2000 eine erhöhte Gefährdung der Patienten durch Krebs vermutet worden ist. Im Vergleich zu Humaninsulin besitze Glargin eine höhere Affinität als Humaninsulin zum Wachstumsfaktor I, der das Wachstum von Krebszellen begünstigt. Die Autoren kritisieren in diesem Zusammenhang die Aufsichtsbehörden. Wegen der von Anfang an bestehenden Sicherheitsbedenken hätten die Behörden – wie vielfach gefordert – die Zulassung an die Verpflichtung koppeln müssen, dass Sicherheitsstudien zur Abklärung der Kanzerogenität zeitnah durchgeführt werden.

Die Konsequenz müsse nun die Marktrücknahme sein:

Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes sind jetzt Hersteller und Zulassungsbehörden in der Pflicht, die Unbedenklichkeit von Glargin zu belegen. Bis dahin sollte das bedenkliche Kunstinsulin, für das zudem allenfalls ein marginaler Zusatznutzen im Vergleich zu Humaninsulin belegt ist, unter Berücksichtigung einer angemessenen Umstellungsfrist von wenigen Wochen vom Markt gezogen werden.

Vor übereilten Panikreaktionen der betroffenen Ärzte und Patienten wird gewarnt. Mit den Patienten sollte zügig die Umstellung auf ein Humaninsulin besprochen werden. Keinesfalls bestünde jedoch Anlass, die Behandlung überstürzt umzustellen.

Marketing-Kniffel

Miss Q plaudert für Bayer Vital über den Q-Punkt
Im Winter hatte ein agenturübergreifendes Team aus Heye DDB Health, PR!NT und Red Urban den Pitch von Bayer Vital für eine neue Pille gewonnen. Jetzt ging es um die Umsetzung der Ideen. Besonders knifflig: eine Webseite für ein Produkt zu verwirklichen, dessen Name nicht genannt werden darf, die aber dennoch auf das Produkt einzahlt.

Aus dem internen Newsletter der Heye Group “any monday” Ausgabe Nr_35.

Das Heilmittelwerbegesetz ist knifflig?

Bundesregierung sieht keine Werbung bei HPV-Impfung

Mittlerweile online ist eine pdf-DateiAntwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion zur “Wirksamkeit und Vermarktung der HPV-Impfung in Deutschland”.

Einige interessante Punkte aus dem 14-seitigen Dokument:

  • Die Bundesregierung räumt ein, dass die von der STIKO ins Feld geführte Impfeffektivität von 92,5 Prozent gegen HPV16 und 18 assoziierte Zervixkarzinome und des lebenslangen Schutzes nach Impfung bzw. des Vorliegens einer boosterbaren Impfung zum Erreichen eines Langzeitschutzes lediglich eine Annahme darstellt. Diese Zahl wurde benötigt, um in einer Modellrechnung die „number needed to vaccinate“ (NNV) einschätzen zu können, also die Zahl der Frauen, die geimpft werden müssen, um statistisch einen Fall von Gebärmutterhalskrebs zu verhindern.
  • Die Bundesregierung hat keine Ideen, wie die vom DIMDI angemahnte Evaluation zur Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung aussehen soll. Dabei wird sich auf die von den Impfstoffherstellern zugesagten Langzeitstudien verlassen.
  • Zu der Entwicklung der Teilnahmebereitschaft am Vorsorge-Screening und den Folgen für den bevölkerungsbezogenen Nutzen der Impfung wird lediglich angemerkt, dass sich die HPV-Impfung als Massnahme der primären Prävention und die Früherkennung als Maßnahme der sekundären Prävention ergänzen würden. Die weiter oben in der Anwort erwähnten Empfehlungen, die derzeit im Rahmen des Nationalen Krebsplans zur Anpassung der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung an die Qualitätsvorgaben der Europäischen Leitlinien erarbeitet werden, sind scheinbar für das Bundesgesundheitsministerium in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
  • Von der Bundesregierung wird abgelehnt, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, dass der Gemeinsamen Bundesausschuss auch Impfungen einer
    Kosten-Nutzen-Bewertung unterziehen kann. Es bleibt bei dem schwammigen Kriterium “Wirtschaftlichkeit”. Wohl zur Freude der Impfstoffhersteller. “Der Ausschluss oder die Einschränkung einer alternativlosen, zweckmäßigen und medizinisch notwendigen Impfung allein aufgrund von Kostenerwägungen ist nicht möglich.”
  • Ob sich die Ärzte an die STIKO-Empfehlung halten (12- bis 17-jährige Mädchen, die bislang noch nicht sexuell aktiv waren), interessiert die Bundesregierung nicht. “Es liegt in der Verantwortung der betreuenden Ärztinnen und Ärzte, nach individueller Prüfung von Nutzen und Risiko ihren Patientinnen die Impfung gegen HPV auf der Basis der Impfstoffzulassung anzubieten.” Alles andere wäre auch ein harter Schlag gegen Das Marketing der beiden Hersteller.
  • Bei der Frage, ob die Darstellung der Wirksamkeit der HPV Impfung in Fernsehwerbespots und anderen Marketingmassnahmen gegen das Heilmittelwerbegesetz verstossen, verweist auf die zuständigen Länderbehörden. Wenn man die agressiven “Aufklärungskampagnen” vor Augen hat, mutet der Satz “Es kann nie ausgeschlossen werden, dass selbst neutrale sachliche Darstellungen zu medizinischen Sachverhalten auf einzelne Personen verängstigend wirken” fast zynisch an.
  • Trotzdem ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Angaben zu Rangfolgen von Erkrankungen oder Sterblichkeiten in der Gesundheitsaufklärung wenig sinnvoll sind. Sie würden keine Aussage zu Erkrankungshäufigkeiten und individuellem Risiko zulassen. Wie es aussieht waren die in den Werbekampagnen propagierten Sätze wie “zweithäufigste Todesursache” immer noch neutral genug.
  • Das Desinteresse an Ermittlungen wegen illegalen Marketings in anderen Ländern, verwundert daher nicht. Sponsoren sind wilkommen: “Die Förderung der Inanspruchnahme von durch die STIKO empfohlenen Impfungen ist ein Anliegen der Bundesregierung.” Im Übrigen wird immer wieder betont, Werbung im Sinne des HWG setze stets voraus, dass mit der Absicht der Absatzförderung bzw. Umsatzsteigerung gehandelt werde. Ist klar nee, die Impstoffhersteller sponsern wegen der Stärkung des “Impfgedankens”.
  • Stolz zeigt sich die Bundesregierung ob der Tatsache, dass die Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur HPV-Impfung monatlich ca. 1500 Mal aufgerufen werden. Die PR-Firmen, die die Kampagnen der Impfstoffhersteller planen, würden bei solchen Zahlen vom Hof gejagt werden.
  • Der aktuelle Preis der drei Impfungen liegt in Deutschland bei ca. 480 Euro (Apothekenverkaufspreis). Die Bundesregierung räumt ein, dass in Grossbritannien, den Niederlanden und der Schweiz die Regierungen mit den Herstellern besondere Preise ausgehandelt haben, was den Preis auf ca. 210 Euro senkt. Ist aber kein Grund zur Beunruhigung, wie haben es ja: “Eine systematische Übersicht zu Verbraucherpreisen der HPV-Impfung in Europa steht der Bundesregierung nicht zur Verfügung”. Die verdammt ähnlichen Preise der beiden Impfstoffhersteller riechen auch nicht nach Absprache: “Das Bundeskartellamt hat mitgeteilt, dass ihm keine Beschwerden in dieser Sache vorliegen und dass es kein Verfahren führt.”

Wie aus der Antwort zu entnehmen ist, werden in Kürze die Ergebnisse der Neubewertung der HPV-Impfung von der STIKO veröffentlicht. Überraschungen wären überraschend.

Begeisterungsstürme in Österreichs Medien…

Österreichs Frauen erlebten in den letzten Wochen eine Werbeoffensive ohnegleichen, die sie von der neuen Verhütungspille Qlaira® (gesprochen “Klära”) des Pharmakonzerns Bayer Schering überzeugen sollte. Werbung für ein rezeptpflichtiges Medikament? So muss man jedoch die redaktionellen Artikel nennen, in denen die Antibabypille gefeiert worden ist. Journalismus war das nicht, sondern plumpe PR.

In der Frauenzeitschrift “Woman” wird das Medikament trendig als “neues Modell auf dem Markt” beschrieben und mit Handelsnamen genannt. Im Artikel kommen zwei Experten zu Wort. Dr. Claudia Linemeyer-Wagner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung, die schon früher in Pressemitteilungen von Bayer Austria auftreten ist, und Prof. Ludwig Wildt von der Uni Insbruck.

Die Gynäkologin erklärt, dass “die Neue” einige positive Effkte berge:

Die Blutungen werden schwächer, was für viele eine Erleichterung ist, das Hautbild verbessere sich, und: Sie hat keine Auswirkungen auf das Körpergewicht.

Alles Aussagen, die werblich sind, da sie die Indikation der Pille nicht betreffen, und aufgrund der dürftigen Studienlage und kurzen Erfahrung mit dem Kontrazeptivum spekulativ erscheinen.

In die gleiche Kerbe haut das Gesundheitsmagazin der Kronen-Zeitung. Hier ist es Prof. Doris Gruber, die von der Verträglichkeit, die positive Wirkung auf Haut und Haare und die kürzeren Blutungen schwärmen darf.

Glaubt man dem Bericht soll Qlaira® “so natürlich wie die Natur selbst” sein. Eine mutige Aussage dafür, dass für den Wirkstoff keine Eierstöcke ausgepresst werden, sondern er chemisch synthesisiert ist, also höchstens “naturidentisch”.

Bei soviel positiven Eigenschaften stellt sich die Frage, ob die Verhütung nicht eine erwünschte Nebenwirkung ist. Die Krone gibt die klare Antwort darauf:

Und die kleinen Pillen sind auch dann nützlich, wenn es einmal gar nichts zu verhüten gibt. Dann tut sie was für die Schönheit, man sieht’s an Haut und Haaren.

Im Schlusssatz wird die Message noch mal leserinnenfreundlich für die Fastfood-Generation auf dem Punkt gebracht: Man braucht Äpfel nur mehr zu essen, wenn sie einem schmecken.

Für das Nachrichtenmagazin “news” tritt der “Top-Gynäkologe” Sepp Leodolter an – der hier im Blog schon zu Ehren kam. Leodolter erläutert die Erwartungen des Pharmamarketings an eine neue Verhütungspille: “Heute muss sie nicht nur möglichst keine Nebenwirkungen haben, sondern auch Zusatznutzen erfüllen”.

Gut, dass news die Vorteile von Qlaira® eindrucksvoll aufzählt: Gute Verträglichkeit mit besserem emotionalen Wohlbefinden, kürzere Blutungen, geringerer potentieller Libidoverlust, und erst am Ende die Verhütungssicherheit. Eine “Pille für alle”:

Sie ist nämlich für junge Frauen ebenso anwendbar wie für Frauen kurz vor dem Klimaterium. Kurzum: Die neue Pille lässt die Frau “sanfter” in die Wechseljahre gleiten.

Bei soviel Schmäh darf “Apotheker Mag. pharm. Kurt Vymazal” nicht fehlen, unter dessen Namen in der Kronen-Zeitung einmal wöchentlich über rezeptpflichtige Medikamente anhand von Indikatioen geschrieben wird. Insidern zufolge eine äusserst beliebte Kolumne für Pharmaunternehmen, die gerne über den Umweg der hauseigenen PR-Agentur bezahlt wird.

Nach der sich überschlagenden Begeisterung in den anderen Printmedien eine verstörend nüchterner Text.

Das in der Kombination eingesetztes Estradiolvalerat ist mit dem im Körper vorkommenden natürlichen Östrogen identisch.

Bei soviel Anbiederung und Marketinggeschreibsel scheint ein “Vymazal” ein auslaufendes Modell für die Pharma-PR zu sein.