Abkassiert in der Klinik

Das NDR Magazin “Markt” hat sich die Telefontarife für Patienten im Krankenhaus angesehen. Um die im Krankenzimmer bereitgestellten Telefone nutzen zu können, benötigt der Patient meist eine sogenannte hausinterne Telefon-Karte mit aufgebuchtem Gesprächsguthaben, von dem auch die Tagesnutzungsgebühr zwischen 50 Cent und 3 Euro abgezogen wird. Zusätzlich langen viele Klinikbetreiber bei den Gesprächskosten zu: 10 Cent pro Minute sind ein günstiger Tarif, bei Verbindungen in Mobilfunknetzen fand die Redaktion sogar Kosten von 2,26 Euro für die Telefonminute aus der Asklepios Nordseeklinik auf Sylt. Die Angehörigen kommen nicht ungeschoren davon. Wer mit im Krankenhaus liegenden Familienmitgliedern oder Freunden sprechen möchte, wird von einigen Krankenhäusern zur Kasse gebeten. Diese Häuser schalten ihren Patienten Telefonanschlüsse mit 01805-Rufnummern, unter denen diese ereichbar sind. Ein Anruf aus dem Festnetz der Deutschen Telekom auf eine 01805-Nummer kostet dann 14 Cent pro Minute, aus dem Mobilfunknetzen ein Mehrfaches.

Fazit: Es hat sich wenig geändert, seit dem Posting vom Januar 2007.

Pharmalobbyisten für Worst EU Lobbying Award nominiert

Die erfolgreiche Lobbyarbeit der Pharmaindustrie zur Einschränkung des Wettbewerbs und freien Warenverkehrs durch die Erzeugung von Panik vor gefälschten Medikamenten wird möglicherweise gebührend geehrt werden. Heisser Anwärter auf den Worst EU Lobbying Award ist diesem Jahr die “European Alliance for Access to Safe Medicine (EAASM)”, die nominiert ist, weil sie die Beteiligung grosser Pharmakonzerne in ihren Kampagnen verschweigt. Der Preis für das schlimmste Lobbying in der EU geht an diejenige Lobby-Kampagne, die am meisten auf Täuschung, irreführende Informationen oder andere unsaubere Lobbytaktiken zurückgegriffen hat, um die Entscheidungen innerhalb der EU zu beeinflussen.

Aus dem pdf-DateiNominierungstext:

Als Sekretariat für EAASM fungiert die in London ansässige PR-Agentur Medicom. Die Pressemitteilung zu dem Bericht wurde von Medicom veröffentlicht; Medicom ist im Bericht als einzige Kontaktadresse aufgeführt und von ihr werden auch Anfragen an EAASM beantwortet. Bis Januar 2008 war Martin Ellis, Direktor der Medicom Group, auch gleichzeitig der Direktor der EAASM. Weder Medicom noch EAASM haben sich bisher im freiwilligen Lobby-Register der Europäischen Kommission eingetragen.

Die Online-Abstimmung für die Worst EU Lobbying Awards endet am 30. November. Die Gewinner werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung am 9. Dezember in Brüssel verkündet. Also wählen gehen:

worstlobby.eu

Behörden in den Niederlanden untersuchen Einflussnaheme…

Wegen Einflussnahme auf Experten, die an der Empfehlung zur HPV-Impfung beteiligt sind, sind in den Niederlanden die Büroräume von Sanofi Pasteur MSD (SP MSD) und GlaxoSmithKline (GSK) durchsucht worden. Die Mitglieder des “Gezondheidsraad” sollen, ähnlich wie die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland, als unabhängige Experten über die Empfehlung und Aufnahme von Schutzimpfungen in den Impfkatalog entscheiden. Das berichtet das niederländische Fernsehen im Magazin Zembla. Danach hätten die Inspektoren interne Dokumente beschlagnahmt (übersetzte Version), wie z. B. E-Mail-Austausch mit Ärzten, Informations-, Marketing-Pläne, Verträge mit Ärzten und Wissenschaftlern und Anweisungen für Ärzte beim Umgang mit Patienten.

So wie ich es verstanden habe, wird in den Niederlanden die HPV-Impfung von den Krankenkassen oder den Behörden nicht bezahlt und die beiden Impfstoffhersteller haben in den letzten Monaten das Lobbying und Marketing intensiviert, um eine positive Entscheidung zu beeinflussen.

GSK hat eine “Razzia” bestritten und verweist auf einen angemeldeten Besuch und die volle Zusammenarbeit des Unternehmens mit den Behörden.

In Deutschland sind nur fünf von 16 Mitgliedern der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) ganz oder weitgehend frei von finanziellen Verbindungen zu den Herstellern von Impfstoffen. Was niemanden bisher gestört hat.

[Hat tip: Pharmalot]

Bayer veröffentlicht Zuwendungen an Patientengruppen

Bayer Vital hat wie angekündigt veröffentlicht, welche Patientengruppen das Pharmaunternehmen finanziell unterstützt. Im Gegensatz zu anderen Pharmakonzernen, die sich diese Transparenz leisten, werden bei Bayer nicht die Zahlungen des letzten Jahres berichtet, sondern die geplanten Projekte im laufenden Jahr aufgezählt.
Nach dieser Liste werden der Bundesverband der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft (DMSG) mit 185.000 Euro und der Verband “Pulmonale Hypertonie (ph)” mit 180.000 Euro die Empfänger der grössten Summen sein. […]

Neue PML-Fälle unter Tysabri® (Update)

In der EU sind laut dem Ärzteblatt Todesfälle von zwei Patienten an einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) unter einer Behandlung mit Tysabri® aufgetreten. Der monoklonale Antikörper, der bei der Therapie von Multipler Sklerose eingesetzt wird, war schon kurz nach der Markteinführung 2005 durch zwei tödliche verlaufende PML-Fälle aufgefallen, was zu einer Einstellung des Verkaufs führte. Seit Juni 2006 konnte Tysabri® mit entsprechenden Warnhinweisen und einem Risikominimierungsplan, der verhindern soll, dass es zu weiteren PML-Erkankungen kommt, wieder vertrieben werden.

In den letzten Monaten waren zusätzlich Bedenken wegen eines erhöhten Risikos für Leberschäden und Fällen von Hautkrebs bei der Therapie mit Tysabri® laut geworden.

Schneller als die Aufsichtsbehörden hat die Börse reagiert. Die Aktien des Hersteller Biogen Idec und seines Partnerunternehmens Elan brachen über 20% bzw. fast 50% ein.


Update:
Wie in den Kommentar von chefarztfrau beschrieben sind beide Patienten nach Angaben von Biogen Idec am Leben. Ein Patient klinisch stabil, der andere in stationärer Behandlung. Berichtigung des Ärzteblatts.

BVMed benutzt Patientenverbände


Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) vertritt über 200 Unternehmen, die ihr Geld mit Medizinprodukten verdienen, und versucht seinen Einfluss beim Gesetzgeber in die Waagschale zu legen, um die Mitgliedsunternehmen vor zu grossem Unbill der Gesundheitspolitik zu bewahren. Als Mitglied des Verband der Chemischen Industrie, der wiederum im Bundesverband der Deutschen Industrie organisiert ist, sollte es nicht schwerfallen, mit den Interessen in Berlin Gehör zu finden.

Wenn das alles nichts hilft, müssen die Patienten ran und beim Astroturfing aushelfen. Das Aktionsbündnis ‘meine Wahl’ wird als “Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen, Selbsthilfevereinigungen, Hilfsmittelherstellern und Versorgungspartnern wie Sanitätshäusern und Homecare-Unternehmen” vorgestellt – und ist doch nur eine PR-Kampagne der Agentur Weber Shandwick im Auftrag des BVMed.

Um was geht es? Ab dem nächsten Jahr sollen die Krankenkassen die Versorgung mit Hilfsmitteln ausschliesslich über feste Vertragspartner, vorrangig per Ausschreibungen, organisieren. Das bedeutet eine Verschärfung des Wettbewerbs für Hörgeräte, Prothesen, Einlagen, Inkontinenzprodukten, Rollstühlen und anderen Dingen, die den Erfolg der Krankenbehandlung sichern oder die Überwindung von körperlichen Behinderungen ermöglichen. In der Vergangenheit war dieser Ausgabenbereich immer wieder durch Betrug und Preisabsprachen aufgefallen.

Grund für den BVMed die Agentur Weber Shandwick zu beauftragen und zu retten, was noch zu retten ist. Helfen sollen Patientenverbände, die in einem Schreiben (bvmed (pdf, 408 KB)) zur Unterstützung beim Lobbying gegen die beschlossene Regelungen aufgefordert werden. Ziel sei die “Ermöglichung und Etablierung einer bundesweiten Betroffenen-Bewegung“.

Ein Zusammenschluss, genau so, wie man sich die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Selbsthilfegruppen und PR-Agenturen vorstellt. Auf der pdf-DateiListe vom 18. Juni finden sich bisher lediglich 3 Selbsthilfeverbände. Da muss der BVMed sicher in den persönlichen Gesprächen noch nachlegen.


Update
So läuft es: In der Meldung der Ärzte Zeitung wird der BVMed als Initiator und Bezahler nicht mehr erwähnt. Stattdessen darf die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe die Forderungen der Unternehmen vortragen.

EU-Kartelluntersuchungen gegen Pharmabranche wird ausgeweitet

Die Untersuchungen der EU-Kartellwächter gegen Pharmaunternehmen wegen vermuteter Absprachen und Wettbewerbsbehinderungen wurden ausgeweitet. Nachdem Anfang des Jahres die Ermittler rund 100 Unternehmen befragt und Razzien durchgeführt hatten, sind nun medizinische Organisationen wie Verbände von Ärzten, Patienten und Apotheker, oder staatliche Behörden, die Preise für Medikamente aushandeln, an der Reihe.

Der Herald Tribune zufolge könnte sich der Fall zur den umfangreichsten Ermittlungen wegen Kartellverstössen in der Geschichte der EU entwickeln. Nach den Informationen der Zeitung sollen als nächstes Generika-Unternehmen über ihre Vereinbarungen mit Originalherstellern befragt werden, z.B. ob sie gegen Ausgleichszahlungen ihre Markteinführung von Medikamenten nach Auslaufen des Patentschutzes verzögert haben.

Hintergrund ist das Ziel, den Wettbewerb auf dem Pharmamarkt zu verstärken. Verbraucherorganisationen argumentieren, dass die Pharmakonzerne ihre Aktivitäten in den Schutz von Patenten und die Vermarktung von Medikamenten stecken, und durch fehlenden Wettbewerb die Entwicklung neuer Wirkstoffe vernachlässigen würden.

EU-Wettbewerbshüter besuchen Pharmakonzerne

Die Untersuchungen der EU-Kommission zu Wettbewerb-feindlichem Verhalten der Pharmaindustrie hat mit einem Paukenschlag begonnen. Ermittler haben in dem Zusammenhang heute in mehreren Firmen Razzien durchgeführt.

EU-Wettbewerbshüter besuchten unter anderem Geschäftsräume von AstraZeneca, Sanofi-Aventis, Pfizer und GlaxoSmithKline (GSK). In Deutschland ist der Generikahersteller Ratiopharm betroffen. Der Verdacht: Die Pharmakonzerne wollen mit alten Medikamenten Kasse machen und verzögern die Entwicklung neuer Wirkstoffe bzw. die Einführung von Generika.

Die EU-Kommission will herausfinden, ob einige Unternehmen Patente und andere Rechte missbrauchen, um Konkurrenten vom Markt fern zu halten. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte, es gehe um das Sammeln von Informationen, mit dem Ziel den Wettbewerb auf dem Pharmamarkt zu verstärken. Sollte die Ermittlung jedoch Verstösse gegen das EU-Wettbewerbsrecht an den Tag bringen, werde sie nicht zögern, konkrete Kartellverfahren einzuleiten, fügte die EU-Kommissarin an.

Nach Angaben von Reuters waren Pfizer, GlaxoSmithKline (GSK), AstraZeneca, Johnson & Johnson (J&J), Merck & Co und Sanofi-Aventis betroffen. Laut Marketwatch haben Pfizer, GSK, Sandoz und AstraZeneca bestätigt, dass die EU-Kommission sie kontaktiert hat.

Die Untersuchung soll über ein Jahr gehen und ein Bericht im Frühjahr 2009 vorliegen.