Honorarreform erklärt
Die FAZ erklärt anschaulich die Hintergründe eines komplexen Streits: Der lange Kampf ums Honorar.
Die FAZ erklärt anschaulich die Hintergründe eines komplexen Streits: Der lange Kampf ums Honorar.
Nächsten Mittwoch, am 18. März, sollte in Berlin eine Veranstaltung zur “Mitbestimmung der Patienten bei der Hilfsmittelversorgung” stattfinden. In das Rote Rathaus hatte die Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin eingeladen. Mitbestimmung Hilfsmittelversorgung – da war doch was?
Im Juni 2008 hatte ein “Aktionsbündnis meine Wahl” auf sich aufmerksam gemacht. Der “Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen, Selbsthilfevereinigungen, Hilfsmittelherstellern und Versorgungspartnern wie Sanitätshäusern und Homecare-Unternehmen” hatte sich als eine Astrosurfing-Kampagne der PR-Agentur Weber Shandwick im Auftrag des Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) erwiesen.
Die meisten Selbsthilfeverbände und -gruppen hatten den Auftraggeber erkannt und wollten sich nicht, so wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe für die Interessen der Hilfsmittelhersteller instrumentalisieren lassen. Derzeit finden sich als Unterstützer auf der merklich verwaisten Internetseite (nächster Termin: 20. November 2008 in Hamburg) nur 86 Namen, darunter alleine 32 Selbsthilfegruppen zu Thema “Schnarchen/Schlafapnoe” und mindestens 25 Unternehmen und Dienstleister aus der Hilfsmittelbranche.
Unter den Unterstützern der Kampagne aus den Reihen der Selbsthilfe ist die Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin das renomierteste Aushängeschild. Ihr stellvertretender Vorsitzender, der auch als Moderator bei der Diskussionsrunde nächste Woche vorgesehen war, darf sein Testimonial ganz oben auf der Internetseite präsentieren:
Nun musste er eine Absage der Veranstaltung wegen “mangelnder Bereitschaft zur Mitwirkung auf verschiedenen Seiten” verkünden.
Ein Desaster für die Kommunikationsexperten von Weber Shandwick und die Lobbyisten des BVmed als Auftraggeber – jedoch ein Lichtblick für die Bemühungen nach Transparenz und Unabhängigkeit.
Oder wie sollte man sonst die Image-Kampagne der Bundeskurie Angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer bewerten? Die Radiospots (im Link) laufen seit 8. März auf Ö3 & FM4 und sollen nach Aussage des Kreationschefs der Werbeagentur zeigen, dass Krankenhausärzte in Österreich in Selbstverständlichkeit Dinge leisten, die man sich als Nicht-Arzt nur schwer vorstellen könne – zumindest wenn man kein Konsument von TV-Serien wie Emergency Room ist.
Geschmacklos und unsensibel.
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*Fleischhauer ist der Ausdruck, der in unserem südlichen Nachbarland für “Fleischer”, “Schlachter” oder “Metzger” üblich ist.
*Spital sagt man dort zu “Krankenhaus” oder “Klinik”.
Ein Wissenschaftler soll über 12 Jahre lang 21 Studien zur postoperativen Schmerztherapie gefälscht haben. Mit seinen Veröffentlichungen hatte er die Schmerztherapie revolutioniert und den Umsatz der Hersteller von nebenwirkungsreichen COX2-Hemmern, wie Celebrex® von Pfizer oder Vioxx® von Merck & Co. in die Höhe getrieben. Aber auch den Einsatz des Antidepressivums Effexor® (in Deutschland Trevilor®, in Österreich Efectin®) von Wyeth in der Schmerztherapie hatte er aufgrund seiner gefälschten Studien empfohlen.
Scientific American nennt den Fall: A Medical Madoff.
Das ist ein Super-GAU für den medizinischen Wissenschaftsbetrieb.
Könnte ein genialer Ansatz sein. Für alle etwas dabei.
Sowas gibt es nur in Österreich. Da gibt das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht zur Versorgung von Patienten mit Schizophrenie in Auftrag und lässt zu, dass der 1. Österreichische Schizophreniebericht von den Pharmaunternehmen, die Antipsychotika im Angebot haben, finanziert wird.
In dem Bericht wird vermerkt, dass sich die Kosten der Antipsychotika zwischen 2000 und 2005 verdoppelt hätten und innerhalb des stark wachsenden Marktes der Psychopharmaka überproportional wachsen würden.
Die Sponsoren sollen ja nicht entäuscht werden, daher wird dies an geeigneter Stelle relativiert und das von den forschenden Pharmaunternehmen immer wieder vorgebrachte Argument wiederholt, dass neue und teure Medikamente Kosten sparen:
Am Anfang waren die Aufzeichnungen des Arztes über die Behandlung eines Patienten für die eigene Erinnerung und Therapieplanung. Mit der komplexer werdenden Medizin wurden Befunde und Informationen zunehmend mit anderen Ärzten geteilt. Aber die Hoheit darüber was der mitbehandelnde Arzt über den Patienten erfuhr, blieb bei ihm. Für den Einblick in die eigenen von Ärzten geführten Akten haben die Patienten hart gekämpft. Bis hin zum Recht, Kopien für die eigene Archivierung zu bekommen.
Bei der elektronischen Gesundheitskarte bekommen Patientinnen und Patienten das Recht, alle über sie mittels der Gesundheitskarte gespeicherten Daten einzusehen. Internet-Patientenakten gehen noch einen Schritt weiter und lassen eine grössere Kontrolle über die gespeicherten Daten zu und ermöglichen die Dokumentation und Auswertung der Informationen durch den Patienten. Trotzdem bleiben bisher Daten über Erkrankungen und Behandlungen besonders geschützte Informationen.
Bisher: Google geht nun einen Schritt weiter und lässt bei “Google Health” den Nutzer seine Patientendaten verteilen. E-Mail-Adresse genügt. Ohne Internetzugang? Kein Problem:
Damit öffnet Google eine neue Dimension der Transparenz und dem Missbrauch Tür und Tor.
Merck & Co. will den Konkurrenten Schering-Plough schlucken. In den deutschen Medien hat diese Nachricht ein wenig Ratlosigkeit ausgelöst. Die FAZ verweist auf die “deutschen Wurzeln” beider Konzerne, jedoch lässt die Auwirkungen für Deutschland offen. Die ZEIT meint es besser zu wissen:
Ein Grund dafür ist, dass durch die deutschen Wurzeln beide Unternehmen in Deutschland, bzw. Europa nicht unter ihrem Namen auftreten, um Namensähnlichkeit zu vermeiden. Merck & Co firmiert in Deutschland unter “MSD Sharp & Dohme” mit 1200 Mitarbeitern und fast 600 Millionen Euro Umsatz. Schering-Ploughs deutsche Tochtergesellschaft trägt den Namen “Essex Pharma”, mit 1000 Mitarbeitern, die im Jahr 2007 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschafteten.
Immerhin betrifft die Fusion 2200 Mitarbeiter in Deutschland. Gerade im Marketing, Vertrieb und Verwaltung liegt das Einsparpotential, das durch eine Übernahme gehoben werden soll. Beide Unternehmen haben ihre Deutschlandzentrale in bzw. bei München. Ideal um in kurzer Zeit die Kosten zu drücken.
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Hier der Live-Blog von der Analysten-Telefonkonferenz.
US-Präsident Obama muss einen weiteren Rückschlag bei der Besetzung wichtiger Posten in seiner Verwaltung hinnehmen. Sanya Gupta, der derzeit als Chef-Medizinkorrespondent bei CBS und CNN tätig ist, hat seinen Verzicht auf das Amt als “Surgeon General”, eine Art oberster Amtsarzt erklärt.
Er begründet den Schritt damit, dass er mehr Zeit seiner Familie widmen und weiter als Arzt und CNN-Korrespondent arbeiten will. Nach seiner Nominierung Anfang des Jahres waren kritische Stimmen laut geworden, die Gupta eine zu grosse Nähe zur Pharmaindustrie vorwarfen. Nicht zuletzt könnte eine Rolle gespielt haben, dass Gupta als Beamter erhebliche Einkommenseinbussen gegenüber seinen derzeitigen Jobs gehabt hätte, wie die Washington Post berichtete.
Ausser der Absage Guptas hatte Obama gestern noch ein Treffen zur Zukunft des US-Gesundheitswesens zu verdauen, zu der er 150 Vertreter von Stakeholdern, wie Kongressabgeordnete, Ärzte, Gewerkschafter, Vertreter von Unternehmen, Kliniken, Krankenversicherungen und Verbraucherorganisationen eingeladen hatte. Schon die Tatsache, dass alle sich versammelt hatte, wurde als Erfolg gewertet. Der US-Präsident wies wiederholt auf die steigenden Kosten für das US-Gesundheitssystem hin.
Beim Weg zu Reform zeigte er sich zu Zugeständnissen bereit, die eine Abkehr von seinen Plänen bedeuten könnten, eine staatliche Krankenversicherung im Wettbewerb mit privaten Anbietern zu etablieren.
Schon der sich selbst gesetzte Zeitdruck, bis Ende des Jahres eine Reform auf den Weg gebracht zu haben, wird ihn zu Kompromissen mit der Pharmaindustrie, Versicherern und Kliniken zwingen.
Ein Teil der Kostenexplosion wird den horrenden Schadensersatzklagen in den USA zugeschrieben. Dazu hat der oberste Gerichtshof am Mittwoch entschieden, dass Pharmakonzerne in den USA weiter für Gesundheitsschäden haftbar gemacht werden können, die durch Verabreichung ihrer Medikamente hervorgerufen worden sind. In einer von vielen unerwarteten Entscheidung votierten die Richter mit sechs gegen drei Stimmen dafür, dass die Klägerin Diana Levine das Pharmaunternehmen Wyeth auf Schadenersatz für die Nebenwirkungen durch die falsche Anwendung des Medikaments Phenergan® (Wirkstoff Promethazin) verklagen darf.
Durch das Grundsatzurteil stellte das Gericht klar, dass auch die Zulassung durch die Arzneimittelbehörde FDA die Hersteller nicht vor Schadensersatzansprüchen schützt. Auf die Anerkennung dieses Preemption hatten die Pharmakonzerne gesetzt. Nun steht ein Gesetz, dass Medizinproduktehersteller vor Klagen bewahren sollte, auf dem Prüfstand.
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Und wenn dies nicht genug wäre: Die NY Times berichtet über die Schwierigkeiten Kick-Back-Zahlungen von Pharmaunternehmen und Medizinprodukteherstellern zu unterbinden.
Fazit: Kostensenkung im US-Gesundheitswesen ist genauso aufreibend wie in Deutschland.
Novartis-Chef Daniel Vasella wurde vom Vatikan ausgeladen weil sein Unternehmen orale Kontrazeptiva herstellt. Ähnliches könnte Bild-Chef Kai Diekmann passieren, wenn der Papst von der redaktionell getarnten Werbung für eine neue Antibabypille in “Bild der Frau” erfährt.
Im Heft 8/2009 vom 14. Februar berichtet die von Diekmann herausgegebene Frauenzeitschrift begeistert von einer neuen Pille “mit natürlichen Hormonen”. Qlaira® (gesprochen “Klära”) heisst das Produkt von Bayer Schering Pharma, das im Januar zugelassen worden ist und demnächst auf den Markt kommen wird.
Der interviewte Frauenarzt erklärt in dem Artikel die Vorteile der neuen Pille und lässt Aussagen einfliessen, die durch Studien oder Erfahrungen nicht gedeckt sind.
Im blau abgesetzten Kasten werden Ausagen aus einer Pressemitteilung von Bayer fast wörtlich wiederholt.
Mit dem Unterschied, dass im Original es den Befragten “sehr wichtig oder wichtig” war, in der Bild-Erfolgsmeldung die Frauen es allesamt “sehr wichtig” finden.
Bayer hat auch mit einem Foto für den Artikel ausgeholfen und wirbt für Tabletten gegen Vaginalpilz prominent auf der rechten Halbseite des doppelseitigen Artikels.
Der Fall könnte als klassischer Verstoss gegen das Heilmittelwerbegesetz gewertet werden, nach dem Werbung auch das Ankündigen oder Anbieten von Werbeaussagen ist.
Bleibt die Frage: Nur schlechter Journalismus oder verdeckte vom Unternehmen geförderte Produktwerbung? Die Indizien für das letztere sind vielfältig. Jedoch ist die neue Pille für Bayer ein wichtiges Produkt, mit Umsatzerwartungen von bis zu 500 Millionen Euro jährlich. Eine solche Markteinführung wird üblicherweise von einer umfangreichen Kampagne begleitet. Davon ist bei einer google-Suche nach Qlaira® noch nichts zu sehen.
Dazu sind einige Antworten des Frauenarztes sicher nicht im Sinne des Hersteller, wie der Hinweis, dass es in “Testreihen vorher häufig zu Zwischenblutungen” mit dem Estradiol kam. Oder die eher abschreckend komplizierte Beschreibung der Einnahme und Wirkung.
Dass der Experte bisher nicht besonders aufgefallen ist, weder medial, noch fachlich, spricht auch nicht für eine vom Unternehmen lancierte Berichterstattung.
In jedem Fall fragwürdiger Journalismus. Alles andere wird wahrscheinlich das Marketing von Bayer für die Pille in den nächsten Monaten zeigen.