Sparen in 5 Sternen

In der WDR-Lokalzeit beklagt sich der Direktor eines Kölner 5-Sterne-Hotels, dass die Pharmaindustrie seine noble Herberge verschmäht. Alles wegen des Pharmakodex. Die Freiwillige Selbstkontrolle, der sich besonders die forschenden Pharmakonzerne unterziehen, sieht 4 Sterne als ausreichend an – selbst wenn diese durch die Verfügbarkeit und der mangelnden Auslastung von Luxushotels teurer sein sollten.

Das “Problem” ist nicht neu und führte zu Kategorien wie “4 Sterne plus”, um Pharmaunternehmen ein gutes Gewissen und den eingeladenen Ärzten trotzdem einen aussergewöhnlich luxuriösen Aufenthalt bei Forbildungen zu ermöglichen.

Ein klassischer Fall für die FDP. Nicht von ungefähr betont der Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbandes in dem WDR-Beitrag, dass stattdessen ein vernüftiger Preis-Leistungsvergleich angestellt werden solle. Die Pharmaindustrie muss sparen. Das geht am besten in 5 Sternen. Dr. Westerwelle, übernehmen Sie!

Treu bis zur Pension

Mühlhauser: Das kann man nicht generalisieren. Es gibt auch in Österreich Professoren, die sich bemühen, wissenschaftsbasiert zu arbeiten.

Euler: Kennt man sie? Wer in Österreich eine Habilitation schreibt, hat einen Sponsor, und dem bleibt er treu bis zur Pension.

Die Gesundheitswissenschaftlerin und Hamburger Professorin Ingrid Mühlhauser und der Präsident des Österreichischen Hausärzteverband, Christian Euler, sprechen im Standard über evidenbasierte vs. eminenzbasierte Medizin in Österreich.

Projekt "Hippokrates" bringt IQWiG-Leiter zu Fall

Die Ablösung des Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Peter Sawicki, war eine lang geplante Aktion. Das legt der Journalist Markus Grill in einem Artikel in der aktuellen Ausgabe des Spiegels nahe. Darin wird unter dem Titel “Operation Hippokrates” geschildert wird, wie der “mächtigste Pharmakritiker des Landes entsorgt” worden ist.

Demnach beginnt dies staatstragend Anfang 2009 mit dem Versuch des US-Pharmaverbandes PhRMA bei der US-Regierung, Deutschland auf die Liste der Schurkenstaaten zu setzen, weil das IQWiG innovative pharmazeutische Produkte verhindere, und endet provinziell im Dezember 2010 mit fragwürdigen Vorwürfen wegen Spesenbetrug. Dazwischen bekannte Informationen, wie die Konferenz der Landeswirtschaftsminister im Juni 2009, die im IQWiG eine Bedrohung der “Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere der heimischen pharmazeutischen Unternehmen” sah, und neue Details, etwa dass schon zwei Tage nach Röslers Ernennung am 30. Oktober die Spesenbeschuldigungslawine rollt – mit Erfolg:

Am 25. November trifft sich der Stiftungsrat wie geplant. Statt die „Wiederbestellung des Institutsleiters“ vorzubereiten, erfährt das Gremium von dem am Abend zuvor bei Hackenberg eingegangenen „Statusbericht“ der Wirtschaftsprüfer. Daraufhin spricht sich der Stiftungsrat nicht wie vorgesehen für Sawicki aus, sondern beauftragt den Vorstand mit weiteren Untersuchungen. Am folgenden Tag findet in Berlin im Bundestagsrestaurant Käfer der Parlamentarische Abend des Gemeinsamen Bundesausschusses statt. Ab 20.30 Uhr zeigen sich die Gäste, darunter auch Gesundheitsstaatssekretär Bahr (FDP) und Staatssekretärin Widmann-Mauz (CDU). Eines der Plauderthemen ist die geplante Ablösung Sawickis. In derselben Woche trifft Sawicki auf einer Veranstaltung einen Repräsentanten des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller, der Lobbygruppe der großen Pharmakonzerne, der bereits weiß, dass sein Vertrag wohl nicht verlängert werde. Dabei ist zu dieser Zeit noch in keiner Zeitung eine Notiz erschienen, dass es überhaupt eine Untersuchung gebe.

Das Angebot der Prüfgesellschaft BDO fungierte unter der Bezeichnung “Projekt Hippokrates” und wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, obwohl die beim IQWiG gültige Verfahrensordnung vorsieht, dass alle Aufträge ab einem Nettowert von 12.500 Euro ausgeschrieben werden müssen.

Besonders im Focus des Spiegel-Artikels: Das Gesundheitskleeblatt, das Gesundheitsminister Philipp Rösler (Dr. med.), die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Daniel Bahr (MBA) und Annette Widmann-Mauz (ohne Abschluss) und der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn (B.A.) bilden. Während die drei Herren aus ihrer Ablehnung gegen das IQWiG und dessen Leiter keinen Hehl gemacht haben, schweigt die CDU-Staatssekretärin im Gesundheitsministerium.

… will sich nicht dazu äußern, ob auch sie damals hinter den Forderungen nach einer Ablösung Sawickis stand. Neben dem neuen Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) und Spahn, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CDU, gilt sie als eine der Strippenzieherinnen. Fragen um Fall Sawicki beantwortet sie nicht. In der Vergangenheit ist die schwäbische CDU-Abgeordnete vor allem durch ihre Nähe zu den privaten Krankenversicherungen aufgefallen. So sitzt sie in Gremien der Halleschen Krankenversicherung, der Gothaer Versicherungsbank und der privaten Paracelsus-Kliniken.

Wie immer man zu dem IQWiG oder seinem Noch-Leiter stehen mag. Seine Ablösung war reine Machtpolitik, ohne Rücksicht auf das in den vergangenen fünf Jahren erarbeitete internationale Ansehen des Instituts. Der Nachfolger wird gegen das Vorurteil zu kämpfen haben, eine Marionette der Gesundheitspolitik zu sein. Wenn sich denn ein respektabler Kandidat findet, der diesen aussichtslosen Kampf überhaupt aufnehmen will.

Interessenskonflikte in der Menopause

In der NY Times hatten Ende letzten Jahres zwei Journalisten das Marketing von Wyeth bei der Hormontherapie in den Wechseljahren unter dem Titel “Menopause, as Brought to You by Big Pharma” aufgearbeitet.

Im Internet-Fachportal Medscape beklagt sich nun der Gynäkologe Prof. James Simon über die tendenziöse und inhaltlich falsche Berichterstattung der Journalisten: “A Sad Commentary on the State of Medical Journalism for the Lay Press”. Dabei geht er auf die wissenschaftlichen Fakten ein und zitiert die Empfehlungen der North American Monopause Society (NAMS).

Ein Geplänkel jenseits des Atlantiks. Es zeigt jedoch, warum die Pharmaindustrie jedes Vertrauen verspielt hat, was auch hierzulande derzeit sich bei der gesundheitspolitischen Diskussion in den oft gerechtfertigten, aber zum Teil auch überzogenen Angriffen in den Medien widerspiegelt.

Die North American Monopause Society finanziert sich zu über 50% aus “Educational grants and sponsorship and exhibit fees” von Unternehmen, was nur dem Jahresbericht und nicht sehr transparent zu entnehmen ist. Die Sponsorenliste ist lang:

Alliance for Better Bone Health
Amerifit Nutrition, Inc.
Amgen USA
Ascend Therapeutics
Bayer HealthCare Pharmaceuticals Inc.
Bellevue Pharmacy Solutions
BioSante Pharmaceuticals, Inc.
Breckenridge Pharmaceutical, Inc.
Duramed Pharmaceuticals, Inc.
Élégance Woman’s Lubricant
Eli Lilly and Company
Elsevier/Saunders/Mosby
Endo Pharmaceuticals
Enzymatic Therapy, Inc.
Genova Diagnostics
GlaxoSmithKline
Graceway Pharmaceuticals, LLC
Helm Pharmaceuticals, Inc.
Medscape
National Women’s Health
Resource Center
Novartis Pharmaceuticals Corporation
Novo Nordisk Inc.
Novogyne Pharmaceuticals
Pfizer Inc.
Procter & Gamble Pharmaceuticals
Roche
Sciele Pharma
Solvay Pharmaceuticals, Inc.
Ther-Rx Corporation
University of Pittsburgh Medical Center
Upsher-Smith Laboratories, Inc.
Warner Chilcott
Wyeth Pharmaceuticals

Darunter auch: Medscape. Damit nicht genug. Prof. Simon hängt seinem Artikel eine beeindruckende Liste von potentiellen Interessenskonflikten an:

Served as an advisor or consultant for: Allergan, Inc.; Alliance for Better Bone Health; Amgen Inc.; Ascend Therapeutics; Azur Pharma, Inc.; Bayer HealthCare Pharmaceuticals; BioSante Pharmaceuticals; Boehringer Ingelheim Pharmaceuticals, Inc.; Concert Pharmaceuticals; Corcept Therapeutics Inc.; Depomed, Inc.; GlaxoSmithKline; Graceway Pharmaceuticals, LLC; KV Pharmaceutical; Lipocine, Inc.; Meditrina Pharmaceuticals; Merck & Co., Inc.; Merrion Pharmaceuticals; Nanma/Tripharma/Trinity; NDA Partners, Inc.; Novo Nordisk; Novogyne; Pear Tree Pharmaceuticals; QuatRx Pharmaceuticals; Roche; Schering-Plough Corporation; Sciele Pharma, Inc.; Solvay Pharmaceuticals, Inc.; Teva Neuroscience, Inc.; Ther-Rx Corporation; Warner Chilcott; Wyeth Pharmaceuticals Inc.
Served as speaker or a member of a speakers bureau for: Amgen Inc.; Ascend Therapeutics; Bayer HealthCare Pharmaceuticals; Boehringer Ingelheim Pharmaceuticals, Inc.; GlaxoSmithKline; KV Pharmaceutical; Merck & Co., Inc.; Novartis Pharmaceuticals Corporation; Novogyne; Sciele Pharma, Inc.; Teva Neuroscience, Inc.; Ther-Rx Corporation; Warner Chilcott; Wyeth Pharmaceuticals Inc.
Received grants for clinical research from: Biosante Pharmaceuticals; Boehringer Ingelheim Pharmaceuticals, Inc.; FemmePharma Global Healthcare, Inc.; GlaxoSmithKline; Nanma/Tripharma/Trinity; Novartis Pharmaceuticals Corporation; Procter & Gamble; QuatRx Pharmaceuticals; Teva Neuroscience, Inc.

Während die wissenschaftliche Direktorin von Medscape und Mitautorin des Kommentars keine relevanten finanziellen Beziehungen angibt. Medscapes Zuwendungen an die NAMS gehören also nicht dazu.

Da könnte glatt ein Kommentar geschrieben werden mit dem Titel: “A Sad Commentary on the State of Medical Journalism for the Professional Press”.

In Deutschland wies der Medizinjournalist Klaus Koch bereits 2003 in der Mitgliederzeitschrift der Berliner Ärztekammer in einem pdf-DateiArtikel auf die engen Beziehungen zwischen Ärzten und Industrie hin:

Auch die führenden deutschen Hormonexperten haben solch enge Verbindung zur Industrie. Es gibt in Deutschland praktisch keinen Hormon-Experten, der
nicht bereits Geld von der Pharmaindustrie erhalten hat.

Nur ein Beispiel für die Aussage von Peter Sawicki Die Pharmaindustrie beeinflusst alle.

GSK Österreich ist weiblich

Unsere Homepage ist weiblich.
Wir haben uns für die weibliche Form der Anrede entschieden. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Gesundheitsbranche weiblich ist. In Österreich gibt es 87 % Pflegerinnen in Krankenhäusern, 78 % Apothekerinnen und „nur“ 42 % berufsausübende Ärztinnen, jedoch 60,2 % Medizin-Absolventinnen. Bei uns selbst liegt der Frauenanteil bei 70 %. Selbstverständlich wenden wir uns damit genauso an die männliche Bevölkerung.

So begrüsst die Internetseite von GlaxoSmithKline Österreich die Nutzerinnen. Was eine Frau an der Spitze bewirken kann…

Arzneimittelpreise: "Siehe Antwort auf Frage 2"

Die Bundestagsfraktion der Linken wollte von der Bundesregierung wissen, was diese über die Arzneimittelpreise im Ausland im Vergleich zu Deutschland weiss. Ziemlich wenig, wie der Antwort auf die pdf-DateiKleine Anfrage zu “Nationalen und internationalen Regelungen zur Arzneimittelpreisbildung” zeigt.

Da die deutschen Arzneimittelpreise zum Teil eine Grundlage für Preisgestaltungen in anderen Staaten darstellen, sei es auch von internationaler Bedeutung, ob die Vielzahl an Regelungen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben Einfluss auf die offiziellen deutschen Herstellerabgabepreise hätten, so die Begründung für die Initiative.

Gleich auf die zweite Frage nach Positivlisten in anderen Ländern muss das Bundesgesundheitsministerium passen:

Die Bundesregierung führt kein Register über Preisregulierungen und Erstattungsregelungen in anderen Ländern und verweist auf entsprechende Fachveröffentlichungen.

Die folgenden 13 Fragen hätte sich die Linksfraktion schenken können. Sieben Mal wird lapidar verwiesen

Siehe Antwort auf Frage 2.

Die restlichen Antworten zeugen auch nicht von Durchblick, sondern signalisieren: Arzneimittelpreise im Ausland? Interessiert uns nicht.

Schelmexperten-Challenge

Crowdsourcing bei der Ideensuche für Lösungen in der Medizin: The 2010 DiabetesMine Design Challenge.

Wäre eine Gelegenheit für die Schelmexperten des sozialen Internets, die es auch und besonders im Bereich Medizin und Gesundheit gibt, zu beweisen, dass sie nicht nur heisse Luft produzieren und sich virtuell auf auf Twitter und real-life auf Tagungen gegenseitig auf die Schulter klopfen können. Aber dazu müsste sie ja Ahnung von den Defiziten in der Gesundheitsversorgung und “unmet needs” haben – und die liegen nicht in der Verbesserung des Marketings für die Pharma- und Medizintechnikindustrie durch “Social Media”.